Familienbonus Plus für den in Österreich lebenden und arbeitenden Vater eines in einem anderen Mitgliedstaat lebenden Kindes
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7100125/2022-RS1 | Infolge des , sind § 33 Abs. 3a Z 2 und Abs. 4 Z 4 EStG 1988 sowie die hierzu ergangene, im Sinne des § 33 Abs. 3a Z 2 lit. a EStG 1988 auch hinsichtlich des Streitjahres 2020 ergangene Verordnung des BMF, BGBl. II 257/2018, nicht mehr anzuwenden. |
Folgerechtssätze | |
RV/7100125/2022-RS2 | wie RV/7100274/2022-RS1 Der Familienbonus Plus ist auch dann zu gewähren, wenn kein Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe gestellt wurde, die Anspruchsvoraussetzungen aber vorliegen (vgl. ). |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterRi in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, (Beschwerdeführer, Bf.), über die Beschwerde des Bf. vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2020 des Finanzamtes Österreich vom zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
Gemäß § 279 BAO wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid abgeändert. Die Einkommensteuer für das Jahr 2020 wird mit -2.032,00 Euro festgesetzt. Die Bemessungsgrundlagen hierfür sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Bf.) lebt und arbeitet in Österreich. Sein Sohn, Sohn1, geb. GebDatum, lebt in Portugal bei der Kindesmutter Mutter1. Der Bf. zahlt monatlich 65,00 € Unterhalt für seinen Sohn, d.h. 780,00 € im Jahr.
Der Bf. beantragte in seiner elektronisch am beim Finanzamt Österreich eingelangten Einkommensteuererklärung (Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2020 den ganzen Familienbonus Plus.
Das Finanzamt Österreich erließ an den Bf. den angefochtenen, mit datierten Einkommensteuerbescheid 2020, der die Einkommensteuer für das Jahr 2020 mit -459,00 € festsetzte (Negativbetrag=Gutschrift), und in welchem der Unterhaltsabsetzbetrag für 12 Monate in der für Portugal gemäß § 3 Abs. 4 der VO BGBl. II 257/2018 adaptierten Höhe für ein Kind (12 x 23,13 = 277,56 €) berücksichtigt wurde. Der Familienbonus Plus wurde nicht berücksichtigt. Der Bescheid wurde folgendermaßen begründet:
"Der Familienbonus Plus steht gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 nur für ein Kind zu, für dasFamilienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) in Österreich gewährt wird. Bisher wurde für das Kind,das im EU-EWR-Raum oder der Schweiz lebt, kein Antrag auf Familienbeihilfe gestellt, sodass eineÜberprüfung des Anspruchs auf Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) in Österreich nichterfolgen kann. Erst wenn positiv über einen Anspruch auf Familienbeihilfe (Ausgleichs- oderDifferenzzahlung) abgesprochen wurde, kann der Familienbonus Plus für ein Kind im EU-EWR-Raumoder der Schweiz berücksichtigt werden.
Hinweis: Die Antragstellung auf Ausgleichs-/Differenzzahlung erfolgt mit dem Formular Beih38.Antragsteller ist der haushaltsführende Elternteil, welcher im gemeinsamen Haushalt mit dem Kind lebt."
Am brachte der Bf. eine Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2020 vom elektronisch beim Finanzamt ein. Das Beschwerdebegehren zielt auf die Berücksichtigung des Familienbonus Plus in Höhe von 1.500,00 € ab. Die Beschwerde vom wurde folgendermaßen begründet:
"Ich habe in meiner Veranlagung den Familienbonus Plus für meinen Sohn Sohn1, geboren am GebDatum, beantragt. Diesen habe ich jedoch nicht erhalten mit der Begründung,dass der Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 nur für ein Kind zusteht, für dasFamilienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) in Österreich gewährt wird.
Gemäß § 33 Abs 3a EStG steht der Familienbonus Plus für ein Kind zu, für das Familienbeihilfe nachdem FLAG gewährt wird. Bei Erfüllung der Voraussetzungen für eine Differenzzahlung (Beschäftigungim Inland, Kind wohnt im EU- oder EWR-Ausland oder in der Schweiz), steht der Familienbonus Pluszu. Eine Antragstellung gemäß § 4 Abs 4 FLAG oder tatsächliche Gewährung ist nach Ansicht des BFGnicht erforderlich, die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung dem Grunde nach genügt (siehe BFG, RV/5101183/2020).
