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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.07.2022, RV/3100336/2022

Antrag auf "Durchführung einer Lohnsteuerprüfung nach § 86 EStG" durch ehemaligen Arbeitnehmer: Ist aus der Zusammenschau der bezughabenden Bestimmungen nach dem Gesetz nicht vorgesehen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache
***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Rechtsanwälte Offer & Partner OG, Museumstraße 16, 6020 Innsbruck, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , StrNr, betreffend Zurückweisung des Antrages vom auf "Durchführung einer Lohnsteuerprüfung gemäß § 86 EStG" zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben vom (sowie Urgenz vom ) hat MagA (= Beschwerdeführer, Bf) die "Durchführung einer Lohnsteuerprüfung nach § 86 EStG" beantragt und ua. ausgeführt:

Der Antragsteller/Bf sei im Zeitraum bis als Rechtsanwalt bei RA DrB (Dienstgeber) mit dem Betriebsstandort in Ort1 beschäftigt gewesen und habe ein monatliches Nettogehalt von € 2.500, zwölfmal jährlich, bezogen. Ein beim Arbeits- und Sozialgericht behängendes Verfahren sei mittlerweile in einem Teilurteil rechtskräftig abgeschlossen; demnach habe - lt. OLG und OGH - zwischen dem Bf und
DrB ein echtes und folglich gem. § 47 Abs. 2 EStG lohnsteuerpflichtiges Dienstverhältnis bestanden. Insgesamt habe der Bf vom Dienstgeber - inklusive der Kündigungsentschädigung für 09-12/2017 - den Betrag von netto € 135.370,99 bezogen, wofür der Dienstgeber, unter Annahme eines Werkvertrages, seiner Anmeldeverpflichtung nach ASVG nicht nachgekommen sei und die Lohnsteuer nicht vorschriftsgemäß einbehalten und abgeführt habe.
Das hiefür zuständige Finanzamt Ort1 möge daher für den genannten Zeitraum bei der Rechtsanwaltskanzlei des DrB eine Lohnsteuerprüfung nach § 86 EStG vornehmen und das ordnungsgemäße Abführen der Lohnsteuer durch den Dienstgeber veranlassen. Es werde höflichst um Ausstellung eines Bescheides ersucht.

2. Zum Nachweis wurden an Unterlagen vorgelegt:

a) Teilurteil und Beschluss des OLG Ort1 v. , GZ. xx1, als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen, woraus ua. hervorkommt (siehe S. 87 oben, unter Pkt. 17.):
Die für eine "echtes Dienstverhältnis" sprechenden Elemente überwiegen lt. OLG jene eines Werkvertrages bei Weitem, sodass das Verhältnis zwischen den Streitteilen (Bf als Kläger,
DrB als Beklagter) als "echter Dienstvertrag" zu qualifizieren ist;

b) Beschluss des Obersten Gerichtshofes v. , GZ. xx2, womit die je ao Revision beider Parteien zurückgewiesen und ua. (S. 6 oben) ausgeführt wird:
"Die Einordnung des Rechtsverhältnisses der Streitteile als Dienstvertrag ist danach insgesamt nicht weiter korrekturbedürftig";

c) Konvolut an monatlichen Honorarnoten für den Zeitraum Juni 2013 bis August 2017, die vom Bf an RA DrB jeweils in Höhe des pauschalen Nettoentgeltes von € 2.500 (zuzüglich Fahrtkostenpauschale + ev. Barauslagenersatz + 20 % USt) gestellt wurden;

d) Konvolut an damit korrespondierenden Zahlungseingängen auf dem Bankkonto des Bf;

e) Überweisungsbeleg/Bestandsaufschlüsselung betr. die Zahlung der Kündigungs-entschädigung in Höhe von € 10.370,99 am an den Bf;

f) "Bestätigung über theoretische Lohnsteuerbeträge" vom März 2021, wonach vom Steuerberater des Bf, ausgehend vom bezogenen og Nettogehalt, die abzuführende Lohnsteuer in Höhe von gesamt € 50.753,66 ermittelt wurde.

