Beschwerdelegitimation potentiell Haftungspflichtiger; rechtswidrige Entscheidung über die Beschwerde betreffend den Sachbescheid vor der Entscheidung über die Verfahrenswiederaufnahme
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7102983/2019-RS1 | Zwar sind nach § 267 BAO gegen einen Bescheid gerichtete gemeinsame Beschwerden in einem gemeinsamen Verfahren zu verbinden und es hat darüber nach § 281 BAO grundsätzlich auch nur eine einheitliche Entscheidung zu ergehen, um eine unterschiedliche Sachentscheidung in derselben Sache zu verhindern (zB Stoll, BAO, 2729). Dies setzt allerdings voraus, dass ein Bescheid mit mehreren zulässigen Bescheidbeschwerden angefochten ist (Ritz/Koran, BAO7, § 267 Rz 3). Eine einheitliche Sachentscheidung nach § 281 BAO wirkt hingen nur hinsichtlich meritorischer Entscheidungen. |
RV/7102983/2019-RS2 | Vom Einheitlichkeitsgebot nicht betroffen sind Beschlüsse des Verwaltungsgerichts, die die Beschwerde zurückweisen. Wird hingegen die Beschwerde in einer Beschwerdevorentscheidung zurückgewiesen, hätte dies nach dem Wortlaut des Klammerausdrucks in § 281 Abs 1 BAO in einer einheitlichen Beschwerdevorentscheidung zu erfolgen. Da aber formelle Beschwerdevorentscheidungen über die Zulässigkeit der Beschwerde oder deren Wirksamkeit absprechen, wäre eine einheitliche Entscheidung systemwidrig (vgl Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO 3, § 281 Rz 1). Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass bei mehreren Beschwerdeführern, die nicht alle die Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllen, ein von der inhaltlichen Erledigung gesonderter Abspruch schon aus Gründen der steuerlichen Geheimhaltung erfolgen muss (vgl § 48a BAO). |
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht fasst durch die Richterin Mag. Andrea Ebner in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch KPMG Alpen-Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Porzellangasse 51, 1090 Wien, betreffend die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend die Umsatzsteuer des Jahres 2010, Steuernummer ***BF1StNr1***, den Beschluss:
I. Die Beschwerdevorentscheidung vom betreffend Umsatzsteuer des Jahres 2010 wird aufgehoben. Das Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht wird eingestellt.
II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nicht zulässig.
Begründung
I. Sachverhalt
Die beschwerdeführende ***Bf1*** (vormals ***X GmbH***) war im Streitzeitraum unstrittig Organträgerin einer Umsatzsteuerorganschaft ua - soweit in der Beschwerdesache relevant - mit der ***Yy GmbH*** (vormals ***Y GmbH***; im Folgenden: Y GmbH).
Sowohl bei der Beschwerdeführerin als auch der Y GmbH fanden ua betreffend die Umsatzsteuer der Jahre 2010 bis 2012 Außenprüfungen statt.
Infolge der Feststellungen der Außenprüfungen nahm die belangte Behörde mit Bescheid vom das Verfahren betreffend Umsatzsteuer des Jahres 2010 bei der Beschwerdeführerin als Organträgerin wieder auf und setzte mit Sachbescheid vom selben Tag die Umsatzsteuer für das Jahr 2010 mit EUR 4.635.837,15 fest. Beide Bescheide waren ausschließlich an die Beschwerdeführerin gerichtet.
Am erhob die steuerliche Vertretung im Auftrag und in Vollmacht der Beschwerdeführerin als auch der Y GmbH die fristgerecht eingebrachte Beschwerde gegen den Bescheid über die Wiederaufnahme des Umsatzsteuerverfahrens für das Jahr 2010 als auch gegen den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2010, beide vom .
Die belangte Behörde wies mit an die Beschwerdeführerin adressierter Beschwerdevorentscheidung vom die Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid des Jahres 2010 als unbegründet ab. Die Bescheidbegründung erging am gesondert sowohl an die Beschwerdeführerin und die Y GmbH zu Handen deren steuerlicher Vertretung und weist im Einleitungssatz auf den Bescheid betreffend Umsatzsteuer des Jahres 2010 hin.
Eine Beschwerdevorentscheidung die Wiederaufnahme des Umsatzsteuerverfahrens für das Jahr 2010 ist nicht an die Beschwerdeführerin ergangen.
