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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.06.2022, RV/6100340/2013

Zustellung von Bescheiden im Insolvenzverfahren

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Josef Zwilling in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des FA Salzburg-Land (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Umsatzsteuer 2011, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der am zu Steuernummer ***BF1StNr1*** ergangenen Umsatzsteuerbescheid 2011 weist folgende Adressierung auf: "***Name1*** als Masseverwalter im Insolvenzverfahren ***Bf1***, ***Adresse1***".

In der mit Schriftsatz vom von Rechtsanwalt ***Name1*** als Insolvenzverwalter eingebrachten Berufung (nunmehr Beschwerde) wurde der Antrag gestellt den Bescheid aufzuheben. Begründend wurde ausgeführt, dass nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens für Zeiträume vor der Verfahrenseröffnung keine Steuerbescheide mehr gegen die Insolvenzmasse ergehen dürften.

In einer ergänzenden Begründung zur Berufung vom führte der Insolvenzverwalter aus, dass die Erlassung eines Steuerbescheides gegen ihn als Insolvenzverwalter nicht zulässig sei. Gemäß Art. 4 EuInsVO gelte für das Insolvenzverfahren und seine Wirkung das Insolvenzrecht des Mitgliedstaates, in dem das Verfahren eröffnet wurde. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen von Frau ***Bf1*** sei in ***Ort1*** eröffnet worden, sodass das deutsche Insolvenzrecht anzuwenden sei. Eine Steuerforderung könne gegen die Insolvenzmasse im deutschen Verfahren als Masseverbindlichkeiten nur gemäß § 55 Abs. 1 (deutsche) InsO geltend gemacht werden. Da die Steuerforderung keine Masseverbindlichkeit sei, könne sie auch nicht durch Bescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter zur Zahlung festgesetzt werden. Der Insolvenzverwalter sei zur Zahlung nicht verpflichtet.

Das Finanzamt legte am die Berufung (Beschwerde) dem damaligen unabhängigen Finanzsenat ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung zur Entscheidung vor. In der Stellungnahme wurde ausgeführt, dass nach der Konkurseröffnung der Berufungswerberin als Gemeinschuldnerin zwar die Verfügung über ihr Vermögen entzogen worden sei, die Einkünfte aber weiterhin ihr zuzurechnen seien. Der gegenständliche Bescheid sei daher gegenüber dem Masseverwalter, der die nicht handlungsfähige Gemeinschuldnerin repräsentiert, zu erlassen.

Zuständigkeit:

Gemäß § 323 Abs. 38 erster Satz BAO idF BGBl. I 70/2013 sind die am bei dem unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen und Devolutionsanträge vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.

Entsprechend dieser Übergangsbestimmung fällt die am beim unabhängigen Finanzsenat anhängig gewesene Berufung vom gegen die nunmehr in den Zuständigkeitsbereich des Bundesfinanzgerichtes und ist von diesem als Beschwerde im Sinn des Art. 130 Abs. 1 BVG zu erledigen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Die Abgabepflichtige, ***Bf1***, hatte im beschwerdegegenständlichen Zeitraum ihren Wohnsitz in ***Bf1-Adr***.

Im Jahr 2011 hatte sie Einkünfte aus Gewerbebetrieb und nichtselbstständiger Arbeit in Österreich.

Im Rahmen der Umsatzsteuererklärung 2011 stellte sie einen Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht in Österreich.

Mit Beschluss des Amtsgerichts ***Ort1*** (Deutschland) vom wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Abgabepflichtigen eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt ***Name1***, ***Adresse1***, bestellt.

Am erging der Umsatzsteuerbescheid 2011 (Abgabennachforderung € 139,37) mit folgender Adressierung: "***Name1***, als Masseverwalter im Insolvenzverfahren ***Bf1***, ***Adresse1***".

Mit Beschluss des Amtsgerichts ***Ort1*** vom wurde das Insolvenzverfahren schließlich aufgehoben.

2. Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind aktenkundig. Dagegensprechende Umstände sind nicht ersichtlich.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Die Bf hatte unstrittig im Jahr 2011 ihren Wohnsitz in Deutschland und war auf Antrag in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig.

In der Beschwerde wird auf die VO (EG) 1346/2000 des Rates vom über Insolvenzverfahren, ABl L 2000/160, 1 (kurz: EuInsVO), Bezug genommen. Die Art. 4 bis 15 (in der damals geltenden Fassung) beinhalten einheitliche Kollisionsnormen, die zur Bestimmung des anwendbaren Rechts im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren innerhalb der EU heranzuziehen sind.
Grundsätzlich ist für alle Insolvenzverfahren das Recht des Staates anzuwenden, in dem das Verfahren eröffnet wurde (Art. 4 Abs.1 EuInsVO). Nach Art. 4 Abs. 2 EuInsVO regelt das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung unter welchen Voraussetzungen das Insolvenzverfahren eröffnet wird und wie es durchzuführen und zu beenden ist.

Die grundsätzliche Anwendung ausländischen Insolvenzrechts nach der EuInsVO hindert jedoch die Abgabenbehörde nicht, an den Insolvenzverwalter gerichtete Abgabenbescheide zu erlassen (vgl. ; ).

Für das einem Insolvenzverfahren bloß vorgeschaltete "Titelverfahren" findet die EuInsVO keine Anwendung, zumal das Finanzamt seine Abgabenansprüche ohnehin nur durch eine Forderungsanmeldung an den Insolvenzverwalter geltend machen kann (). Der angefochtene Bescheid spricht lediglich über die bestehende Abgabenschuld ab und stellt keine Anmeldung einer Insolvenzforderung dar.

Die erstmalige Geltendmachung einer Abgabenforderung ohne Erlassung eines Abgabenbescheides ist dem hier anzuwendenden österreichischen Verfahrensrecht fremd.
Gemäß § 92 Abs. 1 BAO sind Erledigungen einer Abgabenbehörde als Bescheide zu erlassen, wenn sie für einzelne Personen

a) Rechte oder Pflichten begründen, abändern oder aufheben, oder

b) abgabenrechtlich bedeutsame Tatsachen feststellen, oder

c) über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses absprechen.

Der Bescheid ist daher grundsätzlich zu Recht ergangen.

Durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen das dem Schuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Insolvenzverfahrens erlangt (Insolvenzmasse), dessen freier Verfügung entzogen (§ 2 Abs. 2 Insolvenzordnung).

Der Insolvenzverwalter ist für die Zeit seiner Bestellung der gesetzliche Vertreter des Schuldners betreffend die Insolvenzmasse, soweit die Befugnisse des Schuldners beschränkt sind. Auch in einem Abgabenverfahren tritt nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Insolvenzverwalter an die Stelle des Schuldners, soweit es sich um Aktiv- oder Passivbestandteile der Insolvenzmasse handelt. Die Abgaben sind daher während des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Insolvenzverwalter, der insofern den Schuldner repräsentiert, festzusetzen (vgl. zB. mwN).

Der angefochtene Bescheid wurde an "***Name1*** als Masseverwalter im Insolvenzverfahren…" gerichtet und entspricht daher der Rechtsprechung des VwGH.

Die Beschwerde war demnach abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision nicht zulässig, da die im vorliegenden Fall anzuwendenden Rechtsvorschriften eindeutig sind und somit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 92 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.6100340.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at