Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.06.2022, RV/7103058/2020

Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Susanne Haim in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (im folgenden Bf.) reichte am eine Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung 2018 ein. Es wurden Kosten für Familienheimfahrten in Höhe von 2200 € und Kosten für doppelte Haushaltsführung in Höhe von 2880 € beantragt.

Mit Bescheid vom wurden diese Kosten nicht anerkannt. Begründend wurde ausgeführt, eine Wohnsitzverlegung könne zugemutet werden und es gebe bei verheirateten oder in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebenden Personen eine Begrenzung von zwei Jahren für die Berücksichtigung der doppelten Haushaltsführung.

Mit Schreiben vom wurde gegen diesen Bescheid Beschwerde erhoben und ausgeführt: "Was die Familienheimfahrten von meiner Wohnung am Arbeitsort in Österreich zum Familienwohnsitz in Land sowie Kosten der doppelten Haushaltsführung betrifft, gebe ich an, dass bei mir die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung auf Dauer vorliegen, weil meine Ehegattin G, am Ort des Familienwohnsitzes in ***1***, im Veranlagungsjahr 2018, unsere kleine Landwirtschaft sowie unseren Haushalt (wir besitzen in Land ein Eigenheim) mit 2 Kinder , noch in der Schulausbildung, geführt hat. Siehe folgendes zu meiner Beschwerde beigelegt: Bescheinigung aus dem Einwohnerregister vom samt einer Übersetzung vom . Bescheinigung der Universität bzw. des Allgemeinbildenden Lyzeums samt Übersetzungen, sowie Bescheinigung der Kasse der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung vom samt einer Übersetzung vom . Daher die Verlegung des Familienwohnsitzes von Land nach Österreich aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen unzumutbar war und ist. Ich konnte nicht tagtäglich heimfahren, weil der Beschäftigungsort vom Familienwohnsitz so weit entfernt war, dass eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden konnte, und die Entwicklung der Kinder in ihrem aktuellen sozialen Umfeld (Erziehung und Ausbildung in ihrer ***2*** Muttersprache), bei gesamter Familienübersiedlung nach Österreich total gehindert wäre! Meine Aufwendungen für Familienheimfahrten, 2x560 km, 44-mal im Jahr, mit Linienbus, Kosten pro Fahrt hin- und retour, deshalb ein jährlicher Betrag von € 2.200,00, sowie die Kosten der doppelten Haushaltsführung, praktisch die Wohnungskosten am Arbeitsort in Wien in Höhe von € 2.880,00, standen mir in diesem Jahr daher zu."

Mit Vorhalt vom forderte die Amtspartei die Belege für die beantragten Kosten und das Formular E 9 für die Gattin an.

In Beantwortung dieses Schreibens wurde im Formular E 9 angegeben, dass die Gattin keine Einkünfte im Jahr 2018 hatte.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die Amtspartei die Beschwerde ab und führte aus: Die Gattin habe im betreffenden Jahr keine Einkünfte bezogen und andere Gründe, die die Haushaltsverlegung nicht zumutbar machen würden, seien nicht vorgebracht worden.

Mit Vorlageantrag vom wurde ausgeführt: "Zu meinem Antrag möchte ich noch folgendes anführen: Hiermit betone ich wiederholt, dass meine Aufwendungen für die Familienheimfahrten sowie die Kosten der doppelten Haushaltsführung, standen mir zu, weil die Verlegung meines Familienwohnsitzes in die Nähe von meinen Beschäftigungsort aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar und deshalb nicht sinnvoll war und ist. Ein wirtschaftlicher Grund in meinem Fall vorliegt, weil am Familienwohnsitz, zwar eine kleine und nur der Selbstversorgung dienende, aber eine eigene Landwirtschaft von uns bewirtschaftet wird. Nachweis dafür bereits zu meiner Beschwerde beigelegt wurde. Dazu noch, meine Ehefrau unseren Haushalt mit unterhaltsberechtigten und betreuungsbedürftigen Kinder führt bzw. im 2018 geführt hat, und jeder weiß, dass diese Tätigkeit für jede Hausfrau eine zusätzliche Beschäftigung mit mehr als 20 Stunden in der Woche bedeutet. Für alle diese Tätigkeiten sie eine "Belohnung" in Höhe von mehr als 10 % meines Einkommens für die Deckung der Haushaltskosten kriegt! Wie könnte sie, ihre gesamte Hab und Gut jetzt "mitnehmen" und mit der gesamte Familie (mein Sohn in ***3*** noch immer studiert) nach Österreich zu Wandern!"

Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vorgelegt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Bf. ist ***2*** Staatsbürger und arbeitet in in Österreich. Im Jahr 2018 fuhr er 44 mal zum Familienwohnsitz in ***1*** in Land, wodurch ein Aufwand von € 2200,-- entstand. Es handelt sich um ein Eigenheim mit Garten. In Österreich hatte er Wohnungskosten von € 240 pro Monat.

Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder (Geburtsjahre 1234 und 2345). Für den 2345 geborenen Sohn bezog er im Jahr 2018 Familienbeihilfe.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist unstrittig.

Strittig ist, ob ab dem Streitjahr eine Verlegung des Wohnsitzes an den Beschäftigungsort zumutbar war.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Werbungskosten sind nach § 16 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Nach § 20 Abs. 1 Z. 1 EStG 1988 dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden; dies gilt nach § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. a leg. cit. auch für Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Von einer doppelten Haushaltsführung wird gesprochen, wenn aus beruflichen Gründen zwei Wohnsitze geführt werden, und zwar einer am Familienwohnort (Familienwohnsitz) und einer am Beschäftigungsort (Berufswohnsitz). Wenn dem Steuerpflichtigen Mehraufwendungen erwachsen, weil er am Beschäftigungsort wohnen muss, und die Verlegung des (Familien)wohnsitzes in eine übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann, sind diese Mehraufwendungen Werbungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 EStG 1988.

Eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung lässt die Verlegung des Familienwohnsitzes auf längere Sicht unzumutbar erscheinen. Dabei gilt allgemein, dass die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen.

Diese Aufwendungen gelten so lange als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst, als dem Erwerbstätigen eine Wohnsitzverlegung in üblicher Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Dies bedeutet aber nicht, dass zwischen den für eine solche Unzumutbarkeit sprechenden Gründen und der Erwerbstätigkeit ein ursächlicher Zusammenhang bestehen muss. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung als auch in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in der Erwerbstätigkeit seines (Ehe)Partners haben. Die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen.

Dem Steuerpflichtigen ist nach einer - nicht schematisch geregelten Zeit - in der Regel zumutbar, den Familienwohnsitz in den Nahbereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen (). Dieser Zeitraum hängt insbesondere vom Familienstand ab und beträgt nach der Verwaltungspraxis bei einem verheirateten Steuerpflichtigen zwei Jahre. Spätestens nach Ablauf dieser Zeitspanne hat der Steuerpflichtige darzulegen, aus welchen Gründen der entfernt liegende Familienwohnsitz beibehalten wird (vgl. Jakom 2021, EStG, § 16, ABC der Werbungskosten, "doppelte Haushaltsführung").

Nach der Verwaltungspraxis ist z. B. die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort unzumutbar, wenn im gemeinsamen Haushalt am Familienwohnsitz unterhaltsberechtigte und betreuungsbedürftige Kinder wohnen und eine (Mit)Übersiedlung der gesamten Familie aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist (vgl. LStR Rz. 345). Ebenso ist nach der Verwaltungspraxis für die doppelte Haushaltsführung keine private Veranlassung zu unterstellen, wenn der Ehegatte - im Fall der eheähnlichen Gemeinschaft der Partner - des Steuerpflichtigen am Familienwohnsitz steuerlich relevante Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 EStG 1988 aus einer aktiven Erwerbstätigkeit in Höhe von mehr als € 2.200,00 jährlich erzielt oder die Einkünfte in Bezug auf das Familieneinkommen von wirtschaftlicher Bedeutung sind (vgl. LStR Rz. 344).

Der Bf. hatte am Familienwohnsitz keine betreuungsbedürftigen Kinder, da im Streitjahr nur noch für ein Kind Familienbeihilfe bezogen wurde und dieses bereits im Jahr 2345 geboren wurde. Das ältere Kind ist im Jahr 1234 geboren. Ein Betreuungsbedarf liegt demnach nicht mehr vor, zumal der Sohn laut Angaben im Vorlageantrag in ***3*** studiert. Seine Ehegattin war nicht berufstätig und verfügte über kein Einkommen, was im Formular E9 bestätigt wurde. Die ebenfalls ins Treffen geführte "kleine Landwirtschaft zur Selbstversorgung" konnte als Begründung für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes ebenfalls nicht herangezogen werden, da es sich laut vorgelegtem Google-Maps-Plan um ein Einfamilienhaus mit (größerem) Garten handelt. Die Größe dieser Grundfläche lässt darauf schließen, dass hier keine relevanten Einkünfte erzielt wurden. Dass Obst und Gemüse für den Eigenbedarf gewonnen werden, wird nicht bestritten, vermag aber an der Beurteilung nichts zu ändern.

Die Begründung der Beschwerde, dass die Kinder mit der Mutter in Land bleiben mussten, um in der ***2*** Muttersprache ihre Erziehung und Ausbildung zu bekommen, ist jedenfalls für das Streitjahr, in welchem beide Kinder bereits erwachsen waren, nicht mehr relevant.

Eine Wohnsitzverlegung wäre demnach ab 2018 zumutbar gewesen, die Beibehaltung des ***2*** Wohnsitzes ist privat veranlasst. Dass der Verlust des "sozialen Umfelds" kein steuerlich zu berücksichtigender Grund für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes ist, wurde vom VwGH bereits entschieden. ()

Die Beschwerde war abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche Rechtsfrage liegt nicht vor.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
VwGH, Ra 2018/15/0075
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7103058.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at