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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.05.2022, RV/6100184/2022

Mutwillensstrafe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Maria-Luise Wohlmayr über die Beschwerde des ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch B&S Steuer- und Unternehmensberatungs GmbH, Röcklbrunnstraße 35, 5020 Salzburg vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Festsetzung einer Mutwillensstrafe zu Recht erkannt:

1. Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

A. Verfahrensgang und Sachverhalt

A/1. Im Zuge einer beim Beschwerdeführer (kurz: Bf.) abgehaltenen Außenprüfung stellte das Finanzamt fest, dass der Bf. im Jahr 2013 einen mit dem Verwendungszweck "Honorar" bezeichneten Bankeingang von EUR 50.000 brutto nicht in seine Steuererklärungen aufgenommen hatte. Das Finanzamt ging von einer umsatzsteuerpflichtigen Leistung aus und unterzog den Nettobetrag (EUR 41.666,67) der Umsatzsteuer von 20%, somit EUR 8.333,33.

Mit Umsatzsteuerbescheid vom erhöhte das Finanzamt die bisher erklärten Umsätze um EUR 41.666,67 und setzte die Umsatzsteuer 2013 mit EUR 12.843,45 fest. Da bereits EUR 6.010,12 an Umsatzsteuer 2013 entrichtet waren, ergab sich eine Nachforderung in Höhe von EUR 6.833,33.

Gegen diesen Umsatzsteuerbescheid ist unter der Zahl RV/6100014/2021 ein Beschwerdeverfahren beim Bundesfinanzgericht anhängig. Im Zuge des Vorlageantrages vom begehrte der Bf. auch die Aussetzung der Einhebung des "gegenständlichen Abgabenrückstandes".

Mit Bescheid vom kam das Finanzamt diesem Antrag nach und bewilligte die Aussetzung der Einhebung der Umsatzsteuer 2013 (Fälligkeit ) mit dem Betrag von EUR 6.833,33. Dieser Bescheid wurde der zustellungsbevollmächtigten steuerlichen Vertretung des Bf. am zugestellt.

A/2. Mit Schreiben vom beantragte der Bf. die Aussetzung diverser Abgaben, Zinsen und Gebühren, darunter auch die Aussetzung eines Betrages von EUR 1.500 an Umsatzsteuer 2013. Das Finanzamt habe im Zuge der Außenprüfung Umsatzsteuer von EUR 8.333,33 zusätzlich festgesetzt. Die Aussetzung der Einhebung betrage jedoch nur EUR 6.833,33. Daher werde nunmehr auch die Aussetzung des Differenzbetrages von EUR 1.500 begehrt.

Das Finanzamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom als unzulässig zurück mit der Begründung, die Aussetzung des gesamten Nachforderungsbetrages an Umsatzsteuer 2013 sei rechtskräftig verfügt worden und sei bis dato aufrecht. Einem neuerlichen Aussetzungsantrag stehe daher das Hindernis der res iudicata entgegen.

Auch gegen diesen Zurückweisungsbescheid ist ein Beschwerdeverfahren beim Bundesfinanzgericht anhängig (RV/6100321/2021). Der entsprechende, von der steuerlichen Vertretung eingebrachte Vorlageantrag vom hat folgenden Wortlaut:
"Namens unseres Mandanten beantragen wir innerhalb offener Frist die Entscheidung über die Beschwerde vom durch das BFG und beantragten gleichzeitig die Aussetzung der Einhebung des gegenständlichen Differenzbetrages in Höhe von EUR 1.500."

Das Finanzamt erkannte darin einen neuerlichen Aussetzungsantrag, den es mit Bescheid vom wiederum zurückwies.

A/3. Darüber hinaus setzte das Finanzamt mit Bescheid vom gegenüber dem Bf. eine Mutwillensstrafe von EUR 100 fest. Der Bescheidspruch lautet:

"Auf Grund der Inanspruchnahme der Abgabenbehörde infolge Ihres Antrages vom auf Aussetzung des Differenzbetrags von EUR 1.500 betreffend die Umsatzsteuer 2013 wird gemäß § 112a Bundesabgabenordnung (BAO) eine Mutwillensstrafe mit 100,00 Euro festgesetzt."

Als Begründung führte das Finanzamt aus, dass der Bf. am den dritten Antrag auf Aussetzung der Einhebung der Umsatzsteuer 2013 gestellt habe. Nachdem die Behörde dem ersten Antrag stattgegeben und den gesamten Umsatzsteuerrückstand 2013 ausgesetzt habe, habe der Bf. die Aussetzung eines zusätzlichen Betrages von EUR 1.500 beantragt. Dieser Antrag sei wegen res iudicata zurückgewiesen und im Bescheid darauf hingewiesen worden, dass eine Aussetzung der Einhebung nur für Nachforderungen in Betracht komme. Der gesamte Nachforderungsbetrag an Umsatzsteuer 2013 sei bereits ausgesetzt, eine Aussetzung des darüber hinausgehenden Betrages sei dem Grunde nach nicht möglich. Der dritte Antrag sei daher als offenkundig mutwillig anzusehen, weil dem Bf. die Aussichtslosigkeit dieses dritten Antrages bewusst sein musste.