An die Y GmbH ist eine Beschwerdevorentscheidung weder betreffend die Wiederaufnahme des Umsatzsteuerverfahrens des Jahres 2010 noch betreffend die Umsatzsteuer des Jahres 2010 erfolgt.
Am erhob die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin und der Y GmbH in deren Auftrag sowie in deren Vollmacht einen Vorlageantrag. Dieser führt im Betreff sowohl den Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer des Jahres 2010 als auch den Umsatzsteuerbescheid des Jahres 2010, jeweils vom , an. Die weitere Begründung lautet auszugsweise wie folgt:
"Das Finanzamt Wien 1/23 hat datiert mit eine Beschwerdevorentscheidung gemäß § 262 BAO (nachfolgend kurz als ,BVE' bezeichnet) erlassen, in welcher es die Beschwerde der [Beschwerdeführerin] und der [Y GmbH] vom gegen den Umsatzsteuerbescheid 2010 vom als unbegründet abgewiesen hat."
Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde der Beschwerdeführerin und der Y GmbH gegen den Wiederaufnahmebescheid betreffend Umsatzsteuer des Jahres 2010 und den Sachbescheid dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Im Vorlagebericht bezieht sich die belangte Behörde lediglich auf die Beschwerdeführerin; in der vorgelegten Beschwerde sowie im Vorlageantrag selbst erhebt auch die Y GmbH das Rechtsmittel der Beschwerde.
Mit Beschluss vom ersuchte das Bundesfinanzgericht die belangte Behörde um Stellungnahme, ob eine Beschwerdevorentscheidung die Wiederaufnahme des Umsatzsteuerverfahrens für das Jahr 2010 ergangen ist.
Die belangte Behörde teilte dem Bundesfinanzgericht am mit, dass keine Beschwerdevorentscheidung die Wiederaufnahme des Umsatzsteuerverfahrens für das Jahr 2010 ergangen ist.
Die Y GmbH wurde nicht für die Umsatzsteuer des Jahres 2010 der Organträgerin zur Haftung herangezogen. Gegenüber der belangten Behörde erklärte die Y GmbH keine Beitritt zur Beschwerde der Beschwerdeführerin.
II. Beweiswürdigung
Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes.
Im Zuge des Aktenstudiums sowie aufgrund der bestätigenden glaubhaften Auskunft der belangten Behörde vom , geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass im Beschwerdefall keine Beschwerdevorentscheidung die Wiederaufnahme des Umsatzsteuerverfahrens für das Jahr 2010 ergangen ist.
Soweit für das Bundesfinanzgericht durch Abfrage in der Datenbank der belangten Behörde ersichtlich, wurde die Y GmbH nicht für die Umsatzsteuerschuld der Beschwerdeführerin im Jahr 2010 zur Haftung herangezogen. Eine solche Haftungsinanspruchnahme wurde zu keinem Zeitpunkt behauptet und ergibt sich auch nicht aus dem Verwaltungsakt. Vielmehr bestätigte die belangte Behörde mit telefonischer Auskunft vom , dass eine Haftungsinanspruchnahme der Y GmbH für die Umsatzsteuer der Beschwerdeführerin im Jahr 2010 gerade nicht erfolgt sei. Das Bundesfinanzgericht geht daher davon aus, dass die Y GmbH nicht zur Haftung für die Umsatzsteuer der Beschwerdeführerin im Jahr 2010 herangezogen wurde.
Ebenfalls ergab eine Abfrage in der Datenbank der belangten Behörde, dass eine gesonderte (Formal-)erledigung an die Y GmbH nicht aufscheint, weswegen das Bundesfinanzgericht davon ausgeht, dass eine solche auch nicht ergangen ist. Gegenteiliges wird von den Parteien, insbesondere nicht im Vorlageantrag, vorgebracht. Dies bestätigte auch die belangte Behörde in der telefonischen Auskunft vom , wonach ein bescheidmäßiger Abspruch über die Beschwerde der Y GmbH nicht erfolgt sein. Über die von der Y GmbH mit selben Schriftsatz der Beschwerdeführerin erhobenen Beschwerde gegen den Bescheid betreffen die Verfahrenswiederaufnahme der Umsatzsteuer des Jahres 2010 sowie betreffend die Umsatzsteuer des Jahres 2010 wurde somit noch nicht abgesprochen.
