Antrag auf Indexierung der Familienbeihilfe nach Schweizer Preisniveau: Lt. EuGH-Urteil v. 16.6.2022, Rs C-328/20, verstößt Anpassungsmechanismus gem. § 8a FLAG 1967 gegen Gemeinschaftsrecht
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Kitzbühel Lienz (nunmehr: FA Österreich) vom , SV-Nr, betreffend die Abweisung des Antrages vom auf "Indexierung der Familienbeihilfe" zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang:
1. Laut Mitteilung des Finanzamtes vom hat Herr A (= Beschwerdeführer, Bf) für seine Tochter B, geb. September 1996, von 11/2005 - 03/2019 Familienbeihilfe (FB) und Kinderabsetzbetrag (KG) bezogen.
2. Mit Antrag vom begehrte der Bf die Indexierung der FB nach dem schweizerischen Lebenshaltungskostenindex ab , da die Tochter an der X-Hochschule (X) CH-Ort1 studiere; die dortigen Lebenshaltungskosten seien ca. doppelt so hoch als in Österreich.
3. Mit Bescheid vom , SV-Nr, hat das Finanzamt den Antrag abgewiesen und nach Darstellung des § 8a Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG), BGBl 1967/376 idgF., begründend ausgeführt:
Bei einem Lebensmittelpunkt der Eltern in Österreich, deren haushaltszugehörige Kinder nur vorübergehend für Ausbildungszwecke im Ausland studierten, bestehe der Anspruch auf die österreichische FB. Die Tochter des Bf befinde sich zu Ausbildungszwecken nicht ständig in der Schweiz, die Haushaltszugehörigkeit sei nicht aufgehoben. Eine Indexierung nach Schweizer Werten sei daher nicht zulässig.
4. In der dagegen rechtzeitig erhobenen Beschwerde bringt der Bf im Wesentlichen vor:
Die Tochter studiere seit 3 Jahren an der X CH-Ort1, sie habe dort nicht nur einen vorübergehenden, sondern ihren ganzjährigen, ständigen und einzigen Wohnort (CH-Ort2-Adr), dh. keinen Wohnsitz in Österreich. Sie halte sich nur etwa 6 Tage jährlich zwecks Eltern-Besuchen im Inland auf, da sie die Zeit zwischen den Studiensemestern in der Schweiz mit Prüfungsvorbereitungen verbringe. Die wegen Ausbildung nicht aufgehobene Haushaltszugehörigkeit sei Grundvoraussetzung für die Zuerkennung der FB. Die Tochter sei beim Bf lt. Gerichtsbeschluss aus 2006 haushaltszugehörig, da der Bf für den Lebensunterhalt und den Ausbildungsunterhalt aufkomme. Insgesamt stehe daher die Indexierung zu; das Indexierungsgesetz beziehe sich auch auf die Schweiz. Es seien in dieser Angelegenheit die rechtlichen Schritte des EuGH zu beobachten.
5. An Unterlagen wurden vom Bf nachgereicht:
- eine Immatrikulationsbestätigung der Tochter an der X CH-Ort1 für das Frühjahrs-
semester 2019 (02-09/2019),
Studiengang: Bachelorstudium XY;
- ein Leistungsüberblick über erfolgreich abgelegte Prüfungen im Zeitraum Sommer 2016
bis Winter 2019 (Frühjahrs- und Herbstsemester);
- Zertifikat v. betr. Verleihung des entsprechenden Bachelor-Titels an die
Tochter aufgrund des erfolgreich abgelegten Studiums.
6. Im Akt erliegen Abfragen aus dem Zentralen Melderegister (ZMR; Stand 12/2019), wonach der Bf seit 09/2003 mit Hauptwohnsitz in A-Ort-Adr gemeldet ist. Die Tochter B war an selber Adresse bis mit Hauptwohnsitz, anschließend bis 02/2016 an anderer inländischer Adresse mit Nebenwohnsitz gemeldet und ist seither lt. ZMR-Vermerk in die Schweiz verzogen.
