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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.06.2022, RV/7103271/2018

Akteneinsicht durch Widerspruchswerber i.S.d. § 14 AbgEO; (ausdrücklicher) Antrag des Widerspruchswerbers auf Erlassung eines Bescheides

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7103271/2018-RS1
Beantragt ein Dritter (hier: Widerspruchswerber i.S.d. § 14 AbgEO) Einsicht in bestimmt bezeichnete Teile des Vollstreckungsaktes und kommt eine Einsichtnahme in diese Teile nicht infrage, weil sie nicht existieren bzw. weil der Dritte sein rechtliches Interesse i.S.d. § 25 AbgEO nicht glaubhaft machen kann, ist eine Umdeutung des Anbringens in einen Antrag auf Einsichtnahme in andere Aktenteile nicht möglich.
RV/7103271/2018-RS2
Über einen Widerspruch Dritter i.S.d. § 14 AbgEO hat grundsätzlich kein Bescheid (auch kein zurückweisender) zu ergehen, sondern kann die Behörde dem Widerspruchswerber nur durch Parteierklärung ohne Bescheidcharakter mitteilen, dass sie seinen Widerspruch für unberechtigt hält. Beantragt der Widerspruchswerber jedoch ausdrücklich einen Bescheid für den Fall, dass die Vollstreckung nicht eingestellt wird, ist dieser Antrag als unzulässig zurückzuweisen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch Waltl u Partner Rechtsanwälte GnbR, Bodenlehenstraße 2-4, 5500 Bischofshofen, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom betreffend Akteneinsicht, Aufhebung einer Beschlagnahme/Pfändung und Ausfolgung eines Bargeldbetrages, Steuernummer ***BFStNr*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Schriftsatz vom stellte die Beschwerdeführerin Anträge auf

1. Übermittlung einer "Ausfertigung des Beschlagnahme-/Pfändungsprotokolls sowie des angeblich erlassenen Bescheides vom " (BFG-Zahl: RV/7103271/2018)

2. Aufhebung der Beschlagnahme/Pfändung hinsichtlich eines Betrages von € 15.116,11 (BFG-Zahl: RV/7103273/2018)

3. Ausfolgung/Überweisung des Betrages von € 15.116,11 (BFG-Zahl: RV/7103272/2018)

Hinsichtlich der beiden letztgenannten Anträge, die sie mit Schriftsatz vom wiederholte, stellte sie jeweils einen Eventualantrag auf Erlassung eines Bescheides für den Fall der Ablehnung der beantragten Aufhebung der Beschlagnahme/Pfändung bzw. der Ausfolgung. Der genannte Bargeldbetrag sei im März 2017 in den Räumlichkeiten der ***AbgPfl*** beschlagnahmt/gepfändet worden und stamme aus Spielautomaten, die die Beschwerdeführerin in diesen Räumlichkeiten aufgestellt hatte. Das Bargeld stehe daher in ihrem Eigentum. Dem war eine längere Korrespondenz der Beschwerdeführerin mit der belangten Behörde vorausgegangen, durch welche die Beschwerdeführerin vergeblich versuchte, die Herausgabe des Bargeldes zu erreichen. Erstmals hatte sie mit Schreiben vom das Eigentum an dem Bargeldbetrag behauptet und dessen Rückerstattung gefordert.

1. Antrag auf Übermittlung einer "Ausfertigung des Beschlagnahme-/Pfändungsprotokolls sowie des angeblich erlassenen Bescheides vom "

Mit Ergänzungsersuchen vom forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin z.H. ihrer anwaltlichen Vertreter unter Hinweis auf § 25 AbgEO auf, ihren Antrag bis dahingehend zu ergänzen, dass ein rechtliches Interesse an der begehrten Einsicht- und Abschriftnahme dargetan wird, sowie die Vollmacht für die anwaltlichen Vertreter vorzulegen. Mit Schriftsatz vom legte die Beschwerdeführerin die geforderte Vollmacht vor, erstattete jedoch zum rechtlichen Interesse an der Akteneinsicht kein Vorbringen.

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag auf Akteneinsicht ab, da die Beschwerdeführerin trotz Ergänzungsersuchen vom kein rechtliches Interesse an der begehrten Akteneinsicht glaubhaft gemacht habe.

