Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 31.05.2022, RV/7101249/2022

Zurückweisung der Beschwerde wegen Verspätung;

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Edith Stefan in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung Familienbeihilfe (FB) und Kinderabsetzbetrag (KG) für den Zeitraum vom September 2021 bis November 2021, SVNr.: ***1***, beschlossen:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. b iVm § 278 Bundesabgabenordnung (BAO) als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.

II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 245 Abs. 1 erster Satz Bundesabgabenordnung (BAO) beträgt die Beschwerdefrist einen Monat.

Gemäß § 245 Abs. 3 BAO ist die Beschwerdefrist auf Antrag von der Abgabenbehörde aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erforderlichenfalls auch wiederholt, zu verlängern. Durch einen Antrag auf Fristverlängerung wird der Lauf der Beschwerdefrist gehemmt.

Gemäß § 260 Abs. 1 lit b BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss (§ 278 BAO) zurückzuweisen, wenn sie nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Festgestellter Sachverhalt und Beschwerdevorbringen:

Mit Bescheid vom wurden Familienbeihilfe (FB) und Kinderabsetzbeträge (KG) für die Kinder ***2***, ***3***, ***4***, ***5*** und ***6*** betreffend den Zeitraum vom September bis November 2021 in der Höhe von € 2.626,10 (FB) und € 876,00 (KG), gesamt € 3.502,10, gemäß § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 iVm § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz 1988 zurückgefordert. Die Fälligkeit des Rückforderungsbetrages sei der gesondert zugestellten Buchungsmitteilung zu entnehmen.

Die Abgabenbehörde begründete den Rückforderungsanspruch damit, dass der Bf laut Daten des Zentralen Melderegisters seit nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit seinen Kindern (vgl. oben) gelebt und daher ein Anspruch auf Familienbeihilfe und Kindergeld im Rückforderungszeitraum nicht bestanden habe.

In der Rechtsmittelbelehrung des vorliegend angefochtenen Bescheides wurde ausgeführt, dass dagegen innerhalb eines Monats ab Zustellung beim Finanzamt Österreich das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht werden könne. Eine Beschwerde sei zu begründen.

Im Bescheid wurden in einem eigenen Hinweis die für Rückfragen zur Verfügung stehende Telefonnummer unter gesonderter Angabe der Amtszeiten und die Online-Adressen für Terminvereinbarungen (https://bmf.gv.at/terminvereinbarungen) und den Kundenservice (https://bmf.gv.at/kundenservice) angeführt.

Gleichzeitig mit dem Bescheid erging an den Bf eine Mitteilung über die Überprüfung des vom Juni 2019 bis zum August 2021 bestehenden Anspruchs auf Familienbeihilfe für die Kinder des Bf (Mitteilung vom ). Auch diese Mitteilung enthielt die im Bescheid angegebenen Informationen für allfällige Rückfragen beim Finanzamt.

Einlangend bei der Abgabenbehörde mit wurde seitens des Bf die als "Einspruch gegen die Mitteilung der Familienbeihilfe Ordnungsnummer: ***9***" bezeichnete Beschwerde vom selben Datum erhoben.

Begründend führte der Bf aus, er lebe seit nicht mehr mit seiner Familie zusammen. Bis er "diesen Brief" bekommen habe, habe er nicht gewusst, dass er die Abmeldung vom vorher mit seiner Gattin gemeinsam geführten Konto bekannt zu geben bzw einen Verzicht auf seinen Anspruch auf Familienbeihilfe zu melden gehabt hätte. Hiermit gebe der Bf bekannt, dass er auf den Anspruch auf Familienbeihilfe verzichte, weil er nicht mehr mit seiner Familie zusammenlebe. Er sei am aus der Wohnung ausgezogen und habe am nur noch € 50,00 vom Konto beziehen können. Danach sei diese Kontonummer für ihn gesperrt worden und hätte er auf dieses Konto mit der Nummer IBAN: AT ***7*** (registriert im System) seitdem keinen Zugang mehr. Selbst in der Zeit davor hätte sie (Anm. BFG: gemeint wohl die Gattin) die gesamte Leistung bezogen, sodass der Bf mit seinem Auszug aus der Wohnung nur noch € 50,00 zu seiner Verfügung gehabt habe und er sich Geld von Freunden habe borgen müssen. Seither habe nur noch Frau ***8*** Zugriff auf die oben angeführte Kontonummer und beziehe sie weiterhin die Leistungen. Hiermit gebe der Bf auch seine neue Kontonummer (…) für die allgemeine Registrierung bekannt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom gemäß § 260 Bundesabgabenordnung (BAO) zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerde nicht fristgerecht eingebracht worden sei.

