Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.06.2022, RV/5100552/2021

Kein Familienbonus Plus für den Ehegatten der familienbeihilfenberechtigten Mutter neben dem leiblichen Vater mit Unterhaltsabsetzbetrag

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Ansgar Unterberger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Markus Wagner, Eibenstein 39, 4261 Rainbach/Mühlkreis, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend Einkommensteuer 2020 zu Recht erkannt:

  1. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen

  2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Bisheriger Verfahrensgang, Sachverhalt und Beweiswürdigung

Folgendes Verwaltungsgeschehen ergibt sich eindeutig aus der Aktenlage, ist zwischen den Parteien unstrittig und stellt auch den hier relevanten Sachverhalt dar. Strittig ist lediglich die Anwendbarkeit des Gesetzes bzw. dessen Sachgerechtheit.

Der Beschwerdeführer ***Bf1*** (in der Folge: Bf) beantragte in seiner Einkommensteuererklärung 2020 u.a. die Berücksichtigung des Familienbonus Plus für TJ (in der Folge: TJ), für die deren leiblicher Vater im gesamten Jahr 2020 den gesetzlichen Unterhalt geleistet hat und deren Mutter (und Ehe-Partnerin des Bf) die Familienbeihilfe bezogen hat.

Wie sich dem im Akt befindlichen Einkommensteuerbescheid 2020 vom des leiblichen Vaters von TJ entnehmen lässt, stand diesem im Jahr 2020 der volle Unterhaltsabsetzbetrag (12 mal € 29,20) zu und beantragte dieser lediglich 50% des Familienbonus Plus.

Dieser vom Bf beantragte Familienbonus Plus wurde im Bescheid des Finanzamtes vom zunächst in voller Höhe berücksichtigt.

Nachdem beim leiblichen Vater und Unterhaltszahler mit dem Einkommensteuerbescheid 2020 vom die Hälfte des Familienbonus Plus für TJ berücksichtigt worden war, erging am ein gem. § 295a BAO abgeänderter Bescheid an den Bf. Mit diesem wurde dem Bf mitgeteilt, dass bei ihm der Familienbonus Plus für TJ nicht berücksichtigt werden könne, da nur der Unterhaltszahler und die Familienbeihilfenbezieherin anspruchsberechtigt seien. Missverständlich wurde auch die Begründung angeführt, dass nur die Hälfte des Bonus berücksichtigt werden könne. Tatsächlich wurde beim Bf der Bonus zur Gänze nicht als Absetzbetrag berücksichtigt.

Nach dem vom Finanzamt vorgelegten Einkommensteuerbescheid 2020 vom der familienbeihilfenberechtigten Mutter von TJ konnte ein Familienbonus Plus schon deshalb bei dieser keine Berücksichtigung finden, weil sich dieser aufgrund einer sich ergebenden Steuer vor Abzug der Absetzbeträge von € 0,00 nicht ausgewirkt hätte.

In der Beschwerde gegen den abändernden Bescheid vom beantragt der Bf als Ehepartner der Familienbeihilfenbezieherin die Berücksichtigung des halben Familienbonus Plus, wie dies auch in der Begründung des Änderungsbescheides angeführt sei.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit der Beschwerdevorentscheidung vom ab. Begründend wurde ausgeführt, dass aufgrund der vollen Unterhaltsleistungen des leiblichen Vaters der TJ beim Bf der Familienbonus Plus nicht berücksichtigt werden könne. Neben dem Unterhaltszahler sei lediglich die Gattin des Bf als Familienbeihilfenbezieherin anspruchsberechtigt.

