Vorsteuerberichtigung für ein vor dem 1.1.2011 errichtetes Gebäude, hinsichtlich dessen der volle Vorsteuerabzug (auch für den privat genutzten Teil) geltend gemacht worden war
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/3100587/2021-RS1 | Wurde bei einem vor errichteten Gebäude des Anlagevermögens auch für den privat genutzten Teil der volle Vorsteuerabzug in Anspruch genommen, bedingt die ab geänderte diesbezügliche Rechtslage eine Vorsteuerberichtigung nach § 12 Abs. 10 UStG. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch StB, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Umsatzsteuer 2013 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Das Finanzamt verfügte am die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 2013 und begründete dies wie folgt: "Laut Beantwortung des Ergänzungsersuchens vom wurde der teilweisen privaten Nutzung des Gebäudes weder durch Versteuerung des Eigenverbrauchs noch durch eine Berichtigung der Vorsteuer Rechnung getragen. Dieser Umstand stellt ein Hervorkommen neuer Tatsachen im Sinne des § 303 BAO dar…". Das Finanzamt erließ im wiederaufgenommenen Verfahren den hier gegenständlichen Umsatzsteuerbescheid 2013 vom . Darin setzte es die Umsatzsteuer für 2013 mit -36.326,53 fest, dies unter Übernahme der erklärten Bemessungsgrundlagen sowie unter Ansatz einer "Berichtigung der Vorsteuer gemäß § 12 Abs. 10 und Abs. 11" von EUR 5.448,84. Die Begründung lautet wie folgt: "Mit Inkrafttreten des Art. 168a MwSt-RL 2006/112/EG änderten sich die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug bei privat genutzten Gebäudeteilen, der nun seit dem gänzlich ausgeschlossen ist. Die im Jahr 2004 für den privaten Gebäudeanteil geltend gemachte Vorsteuer war im Ausmaß von 1/10 zu korrigieren. Es handelt sich dabei um die letzte durch zuführende Zehntelberichtigung aus der Gebäudevorsteuer 2004.".
In seiner Beschwerde vom wendete der Beschwerdeführer wie folgt ein: "Nachdem der Vorlageantrag betreffend die U 2004 seitens des BFG noch nicht erledigt ist, kann derzeit noch gar nicht beurteilt werden, ob eine 1/10 Korrektur überhaupt vorgenommen werden muss. Sollte die Finanzverwaltung mit ihrer Rechtsmeinung zum Vorlageantrag betreffend U 2004 obsiegen, so würde es zu gar keiner 1/10 Korrektur mehr kommen können. … Wir regen daher an, dass die Entscheidung über die Beschwerde bis zum Vorliegen des BFG Erkenntnisses gemäß § 271 BAO ausgesetzt wird…".
Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom die Entscheidung über die Beschwerde vom gemäß § 271 Abs. 1 BAO aus. Am erging das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts zu GZ RV/3100362/2013. Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab das Finanzamt der Beschwerde teilweise statt und setzte die Umsatzsteuer mit -36.490,53 fest, dies unter Übernahme der erklärten Bemessungsgrundlagen sowie unter Ansatz einer "Berichtigung der Vorsteuer gemäß § 12 Abs. 10 und Abs. 11" von EUR 5.284,84. Die Begründung lautet wie folgt: "Aufgrund des BFG-Erkenntnisses RV/3100362/2013 vom vermindert sich die Bemessungsgrundlage für die Berichtigung gemäß § 12 Abs 10 UStG 1994 um 1.640€. Die Berichtigung war daher um ein Zehntel dieses Betrages zu kürzen."
In seinem Vorlageantrag vom brachte der Beschwerdeführer weiter vor: "…Das ***FA*** übersieht dabei, dass Österreich den Art 168a MwStSyst-RL bisher nicht in das nationale Umsatzsteuerrecht … transferiert hat … Nach der Judikatur des VwGH stehen bei Gebäuden eines Unternehmens das nur bis zu maximal 20 % ihrer Nutzfläche privat, im Übrigen jedoch betrieblich genutzt werden, zwei Optionen zur Wahl … Option 1: voller Vorsteuerabzug und Besteuerung des Eigenverbrauchs als Nutzungsentnahme mit 20 % USt; Option 2: kein Vorsteuerabzug und kein Eigenverbrauch. [Der Beschwerdeführer] hat sich für die Option 1 entschieden. Dies wurde vom BFG mit Erkenntnis … auch so festgestellt. Demnach hat im Jahr 2013 nicht wie im Umsatzsteuerbescheid des ***FA*** angesetzt, eine Berichtigung der Vorsteuer gemäß § 12 Abs. 1 UStG in Höhe von EUR 5.284,84 zu erfolgen, sondern muss vielmehr ein 20 %-iger Eigenverbrauch in Höhe von EUR 1.390,06 (AfA iHv EUR 6.950,25 x 20 %) angesetzt werden. Die Höhe des Eigenverbrauchs ist unstrittig…".
