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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.07.2022, RV/7100170/2022

Nichtanwendung der Indexierung des Alleinverdienerabsetzbetrages und des Kindermehrbetrages zufolge Unionsrecht

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/7100170/2022-RS1
wie RV/7102376/2021-RS1
Die Entscheidungen des EuGH binden alle Gerichte der Mitgliedstaaten auch für andere Fälle; sie schaffen objektives Recht. Alle Gerichte der Mitgliedstaaten haben im Rahmen ihrer Zuständigkeit das Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden und für die volle Wirksamkeit der unionsrechtlichen Normen Sorge zu tragen, indem sie erforderlichenfalls jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lassen.
RV/7100170/2022-RS2
wie RV/7102376/2021-RS2
Der EuGH hat in seinem Urteil eindeutig ausgesprochen, dass die Indexierung des Familienbonus Plus, des Alleinverdienerabsetzbetrags, des Alleinerzieherabsetzbetrags und des Unterhaltsabsetzbetrags nach der Kaufkraft in den einzelnen Mitgliedstaaten bzw. Vertragsstaaten Wanderarbeitnehmer stärker als österreichische Staatsbürger betreffe. Er stelle daher eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar, die nur zulässig sei, wenn sie objektiv gerechtfertigt ist, was aber nicht der Fall sei. Steht einem Steuerpflichtigen einer dieser Absetzbeträge dem Grunde nach zu, erzielt der Steuerpflichtige in Österreich nichtselbständige Einkünfte und wohnt sein Kind i.S.v. § 106 Abs. 1 EStG 1988 ständig in einem anderen Mitgliedstaat bzw. Vertragsstaat, kann die einzige unionsrechtskonforme Lösung der hier anhängigen Rechtssache nur darin bestehen, § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 (Indexierung) infolge Verdrängung durch das Unionsrecht nicht anzuwenden.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Katharina Deutsch LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 und 2020 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem beiliegenden Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Schreiben vom langte die Einkommensteuererklärung des Beschwerdeführers (Arbeitnehmerveranlagung) betreffend der Jahre 2019 und 2020 beim Finanzamt ein. Er beantragte gemäß § 1 Abs. 4 EStG 1988 als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt zu werden sowie Alleinverdienerabsetzbetrag, Unterhaltsabsetzbetrag und Kindermehrbetrag für seine zwei Kinder. Seine Ehegattin erziele keine relevanten Einkünfte. Für seine beiden Kinder wurde im Beschwerdezeitraum entsprechend Familienbeihilfe bezogen.

Mit Erstbescheiden vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2019 iHv. EUR -1.423,- und für das Jahr 2020 iHv. EUR -1.650,- unter Berücksichtigung eines Alleinverdienerabsetzbetrages iHv. -414,12 und eines Kindermehrbetrages iHv. EUR -309,50 fest.

Das Finanzamt begründete in den Bescheidbegründungen wie folgt: "Ihre Spenden, Kirchenbeiträge oder Beiträge für die freiwillige Weiterversicherung oder für den Nachkauf von Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung werden erstmals für das Kalenderjahr 2017 bis spätestens Ende Februar des Folgejahres verpflichtend elektronisch an das Finanzamt übermittelt und automatisch bei der Veranlagung berücksichtigt."

Mit Schreiben vom erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Beschwerde für die beiden Jahre und führte dazu Folgendes aus: "Gegen den gegenständlichen Bescheid erhebe ich innerhalb offener Frist diese Beschwerde. Die Entscheidung Ihres Finanzamtes ist aus meiner Sicht insofern unrichtig, als ich mich durch die Indexierung der steuerlichen Begünstigungen (Absetzbeträge, Freibeträge) in meinen gesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere dann den unmittelbar und vorrangig anwendbaren Europäischen Rechten und den Grundrechten, verletzt fühle. Die bei der von Ihnen ausgeübten Entscheidungsgewalt gesetzte Art der Beurteilung gleicher Lebenssituationen unter Anwendung differenzierender Kriterien führt eindeutig zur direkten Diskriminierung. In meinem konkreten Fall wurde der Alleinverdienerabsetzbetrag und der Kindermehrbetrag und der Unterhaltsabsetzbetrag nicht in voller Höhe berücksichtigt, in welcher die Steuerbegünstigung einem österreichischen Staatsbürger mit einem in Österreich lebenden Kind ihrer Basis nach zusteht.