7. Infolge der vom Bf am erhobenen Säumnisbeschwerde hat das Finanzamt am die Beschwerdevorentscheidung (BVE) erlassen, die Beschwerde betr. den Antrag auf FB-Indexierung abgewiesen und - nach Darstellung von Verfahrensgang, wesentlichem Sachverhalt und der bezughabenden gesetzlichen Bestimmungen (ua. § 2 Abs. 5 FLAG) - begründend ausgeführt:
Im Hinblick auf die zwecks Studium jeweils auf ein Jahr befristet erteilte Aufenthalts-bewilligung (lt. X-Leitfaden) und den eigenen Angaben des Bf zur bestehenden Haushaltszugehörigkeit wg. seiner Erbringung von Lebens- und Ausbildungsunterhalt, sei im Ergebnis davon auszugehen, dass sich die Tochter nur vorübergehend bzw. nicht ständig in der Schweiz aufhalte, die Haushaltszugehörigkeit zum Bf nicht aufgehoben und daher die Indexierung nach dem Schweizer-Preisniveau nicht zulässig sei.
(im Einzelnen: siehe die BVE vom )
8. Im dagegen am eingebrachten Vorlageantrag wird vom Bf zusammengefasst eingewendet:
Die Tochter habe seit 5 Jahren ihren Hauptwohnsitz bzw. ihren eigenen, einzigen und ständigen Wohnsitz in der Schweiz in CH-Ort1. Sie sei 22 Jahre alt und daher kein "Kind" iSd § 2 Abs. 5 FLAG; sie lebe jedenfalls nicht in einer gemeinsamen Wirtschafts- und Wohngemeinschaft mit dem Bf/Vater, weshalb - abgesehen von den gerichtlich bestimmten Sorgepflichten (Unterhaltskosten) - keine Haushaltszugehörigkeit vorliege. Die - hier unmaßgebliche - befristete Aufenthaltsbewilligung für die Schweiz erhielten dort alle Personen bis zur Erteilung der sogenannten "Niederlassung" nach etwa 6-8 Jahren.
9. Nach Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung hat das Bundesfinanzgericht (BFG) dem Bf ein Vorhaltschreiben v. auszugsweise folgenden Inhaltes übermittelt:
" ….. 3.) Nach der neueren VwGH-Rechtsprechung ist etwa bei einem dreijährigen Aufenthalt der Tochter, verbunden mit der Unterbringung in einem Internat, die Haushaltszugehörigkeit zum Kindsvater aufgelöst. Als haushaltszugehörig gilt eine Person nämlich nur dann, wenn sie bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit einer anderen Person teilt. Eine fiktive Haushaltszugehörigkeit nach den Bestimmungen des FLAG 1967 ist nicht gegeben, da bei einem auf drei Jahre angelegten auswärtigen Schulbesuch ua. die Ausnahmebestimmung des § 2 Abs. 5 lit a FLAG nicht greift (vgl. 2011/16/0195; siehe in Lenneis/Wanke, FLAG-Kommentar, 2. Aufl., Rz 147 zu § 2).
Das bedeutet, es kann diesfalls also nicht mehr bloß von einem "vorübergehenden" anderweitigen Aufenthalt des Kindes ausgegangen werden.
Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes wäre demzufolge in Anbetracht der nachweislich gegebenen Umstände - Abmeldung des Wohnsitzes in Österreich im Feber 2016 und Wegzug in die Schweiz, Studienbeginn in der Schweiz ab SS 2016, Studiendauer zumindest 3 Jahre - gegenständlich wohl davon auszugehen, dass aufgrund des langjährigen Studiums - entgegen dem Finanzamt - von einem dauernden Aufenthalt der Tochter in der Schweiz auszugehen sein wird. Zum Einen wäre damit die Voraussetzung des "ständigen" Aufenthaltes der Tochter in der Schweiz nach § 8a FLAG erfüllt; andererseits liegt dann jedoch keine nach § 2 Abs. 2 FLAG für den FB-Anspruch primär geforderte Haushaltszugehörigkeit (= tatsächliche Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft) bei Ihnen mehr vor. Ein FB-Anspruch bestünde daher nach § 2 Abs. 2 zweiter Satz FLAG nur dann, wenn sie die überwiegenden Unterhaltskosten für die Tochter tragen.
4.) Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum FB (aufgrund überwiegender Kostentragung) zusteht, anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum abhängig vom je monatlich tatsächlichen Bedarf zu beantworten ( 2006/15/0098).