Mein Sohn lebt bei der Kindesmutter in Portugal. Dort erhält sie auch Familienbeihilfe für ihn. Leiderbesteht kein sehr guter Kontakt zu ihr, weshalb der Antrag auf Differenzzahlung, der von ihr selbstgestellt werden müsste, schwierig wird. Die Voraussetzungen liegen jedoch dem Grunde nach vor:
Die Kindesmutter Mutter1 lebt und arbeitet in Portugal. Da mein Sohn … bei ihr lebt, ist somitPortugal vorrangig zuständig für die Gewährung einer Familienleistung. Da ich in Österreich lebe undarbeite, ist Österreich nachrangig zur Zahlung einer Differenzzahlung verpflichtet.
Auch der Unterhaltsabsetzbetrag wurde mir aufgrund meiner monatlichen Unterhaltsleistungengewährt. Daher liegen alle Voraussetzungen für den ganzen Familienbonus Plus in voller Höhe fürmeinen Sohn … vor."
Das Finanzamt Österreich erließ eine abweisende, mit datierte Beschwerdevorentscheidung an den Bf., welche folgendermaßen begründet wurde:
"Zum Antrag auf Zuerkennung des ganzen Familienbonus Plus ist festzuhalten, dass der FamilienbonusPlus gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 nur einem Kind, für das Familienbeihilfe (bzw. eine Ausgleichs-/Differenzzahlung) nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (somit österreichischeFamilienbeihilfe) gewährt wird, zusteht (vgl. ).
Hinweis: …"
Mit Schreiben vom stellte der Bf. den Vorlageantrag (Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht).
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Der Sohn des Bf. war im gesamten Streitjahr 2020 unter 18 Jahre alt und lebte bei der Kindesmutter in Portugal, welche dort Familienbeihilfe (Kindergeld) für den Sohn bezieht und keinen Antrag auf Familienbeihilfe (Differenzzahlung) in Österreich gestellt hat.
Eine Beantragung des Familienbonus Plus durch die Kindesmutter ist nicht ersichtlich.
Die Höhe des portugiesischen Kindergeldes für ein Kind über sechs Jahre beträgt - je nach Einkommen - zwischen 28,00 € und 37,46 €.
Es besteht ein Anspruch hinsichtlich des Sohnes des in Österreich beschäftigten Bf. auf Familienbeihilfe bzw. eine diesbezügliche Differenz-/Ausgleichszahlung (vgl. auch BFG-Rechtsätze RV/7101889/2016-RS6, -RS9, -RS14, -RS17).
Der Bf. zahlte im Streitjahr 2020 jeden Monat 65,00 € Unterhalt für seinen Sohn. Der Bf. hat für alle Monate im Streitjahr Anspruch auf den Unterhaltsabsetzbetrag. Dieser Anspruch ist dem Grunde nach unstrittig. Die Höhe ist in der vorliegenden Entscheidung über die Beschwerde des Bf. freilich von Amts wegen infolge des , zu korrigieren, wie noch gezeigt werden wird.
§ 33 Abs. 3a EStG 1988 bestimmt hinsichtlich des strittigen Familienbonus Plus:
"(3a) Für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, steht auf Antrag ein Familienbonus Plus nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu:
1. Der Familienbonus Plus beträgt
a) bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 125 Euro,
…
2. Abweichend von Z 1 ist für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, die Höhe des Familienbonus Plus sowie der Absetzbeträge gemäß Abs. 4 auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU, jede Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz im Verhältnis zu Österreich zu bestimmen:
a)Die Höhe des Familienbonus Plus und der Absetzbeträge gemäß Abs. 4 ist ab auf Basis der zum Stichtag zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen. Die Höhe ist in der Folge jedes zweite Jahr auf Basis der zum Stichtag 1. Juni des Vorjahres zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen.
b)Der Bundesminister für Finanzen hat die Berechnungsgrundlagen und die Beträge mit Verordnung bis spätestens 30. September nach dem Stichtag gemäß lit. a kundzumachen.
3.Der Familienbonus Plus ist in der Veranlagung entsprechend der Antragstellung durch den Steuerpflichtigen wie folgt zu berücksichtigen:
a) …
b)Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:
-Beim Familienbeihilfenberechtigten oder vom Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder
…"
§ 33 Abs. 4 EStG 1988 bestimmt hinsichtlich des Unterhaltsabsetzbetrages:
"(4) Darüber hinaus stehen folgende Absetzbeträge zu, wenn sich das Kind ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält:
…
3.Steuerpflichtigen, die für ein Kind den gesetzlichen Unterhalt leisten, steht ein Unterhaltsabsetzbetrag von 29,20 Euro monatlich zu, wenn
-das Kind nicht ihrem Haushalt zugehört (§ 2 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967) und
-für das Kind weder ihnen noch ihrem jeweils von ihnen nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe-)Partner Familienbeihilfe gewährt wird.