Ein formeller Beitritt der Y GmbH zur Beschwerde der Beschwerdeführerin ist laut telefonischer Auskunft der belangten Behörde vom nicht bei der belangten Behörde eingelangt. Ein solcher wird auch im Beschwerdeverfahren nicht behauptet. Es wird lediglich sowohl von der Y GmbH als auch von der Beschwerdeführerin in einem gemeinsamen Schriftsatz Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid betreffend das Umsatzsteuerverfahren des Jahres 2010 sowie betreffend die Umsatzsteuer des Jahres 2010 der Beschwerdeführerin erhoben. Das Bundesfinanzgericht geht daher davon aus, dass es einen gesonderten gegenüber der Abgabenbehörde erklärten Beitritt der Y GmbH zur Beschwerde der Y GmbH derzeit nicht gibt.
Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durfte das Bundesfinanzgericht daher in freier Beweiswürdigung von den obigen Sachverhaltsfeststellungen ausgehen.
III. Rechtliche Beurteilung
§ 78 BAO lautet:
"78. (1) Partei im Abgabenverfahren ist der Abgabepflichtige (§ 77), im Beschwerdeverfahren auch jeder, der eine Beschwerde einbringt (Beschwerdeführer), einem Beschwerdeverfahren beigetreten ist (§§ 257 bis 259) oder, ohne Beschwerdeführer zu sein, einen Vorlageantrag (§ 264) gestellt hat.
(2) Parteien des Abgabenverfahrens sind ferner,
a) wenn die Erlassung von Feststellungsbescheiden vorgesehen ist, diejenigen, an die diese Bescheide ergehen (§ 191 Abs. 1 und 2);
b) wenn nach den Abgabenvorschriften Steuermeßbeträge oder Einheitswerte zu zerlegen oder zuzuteilen sind, die Körperschaften, denen ein Zerlegungsanteil zugeteilt worden ist oder die auf eine Zuteilung Anspruch erheben.
(3) Andere als die genannten Personen haben die Rechtsstellung einer Partei dann und insoweit, als sie auf Grund abgabenrechtlicher Vorschriften die Tätigkeit einer Abgabenbehörde in Anspruch nehmen oder als sich die Tätigkeit einer Abgabenbehörde auf sie bezieht."
Gemäß § 243 BAO sind gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.
Gemäß § 246 BAO ist zur Einbringung einer Bescheidbeschwerde jeder befugt, an den der den Gegenstand der Anfechtung bildende Bescheid ergangen ist. Zur Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen Feststellungsbescheide und Grundsteuermessbescheide ist nach Abs 2 leg cit ferner jeder befugt, gegen den diese Bescheide gemäß § 191 Abs 3, 4 und 5 und gemäß § 194 Abs 5 BAO wirken.
Gemäß § 13 BAO haften juristische Personen, die dem Willen eines anderen Unternehmens (Unternehmers) derart untergeordnet sind, dass sie keinen eigenen Willen haben (Organgesellschaft), für diejenigen Abgaben des beherrschenden Unternehmens (Unternehmers), bei denen die Abgabepflicht sich auf den Betrieb des beherrschten Unternehmens gründet.
Gemäß § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs 1 BAO) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen.
Gemäß § 257 BAO kann einer Bescheidbeschwerde, über die noch nicht rechtskräftig entschieden wurde, beitreten, wer nach Abgabenvorschriften für die den Gegenstand des angefochtenen Bescheides bildende Abgabe als Gesamtschuldner oder als Haftungspflichtiger in Betracht kommt.
Gemäß § 262 Abs 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen. In den in den Abs 2 bis 4 leg cit genannten Fällen (welche im Beschwerdefall nicht vorliegen) hat die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung zu unterbleiben.
Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann gemäß § 264 Abs 1 BAO innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten. Zur Einbringung eines Vorlageantrages ist nach Abs 2 leg cit der Beschwerdeführer, sowie ferner jeder, dem gegenüber die Beschwerdevorentscheidung wirkt, befugt. Gemäß Abs 4 lit e leg cit ist § 260 Abs 1 BAO sinngemäß anzuwenden. Nach Abs 5 leg cit obliegt die Zurückweisung nicht zulässiger oder nicht fristgerecht eingebrachter Vorlageanträge dem Bundesfinanzgericht. Durch die Aufhebung einer Beschwerdevorentscheidung scheidet nach Abs 7 leg cit der Vorlageantrag aus dem Rechtsbestand aus.