Ich beantrage daher die Anpassung des Alleinverdienerabsetzbetrages und des Kindermehrbetrages für meine Kinder ***1*** und ***2*** an den jeweiligen vollen Grundbetrag, d.h. den Betrag ohne die sogenannte Indexierung. Auf das Zitieren der Gesetzesstellen wurde hier aus pragmatischen Gründen verzichtet."

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wies die belangte Behörde die Beschwerden betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 2019 und 2020 als unbegründet ab. In der Begründung führte sie Folgendes aus: "Das Bundesfinanzgericht hat mit Erkenntnis vom , RV/7103531/2020 in Bezug auf die Zulässigkeit der Indexierung wie folgt entschieden: "Wenn der Bf. die Entscheidung des Finanzamtes als aus seiner Sicht insofern unrichtig erachtet hat, als dieser sich durch die Indexierung der steuerlichen Begünstigungen (Absetzbeträge, Freibeträge) in seinen gesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere in den unmittelbar und vorrangig anwendbaren Europäischen Rechten und den Grundrechten, verletzt fühle, als die gesetzte Art der Beurteilung gleicher Lebenssituationen unter Anwendung differenzierender Kriterien zu einer "eindeutigen direkten Diskriminierung" führe, also die Indexierung an sich vom Bf. als rechtswidrig angesehen wird, muss seitens des Bundesfinanzgerichtes festgestellt werden, dass die vom Bf. behauptete Rechtswidrigkeit des Bescheides nicht vorliegt, da das Finanzamt in seiner Beurteilung des Sachverhaltes zutreffenderweise § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 angewandt hat, in welchem eindeutig normiert ist, dass die Absetzbeträge auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU im Verhältnis zu Österreich zu bestimmen ist.

Wenn der Bf. in seiner Beschwerde ausgeführt hat, auf das Zitieren der Gesetzesstellen "aus pragmatischen Gründen" zu verzichten, konnte mit einem derartigen Vorbringen die vom Bf. behauptete Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides nicht erfolgreich bekämpft werden." Die Abgabenbehörde hat daher den Alleinverdienerabsetzbetrag und den Kindermehrbetrag nach § 33 Abs. 3a Z2 und Abs. 7 Z 2 EStG 1988 zu indexieren. Der Unterhaltsabsetzbetrag steht generell nicht zu und wurde daher nicht indexiert. Die Beschwerde war in Anlehnung an das BFG-Erkenntnis abzuweisen."

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom betreffend Indexierung der Familienbeihilfe sowie bestimmter familienbezogener Steuerbegünstigungen auf Grund einer Klage der Europäischen Kommission entschieden: der Tenor des , Kommission gg. Österreich, ECLI:EU:C:2022:468, lautet - auszugsweise - wie folgt:
"1. Die Republik Österreich hat durch die - auf die Änderung von § 8a des Bundesgesetzes betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen vom in der durch das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung und von § 33 des Bundesgesetzes über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen vom in der durch das Jahressteuergesetz 2018 vom und das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung zurückgehende - Einführung eines Anpassungsmechanismus in Bezug auf die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für Erwerbstätige, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 4 und 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit sowie aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union verstoßen.
2. Die Republik Österreich hat durch die - auf die Änderung von § 8a des Bundesgesetzes betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen vom in der durch das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung und von § 33 des Bundesgesetzes über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen vom in der durch das Jahressteuergesetz 2018 vom und das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung zurückgehende - Einführung eines Anpassungsmechanismus in Bezug auf den Familienbonus Plus, den Alleinverdienerabsetzbetrag, den Alleinerzieherabsetzbetrag und den Unterhaltsabsetzbetrag für Wanderarbeitnehmer, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus
Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 verstoßen."

