Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.07.2022, RV/7101666/2022

Keine außergewöhnliche Belastung für Kosten einer Geburt in einer Privatklinik ohne triftige medizinische Gründe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***2***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2021 zu Recht erkannt:

I.
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensablauf

Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2021 vom wurden keine außergewöhnlichen Belastungen berücksichtigt.

Mit Schreiben vom wurde Beschwerde gegen obigen Bescheid eingereicht und wie folgt begründet:
Es werde um Berücksichtigung einer außergewöhnlichen Belastung betreffend Krankheitskosten in Höhe von 5.134,02 € ersucht. Diese Kosten würden die Entbindung des Sohnes des Beschwerdeführers betreffen.

Am wurde folgender Ergänzungsvorhalt an den Beschwerdeführer abgefertigt:
Durch Krankheit verursachte Aufwendungen würden aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Die Zwangsläufigkeit bei Krankheitskosten, die die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten übersteigen würden, sei jedoch nur dann gegeben, wenn sie aus triftigen medizinischen Gründen erfolgt wären.
Die Kosten einer Privatklinik oder Sonderklassegebühren seien als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen, sofern eine ärztliche Bestätigung - auch die des behandelnden Arztes - vorgelegt werden könne, dass mit ernsthaften medizinischen Nachteilen zu rechnen gewesen sein würde, wenn die Entbindung in einem öffentlichen Krankenhaus durchgeführt worden wäre. Nur wenn die Behandlung in der Privatklinik/Sonderklasse medizinisch indiziert und notwendig gewesen wäre, könnten die beantragten Kosten steuerlich berücksichtigt werden es werde daher um Nachreichung einer entsprechenden ärztlichen Bestätigung gebeten.
Zum Nachweise der beantragten Aufwendungen seien alle Belege in Kopie beizulegen:
- Rechnung/en inkl. Zahlungsnachweis/e
- Ärztliche Verordnung bzw. Behandlungspläne zu den beantragten Kosten
- Bei Sonderklassegebühren seien die triftigen medizinischen Gründe nachzuweisen.

Eingereicht wurde eine Bestätigung eines Facharztes für Frauenheilkunde vom wie folgt:
Bei der ersten - nicht von ihm betreuten - Geburt sei es zu durch Behandlungsfehler ausgelöste Komplikationen unter der Geburt gekommen, das Kind sei schlussendlich nach langem Leiden verstorben.
Dieses traumatische Geburtserlebnis hätte die Frau des Beschwerdeführers sehr belastet.
Deshalb hätte sie verständlicherweise den Wunsch geäußert, die jetzige Geburt unter Kontrolle des in der Schwangerschaft zuständigen Geburtshelfers in einem Privatspital zu absolvieren, weil ihr das Vertrauen in das öffentliche Gesundheitssystem verloren gegangen sei.
Zudem wurde eingereicht eine Rechnung der Privatklinik über 5.134,02 € sowie Zahlungsbestätigungen über diesen Betrag.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und wie folgt begründet:
Gemäß § 34 EStG 1988 seien bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug von Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen: Die Belastung müsse folgende Voraussetzungen erfüllen: Sie müsse außergewöhnlich sein, zwangsläufig erwachsen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.
Die Belastung sei außergewöhnlich, soweit sie höher sei als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwachse.
Die Belastung erwachse dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen könne.