Gemäß § 265 Abs 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde, über die keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist oder über die infolge eines Vorlageantrages vom Verwaltungsgericht zu entscheiden ist, nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen ohne unnötigen Aufschub dem Verwaltungsgericht vorzulegen. Gemäß § Abs 2 leg cit hat die Vorlage der Bescheidbeschwerde jedenfalls auch die Vorlage von Ablichtungen (Ausdrucken) des angefochtenen Bescheides, der Beschwerdevorentscheidung, des Vorlageantrages und von Beitrittserklärungen zu umfassen.
Ist ein Bescheid von mehreren Beschwerdeführern angefochten oder sind gegen einen Bescheid mehrere Bescheidbeschwerden eingebracht, so sind gemäß § 267 BAO diese Beschwerden zu einem gemeinsamen Verfahren zu verbinden.
Gemäß § 281 BAO können im Beschwerdeverfahren grundsätzlich nur einheitliche Entscheidungen (Beschwerdevorentscheidungen, Erkenntnisse und gemäß § 278 BAO aufhebende Beschlüsse) getroffen werden. Sie wirken für und gegen die gleichen Personen wie der angefochtene Bescheid.
Wie vom Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung festgestellt, haben die Beschwerdeführerin und die Y GmbH mit gemeinsamen Schriftsatz Beschwerde sowohl gegen die Verfahrenswiederaufnahme betreffend die Umsatzsteuer des Jahres 2010 als auch die Umsatzsteuer des Jahres 2010 und in weiterer Folge einen gemeinsamen Vorlageantrag eingebracht. Im Vorlagebericht wird nur die Beschwerdeführerin als beschwerdeführend genannt.
In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum FVwGG 2012 (2007 BlgNR 24. GP 18) wird ua ausgeführt, § 265 Abs 2 und 3 BAO "soll den Verwaltungsgerichten den Überblick über die strittigen Sach- und Rechtsfragen erleichtern". Der Vorlagebericht dient folglich bloß dazu, den Verwaltungsgerichten den Überblick zu erleichtern. Der Vorlagebericht (für sich) ist nicht als Antrag der Abgabenbehörde als Partei im Beschwerdeverfahren (§ 265 Abs 5 BAO) zu beurteilen, der gemäß § 291 Abs 1 BAO der Entscheidungspflicht unterliegen würde. Auch ist es nicht der Vorlagebericht, der den Lauf der Entscheidungsfrist auslöst; die Entscheidungsfrist beginnt vielmehr mit der Vorlage der Beschwerde. Dass eine Mangelhaftigkeit des Vorlageberichts Auswirkungen auf die Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes zur Entscheidung in der Sache oder auf den Beginn des Laufes der Entscheidungsfrist hätte, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.
Wenn der Vorlagebericht andere (oder zusätzliche oder weniger) erhobene Rechtsmittel nennt als jene, die bezeichnet werden, so wird das Bundesfinanzgericht diesen Widerspruch aber aufzuklären haben (§ 115 BAO). Nach dem in freier Beweiswürdigung festgestellten Sachverhalt ist eine Entscheidung über das von der Y GmbH erhobene Rechtsmittel (noch) nicht erfolgt. Dem Bundesfinanzgericht vorgelegt wurde die gemeinsame Beschwerde der Beschwerdeführerin und der Y GmbH.
Der Entscheidungspflicht des Bundesfinanzgerichtes unterliegt nach den oben genannten Bestimmungen die von der Abgabenbehörde dem Bundesfinanzgericht vorgelegte Bescheidbeschwerde.