Dagegen richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom , in welcher die Beschwerdeführerin zunächst klarstellt, dass ihre Anträge als Widerspruch gemäß § 14 AbgEO zu werten seien. Schon allein daraus ergebe sich das rechtliche Interesse, da die Beschwerdeführerin in ihrem Eigentumsrecht betroffen sei. Ohne Kenntnis vom Verfahren/Akteninhalt könne sie nicht beurteilen, welche rechtlichen Maßnahmen zur Verfolgung ihrer Ansprüche einzuleiten sind.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Sie ging nach wie vor davon aus, dass die Beschwerdeführerin ihr rechtliches Interesse an der Akteneinsicht nicht glaubhaft gemacht habe. Dieses sei auch nicht aus dem gestellten Antrag abzuleiten. Zudem könnte der Beschwerdeführerin im Hinblick auf § 48a BAO eine allfällige Akteneinsicht nur sehr eingeschränkt gewährt werden und dürfte ihr etwa nicht bekannt gegeben werden, für welche Abgabenverbindlichkeiten und aus welchen Gründen die Vollstreckungsmaßnahme erfolgte.

Mit Schriftsatz vom stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag).

2. Antrag auf Aufhebung der Beschlagnahme/Pfändung hinsichtlich eines Bargeldbetrages von € 15.116,11

Mit weiterem Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag auf Aufhebung der Beschlagnahme/Pfändung als unzulässig zurück. Begründend führte sie aus, dass ein solcher Antrag in der Abgabenexekutionsordnung nicht vorgesehen sei. Selbst wenn die Eingaben als Anträge gemäß § 16 AbgEO gewertet würden, wären sie mangels Aktivlegitimation zurückzuweisen, da zu deren Einbringung nur der Abgabenschuldner berechtigt sei.

Dagegen richtet sich die weitere gegenständliche Beschwerde vom , in welcher die Beschwerdeführerin ebenfalls klarstellt, dass ihre Anträge als Widerspruch gemäß § 14 AbgEO zu werten seien. Ein solcher Widerspruch stehe nicht nur dem Abgabenschuldner, sondern auch demjenigen zu, der Eigentum an einem beschlagnahmten/gepfändeten Gegenstand behauptet, da es der Abgabenschuldner sonst in der Hand hätte, die Durchsetzung des Eigentumsanspruches zu verhindern, indem er untätig bleibt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Sie ging davon aus, dass die Eingaben vom und nicht als Widerspruch i.S.d. § 14 AbgEO zu werten seien, da deren Begehren ausdrücklich auf die Aufhebung der Beschlagnahme/Pfändung gerichtet sei. Ein Widerspruch i.S.d. § 14 AbgEO sei vielmehr bereits (im Rahmen der Vorkorrespondenz) mit Anbringen vom gestellt und seitens der belangten Behörde abgelehnt worden. Eine - ohnedies nicht vorzunehmende - Umdeutung der Eingaben vom und in einen Antrag nach § 16 AbgEO würde zu keinem anderen Ergebnis führen, der die Beschwerdeführerin für einen solchen Antrag nicht aktiv legitimiert wäre.

Mit weiterem Schriftsatz vom stellte die Beschwerdeführerin auch diesbezüglich den Antrag auf Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag).

3. Antrag auf Ausfolgung/Überweisung eines Bargeldbetrages von € 15.116,11

Mit einem dritten Bescheid vom wies die belangte Behörde die Eingaben vom und auch hinsichtlich des Ausfolgungs-/Überweisungsantrages als unzulässig zurück, da auch einen solchen Antrag nur der Abgabenschuldner selbst stellen könne, sodass die Beschwerdeführerin nicht aktiv legitimiert sei.

Dagegen richtet sich die (dritte) gegenständliche Beschwerde vom , in welcher die Beschwerdeführerin ebenfalls festhält, dass ihre Anträge als Widerspruch gemäß § 14 AbgEO zu werten seien. Ein solcher Widerspruch stehe - wie sich aus § 14 Abs. 2 AbgEO ergebe - auch demjenigen zu, der Eigentum an einem beschlagnahmten/gepfändeten Gegenstand behauptet. Dies sei nicht von der Zustimmung oder von Verhaltensweisen des Abgabenschuldners abhängig.