Ob eine Person die Unterhaltskosten für ein Kind überwiegend getragen hat, hängt einerseits von der Höhe der gesamten Unterhaltskosten für das den FB-Anspruch vermittelnde Kind in einem bestimmten Zeitraum und andererseits von der Höhe der von dieser Person tatsächlich geleisteten Unterhaltsbeiträge ab. Ohne zumindest schätzungsweise Feststellung der gesamten Unterhaltskosten lasse sich nicht sagen, ob die Unterhaltsleistung in einem konkreten Fall eine überwiegende war (vgl. Ra 2015/16/0058 u.a.). In diesem Zusammenhalt ist ebenso die Frage der Mittelaufbringung, nämlich welche Mittel/Geldbeträge dem Anspruchswerber zur Verfügung gestanden haben, von maßgebender Bedeutung (s. 2001/14/0180).
5.) Im Hinblick auf obige Ausführungen wird daher zunächst um Konkretisierung des Anspruchszeitraumes, nämlich ab bis Beendigung des Studiums der Tochter im Jahr 2019, sowie um Vorlage folgender Unterlagen ersucht:
a) gerichtlicher Beschluss aus 2006, worauf in der Beschwerde in Zusammenhang mit dem Unterhalt Bezug genommen wird;
b) Aufstellung der gesamten monatlichen Lebenshaltungskosten inklusive Ausbildungkosten der Tochter im Anspruchszeitraum;
c) Aufstellung der von Ihnen diesbezüglich tatsächlich geleisteten mtl. Unterhaltszahlungen für die Tochter;
d) Darstellung der Ihnen mtl. zur Verfügung stehenden Geldmittel.
Es wird darauf hingewiesen, dass alle gemachten Angaben durch bezughabende Unterlagen/Belege nachzuweisen sind.
6.) Allfällige Aussetzung der Entscheidung:
In § 271 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl 1961/194 idgF., wird bestimmt:
Ist wegen einer gleichen oder ähnlichen Rechtsfrage eine Beschwerde anhängig oder schwebt sonst vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde ein Verfahren, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Beschwerde ist, so kann die Entscheidung über diese unter Mitteilung der hiefür maßgebenden Gründe ausgesetzt werden, sofern nicht überwiegende Interessen der Partei entgegen stehen.
Dies hat nach Vorlage der Beschwerde durch Beschluss des Verwaltungsgerichtes zu erfolgen. Nach Beendigung des Anlass-Verfahrens ist das ausgesetzte Beschwerdeverfahren von Amts wegen fortzusetzen.
Mit RE/7100001/2020, wurde an den Europäischen Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen gerichtet zur Frage, ob die Indexierung der österr. Familienleistungen (ua. FB) unionsrechtskonform ist. Dieses Verfahren behängt derzeit beim EuGH unter der GZ. C-163/2020.
Da dessen Ausgang im Hinblick auf gegenständlich beantragte Indexierung der FB iSd § 8a FLAG als wesentlich zu erachten ist, wäre aus Gründen der Zweckmäßigkeit (zB der Vermeidung allenfalls anschließender Revisionsverfahren), unabhängig von obigen Ausführungen, eine Aussetzung der Entscheidung gemäß § 271 BAO in Betracht zu ziehen.
Es wird daher um Mitteilung gebeten, ob und welche überwiegenden Interessen Ihrerseits einer Aussetzung nach § 271 BAO entgegen stehen würden. …"
10. In seiner Stellungnahme v. gibt der Bf an:
Nach Beginn eines Praktikums und der Masterarbeit sei mit der Beendigung des Studiums der Tochter im Jahr 2021 zu rechnen. Die Studien- und Lebenshaltungskosten würden monatlich ca. 1.500 Schweizer Franken (CHF) betragen. Der Bf würde aus Mitteln seines Pensionsbezuges monatlich den Betrag von € 800 überweisen; dazu erhalte die Tochter die FB von € 220 und von der Mutter mtl. € 220.
Dazu wurden an Unterlagen vorgelegt:
- die Vergleichsausfertigung des Bezirksgerichtes v. , wonach das Obsorgerecht
für die Tochter B dem Bf als Kindesvater übertragen wurde;
- eine Aufstellung der X CH-Ort1 aus 2017, wonach die mtl. Studien- und
Lebenshaltungskosten (lt. Bf hier ohne Krankenkasse) ca. CHF 1.600 betragen würden;
- Zahlungsbelege betr. ua. die Überweisung des Studienunterhaltes an die Tochter in Höhe
von € 800 im Juli 2020;
- Girokontoauszug aus Juli 2020, demnach der Bf eine mtl Pension von rund € 3.200
bezieht.