A/4. In der dagegen erhobenen Beschwerde rügt der Bf. die unrichtige Sachverhaltsdarstellung sowie die unrichtige rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes. Das Beschwerdevorbringen bezieht sich im Wesentlichen auf die Aussetzung der Einhebung, die nach Ansicht des Bf. keinesfalls für jedermann erkennbar aussichtslos sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Der im Rahmen des Vorlageantrages gestellte dritte Antrag auf Aussetzung der Umsatzsteuer 2013 sei als offenkundig mutwillig anzusehen, weil dem Bf. infolge der Darlegung der rechtlichen Überlegungen der Abgabenbehörde bei unveränderter Rechts- und Sachlage die Aussichtslosigkeit des nunmehr dritten Antrages bewusst sein müsse.

Dagegen beantragte der Bf. die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung als Senat in öffentlicher Verhandlung.

A/5. Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Über Befragen durch das BFG teilte der Bf. telefonisch mit, dass es nicht beabsichtigt gewesen sei, einen dritten Aussetzungsantrag zu stellen. Vielmehr habe er seinen Steuerberater per Mail beauftragt, einen Vorlageantrag betreffend die Zurückweisung des Aussetzungsantrages zu stellen. Dass ein dritter Aussetzungsantrag sinnlos sei, wisse der Bf. Dem steuerlichen Vertreter sei ein Lapsus passiert, der so nicht gewollt gewesen sei.

Der steuerliche Vertreter übermittelte dem BFG den entsprechenden Mailverkehr. Daraus ist erkennbar, dass der Steuerberater dem Bf. mit Mail vom die BVE betreffend die Zurückweisung des Aussetzungsantrages übermittelte. Mit Mail vom antwortete der Bf: "Jedenfalls sollten wir hier einen Vorlageantrag stellen. LG" Der steuerliche Vertreter beantwortete das Mail umgehend mit "LG" und brachte den Vorlageantrag noch am selben Tag per FinanzOnline ein.

Mit Schriftsatz vom zog der Bf. den Antrag auf Entscheidung durch den gesamten Senat und Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zurück.

B. Beweiswürdigung

Der vorstehend geschilderte Sachverhalt geht aus dem vom Finanzamt vorgelegten Akt hervor und ist im Wesentlichen unstrittig.

In der entscheidungsrelevanten Frage, ob der Bf. offenbar mutwillig die Tätigkeit der Abgabenbehörde in Anspruch nahm, folgt das Bundesfinanzgericht der Aussage des Bf., die durch den vom steuerlichen Vertreter vorgelegten Mailverkehr bestätigt wird. Daraus geht hervor, dass der Bf. seinem steuerlichen Vertreter lediglich einen Auftrag zur Einbringung eines Vorlageantrages erteilte. Ein weiterer Auftrag ist nicht erkennbar. Glaubhaft ist auch die Aussage, dass ein dritter Aussetzungsantrag nicht gewollt war, weil dem juristisch gebildeten Bf. einerseits die Sinnlosigkeit eines derartigen Antrages bewusst war und andererseits durch den Vorlageantrag ohnehin ein diesbezügliches Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht anhängig gemacht wurde.

Darüber hinaus stellt sich auch die Frage, ob der Vorlageantrag tatsächlich einen gesonderten dritten Antrag enthält oder ob die gewählte Formulierung nicht vielmehr als Zusammenfassung des Beschwerdebegehrens zu verstehen ist. Auch aus diesem Grund geht das Bundesfinanzgericht nicht von einer Mutwilligkeit aus.

C. Rechtliche Würdigung

Gemäß § 112a BAO kann die Abgabenbehörde gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Abgabenbehörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht der Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, eine Mutwillensstrafe bis 700 Euro verhängen.

Mutwillig nimmt die Behörde in Anspruch, wer sich in dem Bewusstsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet, sowie wer aus Freude an der Behelligung der Behörde handelt (zB ; , 2002/13/0133; , Ra 2019/16/0135).

Die Bestimmung des § 112a BAO soll die Partei nicht davon abhalten, ihre Rechte mit allen in der Rechtsordnung vorgesehenen Mitteln geltend zu machen. § 112a soll lediglich einen missbräuchlichen Einsatz dieser Mittel "ahnden" bzw. präventiv verhindern. Der Vorwurf des Missbrauchs von Rechtsschutzeinrichtungen muss jedoch mit äußerster Vorsicht gehandhabt werden (; siehe auch Ritz/Koran, BAO7, § 112a Tz 4).

Außer Streit steht, dass die Einbringung eines Vorlageantrages betreffend die erstmalige Zurückweisung eines Antrages keinesfalls als mutwillige Inanspruchnahme der Behörde gewertet werden kann. Dies war auch vom Finanzamt nicht intendiert. Soweit das Finanzamt jedoch im Text des Vorlageantrages einen weiteren Aussetzungsantrag erkannte, folgt das Bundesfinanzgericht der Darstellung des Bf., dass ein weiterer Antrag nicht gewollt war. Das Bundesfinanzgericht kann daher in der Formulierung des Vorlageantrages keine offenbare Mutwilligkeit erkennen.

Damit ist dem angefochtenen Bescheid jedoch die Grundlage entzogen, sodass er aufzuheben ist.

D. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art 133 Abs 4 B-VG).

Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Entscheidung hängt ausschließlich von den Umständen des Einzelfalles sowie der Frage der Beweiswürdigung ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 112a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.6100184.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at