Mit (einer dritten) Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde auch diese Beschwerde als unbegründet ab. Sie führt aus, dass durch den Verweis der Beschwerdeführerin auf die Möglichkeit einer Exszindierungsklage (§ 14 Abs. 2 AbgEO) nichts gewonnen sei, da selbst im Falle eines klagsstattgebenden Exszindierungsurteiles nicht der Exszindierungskläger, sondern nur der Verpflichtete (der Abgabenschuldner) berechtigt wäre, die Rückzahlung/Ausfolgung des gegenständlichen Geldbetrages zu beantragen.

Mit (einem dritten) Schriftsatz vom stellte die Beschwerdeführerin auch diesbezüglich den Antrag auf Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag).

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Am unterfertigten die Beschwerdeführerin als Aufstellerin und ***N.N.*** als Lokalinhaber (wobei ***N.N.*** als "Geschäftsführer" und das Lokal als "***X.Y.***" bezeichnet wird) eine als "Automaten-Aufstellvertrag" bezeichnete Urkunde. In Pkt. 1. dieser Urkunde wird festgehalten, dass die Beschwerdeführerin berechtigt ist, in dem (nicht von ihr betriebenen) Lokal in ***AbgPfl-Adr***, Spiel-, Musik, Unterhaltungs- und sonstige Apparate aufzustellen; der Lokalinhaber soll als Gegenleistung eine Beteiligung an den mit den Automaten erzielten Einnahmen erhalten. Die Automaten sollen vereinbarungsgemäß im uneingeschränkten Eigentum der Beschwerdeführerin bleiben, der auch der gesamte Kasseninhalt zusteht (Pkt. 7.). Von der Beschwerdeführerin wurden vier Wettautomaten im Lokal aufgestellt.

Am wurde der ***AbgPfl*** im Lokal in ***AbgPfl-Adr***, aufgrund eines Sicherstellungsauftrages der belangten Behörde vom Bargeld abgenommen, darunter auch jenes Bargeld, von dem die Beschwerdeführerin behauptet, es sei ihr Eigentum. Fahrnisse wurden nicht gepfändet. Ein Pfändungsprotokoll wurde nicht errichtet. Über die abgenommenen Bargeldbeträge wurden der Abgabepflichtigen Quittungen ausgestellt.

Beweiswürdigung

Die Feststellungen zu der als "Automaten-Aufstellvertrag" bezeichneten Urkunde gründen sich auf die diesbezügliche Urkunde vom , welche die Beschwerdeführerin im Abgabenverfahren vorgelegt hat. Dass die Beschwerdeführerin vier Wettautomaten im Lokal ***AbgPfl-Adr***, aufgestellt hat, ergibt sich aus den diesbezüglichen (ebenfalls von der Beschwerdeführerin vorgelegten) Anmeldungen der Geräte beim Amt der Salzburger Landesregierung. Die Feststellungen zum Sicherstellungsauftrag vom sowie zur Bargeldabnahme vom ergeben sich schließlich aus dem genannten Sicherstellungsauftrag samt Vollstreckungsauftrag und den Quittungen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

1. Antrag auf Übermittlung einer "Ausfertigung des Beschlagnahme-/Pfändungsprotokolls sowie des angeblich erlassenen Bescheides vom "