3. Das Finanzamt hat mit Bescheid vom , StrNr, den Antrag des Bf zurückgewiesen.
Begründend führt das Finanzamt, nach Darstellung der bezughabenden gesetzlichen Bestimmungen sowie der hg. Rechtsprechung und Lehre, im Ergebnis aus, dass der Antrag auf Durchführung einer Lohnsteuerprüfung bei einer dritten Person mangels vorgesehener Antragsmöglichkeit sowie mangels Aktivlegitimation des Bf, da bei ihm keine Parteistellung vorliege, von der Abgabenbehörde zurückzuweisen sei. Insbesondere würden wirtschaftliche oder persönliche Interessen des Bf, die im Privatrecht ihre Ursache hätten, keine Parteistellung bedingen
(Begründung im Einzelnen: siehe den Zurückweisungsbescheid v. )

4. In der dagegen rechtzeitig - vom Insolvenzverwalter für den Bf - eingebrachten Beschwerde wird die ersatzlose Bescheidbehebung (in eventu: Aufhebung und Zurückverweisung bzw. Durchführung der LSt-Prüfung) begehrt und im Wesentlichen vorgebracht:

Über das Vermögen des Bf sei mit Beschluss des LG Ort1 v. , xxx3, das derzeit behängende Insolvenzverfahren eröffnet worden.
Entgegen der Ansicht des FA sei der Bf definitiv als Steuerschuldner und damit als Abgabepflichtiger im Sinne des Verfahrensrechtes anzusehen. Aufgrund seiner Parteistellung sei es inhaltlich unrichtig, davon auszugehen, dem Schuldner in Bezug auf die Lohnsteuerprüfung des (damaligen) Arbeitgebers, der für die Berechnung, Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer allein verantwortlich sei, keine Prüfungslegitimation zuzugestehen. Nur durch die Lohnsteuerprüfung beim Arbeitgeber bestehe die Möglichkeit, die potenziellen Lohnsteuerverbindlichkeiten des jeweiligen Arbeitnehmers zu erfassen. Insoweit sei die Prüfung entsprechend der Anregung des Schuldners durchzuführen. Vor allem habe der Bf im Insolvenzverfahren, zu xxx3, einen Antrag auf Genehmigung eines Sanierungsplanes gestellt. In diesem Verfahren habe auch der ehemalige Dienstgeber Ansprüche geltend gemacht und sei auch mit Forderungen des Finanzamtes zu rechnen. Zum Nachweis wurden vorgelegt:
- ein Auszug aus der Insolvenzdatei;
- das Anmeldungsverzeichnis (AVZ) im Konkurs xxx3 des LG Ort1:
Daraus geht ua. hervor, dass der ehemalige Dienstgeber DrB unter dem
Titel "Prozesskosten" eine Forderung in Höhe von (unstrittig festgestellt) € 17.241,14
angemeldet hat;
- ein Antrag auf Genehmigung eines Sanierungsplanes.

5. Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom hat das Finanzamt die Beschwerde des Bf mit ausführlicher Begründung als unbegründet abgewiesen.

6. Mit Vorlageantrag vom wurde - ohne jeglichen weiteren Einwand - die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht beantragt.

II. Sachverhalt:

Im Zuge des durch alle Instanzen geführten Klagsverfahrens vor dem Arbeits- und Sozialgericht (siehe oben Pkt. I.2.a und b) wurde dem Bf als Kläger ua. rechtskräftig zuerkannt, dass seine Tätigkeit ( bis ) beim vormaligen Arbeitgeber RA DrB als "echtes Dienstverhältnis" zu qualifizieren ist. Vom Arbeitgeber war, da er demgegenüber von einem Werkvertragsverhältnis und sohin von einem Werklohn ausgegangen ist, (ua.) die Lohnsteuer nicht ordnungsgemäß einbehalten und abgeführt worden.
Darauf Bezug nehmend hat der Bf beim Finanzamt im Dezember 2020 den "Antrag auf Durchführung einer Lohnsteuerprüfung nach § 86 EStG" für den betr. Tätigkeitszeitraum beim ehemaligen Arbeitgeber eingebracht.
Mittlerweile behängt seit Feber 2022 über das Vermögen des Bf ein Insolvenzverfahren beim LG Ort1.