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer pendelt von seinem Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat der EU zu seinem Dienstort ins Inland. Er hat mit seiner Gattin zwei Kinder, für die die Voraussetzungen des Bezuges von Familienbeihilfe zustehen. Die beiden Kinder sind dem Beschwerdeführer haushaltszugehörig.

2. Beweiswürdigung

Die Beweise ergeben sich zum einen aus den Vorbringen des Beschwerdeführers und der von ihm vorgelegten Unterlagen und zum anderen aus den von der belangten Behörde im Zuge der Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht vorgelegten Dokumente.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)

Im konkreten Fall vor dem Bundesfinanzgericht ist die Anwendung der Indexierung von familienbezogenen Steuerbegünstigungen auf den Alleinverdienerabsetzbetrag und den Kindermehrbetrag in den Jahren 2019 und 2020 der Höhe nach und die Gewährung des Unterhaltsabsetzbetrages dem Grunde nach strittig.

Rechtslage:

§ 33 Abs. 4 EStG 1988 idgF. bestimmt zum Alleinverdienerabsetzbetrag:
"Darüber hinaus stehen folgende Absetzbeträge zu, wenn sich das Kind ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält:
1.Alleinverdienenden steht ein Alleinverdienerabsetzbetrag zu. Dieser beträgt jährlich-bei einem Kind (§ 106 Abs. 1) 494 Euro,-bei zwei Kindern (§ 106 Abs. 1) 669 Euro.
Dieser Betrag erhöht sich für das dritte und jedes weitere Kind (§ 106 Abs. 1) um jeweils 220 Euro jährlich. Alleinverdienende sind Steuerpflichtige mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1), die mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragene Partner sind und von ihren unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten oder eingetragenen Partnern nicht dauernd getrennt leben oder die mehr als sechs Monate mit einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person in einer Lebensgemeinschaft leben. Für Steuerpflichtige im Sinne des § 1 Abs. 4 ist die unbeschränkte Steuerpflicht des Ehegatten oder eingetragenen Partners nicht erforderlich. Voraussetzung ist, dass der (Ehe-)Partner (§ 106 Abs. 3) Einkünfte von höchstens 6 000 Euro jährlich erzielt. Die nach § 3 Abs. 1 Z 4 lit. a, weiters nach § 3 Abs. 1 Z 10, 11 und 32 und auf Grund zwischenstaatlicher oder anderer völkerrechtlicher Vereinbarungen steuerfreien Einkünfte sind in diese Grenzen mit einzubeziehen. Andere steuerfreie Einkünfte sind nicht zu berücksichtigen. Der Alleinverdienerabsetzbetrag steht nur einem der (Ehe-)Partner zu. Erfüllen beide (Ehe-)Partner die Voraussetzungen im Sinne der vorstehenden Sätze, hat jener (Ehe-) Partner Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag, der die höheren Einkünfte im Sinne der Z 1 erzielt. Haben beide (Ehe-)Partner keine oder gleich hohe Einkünfte im Sinne der Z 1, steht der Absetzbetrag dem haushaltsführenden (Ehe-)Partner zu.

§ 33 Abs. 4 EStG 1988 normiert in Ziffer 4.:
Abweichend von Z 1 bis 3 bestimmt sich die Höhe der Absetzbeträge für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, nach Abs. 3a Z 2. Steht ein Absetzbetrag für mehrere Kinder zu und halten diese sich in unterschiedlichen Ländern auf, sind zuerst ältere vor jüngeren anspruchsvermittelnden Kindern zu berücksichtigen.