…
4.Abweichend von Z 1 bis 3 bestimmt sich die Höhe der Absetzbeträge für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, nach Abs. 3a Z 2. …"
Die hier gegenständlichen Werte in der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Anpassung des Familienbonus Plus, … und Unterhaltsabsetzbetrages …, BGBl. II 257/2018, ausgegeben am betragen für die Jahre 2019 und 2020 hinsichtlich Portugal: 99,00 € Familienbonus Plus (für Kinder unter 18 Jahre) bzw. 23,13 € Unterhaltsabsetzbetrag monatlich für ein Kind.
Zum Streitpunkt der Gewährung des Familienbonus Plus dem Grunde nach:
Beide Streitparteien verwiesen auf (verschiedene) Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichtes (BFG), welche ihre jeweiligen Standpunkte unterstützten.
Tatsächlich war die frühere diesbezügliche Rechtsprechung des BFG uneinheitlich. Nun hat der Verwaltungsgerichtshof die gegenständliche Rechtsfrage mit Erkenntnis vom , Ra 2021/15/0067 im Sinne des Bf. entschieden: Es kommt auf die grundsätzliche Familienbeihilfenberechtigung für den Sohn an und nicht auf die Antragstellung bzw. tatsächliche Gewährung der Familienbeihilfe bzw. der Differenz-/Ausgleichszahlung.
In diesem Sinne ist die Formulierung "Familienbeihilfe … gewährt" in § 33 Abs. 3a EStG 1988 teleologisch zu reduzieren bzw. ist eine EU-Rechts-konforme Interpretation vorzunehmen.
Die nunmehrige Rechtsprechung des BFG folgt der Vorgabe des VwGH, wobei insbesondere auf das ausführlich begründete Erkenntnis des zu verweisen ist.
Sohin steht dem Bf. der Familienbonus Plus für das Jahr 2020 dem Grunde nach zu. Dessen Höhe ist mit der vorliegenden Entscheidung im Sinne des
C-328/20, zu bemessen, wie nachfolgend gezeigt wird.
Zur Indexierung/Anpassung von Unterhaltsabsetzbetrag und Familienbonus Plus an das Preisniveau des Wohnortes des Kindes:
Mit dem Jahressteuergesetz 2018, BGBl. I 62/2018, ausgegeben am , wurden u.a. der Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 eingeführt und der Unterhaltsabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 4 EStG (entsprechend dem Familienbonus Plus) indexiert, d.h. auf das Preisniveau am Wohnort des Kindes außerhalb Österreichs und innerhalb EU/EWR/Schweiz angepasst - jeweils ab der Veranlagung 2019 (§ 124b Z 335 EStG 1988).
Mit dem am ausgegebenen BGBl. I 83/2018 erfolgten Änderungen an § 33 Abs. 3a Z 5 und Abs. 4 Z 5 EStG 1988 betreffend Auslandsbeamte, was hier nicht relevant ist.
Mit dem Steuerreformgesetz 2020, BGBl. I 103/2019, ausgegeben am , erfolgte eine Änderung an § 33 Abs. 3a Z 4 EStG 1988 betreffend Lebensgemeinschaften, welche maximal sechs Monate im Jahr aufrecht sind, was hier nicht relevant ist.
Mit dem Konjunkturstärkungsgesetz 2020, BGBl. I 96/2020, ausgegeben am wurden
in § 33 Abs. 3a Z 3 lit. b EStG 1988 zwei Tippfehler ausgebessert ("Familienbeihilfenberechtigten", "Unterhaltsverpflichteten"), was am Inhalt der Norm nichts änderte;
eine lit.d an den § 33 Abs. 3a Z 3 EStG betreffend Zurückziehung des Antrages auf Familienbonus Plus eingefügt, was hier nicht relevant ist.
Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat mit Urteil vom in der Rechtssache C-328/20 über eine Vertragsverletzungsklage der Europäischen Kommission nach Art. 258 AEUV gegen die Republik Österreich in Ziffer 2 seines Urteilstenores bezughabend ausgesprochen: "Die Republik Österreich hat durch die - auf die Änderung von … und von § 33 des Bundesgesetzes über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen vom in der durch das Jahressteuergesetz 2018 vom und das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung zurückgehende - Einführung eines Anpassungsmechanismus in Bezug auf den Familienbonus Plus, … und den Unterhaltsabsetzbetrag für Wanderarbeitnehmer, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 verstoßen."