III. Beweiswürdigung:

Obiger Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt in Übereinstimmung mit den eigenen Angaben des Bf und ist insoweit unstrittig.

IV. Rechtslage:

1. Einkommensteuergesetz (EStG) 1988, BGBl 1988/400 idgF.:

Der Arbeitgeber hat die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten (§ 78 Abs. 1) und hat die Lohnsteuer pro Kalendermonat beim Finanzamt abzuführen (§ 79 Abs. 1).
Nach § 82 EStG 1988 haftet der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer.

Steuerschuldner beim Lohnsteuerabzug ist der Arbeitnehmer, der ua. dann unmittelbar in Anspruch genommen werden kann, wenn keine inländische Betriebsstätte des Arbeitgebers vorliegt (§ 83 Abs. 1 und Abs. 2 Z 2 EStG 1988).
Nach Abs. 3 dieser Bestimmung kann der Arbeitnehmer weiters dann unmittelbar in Anspruch genommen werden, wenn er in vorsätzlichem Zusammenwirken mit dem Arbeitgeber zum eigenen Vorteil eine Verkürzung der Lohnsteuer bewirkt.

Gemäß § 86 Abs. 1 EStG 1988 obliegt dem Finanzamt des Arbeitgebers (§ 81) die Prüfung der Einhaltung aller für die ordnungsgemäße Einbehaltung und Abfuhr
1. der Lohnsteuer
2. der Abzugssteuer gem. § 99 …
sowie für die Erhebung
3. des Dienstgeberbeitrages … und
4. des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag …
maßgebenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse (Lohnsteuerprüfung) nach Maßgabe der Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Prüfung lohnabhängiger Abgaben und Beiträge - PLABG, BGBl. I Nr. 98/2018. Es hat sich für die Durchführung der Prüfung des Prüfdienstes für Lohnabgaben und Beiträge zu bedienen.

Die Arbeitgeber und ihre Angestellten haben diesbezüglich den Organen des Finanzamtes Einsicht in die vorgeschriebenen Aufzeichnungen, Lohnaufzeichnungen, Geschäftsbücher etc. zu gewähren (§ 87 Abs. 1 EStG 1988).

Nach § 88 EStG 1988 sind die Arbeitnehmer verpflichtet, dem Prüfungsorgan jede gewünschte Auskunft über Art und Höhe ihres Arbeitslohnes zu geben (Abs. 1).
Das Prüfungsorgan ist berechtigt, von Personen, bei denen es zweifelhaft ist, ob sie Arbeitnehmer des Betriebes sind, jede Auskunft zur Feststellung ihrer Steuerverhältnisse zu verlangen (Abs. 2).

Gemäß § 90 EStG 1988 ("Auskunftspflicht der Behörde") hat das Finanzamt des Arbeitgebers auf Anfrage einer Partei tunlichst innerhalb von 14 Tagen darüber Auskunft zu geben, ob und inwieweit im einzelnen Fall die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind.

2. Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl 1961/194 idgF.:

Abgabepflichtiger im Sinne dieses Bundesgesetzes ist gemäß § 77 Abs. 1 BAO, wer nach den Abgabenvorschriften als Abgabenschuldner in Betracht kommt.

Gemäß § 78 Abs. 1 BAO ist Partei im Abgabenverfahren der Abgabepflichtige (§ 77), im Beschwerdeverfahren auch jeder, der eine Beschwerde einbringt (Beschwerdeführer), einem Beschwerdeverfahren beigetreten ist (§§ 257 bis 259) oder, ohne Beschwerdeführer zu sein, einen Vorlageantrag (§ 264) gestellt hat.
Nach § 78 Abs. 3 BAO haben andere als die genannten Personen die Rechtsstellung einer Partei dann und insoweit, als sie auf Grund abgabenrechtlicher Vorschriften die Tätigkeit einer Abgabenbehörde in Anspruch nehmen oder als sich die Tätigkeit einer Abgabenbehörde auf sie bezieht.