In dem dagegen am eingebrachten Vorlageantrag argumentiert der Bf damit, dass er als (nahezu) Alleinverdiener die Kosten für TJ trage, seine Gattin als Anspruchsberechtigte nur sehr geringe Einkünfte beziehe. Wenn der Anspruch auf den Familienbonus Plus im Fall des Anspruchs eines unterhaltsleistenden Elternteiles (§ 33 Abs. 3a Z 3 lit b EStG 1988) davon abhänge, wem zufälligerweise die Familienbeihilfe zustehe, wirke sich dies nachteilig für denjenigen aus, der tatsächlich die Kosten für ein Kind trage. Wenn kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, könne nach lit. a leg. cit. auch der Ehepartner des Familienbeihilfenbeziehers den Familienbonus Plus beantragen. Es sei im Ergebnis nicht im Sinn des Gesetzgebers, wenn bei der gegenständlichen Konstellation (Unterhaltszahler beantragt die Hälfte des Bonus und die Familienbeihilfenbezieherin erhält die zweite Hälfte mangels ausreichendem Einkommen nicht) das Kind benachteiligt werde.

Rechtsgrundlagen und Würdigung

Der Richter schließt sich der in den Erkenntnissen , und insbesondere zu vergleichbaren Sachverhalten vertretenen Rechtsansicht an:

Gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 steht für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, auf Antrag ein Familienbonus Plus nach Maßgabe der weiteren Bestimmungen zu.

Der Familienbonus Plus ist gemäß § 33 Abs. 3a Z 3 EStG 1988 in der Veranlagung entsprechend der Antragstellung durch den Steuerpflichtigen wie folgt zu berücksichtigen:

a) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat kein Unterhaltsabsetzbetrag nach § 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 zusteht:

- Beim Familienbeihilfenberechtigten oder dessen (Ehe-)Partner der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder

- beim Familienbeihilfenberechtigten und dessen (Ehe-)Partner jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.

b) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag nach § 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 zusteht:

- Beim Familienbeihilfenberechtigten oder vom Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder

- beim Familienbeihilfenberechtigen und dem Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.

Für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht dem Unterhaltsverpflichteten kein Familienbonus Plus zu.

Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen hat die Person, der in Bezug auf das Kind der Unterhaltsbetrag zusteht, ebenfalls Anspruch auf den Familienbus Plus. Der Anspruch eines Unterhaltsleistenden verdrängt insoweit den Anspruch des Ehepartners (vgl. Jakom/Kanduth-Kristen, EStG 2021, § 33 Rz 40), weil bei einem Ehepartner des Familienbeihilfenberechtigten der Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a Z 3 lit. a EStG 1988 nur dann zu berücksichtigen ist, wenn im jeweiligen Monat kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht.

Dem Vater von TJ stand laut Bescheid des Finanzamtes für alle Monate des Jahres 2020 der Unterhaltsabsetzbetrag zu, sodass beim Beschwerdeführer der Familienbonus Plus nicht zu berücksichtigen war. Anspruchsberechtigt waren daher gemäß § 33 Abs. 3a Z 3 lit. b EStG 1988 nur die Bezieherin der Familienbeihilfe (Ehegattin des Beschwerdeführers) und der Vater des Kindes als Unterhaltsleistender.

Festzuhalten ist, dass für eine derartige Konstellation, bei der sich bei der Familienbeihilfenberechtigten der Bonus aufgrund eines zu geringen Einkommens nicht als Absetzbetrag auswirken kann, das Gesetz vorsehen würde, dass der Bonus bei demjenigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, zu 100% Berücksichtigung finden kann. Insofern wird die vom Bf angesprochene eventuell auftretende Benachteiligung eines Kindes in dieser Konstellation hintangehalten. Wenn -aus welchen Gründen auch immer- diese 100%ige Beantragung nicht erfolgt ist, kann daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass das Gesetz nicht sachgerecht sei.

Aufgrund der vorstehenden Erwägungen vertrat die belangte Behörde zu Recht die Ansicht, dass bei der mit Bescheid vom erfolgten Festsetzung der Einkommensteuer für das Jahr 2020 beim Bf der Familienbonus für TJ zu Unrecht berücksichtigt worden ist. Es war daher in weiterer Folge die Frage zu beantworten, ob die mit Bescheid vom vorgenommene Änderung des Einkommensteuerbescheides gemäß § 295a BAO zu Recht erfolgt ist.

Gemäß § 295a Abs. 1 BAO kann ein Bescheid auf Antrag der Partei (§ 78 BAO) oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgaberechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruchs hat.