Hinsichtlich der ev. Aussetzung des Verfahrens wurden vom Bf keinerlei dem entgegenstehende Interessen vorgebracht.
11. Das BFG hat daraufhin mit Beschluss vom die Entscheidung in gegenständlicher Beschwerdesache gem. § 271 Abs. 1 BAO bis zur Beendigung des zu GZ. C-163/20 beim EuGH behängenden Verfahrens zur Frage, ob die Indexierung der österreichischen Familienleistungen (ua. der FB) unionsrechtskonform sei, ausgesetzt.
12. Das og. EuGH-Verfahren wurde in der Folge aufgrund eines von der Europäischen Kommission gegen die Republik Österreich am eingeleiteten Vertragsver-letzungsverfahrens, Rs C-328/20, im Jänner 2021 ausgesetzt.
13. Der EuGH hat nunmehr in der Rs C-328/20 mit Urteil v. im Ergebnis betreffend die erste Rüge der Kommission dahin entschieden, dass die Republik Österreich durch Einführung eines Anpassungsmechanismus (insbes. durch Änderung des § 8a FLAG 1967 in der Fassung vom ) in Bezug auf die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für Erwerbstätige, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 4 und 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit sowie aus Art 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union verstoßen hat.
14. Wie im festgehalten, ist in der Folge das gegenständlich ausgesetzte FB-Beschwerdeverfahren gem. § 271 Abs. 2 BAO von Amts wegen fortzusetzen.
II. Sachverhalt
Der im Inland ansässige Bf (siehe ZMR) bezieht für seine Tochter B, geb. 09/1996, laufend die FB.
Diese hält sich ca. seit ihrem 18. Lebensjahr (vollendet 09/2014) in der Schweiz auf, um dort an der X-Hochschule im Fach "XY BSc" zu studieren. Laut Zertifikat vom wurde ihr nach erfolgreichem Studium der "Bachelor of Science X" verliehen (siehe auch Immatrikulationsbestätigung für das Frühjahrssemester 2019; Leistungsüberblick über erfolgreich abgelegte Prüfungen ab Sommer 2016 bis einschl. Winter 2019).
Die Tochter hat ihren Wohnsitz in der Schweiz (in CH-Ort1). Laut Abfrage im Zentralen Melderegister (ZMR) besteht seit dem keine Wohnsitzmeldung mehr in Österreich und ist angeführt: "Verzogen nach Schweiz". Besuche im Inland erfolgen nur für wenige Tage pro Jahr.
Die Lebenshaltungs- und Studienkosten der Tochter in Höhe von rund mtl. CHF 1.500 werden ua. vom Bf in Höhe von mtl. € 800 aus dessen Pensionseinkünften (siehe Aufstellung der Lebenshaltungs- und Studienkosten der Hochschule; Zahlungsnachweis des Bf; Kontoauszug betr. Pensionseinkünfte) und durch die ihm für die Tochter gewährte Familienbeihilfe von mtl. € 220, dh. offensichtlich überwiegend von Seiten des Bf finanziert.
III. Beweiswürdigung
Obiger Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus den vom Bf vorgelegten, obbezeichneten Unterlagen, den durchgeführten Erhebungen sowie den eigenen Angaben des Bf und ist insoweit unbestritten.
IV. Rechtslage
1. Nationale gesetzliche Bestimmungen:
Gemäß § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG), BGBl 1967/376 idgF., haben Anspruch auf Familienbeihilfe (FB) Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, nach lit b dieser Bestimmung für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und sich in Berufsausbildung oder - fortbildung befinden, ua. ein Studium betreiben.
Nach § 2 Abs. 2 FLAG hat den FB-Anspruch für das Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person (aufgrund Haushaltszugehörigkeit) anspruchsberechtigt ist.
Gemäß § 2 Abs. 5 FLAG gehört ein Kind zum Haushalt einer Person dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt als nicht aufgehoben, wenn sich ua. (nach lit a) das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält.
Nach § 8a Abs. 1 FLAG 1967 idF. BGBl. I 2018/83 sind die Beträge an FB (§ 8) für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum(EWR) oder der Schweiz aufhalten, auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU, jede Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz im Verhältnis zu Österreich zu bestimmen.