Gemäß § 85 Abs. 1 BAO sind Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbes. Erklärungen, Anträge …) schriftlich einzureichen (Eingaben).
Nach § 85a BAO sind die Abgabenbehörden verpflichtet, über Anbringen (§ 85) der Partei ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden.

Zufolge § 114 Abs. 1 BAO haben die Abgabenbehörden darauf zu achten, dass alle Abgabepflichtigen nach den Abgabenvorschriften erfaßt und gleichmäßig behandelt werden.
Zur Erfüllung dieser Aufgabe sind die Abgabenbehörden berechtigt, von jedermann Auskunft über alle für die Abgabenerhebung maßgebenden Tatsachen zu verlangen (§ 143 Abs. 1 BAO).
Bei jedem, der zur Führung von Büchern oder Aufzeichnungen oder zur Zahlung gegen Verrechnung verpflichtet ist, kann die Abgabenbehörde jederzeit eine Außenprüfung vornehmen (§ 147 Abs. 1 BAO).

(Anm.: alle obigen Hervorhebungen und Kursivsetzungen durch das BFG)

V. Erwägungen:

1. Das Finanzamt hatte seine abweisende BVE vom - nach Darstellung des Verfahrensganges samt Sachverhalt - wie folgt begründet:

" … Dazu ist zu wiederholen, dass (allfällige) Verbindlichkeiten, welche im Privatrecht wurzeln, nicht hingegen im öffentlichen Abgabenrecht, so insbesondere auch jene, die den im Anmeldungsverzeichnis als Prozesskosten titulierten Forderungen des ehemaligen Dienstgebers entsprechen, von vorneherein ausscheiden, eine Parteistellung nach Abgabenverfahrensrecht zu begründen. Dies gilt allerdings ebenso für Lohnsteuerverbindlichkeiten oder auch -forderungen, welche in einer Art Erkundungsbeweis erst zu ermitteln wären.

Abgabepflichtiger ist jeder, mit dem die Abgabenbehörde im Hinblick auf eine möglicherweise gegebene Abgabenschuld im Rahmen des Abgabenverfahrens in Verbindung tritt oder in Verbindung treten kann (zB ; , 2011/16/0119; , 2013/16/0105).

Abgabenschuldner (Abgabepflichtiger) ist auch derjenige, der für eine Abgabe in Anspruch genommen wird, obwohl er den Tatbestand, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft, nicht verwirklicht hat (Reeger/Stoll, BAO, § 77 Tz 7; ; , 2011/16/0119; , 2013/16/0105; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO 3, § 77 Anm 4; Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO 3, § 77 Rz 1).

Abfuhrpflichtige (zB der Arbeitgeber bei der Lohnsteuer) sind Abgabepflichtige iSd § 77 Abs 1 (zB Ritz, Akteneinsicht, 10, FN 16; Stoll, BAO, 768; ; Unger in Althuber/Tanzer/Unger, BAO-HB, § 77, 219; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO 3, § 77 Anm 4).

So sind beispielsweise sowohl der Abfuhrverpflichtete (Arbeitgeber) als auch der Abgabenschuldner (Arbeitnehmer) als am Lohnsteuerabzugsverfahren Beteiligte iSd §§ 77, 78 BAO (Kirchmayr/Schaunig in Doralt/Kirchmayr/Zorn, EStG ²² § 90 (Stand , rdb.at) Partei im Rahmen des § 90 EStG 1988. Hintergrund für die Parteistellung des Arbeitnehmers im Lohnsteuerabzugsverfahren ist, dass seine Bezüge um die Lohnsteuer gekürzt werden (vgl Ritz, BAO, 6. Aufl., § 77 Rz 1, 4). Damit korrespondierend betrifft das Auskunftsrecht des Arbeitnehmers gemäß § 90 EStG 1988 nur den ihn konkret betreffenden Lohnsteuerabzug (vgl Höfle/Fellner/Schulitz, GPLA-Handbuch 2, 5). Vor allem aber soll die Lohnsteuerauskunft das Haftungsrisiko des Arbeitgebers erträglich gestalten.

Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch § 88 EStG 1988 von Bedeutung. Diese Bestimmung, welche sich systematisch im fünften Teil des EStG befindet, richtet sich an Arbeitnehmer eines Betriebs, bei dem gerade eine Lohnsteuerprüfung durchgeführt wird (aM Kirchmayr/Schaunig in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG²² § 88 (Stand , rdb.at), welche Autoren sich gegen die Einschränkung auf Lohnsteuerprüfungen aussprechen).
Die Bestimmung soll die in § 86 geregelte Lohnsteuerprüfung durch verfahrensrechtliche Vorschriften ergänzen (wie § 143 BAO als Rechtsgrundlage für Auskunftserteilungen außerhalb von Lohnsteuerprüfungen; Knechtl in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG § 88 (Stand , rdb.at).

Im gegebenen Kontext insbesondere von Bedeutung scheint der Umstand, dass § 88 EStG 1988 über ein Auskunftsverlangen im Sinne von § 143 BAO nicht hinaus greift (in diesem Sinne Jakom/Lenneis, EStG (2018), § 88 Rz 1). Die Bestimmung mag als Rechtspflicht des Arbeitnehmers konstruiert sein, sie ist inhaltlich jedoch sehr wohl als Mitwirkungsverpflichtung im eigenen Interesse des Arbeitnehmers in seiner Eigenschaft als Abgabenschuldner zu verstehen: So kann im Falle, dass Zweifel bestehen, ob eine Person im Rahmen eines echten Dienstvertrags tätig ist oder als freier Dienstnehmer oder Werkvertragsnehmer beschäftigt wird, von dieser Person jede Auskunft zur Feststellung der steuerlichen Verhältnisse verlangt werden (§ 88 Abs 2). Dies sei angeführt, zumal in der Beschwerde explizit §§ 83, 86 EStG 1988 als Schutzbestimmungen zu Gunsten des jeweiligen Arbeitnehmers angeführt werden. Dass diese freilich auch solchen Charakter aufweisen (soweit dies eben mit der umfassenden Feststellung der steuerlichen Verhältnisse verbunden ist; dazu siehe gleich unten), wird nicht bestritten, doch erfordert dies nicht zwingend, dem Arbeitnehmer - gewissermaßen umgekehrt - ein Antragsrecht auf Lohnsteuerprüfung beim Arbeitgeber einzuräumen; der Schutz ist vielmehr von Amts wegen, verbunden mit den genannten Mitwirkungspflichten im Wege von leges speciales, zu gewährleisten.

Aus einer Zusammenschau dieser Bestimmungen erhellt, dass, mag eine Person auch Partei in einem Abgabenverfahren sein, gesondert darauf abzustellen ist, ob sie von einem konkreten Verfahrensschritt auf Grund abgabenrechtlicher Vorschriften im Sinne der §§ 77, 78 BAO tatsächlich berührt wird. M. a. W. sind am Lohnsteuerabzugsverfahren grundsätzlich Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer beteiligt; dieser Umstand vermag allerdings eine Position des Arbeitnehmers, welche über diejenige eines Dritten in einer Betriebsprüfung (Außenprüfung) hinausginge, nicht zu begründen. Denn eine Betriebsprüfung bei einem Abgabepflichtigen wird nicht allein und eigens mit dem Ziel durchgeführt werden können, hier die Verhältnisse Dritter zu erforschen (Stoll, BAO-Kommentar, § 147, unter Verweis auf die Judikatur des (dt.) BFH). Zwar wird man die Befugnis, "ferner" alle Umstände feststellen zu dürfen, die für die Abgabenerhebung schlechthin (auch bei anderen) von Bedeutung sind, auch nach österreichischem Recht zu bejahen haben; solches würde allerdings ein Antragsrecht des Arbeitnehmers auf Durchführung einer Lohnsteuerprüfung nicht rechtfertigen.