§ 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 bestimmt:
"Abweichend von Z 1 ist für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, die Höhe des Familienbonus Plus sowie der Absetzbeträge gemäß Abs. 4 auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU, jede Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz im Verhältnis zu Österreich zu bestimmen:
a)
Die Höhe des Familienbonus Plus und der Absetzbeträge gemäß Abs. 4 ist ab auf Basis der zum Stichtag zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen. Die Höhe ist in der Folge jedes zweite Jahr auf Basis der zum Stichtag 1. Juni des Vorjahres zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen.
b)
Der Bundesminister für Finanzen hat die Berechnungsgrundlagen und die Beträge mit Verordnung bis spätestens 30. September nach dem Stichtag gemäß lit. a kundzumachen."

§ 33 Abs 4 Z 3 EStG 1988 idF BGBl I Nr 103/2019 bestimmt zum Unterhaltsabsetzbetrag:
"Steht Steuerpflichtigen, die für ein Kind den gesetzlichen Unterhalt leisten, ein Unterhaltsabsetzbetrag von 29,20 Euro monatlich zu, wenn
- das Kind nicht ihrem Haushalt zugehört (
§ 2 Abs 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967) und
- für das Kind weder ihnen noch ihrem jeweils von ihnen nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe-)
Partner Familienbeihilfe gewährt wird. Leisten sie für mehr als ein nicht haushaltszugehöriges Kind den gesetzlichen Unterhalt, so steht für das zweite Kind ein Absetzbetrag von 43,80 Euro und für jedes weitere Kind ein Absetz­betrag von jeweils 58,40 Euro monatlich zu."

§ 33 Abs. 7 EStG 1988 idgF. bestimmt zum Kindermehrbetrag:
"Ergibt sich nach Abs. 1 eine Einkommensteuer unter 250 Euro und steht der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zu, gilt bei Vorhandensein eines Kindes (§ 106 Abs. 1) Folgendes:
1. Die Differenz zwischen 250 Euro und der Steuer nach Abs. 1 ist als Kindermehrbetrag zu erstatten.
2. Hält sich das Kind ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz auf, tritt an die Stelle des Betrages von 250 Euro der Betrag, der sich bei Anwendung des Abs. 3a Z 2 ergibt.
3. Ein Kindermehrbetrag steht nicht zu, wenn für mindestens 330 Tage im Kalenderjahr steuerfreie Leistungen gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a, lit. c oder Leistungen aus der Grundversorgung oder Mindestsicherung bezogen wurden. Dieser Betrag erhöht sich für jedes weitere Kind (§ 106 Abs. 1) um den Betrag von 250 Euro oder den an seine Stelle tretenden Betrag."

§ 33 Abs. 8 EStG 1988 idgF. bestimmt:
"1. Ergibt sich nach Abs. 1 und 2 eine Einkommensteuer unter null, ist insoweit der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zu erstatten.2. Ergibt sich bei Steuerpflichtigen, die Anspruch auf den Verkehrsabsetzbetrag haben, nach Abs. 1 und 2 eine Einkommensteuer unter null, sind 50% der Werbungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 3 lit. a (ausgenommen Betriebsratsumlagen) und des § 16 Abs. 1 Z 4 und 5, höchstens aber 400 Euro jährlich rückzuerstatten (SV-Rückerstattung). Bei Steuerpflichtigen, die Anspruch auf ein Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 haben, sind höchstens 500 Euro rückzuerstatten.3. Ergibt sich bei Steuerpflichtigen, die Anspruch auf den Pensionistenabsetzbetrag haben, nach Abs. 1 und 2 eine Einkommensteuer unter null, sind 50% der Werbungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 4, höchstens aber 110 Euro jährlich, rückzuerstatten (SV-Rückerstattung). Die Rückerstattung vermindert sich um steuerfreie Zulagen gemäß § 3 Abs. 1 Z 4 lit. f.4. Auf Grund zwischenstaatlicher oder anderer völkerrechtlicher Vereinbarungen steuerfreie Einkünfte sind für Zwecke der Berechnung der Einkommensteuer gemäß Z 1 bis 3 wie steuerpflichtige Einkünfte zu behandeln. Der Kinderabsetzbetrag gemäß Abs. 3 bleibt bei der Berechnung außer Ansatz.5. Die Erstattung erfolgt im Wege der Veranlagung gemäß § 41 und ist mit der nach Abs. 1 und 2 berechneten Einkommensteuer unter null begrenzt."