Zwar sind nach § 267 BAO gegen einen Bescheid gerichtete gemeinsame Beschwerden in einem gemeinsamen Verfahren zu verbinden und es hat darüber nach § 281 BAO grundsätzlich auch nur eine einheitliche Entscheidung zu ergehen, um eine unterschiedliche Sachentscheidung in derselben Sache zu verhindern (zB Stoll, BAO, 2729). Dies setzt allerdings voraus, dass ein Bescheid mit mehreren zulässigen Bescheidbeschwerden angefochten ist (Ritz/Koran, BAO7, § 267 Rz 3). Eine einheitliche Sachentscheidung nach § 281 BAO wirkt hingen nur hinsichtlich meritorischer Entscheidungen. Wird ein Bescheid sowohl mit einer rechtzeitigen und zulässigen Bescheidbeschwerde angefochten als auch mit einer unzulässigen, so wirkt die zurückweisende Beschwerdevorentscheidung nur gegenüber demjenigen, der die unzulässige bzw nicht fristgerechte Beschwerde eingebracht hat (Ritz/Koran, BAO7, § 281 Rz 3). Vom Einheitlichkeitsgebot nicht betroffen sind Beschlüsse des Verwaltungsgerichts, die die Beschwerde zurückweisen. Wird hingegen die Beschwerde in einer Beschwerdevorentscheidung zurückgewiesen, hätte dies nach dem Wortlaut des Klammerausdrucks in § 281 Abs 1 BAO in einer einheitlichen Beschwerdevorentscheidung zu erfolgen. Da aber formelle Beschwerdevorentscheidungen über die Zulässigkeit der Beschwerde oder deren Wirksamkeit absprechen, wäre eine einheitliche Entscheidung systemwidrig (vgl Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO 3, § 281 Rz 1). Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass bei mehreren Beschwerdeführern, die nicht alle die Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllen, ein von der inhaltlichen Erledigung gesonderter Abspruch schon aus Gründen der steuerlichen Geheimhaltung erfolgen muss (vgl § 48a BAO). Erheben folglich mehrere Rechtssubjekte eine Beschwerde, wenn auch mit selben Schriftsatz, so ist für jedes einzelne Rechtsmittel etwa die Zulässigkeit zu prüfen und es kann darüber gesondert entschieden werden und zwar auch bereits in der Beschwerdevorentscheidung.
Im Beschwerdefall ist daher in einem ersten Schritt die Beschwerdelegitimation zu prüfen. Die Beschwerdeführerin, an die der Bescheid betreffend die Wiederaufnahme des Umsatzsteuerverfahrens des Jahres 2010 sowie der Sachbescheid richtigerweise gerichtet waren, war jedenfalls beschwerdelegitimiert.
Die Y GmbH als Organgesellschaft war nicht Bescheidadressat; weder hinsichtlich der Verfahrenswiederaufnahme noch hinsichtlich des Sachbescheides. Nach § 13 BAO könnte sie als potentiell Haftungspflichtige in Betracht kommen. Eine solche Haftungsinanspruchnahme ist jedoch nach dem festgestellten Sachverhalt nicht erfolgt. Ein nicht als Leistungsverpflichteter Herangezogener (vgl zum Beschwerderecht § 248 BAO), sondern bloß potenzieller Haftender ist nicht beschwerdeberechtigt (§ 246 BAO). Eine dennoch von ihm im eigenen Namen eingebrachte Beschwerde gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch, für den er gegenenfalls künftig einzustehen hat, ist unzulässig (vgl und 1076 f/73). Damit scheidet ein eigenes Beschwerderecht der Y GmbH nach § 248 BAO aus.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann eine vom (potentiellen) Haftungspflichtigen in dieser Verfahrensstufe eingebrachte förmliche Bescheidbeschwerde auch nicht als Beitritt zur Beschwerde gewertet werden (zB , 0321; ). Dem Erfordernis der prozessförmlichen Beitrittserklärung nach § 258 BAO entspricht es auch nicht, wenn in der Beschwerdeschrift oder im Vorlageantrag - eingebracht von dem zur Erhebung des Rechtsmittels bzw des Vorlageantrags nach § 264 Abs 1 Berechtigten - bloß der Name des Beitrittswilligen und seine (abgabenrechtlichen) Interessen angeführt werden (). Auch die bloße Mitunterfertigung der Beschwerdeschrift durch den bisher nicht in Anspruch genommenen Haftenden wird nicht als förmliche Erklärung des Beitrittes zur Bescheidbeschwerde des Beschwerdeführers angesehen ( und VwGH 17. Nobember 1988, 88/16/78 f) und führt nicht zur Beiziehung zum Beschwerdeverfahren (vgl Tanzer/Unger in Rzeszut/Tanzer/Unger (Hrsg), BAO: Stoll Kommentar - Digital First2.02 (2021), § 258 BAO). Ebenso wenig ist ein bloßer Vorlageantrag als Beitrittserklärung zu verstehen ().