Gem. § 232 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabenpflicht knüpfen, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen. Ein solcher Sicherstellungsauftrag ist Grundlage für das finanzbehördliche und gerichtliche Sicherungsverfahren (§ 233 Abs. 1 BAO). Gem. § 78 Abs. 1 AbgEO kann aufgrund eines Sicherstellungsauftrages zur Sicherung von Abgaben schon vor Eintritt der Rechtskraft oder vor Ablauf der für die Leistung bestimmten Frist die Vornahme von Vollstreckungshandlungen angeordnet werden. Auf diese Vollstreckungshandlungen sind abgesehen von einigen - hier nicht relevanten - Besonderheiten die Bestimmungen über das abgabenbehördliche Vollstreckungsverfahren (§§ 4 bis 77 AbgEO) sinngemäß anzuwenden (§ 78 Abs. 2 u. 3 AbgEO).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde aufgrund des Sicherstellungsauftrages vom auch jenen Bargeldbetrag abgenommen, an dem die Beschwerdeführerin Eigentum behauptet. Neben dem Antrag auf Übermittlung des Beschlagnahme-/Pfändungsprotokolls und des Bescheides vom hat die Beschwerdeführerin auch Anträge auf Aufhebung der Beschlagnahme/Pfändung sowie auf Ausfolgung/Überweisung dieses Geldbetrages gestellt, in eventu - also wenn die primär beantragte Aufhebung und Ausfolgung nicht erfolgen sollte - auf Erlassung eines Bescheides (gemeint offenbar: ein Bescheid, mit welchem über die primären Anträge auf Aufhebung und Ausfolgung abgesprochen wird). Angesichts dessen, dass die Beschwerdeführerin mit der Behauptung, der gepfändete Bargeldbetrag stünde in ihrem Eigentum, letztlich die Ausfolgung des Geldbetrages und damit die Rückgängigmachung der vorgenommenen Vollstreckungshandlung anstrebt, ist der Antrag vom (einschließlich der Wiederholung vom ) seinem Inhalt nach - wie die Beschwerdeführerin in den Beschwerden auch ausdrücklich festhält - unzweifelhaft als Widerspruch i.S.d. § 14 AbgEO zu werten (s. auch unten Pkt. 2.).

Gemäß § 25 Abs. 1 AbgEO kann der Abgabenschuldner Einsicht in die das Vollstreckungsverfahren betreffenden Akten begehren und auf seine Kosten von einzelnen Aktenstücken Abschriften verlangen. Eine solche Einsicht- und Abschriftnahme kann vom Vorstand der Abgabenbehörde auch dritten Personen gestattet werden, soweit sie ein rechtliches Interesse glaubhaft machen und keine zu beachtende Geheimhaltungspflicht entgegensteht. Ein solches rechtliches Interesse wird insbesondere Personen zuzubilligen sein, die gemäß § 14 AbgEO Widerspruch gegen eine Vollstreckungshandlung erhoben haben (vgl. Liebeg, AbgEO, Rz 2 zu § 14). Im vorliegenden Fall ist daher ein rechtliches Interesse der Beschwerdeführerin grundsätzlich zu bejahen, da sie ihr (behauptetes) Eigentum geltend machen will und nähere Informationen über den Vollstreckungsvorgang dafür maßgeblich sein können, ob, gegen wen und welche Art von Anspruch sie geltend machen kann. So kann es etwa vom Bedeutung sein, ob der von ihr beanspruchte Bargeldbetrag mit anderem Bargeld vermischt wurde sowie gegebenenfalls ob dies vor oder nach der Abnahme durch das Vollstreckungsorgan geschehen ist. Davon hängt ab, ob sie einen Eigentumsanspruch oder einen sonstigen (schuldrechtlichen) Anspruch geltend zu machen hat und gegen wen (Vertragspartner oder Rechtsträger der Vollstreckungsbehörde) sich allfällige Ansprüche richten könnten.

Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin die Übermittlung einer Ausfertigung des Beschlagnahme-/Pfändungsprotokolls beantragt. Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass eine Beschlagnahme nicht stattgefunden hat. Bei der Beschlagnahme handelt es sich um die (grundsätzlich bescheidmäßige) Sicherstellung von verfallsbedrohten Gegenständen bzw. von Gegenständen, die als Beweismittel in Betracht kommen (§ 89 FinStrG). Der gegenständliche Bargeldbetrag ist weder vom Verfall bedroht, noch kommt er als Beweismittel in Betracht, und wurde demnach auch keine Beschlagnahme ausgesprochen, sodass kein Beschlagnahmeprotokoll errichtet wurde. Der Geldbetrag wurde auch nicht gepfändet. Da durch Bargeld, welches beim Abgabepflichtigen vorgefunden wird, Abgabenverbindlichkeiten unmittelbar beglichen werden können und dieses nicht erst - wie Fahrnisse - durch Verkauf verwertet werden muss, ist es durch das Vollstreckungsorgan lediglich abzunehmen, wodurch die Abgabe als entrichtet gilt (§ 211 Abs. 1 Z. 5 BAO). Es ist daher nicht durch Verzeichnung in einem Pfändungsprotokoll zu pfänden (vgl. RPflE 1969/207 zur vergleichbaren Bestimmung des § 261 EO). Selbst wenn im vorliegenden Fall ein Pfändungsprotokoll errichtet worden wäre (was voraussetzen würde, dass auch Fahrnisse gepfändet wurden), wäre die Abnahme des Geldes darin nicht erwähnt und würde dieses daher keine für die Beschwerdeführerin verwertbaren Informationen in Bezug auf den gegenständlichen Bargeldbetrag enthalten, sodass ein rechtliches Interesse i.S.d. § 25 Abs. 1 AbgEO an der Einsichtnahme in ein Pfändungsprotokoll zu verneinen wäre. Gegenständlich wurden zudem keine Fahrnisse gepfändet, sondern ausschließlich Bargeld abgenommen, sodass ein Pfändungsprotokoll, in das die Beschwerdeführerin Einsicht nehmen könnte, gar nicht errichtet wurde. Der Antrag auf Übermittlung einer Ausfertigung des Beschlagnahme-/Pfändungsprotokolls scheitert daher schon allein daran, dass ein derartiges Protokoll nicht existiert.