In der Rechtsmittelbelehrung wurde darauf hingewiesen, dass die Beschwerdevorentscheidung wie eine Entscheidung wirke, sofern nicht innerhalb eines Monats nach deren Zustellung ein Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde (Vorlageantrag) durch das Bundesfinanzgericht beim Finanzamt Österreich gestellt werde. Die Beschwerdevorentscheidung enthielt ebenfalls den wie oben im Bescheid und in der Mitteilung über den Beihilfenanspruch angeführten Hinweis auf die Kontaktdaten der Behörde.

Der Vorlageantrag langte rechtzeitig mit bei der Abgabenbehörde ein und wurde darin wie folgt ausgeführt:

"Hiermit möchte ich mich auf die Beschwerdevorentscheidung vom über die nicht fristgerechte Einreichung der Beschwerde vom beschweren. Nach der Beschwerde hat meine Sozialarbeiterin seitens Kundenservice Finanzamt die Information über eine Aussetzung der Einhebung telefonisch erhalten, welches ich mit ihrer Unterstützung getätigt und abgegeben habe.

Erklärung der nicht fristgerechten Einreichung:

´Die Beschwerde konnte nicht fristgerecht eingereicht werden, da ich Deutsch auf dem Niveau A1 spreche und Schwierigkeiten habe Briefe zu verstehen oder zu kommunizieren. Ich habe Hilfe beim Beratungsinstitut bekommen, weshalb es mir dann möglich war, eine Beschwerde mit Hilfe meiner Sozialarbeiterin zu verfassen.`

Ich möchte vermerken, dass die Bewilligung über eine Aussetzung der Einhebung mit dem Schreiben vom stattgegeben und zwei Wochen später abgelehnt wurde. Auch diesen Prozess kann ich nicht nachvollziehen.

Die Familienbeihilfe wurde zwar auf meinen Namen überwiesen, jedoch tätigte meine Frau die Ausgaben. Dies ist auch nachzuweisen. Siehe Anhang Kontoübersicht/Bankomatkarte. Ich bin nicht im Stande mit Mindestsicherung den Betrag zurück zu zahlen, welchen ich auch nicht ausgegeben habe.

Weiters verweise ich auf die Ausführungen in meiner Beschwerde vom und beantrage diese dem Bundesfinanzgericht vorzulegen.

Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO…"

Der Bf legte eine Kontoübersicht, einen Bescheid vom über die Zuerkennung der mit beantragten Mindestsicherung in Höhe von € 2,11 tgl (lt Tabelle für den Zeitraum Oktober € 886,16 und bis September 2022 dem Tagessatz entsprechend).

Der Ablauf der mit Bescheid vom verfügten Aussetzung der Einhebung des Rückforderungsbetrages wurde mit vorliegend nicht zu beurteilendem Bescheid vom verfügt.

Rechtliche Würdigung:

Der als Einspruch gegen die (gleichzeitig wie oben ergangene) "Mitteilung über den Anspruch auf Familienbeihilfe" bezeichnete und vorliegend als Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid behandelte Schriftsatz vom langte am selben Tag bei der Abgabenbehörde ein (vgl. Scan-Eingang).

Dass dem Bf der Bescheid nicht gleichzeitig mit der Mitteilung über den Beihilfenanspruch vom selben Tag (beide vom Montag, den ) innerhalb des für die Zustellung von behördlichen Schriftstücken anzunehmenden Zeitraums von etwa drei Tagen zugekommen wäre, wurde nicht behauptet. Hinweise auf das Vorliegen eines Zustellmangels ergeben sich aus den Beschwerdeausführungen nicht.

In der Beschwerdevorentscheidung wurde die Zurückweisung der Beschwerde mit deren verspäteter Einbringung begründet und gilt die Beschwerdevorentscheidung insoweit auch als Vorhalt.

Der Bf hat wie oben - ausdrücklich bezogen auf die in der Beschwerdevorentscheidung ausgesprochene Verspätung - im Vorlageantrag erstmals und dort nur allgemein angegeben, dass es ihm aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse erst nach Konsultation eines Beratungsbüros möglich gewesen sei, mit Hilfe seiner Sozialarbeiterin die Beschwerde zu "verfassen". Er selbst spreche "Deutsch auf A1-Niveau und hätte Schwierigkeiten,Briefe zu verstehen oder zu kommunizieren".

Dies mag auf den im September 2015 erstmals in Österreich polizeilich gemeldeten Bf zugetroffen haben. Grundkenntnisse auf A1-Niveau umfassen allgemeingebräuchliche Ausdrücke bzw einfaches Alltagsdeutsch.