Dem entspricht, dass spezielle Instrumente herangezogen werden können, welche in Konkretisierung der (unzweifelhaften) Parteistellung auch des Arbeitnehmers im Lohnsteuerabzugsverfahren Anwendung finden können, wie insbesondere - berechtigend - der erwähnte § 90 EStG 1988 oder - verpflichtend - § 143 BAO iVm § 88 EStG 1988 mit jeweils weniger einschneidenden behördlichen Befugnissen abgestimmt auf den konkret in der jeweiligen Eigenschaft Verpflichteten (arg: "jedermann" in § 143 BAO).

Verfahrensrechtlich ist dem Arbeitnehmer, der Schuldner der Lohnsteuer (aus dem Haftungsverhältnis heraus Gesamtschuldner) ist, die Möglichkeit eingeräumt, vor seiner Heranziehung als Schuldner der Beschwerde des haftenden (und vorab herangezogenen) Arbeitgebers beizutreten (Stoll, BAO-Kommentar, 2622, mit Judikaturverweisen zur alten Rechtslage (arg "Berufung")). Bis zur eigenen Inanspruchnahme können noch nicht herangezogene Haftende oder die noch nicht in Anspruch genommenen Gesamtschuldner also dem Rechtsmittel eines anderen (mit dem sie durch einen gemeinsamen steuerschuldrechtlichen Tatbestand verbunden sind) beitreten. Ein Beitritt kommt nur für noch nicht herangezogene Gesamtschuldner und für noch nicht in Anspruch genommene Haftungspflichtige, also für potentielle Schuldner, in Frage, allerdings unter der Voraussetzung, dass gegen einen Schuldner ein Abgabenbescheid bereits erlassen wurde und dass dieser als Abgabenschuldner Herangezogene selbst ein Rechtsmittel eingebracht hat (). Auch daraus ergibt sich, dass das Rechtsschutzinteresse des Arbeitnehmers mit seiner potentiellen Schuldnereigenschaft korrespondiert, welche wiederum eine im vorangegangenen Verfahren festgestellte Schuld voraussetzt. Systematisch liegt diesem Gedanken ein typischerweise (zunächst) anzunehmender Gleichklang der Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, nämlich aus deren beider - freilich unterschiedlich aktueller bzw zur Leistungsverpflichtung konkretisierter - Schuldnereigenschaft, zugrunde, welcher erst bei Bescheiderlassung (und daher zeitlich nach der durchgeführten Lohnsteuerprüfung) eine Differenzierung der jeweiligen Interessen annimmt und über die dabei im Sinne eines Regel-/Ausnahmeverhältnisses vorrangige (vgl Jakom/Ebner, EStG (2022), § 83 Rz 1 und 2) Heranziehung des Arbeitgebers ein Antragsrecht des Arbeitnehmers schon bei Prüfung des Arbeitgebers geradezu ausschließt.

Zusammenfassend ist ein Antrag des (ehemaligen) Arbeitnehmers auf Durchführung einer Lohnsteuerprüfung beim (ehemaligen) Arbeitgeber gesetzlich nicht vorgesehen und würde die Abgabenbehörde durch eine Sachentscheidung hierüber eine Zuständigkeit für sich in Anspruch nehmen, welche ihr gesetzlich nicht zukommt. In dem Ausmaß, in dem sich allerdings die Ausführungen im Rechtsmittel als unzutreffend erweisen und die Bescheidbeschwerde daher insgesamt als unbegründet zu werten ist, war - ausschließlich in diesem Umfang - wiederum eine negative bzw. die erstinstanzliche Formalentscheidung bestätigende Sachentscheidung zu treffen (wobei Sache hier ausschließlich die Frage der Rechtsrichtigkeit der Zurückweisung des Antrages auf Durchführung einer Lohnsteuerprüfung beim ehemaligen Arbeitgeber in erster Instanz bildet).