Weiters hat die Beschwerdeführerin die Übermittlung des "angeblich erlassenen Bescheides vom " beantragt. Bei diesem Bescheid handelt es sich offenkundig um den Sicherstellungsauftrag, zumal - soweit ersichtlich - an diesem Tag kein anderer Bescheid mit Bezug zu dem gegenständlichen Vollstreckungsverfahren erlassen wurde (bei dem gleichzeitig erlassenen Vollstreckungsauftrag handelt es sich nicht um einen Bescheid, sondern um einen behördeninternen, nicht normativen Rechtsakt: ; , 91/17/0137; , 2009/16/0105). Ein Sicherstellungsauftrag hat gemäß § 232 Abs. 2 BAO zu enthalten:

- die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld

- die Gründe, aus denen sich die Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgabe ergibt

- den Vermerk, dass die Anordnung der Sicherstellung sofort in Vollzug gesetzt werden kann

- die Bestimmung des Betrages, durch dessen Hinterlegung der Abgabepflichtige erwirken kann, dass Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogenen Maßnahmen aufgehoben werden.

Der Sicherstellungsauftrag enthält sohin keine Informationen, die der Beschwerdeführerin bei der Verfolgung ihrer Ansprüche von Nutzen sein könnten. Nachdem er zeitlich vor der Vollstreckung vom erlassen wurde, kann er (naturgemäß) insbesondere keine Informationen zum Vollstreckungsvorgang enthalten. Es ist daher auch ein rechtliches Interesse an der Einsichtnahme in den Sicherstellungsauftrag zu verneinen. Zudem steht der Einsichtnahme entgegen, dass der Sicherstellungsauftrag - abgesehen von allgemeinen Ausführungen (Darstellung der Rechtslage) - mit den o.a. Angaben ausschließlich Informationen enthält, die der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht (§ 48a BAO) und damit einer "zu beachtenden Geheimhaltungspflicht" i.S.d. § 25 Abs. 1 AbgEO unterliegen.

Da die Beschwerdeführerin ihren Antrag ausdrücklich auf das "Beschlagnahme-/Pfändungsprotokoll" und den "angeblich erlassenen Bescheid vom " beschränkt hat, kommt angesichts dieses eindeutigen Inhaltes eine Umdeutung des Anbringens (etwa in einen Antrag auf Einsichtnahme in die anlässlich der Abnahme ausgestellten Quittungen oder in den gesamten Vollstreckungsakt) nicht infrage (vgl. ; , Ra 2020/15/0047; , Ra 2020/13/0099). Der Antrag wurde daher zutreffend abgewiesen.

Hinzu kommt, dass, selbst wenn ein Anspruch auf Akteneinsicht zu bejahen sein sollte, diese nicht in der Form zu geschehen hätte, dass der Beschwerdeführerin - wie von ihr beantragt - Ausfertigungen der begehrten Aktenstücke übermittelt werden, sondern dergestalt, dass die Beschwerdeführerin bzw. ihre Vertretung bei der belangten Behörde erscheint und dort Einsicht nimmt (; , 91/15/0005; , 94/16/0232; , 95/15/0120; , 97/14/0121).