Das Finanzamt legte die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht vor und ergänzte sein Vorbringen wie folgt: "Ab dem steht der Vorsteuerabzug für privat genutzte Gebäudeteile auch in diesen Fällen von vornherein nur im Ausmaß der betrieblichen Nutzung zu. Vor dem wurde jedoch in einem solchen Fall der Vorsteuerabzug für das gesamte Betriebsgebäude zuerkannt (siehe ). Für die private Nutzung solcher, zum Vorsteuerabzug berechtigender Gebäude, hatte bis eine Besteuerung mit dem Normalsteuersatz nach § 3a Abs. 1a UStG 1994 zu erfolgen. Mit (Inkrafttreten des Art. 168a MwSt-RL 2006/112/EG) liegt für diese bereits privat genutzten Teile eine Änderung der Verhältnisse iSd § 12 Abs. 10 UStG 1994 vor und kommt es daher zu einer jahresweisen negativen Vorsteuerberichtigung. …
Es ist unstrittig, dass aufgrund der im Beschwerdejahr geltenden Rechtslage trotz der teilweisen privaten Nutzung (17 %) des Gebäudes der Vorsteuerabzug zur Gänze geltend gemacht werden konnte. Ab dem Jahr 2011 erfordern jedoch laufende Änderungen des Anteils der privaten Nutzung eine entsprechende Berücksichtigung im Rahmen einer Vorsteuerberichtigung gemäß § 12 Abs. 10 ff UStG 1994. Dabei kommt im gegenständlichen Fall ein Berichtigungszeitraum von 10 Jahren zum Tragen. Aufgrund der privaten Nutzung des Gebäudes im Jahr 2013 war der, vom BFG, für das Jahr 2004 zuerkannte volle Vorsteuerabzug in Höhe von € 52.848,40 nach § 12 Abs. 10 UStG 1994 in Höhe von einem Zehntel (€ 5.284,84) im Umsatzsteuerbescheid 2013 zu berichtigen…".
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer hat im Jahr 2004 ein Gebäude mit 8 Apartments und einer privat genutzten Wohneinheit errichtet und in Betrieb genommen. Auf die privat genutzte Wohneinheit entfallen 17 % der Gebäudefläche. Im Jahr 2004 machte der Beschwerdeführer EUR 314.880,23 an Vorsteuern aus den Errichtungskosten des (gesamten) Gebäudes und den Einrichtungskosten der Apartments geltend. Auf die privat genutzte Wohneinheit entfielen EUR 52.848,40 an Vorsteuern.
Diese Umstände sind zwischen den Parteien unstrittig und durch den Akteninhalt belegt.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
§ 28 Abs. 38 UStG 1994 lautet: "§ 12 Abs. 10 dritter und vierter Unterabsatz in der Fassung des 1. Stabilitätsgesetzes 2012, BGBl. I Nr. 22/2012, und der Entfall des § 12 Abs. 10a sind auf Berichtigungen von Vorsteuerbeträgen anzuwenden, die Grundstücke (einschließlich der aktivierungspflichtigen Aufwendungen und der Kosten von Großreparaturen) betreffen, die der Unternehmer nach dem erstmals in seinem Unternehmen als Anlagevermögen (wobei § 12 Abs. 12 zu beachten ist) verwendet oder nutzt und wenn bei der Vermietung (Nutzungsüberlassung) von Grundstücken für Wohnzwecke der Vertragsabschluss über die Vermietung (Nutzungsüberlassung) nach dem erfolgt. § 12 Abs. 10 dritter und vierter Unterabsatz und § 12 Abs. 10a, jeweils in der Fassung vor dem 1. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 22/2012, sind auf Berichtigungen von Vorsteuerbeträgen weiterhin anzuwenden, die Grundstücke (einschließlich der aktivierungspflichtigen Aufwendungen und der Kosten von Großreparaturen) betreffen, die der Unternehmer vor dem erstmals in seinem Unternehmen als Anlagevermögen (wobei § 12 Abs. 12 zu beachten ist) verwendet oder nutzt, oder wenn bei der Vermietung (Nutzungsüberlassung) von Grundstücken für Wohnzwecke der Vertragsabschluss über die Vermietung (Nutzungsüberlassung) vor dem erfolgt."
Der Beschwerdeführer hat das gegenständliche Gebäude im Jahr 2004 errichtet und in seinem Unternehmen als Anlagevermögen genutzt. § 12 Abs. 10 UStG 1994 ist daher in der Fassung vor dem 1. Stabilitätsgesetz 2012 anzuwenden, welche lautet: "Ändern sich bei einem Gegenstand, den der Unternehmer in seinem Unternehmen als Anlagevermögen verwendet oder nutzt, in den auf das Jahr der erstmaligen Verwendung folgenden vier Kalenderjahren die Verhältnisse, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung für den Vorsteuerabzug maßgebend waren (Abs. 3), so ist für jedes Jahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges durchzuführen.