Außergewöhnlich könnten nur Aufwendungen sein, die der Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen würden; sie dürften nicht "gewöhnlich" sein, das heiße unter gleichen Umständen alle Steuerpflichtigen treffen, Aufwendungen, die bei niedrigen Einkommens- und Vermögensverhältnissen außergewöhnlich seien, könnten bei gehobenen Verhältnissen im Bereich der normalen Lebensführung liegen.
Durch Krankheit verursachte Aufwendungen seien außergewöhnlich, sie würden aus tatsächlichen bzw. bei Unterhaltsverpflichtung aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Sie müssten mit einer Heilbehandlung bzw. -betreuung typischerweise verbunden sein; es genüge jedoch, wenn sie den Zweck verfolgen würden, die Krankheit erträglich zu machen, das hieße zu lindern bzw. das Fortschreiten einer Beeinträchtigung (Behinderung) zu vermeiden.
Entbindungskosten seien keine Krankheitskosten, aber wie solche zu behandeln. Aufwendungen für die Behandlung in einer Privatklinik seien außergewöhnliche Belastungen, wenn triftige medizinische Gründe vorliegen würden. Aufwendungen iZm einer Entbindung stellten dann eine zwangsläufige Belastungen dar, wenn die Aufwendungen aus triftigen medizinischen Gründen anfallen würden und durch Kostenersätze nicht gedeckt seien. Bei Vorliegen triftiger medizinischer Gründe (konkrete Gefahr von Komplikationen medizinischer Art) würden auch Aufwendungen für eine Geburt in einer Privatklinik (Betreuung durch den eigenen Arzt) anerkannt werden.
Im gegenständlichen Fall sei die Geburt des Kindes des Beschwerdeführers von einem Wahlarzt in einem Privatspital durchgeführt worden. Laut Bestätigung des Wahlarztes sei es durch aufgrund von Behandlungsfehlern ausgelöste Komplikationen bei der ersten Geburt zu einem traumatischen Geburtserlebnis gekommen. Das Vertrauen in das öffentliche Gesundheitssystem sei deshalb verloren gegangen.
Bloße Wünsche und Vorstellungen der Betroffenen über eine bestimmte medizinische Betreuung durch einen bestimmten Arzt ("freie Arztwahl") sowie allgemein gehaltene Befürchtungen bezüglich der vom Träger der gesetzlichen Krankenversicherung übernommenen medizinischen Betreuung stellten jedoch keine triftigen medizinischen Gründe dar, welche es rechtfertigen würden, jene Krankenhauskosten, die die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten übersteigen würden, als außergewöhnliche Belastung zu behandeln und durch die Allgemeinheit mitfinanzieren zu lassen.
Nach dem festgestellten Sachverhalt müsse die Zwangsläufigkeit der geltend gemachten Aufwendungen verneint werden, da triftige medizinische Gründe auf Basis einer ärztlichen Bestätigung weder festgestanden wären, noch sich konkret abgezeichnet hätten. Triftige medizinische Gründe würden dann vorliegen, wenn sie in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden, ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen würden.
Nicht jede auf ärztliches Anraten und aus medizinischen Gründen durchgeführte Gesundheitsmaßnahme führe zu einer außergewöhnlichen Belastung. Die Aufwendungen müssten vielmehr zwangsläufig erwachsen, womit es erforderlich sei, dass die Maßnahmen zur Heilung und Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig seien. Bei der Beurteilung der Zwangsläufigkeit seien ärztliche Bestätigungen nach ihrem Inhalt zu beurteilen. Im Beschwerdefall sei unter Zugrundelegung der oben wiedergegebenen schriftlichen Bestätigung des Arztes im Rahmen der Beweiswürdigung davon auszugehen, dass damit Befürchtungen bezüglich der vom Träger der gesetzlichen Krankenversicherung übernommenen medizinischen Betreuung zum Ausdruck gebracht worden wären. Nicht dargelegt worden sei, dass ernsthafte konkrete gesundheitliche Nachteile gefolgt wären, wenn nicht die mit höheren Kosten verbundenen medizinische Betreuung gewählt worden sein würde. Daher reiche diese ärztliche Bestätigung nicht für die Annahme des Vorliegens der die Zwangsläufigkeit begründenden triftigen medizinischen Gründe aus.

Mit Schreiben vom wurde ein Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht eingereicht und wie folgt ausgeführt:
Im § 34 EStG 1988 würden Entbindungskosten eine außergewöhnliche Belastung darstellen. Entbindungskosten seien keine Krankheitskosten, aber wie solche zu behandeln. Aufwendungen für die Behandlung in einer Privatklinik seien außergewöhnliche Belastungen, wenn triftige medizinische Gründe vorliegen würden. In der Begründung sei angeführt worden, dass der bloße Wunsch einer medizinischen Betreuung nicht als außergewöhnliche Belastung zu behandeln sei. Aufgrund eines traumatischen Ereignisses, welches sich während/unter der Geburt des ersten Kindes ereignet hätte, hätte kein Vertrauen mehr in das medizinische Personal bestanden, Folge dessen hätte sich die Frau des Beschwerdeführers beziehungsweise die Familie für eine Privatklinik entschieden, um das ungeborene Kind per Kaiserschnitt auf die Welt zu bringen, da hier das Vertrauen in das öffentliche Gesundheitssystem verloren gegangen sei. Hier sei sogar gerichtlich bestätigt worden, dass es sich bei der Geburt des ersten Kindes um einen Kunstfehler gehandelt hätte. Nach dem Tod des Kindes hätte sich die Frau des Beschwerdeführers jahrelang in psychologischer Behandlung befunden. Aus diesem Grunde hätten sie sich entschieden, ihren Sohn in einer Privatklinik auf die Welt bringen zu lassen, um die traumatischen und dramatischen Ereignisse nicht wieder aufleben zu lassen.

Mit Vorlagebericht vom wurde obige Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Dem Erkenntnis zugrunde liegender Sachverhalt

Strittig ist die Anerkennung von Kosten für die Entbindung der Ehefrau des Beschwerdeführers in einer Privatklinik als außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG 1988 in Höhe von 5.134,02 €.