2. Antrag auf Aufhebung der Beschlagnahme/Pfändung hinsichtlich eines Bargeldbetrages von € 15.116,11

Die Beschwerdeführerin beantragt weiters die Aufhebung der Beschlagnahme/Pfändung, in eventu - also wenn die primär beantragte Aufhebung nicht erfolgen sollte - die Erlassung eines Bescheides (gemeint offenbar: eines Bescheides, mit welchem über den Antrag abgesprochen wird). Wie bereits ausgeführt, ist der Antrag als Widerspruch i.S.d. § 14 AbgEO zu werten. Soweit die belangte Behörde dies verneint, da der Antrag ausdrücklich auf Aufhebung der Beschlagnahme/Pfändung lautet, ist festzuhalten, dass es für die Beurteilung von Anbringen nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen ankommt, sondern auf deren Inhalt, also das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes. Parteierklärungen sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, d.h. es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss (Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl., Rz 1 zu § 85 m.w.N.). Angesichts dessen, dass die Beschwerdeführerin mit der Behauptung, der gepfändete Bargeldbetrag stünde in ihrem Eigentum, die Rückgängigmachung der vorgenommenen Vollstreckungshandlung anstrebt, besteht für das Gericht kein Zweifel, dass der Antrag vom (einschließlich der Wiederholung vom ) seinem Inhalt nach als Widerspruch i.S.d. § 14 AbgEO zu werten ist. Ein solcher Widerspruch ist formfrei und erfordert nicht die Stellung von bestimmten Anträgen oder Formulierungen. Grundsätzlich reicht jede Mitteilung an die Behörde, wonach die von einer Vollstreckungsmaßnahme betroffene Sache im Eigentum des Widerspruchswerbers steht. Der Widerspruch kann auch grundsätzlich beliebig oft wiederholt werden. Dass bereits frühere Eingaben der Beschwerdeführerin (wie etwa das von der belangten Behörde ausdrücklich angeführte Schreiben vom ) als Widerspruch zu werten sind, steht daher einer Qualifikation des Schriftsatzes vom als (neuerlicher) Widerspruch nicht entgegen.

Gem. § 14 Abs. 1 AbgEO kann jemand, der an einem durch die Vollstreckung betroffenen Gegenstand ein Recht behauptet, welches die Vornahme der Vollstreckung unzulässig machen würde (wie z.B. das Eigentumsrecht) Widerspruch gegen die Vollstreckung erheben. Trägt die Behörde einem solchen Widerspruch nicht dadurch Rechnung, dass sie die Vollstreckung auf den betroffenen Gegenstand einstellt, ist der Widerspruch mittels Klage bei jenem Bezirksgericht geltend zu machen, in dessen Sprengel sich zur Zeit der Klagseinbringung der betroffene Gegenstand befindet. Wird der Klage stattgegeben, ist die Vollstreckung einzustellen (§ 14 Abs. 2 bis 4 AbgEO). Das Eigentumsrecht Dritter an einer von der abgabenbehördlichen Vollstreckung betroffenen beweglichen körperlichen Sache ist daher nicht im Abgabenverfahren, sondern im ordentlichen Rechtsweg vor dem Zivilgericht geltend zu machen (Exszindierungsklage). Die Abgabenbehörde kann lediglich - wenn sie den Widerspruch für berechtigt hält - die Vollstreckung einstellen, ist jedoch nicht befugt, mit Bescheid über den Widerspruch abzusprechen (; , 0324/51; , 2961/51). Grundsätzlich ist über einen Widerspruch auch kein zurückweisender Bescheid zu erlassen, sondern kann die Behörde dem Widerspruchswerber entweder durch bloße Parteierklärung mitteilen, dass sie seinen Widerspruch für unberechtigt hält, oder überhaupt ohne jede Erklärung die Vollstreckungsmaßnahme fortsetzen. Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin jedoch ausdrücklich die Erlassung eines Bescheides für den Fall beantragt, dass die Vollstreckungsmaßnahme nicht aufgehoben wird. Da ein derartiger Bescheid nicht vorgesehen ist, war der diesbezügliche Antrag der Beschwerdeführerin unzulässig und wurde zu Recht zurückgewiesen (vgl. ; Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl., Rz 7 zu § 85a).