Deshalb ist aus folgenden Gründen die in § 33 Abs. 3a Z 2 und Abs. 4 Z 4 EStG 1988 vorgesehene Indexierung/Anpassung des Familienbonus Plus und des Unterhaltsabsetzbetrages bei der Entscheidung über die Beschwerde des Bf. mit dem vorliegenden Erkenntnis des BFG nicht anzuwenden:
Das gibt der Vertragsverletzungsklage der Europäischen Kommission statt. Ein solches Urteil ist ein Feststellungsurteil (Borchardt in Lenz/Borchardt, EU-Verträge5, Art. 260 Rn. 1). Die Rechtskraft des Urteiles erstreckt sich (nur) auf den im Urteil konkret bezeichneten Vorwurf und wirkt nur gegenüber den Parteien (aaO Rn. 2). Die Republik Österreich ist eine der Parteien des Urteiles. Es enthält den konkreten Vorwurf der Vertragsverletzung u.a. hinsichtlich Familienbonus Plus und Unterhaltsabsetzbetrag. Auch der Verstoß u.a. gegen Verordnungen der EU ist eine Vertragsverletzung (vgl. aaO, § 258 Rn. 4 f.).
Art. 260 Abs. 1 AEUV bestimmt: "Stellt der Gerichtshof der Europäischen Union fest, dass ein Mitgliedstaat gegen eine Verpflichtung aus den Verträgen verstoßen hat, so hat dieser Staat die Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs ergeben." Verpflichtungen aus den Verträgen sind nicht nur Verpflichtungen, die sich aus den Vorschriften des EUV und AEUV selbst ergeben, sondern auch solche, die den Mitgliedstaaten durch die verbindlichen Rechtshandlungen der EU-Organe (Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse) und internationalen Verträge der EU auferlegt werden (Borchardt in Lenz/Borchardt, EU-Verträge5, Art. 258 Rn. 5).
Die dem Mitgliedstaat durch Art. 260 Abs. 1 AEUV auferlegte Abänderungspflicht und Ausführungspflicht richtet sich nicht nur an die Regierung, sondern an alle Organe des Mitgliedstaates, also auch an die Gerichte, welche verpflichtet sind, zugunsten einzelner Rechtsunterworfener die notwendigen Schlussfolgerungen aus dem Urteil zu ziehen. Dies kann im Falle unmittelbar anwendbarer EU-Rechtsnormen bedeuten, dass die Gerichte eine Gesetzesvorschrift noch vor ihrer Änderung durch den Gesetzgeber außer Anwendung zu lassen haben. (Borchardt in Lenz/Borchardt, EU-Verträge5, Art. 258 Rn. 4 f.). Verordnungen der EU sind unmittelbar anwendbar, so auch die Verpflichtung aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union ("Er genießt dort die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer.")
Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Anpassung des Familienbonus Plus, … und Unterhaltsabsetzbetrages …, BGBl. II 257/2018, welche ein gesetzlich vorgesehenes Hilfsmittel zur Umsetzung der in § 33 Abs. 3a Z 2 und Abs. 4 Z 4 EStG 1988 vorgesehenen Indexierung/Anpassung des Familienbonus Plus und des Unterhaltsabsetzbetrages war, verstößt genauso wie die zugrundeliegenden Gesetzesstellen gegen Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union. Dies stellt einen Fall von "Acte-claire" dar, denn es kann nach dem Urteil des EuGH zu den zugrundeliegenden Gesetzesstellen vernünftigerweise kein Zweifel an diesem Verstoß bestehen. Somit ist auch die VO BGBl. II 257/2018 bei der Entscheidung über die Beschwerde des Bf. nicht anzuwenden.
Bei der Ermittlung der Einkommensteuer 2020 wird daher stattgebend der Familienbonus Plus mit 1.500,00 € (= 12 x 125,00 €) und der Unterhaltsabsetzbetrag mit 350,40 € (= 12 x 29,20 €) berücksichtigt.
Zur Unzulässigkeit einer (ordentlichen) Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die strittige Rechtsfrage wird hier im Einklang mit gelöst. Die (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 33 Abs. 3a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 33 Abs. 4 Z 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 Familienbonus Plus-Absetzbeträge-EU-Anpassungsverordnung, BGBl. II Nr. 257/2018 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | Deutsch in BFGjournal 2022, 214 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100125.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at