Aufgrund eines ärztlichen Behandlungsfehlers bei einer früheren Geburt durch die Ehefrau des Beschwerdeführers ist ein Kind verstorben. Aus diesem Grund fehlte das Vertrauen in das medizinische Personal und die Familie hat sich für eine Geburt per Kaiserschnitt in einer Privatklinik entschieden, um die traumatischen Ereignisse nicht wieder aufleben zu lassen.
Aus der eingereichten ärztlichen Bestätigung geht hervor, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers durch das traumatische Geburtserlebnis sehr belastet war und sie deshalb den Wunsch geäußert hat, die neuerliche Geburt unter Kontrolle des in der Schwangerschaft zuständigen Geburtshelfers in einem Privatspital zu absolvieren, weil ihr das Vertrauen in das öffentliche Gesundheitssystem verloren gegangen ist.

Es wurden keine triftigen medizinischen Gründe genannt, die feststehende oder sich konkret abzeichnende ernsthafte gesundheitliche Nachteile, oder während der Geburt konkret befürchtete Komplikationen medizinischer Art für die Mutter des Kindes aufgezeigt hätten, welche ohne die im Rahmen einer mit höheren Kosten in einem Privatspital verbundene wahlärztliche Betreuung eintreten würden.

Rechtliche Begründung

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein, sie muss zwangsläufig erwachsen und sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen. Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.

Ein Steuerpflichtiger, der eine Begünstigung, somit eine Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung, in Anspruch nimmt, hat selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzulegen, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann, wobei die Gründe dafür einzeln anzuführen und zumindest glaubhaft zu machen sind (siehe etwa ; ).

Eine Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse erwächst. Zwangsläufigkeit liegt vor, wenn sich der Abgabepflichtige der Belastung aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Tatsächliche Gründe sind in der Person des Steuerpflichtigen gelegene Gründe, die ihn unmittelbar selbst, z.B. durch Krankheit oder Körperbehinderung, treffen.

Die Zwangsläufigkeit ist stets nach den Umständen des Einzelfalls und nach objektiven Kriterien zu beurteilen; persönliche Vorstellungen des Steuerpflichtigen sind nicht maßgeblich. Zwangsläufigkeit liegt damit nicht vor, wenn eine Aufwendung freiwillig erfolgt, sondern nur dann, wenn sich der Steuerpflichtige der konkreten finanziellen Belastung nicht entziehen kann.

Durch Krankheit verursachte Aufwendungen sind außergewöhnlich im Sinn des § 34 Abs. 1 EStG 1988 und sie erwachsen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig. Der Begriff der Krankheitskosten ist weit auszulegen. Darunter fallen neben Arzt- und Krankenhauskosten auch Medikamentenkosten sowie Kosten für Heilbehelfe und Hilfsmittel. Kosten für Hilfsmittel sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Gegenstände oder Vorrichtungen, die geeignet sind, die Funktion fehlender oder unzulänglicher Körperteile zu übernehmen oder die mit einer Behinderung verbundenen Beeinträchtigungen zu beseitigen oder zu mildern.

Zwangsläufigkeit bedeutet einen Umstand, dem sich der Steuerpflichtige aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Bezogen auf Krankheitskosten sind Aufwendungen insofern zwangsläufig erwachsen, als es erforderlich ist, dass die Maßnahmen zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind (). Krankheitskosten können nur dann als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, wenn sie mit einer konkreten Heilbehandlung verbunden sind, nicht hingegen, wenn sie bloß der Vorbeugung von Krankheiten dienen.

Entbindungskosten sind keine Krankheitskosten, werden aber als solche behandelt. Aufwendungen für die Entbindung in einer Privatkrankenanstalt sind keine außergewöhnlichen Belastungen, da in der Regel keine triftigen medizinischen Gründe vorliegen (; Jakom EStG14, § 34 Rz 90). Aufwendungen iZm einer Entbindung stellen dann eine zwangsläufige Belastung dar, wenn die Aufwendungen aus triftigen medizinischen Gründen anfallen und durch Kostenersätze nicht gedeckt sind ().
Allgemeine Befürchtungen oder fehlendes Vertrauen in das öffentliche Gesundheitssystem stellen keine solchen triftigen Gründe dar.
Im gegenständlichen Fall konnten kein triftigen medizinischen Gründe dargelegt werden, es fehlte den Aufwendungen daher an der geforderten Zwangsläufigkeit und die Beschwerde war folglich als unbegründet abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage, ob triftige medizinische Gründe für die Anerkennung von Krankheitskosten vorliegen, oder ob die Voraussetzungen für die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung glaubhaft gemacht worden sind, sind auf Ebene der Sachverhaltsermittlung und Beweiswürdigung zu lösende Tatfragen, die zu keiner Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung führen.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101666.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at