Nach Abs. 2 dieser Bestimmung gilt die Indexierung nach Abs. 1 erstmals ab auf Basis der zum Stichtag zuletzt veröffentlichten Werte.
Mit der sogen. Anpassungsverordnung vom , BGBl II 2018/318, wurden die Berechnungsgrundlagen für die FB-Indexierung kundgemacht. Der demnach (lt. Tabelle in § 2 Abs. 2 der VO) auf die österreichischen Werte anzuwendende Multiplikator beträgt ua. für die Schweiz: 1,520.
2. EuGH-Rechtsprechung:
Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom in der Rs C-328/20 entschieden, dass die mit Änderung der Bestimmung nach § 8a FLAG 1967 idF. BGBl. I 2018/83, anzuwenden ab , durch die Republik Österreich eingeführte Indexierung der Familienbeihilfe (+ KG) EU-widrig ist.
Der EuGH führt in der Urteilsbegründung ua. Folgendes aus (Anm.: Hervorhebung durch BFG):
" … Rn 42 Zunächst ist festzustellen, dass die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag, die Gegenstand der ersten Rüge sind, unstreitig Familienleistungen im Sinne von Art. 1 Buchst. z der Verordnung Nr. 883/2004 sind und dass diese Verordnung auf den Anpassungs-mechanismus anwendbar ist, da sie für alle Rechtsvorschriften gilt, die Zweige der sozialen Sicherheit in Bezug auf Familienleistungen betreffen.
Rn 43 Daher müssen die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag insbesondere Art. 7 der Verordnung Nr. 883/2004 entsprechen, wonach solche Leistungen, sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, "nicht aufgrund der Tatsache gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden [dürfen], dass der Berechtigte oder seine Familienangehörigen in einem anderen als dem Mitgliedstaat wohnt bzw. wohnen, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat".
Rn 44 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 den Grundsatz festlegt, dass eine Person Anspruch auf Familienleistungen für Familienangehörige, die in einem anderen als dem für die Gewährung dieser Leistungen zuständigen Mitgliedstaat wohnen, so erheben kann, als würden sie in dem zuständigen Mitgliedstaat wohnen (Urteil vom , Trapkowski, C-378/14, EU:C:2015:720, Rn. 35).
…..
Rn 47Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 ist daher dahin auszulegen, dass die Familienleistungen, die ein Mitgliedstaat Erwerbstätigen gewährt, deren Familienangehörige in diesem Mitgliedstaat wohnen, exakt jenen entsprechen müssen, die er Erwerbstätigen gewährt, deren Familienangehörige in einem anderen Mitgliedstaat wohnen. Entgegen dem Vorbringen der Republik Österreich rechtfertigen es die Kaufkraftunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten im Hinblick auf diese Bestimmung nicht, dass ein Mitgliedstaat dieser zweiten Personengruppe Leistungen in anderer Höhe gewährt als der ersten Personengruppe.
…..
Rn 50 Bei der Prüfung der Behandlung der von der Verordnung Nr. 883/2004 erfassten Arbeitnehmer kommt es daher auf den wirtschaftlichen Wert dieser Leistungen nicht im Hinblick auf die Kaufkraft und das Preisniveau am Wohnort der betreffenden Personen, sondern im Hinblick auf die Höhe der geschuldeten Leistungen an.
Rn 51 In Anbetracht der in Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 normierten Fiktion …. dürfen die Mitgliedstaaten gemäß dieser Verordnung die Familienleistungen nicht nach Maßgabe des Wohnstaats der Kinder des Begünstigten anpassen.
Rn 52 Genau dies ist hier der Fall. Nur die Empfänger von Familienleistungen, deren Kinder nicht in Österreich wohnen, unterliegen nämlich dem Mechanismus zur Anpassung der Höhe dieser Leistungen an das Preisniveau und die Kaufkraft am Wohnort ihrer Kinder. Ein solcher Mechanismus gilt nicht für Familienleistungen, die für Kinder gewährt werden, die in verschiedenen Regionen Österreichs wohnen, obwohl zwischen diesen Regionen Preisniveauunterschiede bestehen, die mit denen vergleichbar sind, die zwischen der Republik Österreich und anderen Mitgliedstaaten bestehen können.