Dies gilt sinngemäß für Vorsteuerbeträge, die auf nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten, aktivierungspflichtige Aufwendungen oder bei Gebäuden auch auf Kosten von Großreparaturen entfallen, wobei der Berichtigungszeitraum vom Beginn des Kalenderjahres an zu laufen beginnt, das dem Jahr folgt, in dem die diesen Kosten und Aufwendungen zugrunde liegenden Leistungen im Zusammenhang mit dem Anlagevermögen erstmals in Verwendung genommen worden sind.
Bei Grundstücken im Sinne des § 2 des Grunderwerbsteuergesetzes 1987 (einschließlich der aktivierungspflichtigen Aufwendungen und der Kosten von Großreparaturen) tritt an die Stelle des Zeitraumes von vier Kalenderjahren ein solcher von neun Kalenderjahren.
Bei der Berichtigung, die jeweils für das Jahr der Änderung zu erfolgen hat, ist für jedes Jahr der Änderung von einem Fünftel, bei Grundstücken (einschließlich der aktivierungspflichtigen Aufwendungen und der Kosten von Großreparaturen) von einem Zehntel der gesamten auf den Gegenstand, die Aufwendungen oder Kosten entfallenden Vorsteuer auszugehen; im Falle der Lieferung ist die Berichtigung für den restlichen Berichtigungszeitraum spätestens in der letzten Voranmeldung des Veranlagungszeitraumes vorzunehmen, in dem die Lieferung erfolgte."
Die Ursachen der Änderung der Verhältnisse sind unerheblich. In Betracht kommt dabei auch eine Änderung der Verhältnisse durch eine Änderung der Rechtslage, die für den Vorsteuerabzug maßgebend war (; Ruppe/Achatz, UStG, 5.A., Rz 296 zu § 12 mwN; Kollmann in Melhardt/Tumpel (Hg), UStG, 3.A., Rz 484).
Art. 168a Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ("MwStSyst-RL) in der Fassung der Richtlinie 2009/162/EU des Rates der Europäischen Union vom normiert: "Soweit ein dem Unternehmen zugeordnetes Grundstück vom Steuerpflichtigen sowohl für unternehmerische Zwecke als auch für seinen privaten Bedarf oder den seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke verwendet wird, darf bei Ausgaben im Zusammenhang mit diesem Grundstück höchstens der Teil der Mehrwertsteuer nach den Grundsätzen der Artikel 167, 168, 169 und 173 abgezogen werden, der auf die Verwendung des Grundstücks für unternehmerische Zwecke des Steuerpflichtigen entfällt.".
Gemäß Art. 2 der Richtlinie 2009/162/EU vom hatten die Mitgliedstaaten jene Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft zu setzen, die erforderlich waren, um diese Richtlinie zum im nationalen Recht umzusetzen. Nach herrschender Lehre ist diese Vorgabe in Österreich durch § 12 Abs. 3 Z 4 UStG 1994 erfüllt (vgl. Ruppe/Achatz, UStG, 5.A., Rz 112 zu § 12; Kollmann in Melhardt/Tumpel (Hg), UStG, 3.A., Rz 327a zu § 12; aM Beiser, Steuern, 18.A., Rz 569a). Es ergibt sich nach herrschender Lehre ab zwingend der Vorsteuerausschluss für alle nicht unternehmerisch genutzten Gebäudeteile ( mwN; Ruppe/Achatz, UStG, Rz 296 zu § 3).
Unstrittig stand dem Beschwerdeführer im Jahr 2004 der volle Vorsteuerabzug aus den Kosten der Gebäudeerrichtung zu. Ebenso unstrittig führte die private Nutzung ab dem Jahr 2004 zur Besteuerung des Verwendungseigenverbrauchs ( mwN).
Durch die Änderung der auf den hier vorliegenden Sachverhalt anzuwendenden Rechtslage (namentlich die Geltung des zwingenden Vorsteuerausschlusses für alle nicht unternehmerisch genutzten Gebäudeteile ab ) haben sich die Verhältnisse, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung für den Vorsteuerabzug maßgeblich waren, geändert.
Für das Streitjahr 2013 war daher ein Ausgleich durch Berichtigung des Vorsteuerabzuges im Ausmaß von einem Zehntel vorzunehmen (so auch Melhardt, Umsatzsteuer-Handbuch 2022, § 12, Rz 1919c).
Die (auf Beiser, Steuern, 18.A., Rz 569a gestützte) Ansicht des Beschwerdeführers, dass der Vorsteuerabzug für Gebäude nach der Rechtsprechung des EuGH und des VwGH auf der Basis der Judikatur des VwGH zu § 12 UStG 1972 "versteinert" sei und damit auch im Streitjahr anstelle der Vorsteuerberichtigung eine Versteuerung des Eigenverbrauchs zu erfolgen habe, mag bis Ende des Jahres 2010 Bedeutung gehabt haben. Für Zeiträume ab dem ist ihr nicht (mehr) zu folgen.
Zu Spruchpunkt II. (Revisionszulässigkeit)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Es fehlt an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur gegenständlichen Rechtsfrage.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 28 Abs. 38 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.3100587.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at