Dass der Bf aber nicht in der Lage gewesen wäre, die Bedeutung des auf die Rückzahlungsverpflichtung bezogenen entscheidungswesentlichen Bescheidinhaltes sprachlich zu erfassen, wurde in der Beschwerde ebenso wenig eingewendet wie die Tatsache, dass der Bf sich über den Inhalt der Rechtsmittelbelehrung in Bezug auf die einzuhaltende Monatsfrist nicht klar gewesen wäre.

Zum Verständnis einer Monatsfristsetzung iZh mit der Vorschreibung einer Rückforderung sind keine speziellen Sprachkenntnisse nötig. Das Wissen darum, dass Rechtsmittel gegen behördliche Erledigungen in der Regel mit Fristen verbunden und vorgeschriebene Fristen einzuhalten sind, konnte beim Bf zudem vorausgesetzt werden.

Solchermaßen reicht das überdies erst im Vorlageantrag erstattete Vorbringen zur Glaubhaftmachung eines Zustellmangels nicht aus.

Wann der Bf "seine Sozialarbeiterin" zur Beratung erstmals aufgesucht hat, ergibt sich aus seinen Angaben ebenso wenig wie die Behauptung, dass ihm ab wie oben berechneter Zustellung des Bescheides, dh ab Donnerstag, den bis zum Donnerstag, den , nicht annähernd die gesamte Beschwerdefrist zur Erhebung des Rechtsmittels zur Verfügung gestanden hätte. Weshalb es dem Bf nicht möglich gewesen sein soll, sich innerhalb dieses Zeitraums zumindest über die Möglichkeit eines Antrags auf Verlängerung der Beschwerdefrist zu erkundigen und einen solchen entweder selbst oder mit Hilfe des Beratungsinstituts bei der Abgabenbehörde einzubringen, ist nicht hervorgetreten (vgl. die wiederholten Hinweise auf Kontaktmöglichkeiten in den behördlichen Erledigungen).

Eine Ortsabwesenheit wurde vorliegend nicht behauptet, sondern führt der Bf die verspätete Einbringung der Beschwerde selbst ausschließlich auf einen - vorliegend aber nicht in einem entscheidungserheblichen Ausmaß festzustellenden - Mangel an Sprachkenntnissen zurück.

Angemerkt wird, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aber sogar auch die Behauptung einer Ortsabwesenheit ohne konkrete Angabe über Zeitraum und Grund der Abwesenheit und ohne Anbot entsprechender Bescheinigungsmittel nicht ausreichen würde, einen Zustellmangel zu begründen (; , 2004/16/0197 und weitere).

Im Übrigen wäre auch ein gegen die "Mitteilung über den Beihilfenanspruch" gerichtetes Rechtsmittel als nicht zulässig zu beurteilen und gemäß § 260 Abs. 1 lit. a Bundesabgabenordnung (BAO) zurückzuweisen gewesen, weil gegen Mitteilungen mangels Bescheidqualität ein Rechtsmittel nicht vorgesehen ist.

Hinweise:

Informativ wird darauf hingewiesen, dass es bei der Beurteilung eines Rückforderungsanspruchs weder darauf ankommt, wer außerdem auf die überwiesenen Beträge Zugriff gehabt hat, noch darauf, wer die Beträge allenfalls gutgläubig verbraucht hat, sondern allein darauf, ob ein Anspruch auf Familienbeihilfe (KG) im Rückforderungszeitraum bestanden hat oder nicht.

Das Nichtvorliegen der Anspruchsvoraussetzungen wurde vom Bf hinsichtlich des Rückforderungszeitraums nicht bestritten. Nur für Zeiträume, in denen bei Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts der haushaltsführende Elternteil auf seinen vorrangigen Anspruch verzichtet, käme dem nicht haushaltsführenden Partner, ein Anspruch für im gemeinsamen Haushalt lebende Kinder zu.

Die Abgabe eines Verzichts auf einen Anspruch, der sich allenfalls aus einer überwiegenden Übernahme der Unterhaltskosten für die vom Bf getrenntlebenden Kinder hätte ergeben können, wurde vom Bf nicht behauptet (vgl. die Beschwerdeausführungen).

Auf die Möglichkeit einer Ratenzahlung wird hingewiesen. Über einen diesbezüglichen Antrag, der zu begründen und bei der Abgabenbehörde einzubringen wäre, hätte die Abgabenbehörde abzusprechen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Gründe für eine Revision im angeführten Sinn liegen nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 26 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 278 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101249.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at