§ 85a BAO verpflichtet die Abgabenbehörden allerdings, über Anbringen (§ 85) der Parteien ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden. Die zu § 311 aF BAO ergangene Judikatur und Literatur lässt sich über weite Strecken auf die Anwendung des § 85a leg cit übertragen. So unterliegen wohl gesetzlich vorgesehene Anbringen jedenfalls der Entscheidungspflicht, im allgemeinen jedoch nicht solche Anbringen, die gesetzlich nicht vorgesehen sind. Behauptet die Partei jedoch, auf Erledigung eines bestimmten Antrages, auch wenn er gesetzlich nicht vorgesehen ist, einen Anspruch zu haben, so ist hierüber jedenfalls zu entscheiden, sodaß insoweit Entscheidungspflicht über ein gesetzlich nicht vorgesehenes Anbringen besteht, wenn auch - unter Umständen zunächst - nur hinsichtlich der Feststellung des (Nicht-)Bestehens eines rechtlichen Anspruches auf bescheidmäßige Erledigung (siehe zum Beispiel Mannlicher-Quell, Verwaltungsverfahren Bd I8, 377 zu § 68 AVG, vergleichbar § 299 BAO). Von Bedeutung ist dabei einerseits, dass § 85a ebenso wie § 291 BAO lediglich von einer Entscheidungspflicht "über Anbringen (§ 85) der Parteien" bzw. "über Anträge der Parteien" handeln. Somit ist davon auszugehen, dass beide Bestimmungen den weiteren Parteienbegriff ohne den Klammerausdruck "(§ 78)" verwenden, der insbesondere auch Organparteien umfasst (vgl Ellinger/Sutter/Urtz, BAO³ (Stand , rdb.at), § 85a Anm 5 sowie § 291 Anm 2).

Zum anderen sind Personen, wenn ihnen außerhalb eines sie als Partei im Sinne des § 77 berührenden Verfahrens oder außerhalb eines im § 78 Abs 2 erwähnten Verfahrens sowie außerhalb des sie sonst berechtigenden oder verpflichtenden Bereiches (Absatz 3) Verpflichtungen (wenn auch nur verfahrensrechtlicher Art) auferlegt sind, sowie dann, wenn solche Personen (und sei es ohne rechtliche Grundlage) materiell-rechtliche oder verfahrensrechtliche Ansprüche geltend machen, in diesem durch ihre konkretisierenden Vorstellungen ausgelösten Verfahren jedenfalls Partei, auch wenn dieses Verfahren mit der Feststellung der Unzulässigkeit der vermeintlichen Ansprüche oder der Behördenmaßnahmen endet (zum Beispiel unzulässiger Antrag eines Dritten auf Akteneinsicht; im Verfahren, in dem festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des § 90 nicht erfüllt, sowie im anschließenden Rechtsmittelverfahren ist er aber Partei; Stoll, BAO-Kommentar, 779). …"

2. Die umfassende und auf eine Vielzahl an hg. Judikatur sowie Schrifttum und Lehre gestützte Begründung des Finanzamtes ist als rechtlich zutreffend zu erachten, bedarf insofern keiner weiteren Änderung oder Ergänzung und wird daher vom Bundesfinanzgericht zur Gänze als Begründung seines gegenständlichen Erkenntnisses übernommen.

3. In Anbetracht obiger Ausführungen konnte sohin der Beschwerde kein Erfolg beschieden sein und war spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der Frage, ob einem (ehemaligen) Arbeitnehmer ein Antragsrecht auf Durchführung einer Lohnsteuerprüfung beim (ehemaligen) Arbeitgeber zustehe, ergibt sich bereits aus der Zusammenschau der oben (siehe unter V. 1.) dargelegten gesetzlichen Bestimmungen; dies mit dem Ergebnis, dass nach dem Gesetz ein solches Antragsrecht nicht vorgesehen ist.
Aus diesem Grund liegt keine strittige Rechtsfrage von "grundsätzlicher Bedeutung" vor. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 86 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 83 Abs. 1 und 2 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 88 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 90 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 78 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 78 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.3100336.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at