Rn 53 Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass - wie der Generalanwalt in den Nrn. 77 bis 79 seiner Schlussanträge ausgeführt hat - nicht feststeht, dass die Höhe der von der Republik Österreich gewährten Familienleistungen je nach den tatsächlichen Lebenshaltungskosten oder den tatsächlichen Ausgaben für den Unterhalt der Kinder variiert, da diese Beträge pauschal nach Maßgabe der Zahl und gegebenenfalls des Alters der Kinder oder einer Behinderung der Kinder gewährt werden.
…..
Rn 58 Nach alledem ist die erste Rüge, mit der ein Verstoß gegen die Verpflichtungen aus Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 geltend gemacht wird, begründet. ….."
Der EuGH führt im Weiteren zur zweiten Rüge (Verstoß gegen Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011, betr. die ev. Ungleich-behandlung/Diskriminierung von Wanderabeitnehmern) auszugsweise aus:
" ….. Rn 63 Aus den Gesetzesmaterialien zur Einführung des Anpassungsmechanismus ergebe sich, dass der österreichische Gesetzgeber das Ziel verfolgt habe, sich Ausgaben im nationalen Budget zu ersparen. Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass es mehr Empfänger von Familienleistungen sowie sozialen und steuerlichen Vergünstigungen gebe, deren Kinder in Mitgliedstaaten lebten, in denen das Preisniveau niedriger als in Österreich sei, als solche, deren Kinder in Mitgliedstaaten lebten, in denen ein höheres Preisniveau herrsche. Denn nur im Fall der Schweizerischen Eidgenossenschaft und des Fürstentums Liechtenstein führe der Anpassungsmechanismus zu einem Betrag, der höher oder gleich dem in Österreich zu zahlenden Pauschalbetrag sei.
Rn 64 Außerdem gelte der Anpassungsmechanismus nicht für Kinder von österreichischen Beamten, die ins Ausland entsandt seien, ….
Rn 65 Daher führe der Anpassungsmechanismus zu einer mittelbaren Diskriminierung von Wanderarbeitnehmern, zu deren Rechtfertigung kein legitimes Ziel zu erkennen sei.
Rn 66 Die Kommission weist darauf hin, dass die Familienleistungen sowie die sozialen und steuerlichen Vergünstigungen, die dem Anpassungsmechanismus unterlägen, nicht nach dem Preisniveau am Wohnort des Kindes berechnet würden. Innerhalb Österreichs sei ihr Pauschalbetrag trotz der Kaufkraftunterschiede zwischen den verschiedenen Regionen einheitlich.
Rn 67 Die Kommission hält es für widersprüchlich, wenn die Republik Österreich behaupte, dass die dem Anpassungsmechanismus unterliegenden Familienleistungen sowie sozialen und steuerlichen Vergünstigungen an die tatsächlichen Ausgaben für den Unterhalt der Kinder geknüpft seien, während eine Anpassung ihrer Beträge an die Kaufkraftunterschiede zwischen den österreichischen Regionen - von z. B. 8 % zwischen dem Land Wien und dem Land Niederösterreich - ausgeschlossen sei, obwohl die Republik Österreich eine solche Anpassung angesichts der Kaufkraftunterschiede zur Bundesrepublik Deutschland oder zur Italienischen Republik, die lediglich 2,6 % bzw. 5,2 % betrügen, für erforderlich halte.
…..
Rn 102 Zum Vorbringen der Republik Österreich, der Anpassungsmechanismus stelle angesichts der Unterschiede im Preisniveau im Vergleich zu den betreffenden Staaten sicher, dass ungleiche Sachverhalte auch entsprechend differenziert behandelt würden, genügt der Hinweis, dass die dem Anpassungsmechanismus unterliegenden Familienleistungen sowie sozialen und steuerlichen Vergünstigungen nicht nach Maßgabe der tatsächlichen Kosten für den Unterhalt der Kinder festgesetzt werden. Diese Leistungen und Vergünstigungen werden nämlich pauschal gewährt und richten sich nach der Zahl und gegebenenfalls dem Alter der Kinder, ohne deren tatsächlichen Bedürfnissen Rechnung zu tragen.
…..