§ 295a BAO ist nur der Verfahrenstitel zur Durchbrechung der (materiellen) Rechtskraft von vor Eintritt des Ereignisses erlassenen Bescheiden. § 295a BAO ist anwendbar, wenn ein solches Ereignis nachträglich (nach Erlassung des Bescheides) eintritt (). Es ist also eine Frage des Inhaltes beziehungsweise der Auslegung der (materiellrechtlichen) Abgabenvorschriften, welchen Ereignissen Rückwirkung zukommt ().

Das Bundesfinanzgericht vertritt aufgrund des Wortlautes des § 33 Abs. 3a Z 3 EStG 1988 die Ansicht, dass als "Ereignis" im Sinne des § 295a BAO nicht die beim Finanzamt eventuell schon früher eingelangte Erklärung des Unterhaltsleistenden zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung in Betracht kommt, sondern die mit Bescheid vom bei diesem erfolgte Berücksichtigung des Unterhaltsabsetzbetrages und des Familienbonus Plus. Denn die in § 33 Abs. 3a Z 3 EStG 1988 vorgenommene Unterscheidung betreffend die jeweils in Betracht kommenden Anspruchsberechtigten stellt auf das Zustehen des Unterhaltsabsetzbetrages ab. Für das Zustehen sind nicht der Antrag eines Steuerpflichtigen auf Berücksichtigung des Unterhaltsabsetzbetrages und auch nicht der Zeitpunkt eines solchen Antrages entscheidend; über das Zustehen spricht die zuständige Abgabenbehörde erst nach Prüfung der Voraussetzungen mit Bescheid ab.

Gestützt wird diese Ansicht durch die Absicht des Gesetzgebers, wonach bei einer zeitlich späteren Berücksichtigung des Familienbonus Plus eine bereits unrichtig erfolgte Berücksichtigung durch eine Bescheidänderung gemäß § 295a BAO zu korrigieren ist (190 BlgNR 26. GP 11f). Als Ereignis im Sinne des § 295a BAO kam somit nicht die Erklärung des Unterhaltsleistenden in Betracht, sondern der an den Unterhaltsleistenden ergangene Einkommensteuerbescheid vom , denn die parlamentarischen Materialien stellen klar und eindeutig auf die Berücksichtigung und nicht auf den Antrag auf Berücksichtigung des Familienbonus ab. Das Ereignis im Sinne des § 295a BAO, nämlich der gegenüber den Unterhaltsleistenden erlassene Einkommensteuerbescheid vom (mit dem der Unterhaltsabsetzbetrag und der halbe Familienbonus Plus berücksichtigt worden sind) trat somit nach Erlassung des an den Beschwerdeführer gerichteten Einkommensteuerbescheides vom ein, sodass die Voraussetzungen für eine Abänderung gemäß § 295a BAO gegeben waren.

Gemäß § 20 BAO müssen Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Unter Billigkeit versteht die ständige Rechtsprechung die Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei, unter Zweckmäßigkeit das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben. Eine Abänderung eines Bescheides gemäß § 295a BAO wird den grundsätzlichen Vorrang des Prinzips der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) vor jenem der Rechtsbeständigkeit zu berücksichtigen haben (Ritz/Koran, BAO7, § 295a Tz 39). Dabei wird auch zu beachten sein, dass auch der Gesetzgeber dies nach den Gesetzesmaterialien ausdrücklich beabsichtigt hat, dass bei einer zeitlich späteren Berücksichtigung des Familienbonus Plus eine bereits unrichtig erfolgte Berücksichtigung durch eine Bescheidänderung gemäß § 295a BAO zu korrigieren ist.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht ist in seiner Entscheidung dem klaren Wortlaut des Gesetzes gefolgt. Dies wird im Grunde auch vom Bf nicht bestritten. Der Bf hielt die gesetzliche Anordnung für die gegenständliche Konstellation allerdings für nicht sachgerecht. Im Ergebnis liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb die Revision nicht zuzulassen war.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 33 Abs. 3a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 295a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 33 Abs. 3a Z 3 lit. b EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100552.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at