Die von der Y GmbH mit selben Schriftsatz der Beschwerdeführerin erhobene Beschwerde kann somit nicht als formeller Beitritt zur Beschwerde angesehen werden, über die nach § 281 BAO mit einheitlicher Entscheidung abzusprechen gewesen wäre (vgl etwa im gleichen Sinne noch zur Vorgängerbestimmung des § 290 BAO ergangen ). Der Y GmbH steht es aber im weiteren Verfahren frei eine solche Beitrittserklärung abzugeben.
Damit kommt der Y GmbH im Beschwerdefall keine Legitimation zur Beschwerdeerhebung zu. Dass die Beschwerdevorentscheidung die Umsatzsteuer des Jahres 2010 bloß an die Beschwerdeführerin als Abgabenpflichtige gerichtete war, war nach dem oben Gesagten zulässig. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die gesonderte Bescheidbegründung auch an die Y GmbH namentlich andressiert war, weil der bloßen Bescheidbegründung keine Bescheidqualität zukommt. Über eine mangelnde Beschwerdelegitimation der Y GmbH könnte als Formalerledigung gesondert abgesprochen werden. Dies wird - soweit für das Bundesfinanzgericht ersichtlich - noch zu erfolgen haben.
Gemäß § 262 Abs 1 BAO hat die Abgabenbehörde grundsätzlich zwingend über Bescheidbeschwerden mit Beschwerdevorentscheidung abzusprechen; nach Abs 2 leg cit hat die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung zu unterbleiben, wenn ein diesbezüglicher Antrag in der Bescheidbeschwerde gestellt wurde und die Abgabenbehörde die Beschwerde innerhalb von drei Monaten dem Verwaltungsgericht vorlegt; Abs 3 leg cit ordnet weiters die unverzügliche Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht an, wenn darin lediglich die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen oder die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen behauptet wird.
Da - soweit für das Bundesfinanzgericht ersichtlich - hinsichtlich der Y GmbH keine (zwingende) Beschwerdevorentscheidung erlassen wurde, eine Ausnahme davon nicht vorlag und die an die Beschwerdeführerin gerichtete Beschwerdevorentscheidung betreffend die Umsatzsteuer des Jahres 2010 gegenüber der Y GmbH keine Wirkung entfaltet hat (§ 264 Abs 2 lit b BAO), war die Y GmbH nicht zur Stellung eines Vorlageantrages nach § 264 BAO berechtigt. Grundsätzlich obliegt die Entscheidung über unzulässige Vorlangeanträge dem Bundesfinanzgericht (§ 264 Abs 5 BAO). Da über die Beschwerde der Y GmbH betreffend die verfahrensgegenständliche Umsatzsteuer des Jahres 2010 der Beschwerdeführerin noch in keiner Weise mit Beschwerdevorentscheidung - auch nicht formal aufgrund allenfalls mangelnder Beschwerdelegitimation - abgesprochen wurde (vgl § 260 BAO), geht die Spezialnorm des § 281a BAO vor. Die Y GmbH als auch die belangte Behörde werden in einer gesonderten Erledigung von der Rechtsansicht des Gerichts in Kenntnis zu setzen sein, dass eine - wenn auch formelle - Beschwerdevorentscheidung gegenüber der Y GmbH noch nicht erlassen wurde.
Nach den in freier Beweiswürdigung getroffenen Sachverhaltsfeststellungen hat die belangte Behörde folglich nur hinsichtlich der Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid des Jahres 2010 gegenüber der Beschwerdeführerin eine Beschwerdevorentscheidung erlassen. Die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer des Jahres 2010 blieb unerledigt.
Das als Vorlageantrag bezeichnete Anbringen vom nennt in der Begründung die Beschwerdevorentscheidung betreffend die Umsatzsteuer des Jahres 2010 vom . Auch wenn im Betreff die Verfahrenswiederaufnahme betreffend die Umsatzsteuer 2010 neben der Umsatzsteuer des Jahres 2010 ebenfalls angeführt ist, kann - insbesondere bei einem rechtsverständigen Vertreter - angenommen werden, dass ein Vorlageantrag hinsichtlich der Umsatzsteuer des Jahres 2010 gestellt werden wollte, weil ein Vorlageantrag betreffend die Verfahrenswiederaufnahme mangels Beschwerdevorentscheidung im Beschwerdefall nicht möglich gewesen wäre. Das Anführen der Verfahrenswiederaufnahme die Umsatzsteuer des Jahres 2010 betreffend ist somit allenfalls als Ergänzung zur Beschwerde anzusehen (vgl und vom , 2007/16/0189).