Rn 105 Die von der Republik Österreich angeführte Rechtfertigung, wonach mit der Anpassung der Höhe der Leistungen für gebietsfremde Kinder sichergestellt werden solle, dass die Unterstützung und die daraus folgende Erleichterung der Familienlasten wertmäßig den für in Österreich wohnhaften Kindern gewährten Leistungen entsprächen, entbehrt aus den oben in Rn. 102 angeführten Gründen jeder Grundlage. Darüber hinaus unterliegen die in Rede stehenden Familienleistungen und sozialen Vergünstigungen, wie bereits oben in Rn. 52 ausgeführt worden ist, nicht dem Anpassungsmechanismus, wenn die Kinder in Österreich wohnen, obwohl zwischen den Regionen dieses Mitgliedstaats unstreitig Unterschiede im Preisniveau bestehen, die mit jenen vergleichbar sind, die möglicherweise zwischen der Republik Österreich und anderen Mitgliedstaaten bestehen. Diese mangelnde Kohärenz bei der Anwendung des Anpassungsmechanismus bestätigt, dass die von der Republik Österreich geltend gemachte Rechtfertigung nicht durchgreifen kann.
Rn 106 Außerdem kann die Ungleichbehandlung, die sich aus dem Anpassungsmechanismus ergibt, nicht mit dem von der Republik Österreich geltend gemachten Ziel der Gewährleistung der Unterhaltsfunktion sowie der Ausgewogenheit des Sozialsystems gerechtfertigt werden.
…..
Rn 111 Unter diesen Umständen ist, wie der Generalanwalt in Nr. 146 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, davon auszugehen, dass die durch den Anpassungsmechanismus eingeführte unterschiedliche Behandlung je nach dem Wohnort des Kindes des betreffenden Arbeitnehmers weder geeignet noch erforderlich ist, um die Unterhaltsfunktion sowie die Ausgewogenheit des Sozialsystems zu gewährleisten.
Rn 112 Die zweite Rüge der Kommission ist daher ebenfalls begründet. ….."
V. Erwägungen
Beim Gemeinschaftsrecht handelt es sich um Primärrecht, dieses ist vorrangig, dh. vor geltendem nationalen Recht anzuwenden.
Mit oben dargelegtem Urteil hat der EuGH nun abschließend dahin entschieden, dass die österreichische Indexierung der Familienleistungen iSd § 8a FLAG 1967 (iVm der Anpassungsverordnung vom , BGBl II 2018/318) gegen geltendes EU-Recht verstößt.
Der EuGH verweist insbesondere darauf, dass es die - gegenständlich vom Bf ausdrücklich geltend gemachten - Kaufkraftunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten, denen nach § 8a Abs. 1 FLAG 1967 neben den EWR-Staaten auch der Staat Schweiz gleichzuhalten ist, nicht rechtfertigen, dass Familienleistungen in unterschiedlicher Höhe gewährt werden (siehe oben Rn 47).
Laut EuGH handelt es sich nämlich um soziale Leistungen, die nicht nach Maßgabe der tatsächlichen Kosten für den Unterhalt der Kinder festgesetzt, sondern die vielmehr pauschal gewährt werden und sich allein nach der Zahl und gegebenenfalls dem Alter der Kinder richten, ohne deren tatsächlichen Bedürfnissen Rechnung zu tragen.
Aufgrund der nunmehr vom EuGH entschiedenen Frage dahin, dass eine Indexierung der österr. Familienleistungen gegen Gemeinschaftsrecht verstößt, kann auch die daneben bislang in Streit gezogene Beurteilung, ob sich die Tochter des Bf zwecks Studiums "ständig" oder aber "bloß vorübergehend" in der Schweiz aufgehalten habe, insofern dahingestellt bleiben, als die beantragte Indexierung lt. EuGH jedenfalls nicht vorzunehmen ist.
Der Beschwerde gegen den Bescheid vom , mit dem der Antrag des Bf vom auf Indexierung der Familienbeihilfe auf Basis des Preisniveaus der Schweiz abgewiesen wurde, konnte daher nach Obigem kein Erfolg beschieden sein und war spruchgemäß zu entscheiden.
Unzulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Lösung der entscheidungswesentlichen Rechtsfrage ergibt sich anhand der nun vorliegenden EuGH-Judikatur. Eine Revision ist daher nicht zulässig.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | Art. 67 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1 Art. 7 Abs. 2 VO 492/2011, ABl. Nr. L 141 vom S. 1 § 8a Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | /2020 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.3100054.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at