Nachdem die Beschwerdeführerin in der Beschwerde klargestellt hat, dass es sich bei Ihrer Eingabe vom um einen Widerspruch gemäß § 14 AbgEO handelt, kann dahingestellt bleiben, ob sie zu einem Einstellungsantrag i.S.d. § 16 AbgEO legitimiert gewesen wäre. Es ist daher lediglich der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass hier ohnedies keiner der in dieser Gesetzesstelle (taxativ) aufgezählten Einstellungsgründe vorliegen würde. Insbesondere hat die Beschwerdeführerin - wie sich aus ihrer Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid betreffend Ausfolgung/Überweisung des Betrages von € 115.116,11, wonach ihr der zivilrechtliche Weg der Klage offen stünde (S. 3 oben) - offenkundig noch keine Exszindierungsklage eingebracht, sodass jedenfalls nicht der Fall des § 16 Abs. 1 Z. 4 AbgEO (Unzulässigerklärung der Vollstreckung durch rechtskräftige Entscheidung aus anderen Gründen; hier: durch ein klagsstattgebendes Exszindierungsurteil) vorliegen kann.

3. Antrag auf Ausfolgung/Überweisung eines Bargeldbetrages von € 15.116,11

Letztlich beantragt die Beschwerdeführerin die Ausfolgung/Überweisung des Geldbetrages von € 15.116,11, in eventu auch hier die Erlassung eines Bescheides. Auch diesem Antrag, der - wie der Antrag auf Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme - als Widerspruch i.S.d § 14 AbgEO zu werten ist, steht entgegen, dass über Widersprüche Dritter nicht im Abgabenverfahren, sondern im ordentlichen Rechtsweg zu entscheiden ist (s. Pkt. 2.). Auch über diesen Antrag durfte daher kein Bescheid ergehen; der von der Beschwerdeführerin ausdrücklich beantragte Bescheid ist nicht vorgesehen, sodass der diesbezügliche Antrag unzulässig war und zu Recht zurückgewiesen wurde.

Soweit die belangte Behörde die Beschwerdeführerin als nicht antragslegitimiert erachtet, ist ihr insoweit beizupflichten, als ein lediglich gegenüber dem betreibenden Gläubiger (bzw. hier: gegenüber der Republik Österreich) ergangenes stattgebendes Exszindierungsurteil dem Kläger (Eigentümer) keinen direkten Herausgabeanspruch verschaffen würde. Gegenstand der Exszindierungsklage ist lediglich die Feststellung des Eigentumsrechtes und daraus resultierend die Beseitigung (Einstellung) der Anlassexekution (Rechtsgestaltungsklage). Über die Ausfolgung der exszindierten Sache ist erst nach Einstellung der Exekution zu entscheiden. Grundsätzlich ist sie dem Verpflichteten/Abgabenschuldner auszufolgen. Ob der siegreiche Exszindierungskläger einen Anspruch auf Übergabe der Sache hat, betrifft das Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem Verpflichteten/Abgabenschuldner und ist erforderlichenfalls zwischen diesen Personen zu klären. Allerdings eröffnet § 14 Abs. 2 AbgEO dem Eigentümer die Möglichkeit, seine Klage auch gegen den Abgabenschuldner zu richten (Leistungsklage) und ist die gepfändete Sache diesfalls - sofern der Kläger sowohl gegenüber dem betreibenden Gläubiger (hier: gegen die Republik Österreich) als auch gegenüber dem Verpflichteten/Abgabenschuldner obsiegt - direkt an den Kläger herauszugeben (vgl. zur gleichartigen Bestimmung des § 37 EO: Jakusch in Angst/Oberhammer, EO, 3. Aufl., Rz 56/1 zu § 37, m.w.N.). Dies ändert aber nichts daran, dass der Eigentümer seinen Anspruch im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen hat und ein auf Ausfolgung/Überweisung eines gepfändeten Bargeldbetrages gerichteter Antrag im Abgabenverfahren unzulässig ist.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Ob i.S.d. § 25 AbgEO ein rechtliches Interesse an einer Einsicht- und Abschriftnahme besteht, hängt maßgeblich von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zudem geklärt, dass eine Einsichtnahme grundsätzlich persönlich bei der Behörde zu erfolgen hat und dass über einen Widerspruch Dritter i.S.d. § 14 AbgEO nicht im Abgabenverfahren, sondern im ordentlichen Rechtsweg zu entscheiden ist. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung waren daher im vorliegenden Fall nicht zu lösen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 25 Abs. 1 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 14 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 85 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7103271.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at