Der Vorlageantrag der Beschwerdeführerin umfasst somit lediglich die Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid des Jahres 2010.
Zuständig zu einer Entscheidung (in der Sache) ist das Bundesfinanzgericht im Regelfall nur dann, wenn zuvor bereits die Abgabenbehörde mit Beschwerdevorentscheidung entschieden hat und dagegen ein Vorlageantrag erhoben wurde. Die Voraussetzungen für eine direkte Vorlage an das Bundesfinanzgericht waren nach dem festgestellten Sachverhalt im Beschwerdefall nicht gegeben.
Da somit nach Auffassung des Bundesfinanzgerichts hinsichtlich der Beschwerde über die Wiederaufnahme des Umsatzsteuerverfahrens des Jahres 2010 der Beschwerdeführerin weder eine Beschwerdevorentscheidung ergangen ist noch ein Vorlageantrag gestellt wurde, werden die Parteien über die Rechtsansicht der (vorläufigen) Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichts gemäß § 281a BAO mit gesonderter Erledigung formlos in Kenntnis zu setzen sein.
Die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Sachentscheidung haben jeweils für sich Bescheidqualität und jeder dieser Bescheide ist für sich einer Beschwerde zugänglich und für sich rechtskraftfähig (). Werden sowohl der Wiederaufnahmebescheid als auch der im wiederaufgenommenen Verfahren ergangene Sachbescheid mit Beschwerde bekämpft, so ist zunächst über die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid zu entscheiden.
Wird das Rechtsmittel gegen den Wiederaufnahmebescheid - wie im gegenständlichen Fall - unerledigt gelassen und vorerst über die Beschwerde gegen den neuen Sachbescheid abgesprochen, ist die Entscheidung der Rechtsmittelbehörde inhaltlich rechtswidrig ().
Im Beschwerdefall kommt eine Entscheidung des Gerichts über die Beschwerde gegen den im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Sachbescheid nicht in Betracht (; ), weil die Beschwerde gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer des Jahres 2010 bisher nicht mit Beschwerdevorentscheidung erledigt wurde und keiner der Fälle des § 262 Abs 2, 3 oder 4 BAO vorliegt (; ; vgl auch Ritz/Koran, BAO7 § 281a Rz 6).
Die Beschwerdevorentscheidung betreffend die Umsatzsteuer des Jahres 2010 war daher aufzuheben.
Nach § 264 Abs 7 BAO scheidet der Vorlageantrag durch Aufhebung einer Beschwerdevorentscheidung aus dem Rechtsbestand aus. Das Bundesfinanzgericht trifft keine Pflicht über Vorlageanträge nach Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung zu entscheiden (vgl EBRV 1352 BlgNR 25. GP, 17).
Die Beschwerde vom betreffend die Umsatzsteuer des Jahres 2010 ist damit wieder unerledigt. Nach § 262 Abs 1 BAO hat die Abgabenbehörde verpflichtend eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen. Das Finanzamt für Großbetriebe wird daher im weiteren Verfahren zunächst mit Beschwerdevorentscheidung über die Wiederaufnahme des Umsatzsteuerverfahrens des Jahres 2010 abzusprechen haben und in weiterer Folge über die Umsatzsteuer des Jahres 2010.
Gemäß § 274 Abs 5 BAO iVm § 274 Abs 3 BAO kann von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Vor dem Hintergrund der klaren Sach- und Rechtslage lässt eine mündliche Erörterung eine über die Aktenlage hinausgehende Klärung der Rechtssache nicht erwarten. Deshalb konnte im derzeitigen Verfahrensstadium sowohl aus Billigkeits- als auch Zweckmäßigkeitsüberlegungen von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gegenständlich liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weil sich die Rechtslage einerseits aufgrund der dargestellten Normen eindeutig und klar ergibt (vgl ) und darüber hinaus durch die in der Entscheidung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 265 Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 260 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 281a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 291 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 115 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 246 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 194 Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 13 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 265 Abs. 2 und 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 224 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 257 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 262 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 260 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 265 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 267 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 281 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 278 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 281 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 48a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 258 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 290 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 Abs. 2 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 262 Abs. 2, 3 oder 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 274 Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 274 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 243 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102983.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at