Das Urteil des EuGH:

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom , C-328/20, Kommission gg. Österreich, ECLI:EU:C:2022:468, betreffend Indexierung der Familienbeihilfe sowie bestimmter familienbezogener Steuerbegünstigungen auf Grund einer Klage der Europäischen Kommission in Randnummer 103 entschieden, dass der Anpassungsmechanismus, nach dem das für die Höhe der Familienleistungen sowie der sozialen und steuerlichen Vergünstigungen maßgebliche Kriterium der Auslandswohnsitz der Kinder ist, Wanderarbeitnehmer stärker als österreichische Staatsbürger betrifft. Er stellte daher eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit fest, die nur zulässig ist, wenn sie objektiv gerechtfertigt ist, was jedoch im Falle der Regelung der § 33 Abs 3a Z2 und Abs 7 Z 2 EStG 1988 nicht der Fall ist.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat im Einzelnen zur Rechtsfrage Folgendes ausgeführt:

"Zur Klage
29 Die Kommission stützt ihre Klage auf zwei Rügen. Die erste betrifft einen Verstoß gegen die
Art. 7 und 67 der Verordnung Nr. 883/2004 und die zweite einen Verstoß gegen Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 sowie gegen Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011.

Zur ersten Rüge: Verstoß gegen die Art. 7 und 67 der Verordnung Nr. 883/2004

Würdigung durch den Gerichtshof:
42 Zunächst ist festzustellen, dass die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag, die Gegenstand der ersten Rüge sind, unstreitig Familienleistungen im Sinne von
Art. 1 Buchst. z der Verordnung Nr. 883/2004 sind und dass diese Verordnung auf den Anpassungsmechanismus anwendbar ist, da sie für alle Rechtsvorschriften gilt, die Zweige der sozialen Sicherheit in Bezug auf Familienleistungen betreffen.
43 Daher müssen die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag insbesondere
Art. 7 der Verordnung Nr. 883/2004 entsprechen, wonach solche Leistungen, sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, "nicht aufgrund der Tatsache gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden [dürfen], dass der Berechtigte oder seine Familienangehörigen in einem anderen als dem Mitgliedstaat wohnt bzw. wohnen, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat".
44 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass
Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 den Grundsatz festlegt, dass eine Person Anspruch auf Familienleistungen für Familienangehörige, die in einem anderen als dem für die Gewährung dieser Leistungen zuständigen Mitgliedstaat wohnen, so erheben kann, als würden sie in dem zuständigen Mitgliedstaat wohnen (Urteil vom , Trapkowski, C-378/14, EU:C:2015:720, Rn. 35).
45 Da
Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 speziell in Bezug auf Familienleistungen die Vorgaben von Art. 7 dieser Verordnung übernimmt, führt ein Verstoß gegen Art. 67 auch zu einem Verstoß gegen Art. 7 dieser Verordnung.
46 Des Weiteren hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass mit den
Art. 7 und 67 der Verordnung Nr. 883/2004 verhindert werden soll, dass ein Mitgliedstaat die Gewährung oder die Höhe von Familienleistungen davon abhängig machen kann, dass die Familienangehörigen des Erwerbstätigen in dem die Leistungen erbringenden Mitgliedstaat wohnen (vgl. u. a. Urteil vom , Finanzamt Österreich [Familienleistungen für Entwicklungshelfer], C-372/20, EU:C:2021:962, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).
47
Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 ist daher dahin auszulegen, dass die Familienleistungen, die ein Mitgliedstaat Erwerbstätigen gewährt, deren Familienangehörige in diesem Mitgliedstaat wohnen, exakt jenen entsprechen müssen, die er Erwerbstätigen gewährt, deren Familienangehörige in einem anderen Mitgliedstaat wohnen. Entgegen dem Vorbringen der Republik Österreich rechtfertigen es die Kaufkraftunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten im Hinblick auf diese Bestimmung nicht, dass ein Mitgliedstaat dieser zweiten Personengruppe Leistungen in anderer Höhe gewährt als der ersten Personengruppe.
48 Sicherlich ist der in
Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 normierte Grundsatz der Gleichstellung insofern kein absoluter, als die Antikumulierungsvorschriften des Art. 68 dieser Verordnung Anwendung finden, wenn mehrere Ansprüche aufgrund unterschiedlicher Rechtsordnungen geschuldet werden (Urteil vom , Moser, C-32/18, EU:C:2019:752, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).
49 Der Gerichtshof hat konkret zu
Art. 68 Abs. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 entschieden, dass solche Antikumulierungsvorschriften dem Empfänger der von mehreren Mitgliedstaaten gezahlten Leistungen einen Gesamtbetrag an Leistungen garantieren sollen, der gleich dem Betrag der günstigsten Leistung ist, die ihm nach dem Recht nur eines dieser Staaten zusteht (Urteil vom , Moser, C-32/18, EU:C:2019:752, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).
50 Bei der Prüfung der Behandlung der von der
Verordnung Nr. 883/2004 erfassten Arbeitnehmer kommt es daher auf den wirtschaftlichen Wert dieser Leistungen nicht im Hinblick auf die Kaufkraft und das Preisniveau am Wohnort der betreffenden Personen, sondern im Hinblick auf die Höhe der geschuldeten Leistungen an.
51 In Anbetracht der in
Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 normierten Fiktion, wonach eine Person für Familienangehörige, die in einem anderen als dem für die Gewährung von Familienleistungen zuständigen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf diese Leistungen hat, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden, und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Wanderarbeitnehmern die sozialpolitischen Maßnahmen des Aufnahmemitgliedstaats unter den gleichen Bedingungen zugutekommen müssen wie inländischen Arbeitnehmern, da sie mit den Steuern und Sozialabgaben, die sie in diesem Staat aufgrund der dort von ihnen ausgeübten unselbständigen Erwerbstätigkeit entrichten, zur Finanzierung dieser Maßnahmen beitragen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Aubriet, C-410/18, EU:C:2019:582, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung), dürfen die Mitgliedstaaten gemäß dieser Verordnung die Familienleistungen nicht nach Maßgabe des Wohnstaats der Kinder des Begünstigten anpassen.
52 Genau dies ist hier der Fall. Nur die Empfänger von Familienleistungen, deren Kinder nicht in Österreich wohnen, unterliegen nämlich dem Mechanismus zur Anpassung der Höhe dieser Leistungen an das Preisniveau und die Kaufkraft am Wohnort ihrer Kinder. Ein solcher Mechanismus gilt nicht für Familienleistungen, die für Kinder gewährt werden, die in verschiedenen Regionen Österreichs wohnen, obwohl zwischen diesen Regionen Preisniveauunterschiede bestehen, die mit denen vergleichbar sind, die zwischen der Republik Österreich und anderen Mitgliedstaaten bestehen können.
53 Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass - wie der Generalanwalt in den Nrn. 77 bis 79 seiner Schlussanträge ausgeführt hat - nicht feststeht, dass die Höhe der von der Republik Österreich gewährten Familienleistungen je nach den tatsächlichen Lebenshaltungskosten oder den tatsächlichen Ausgaben für den Unterhalt der Kinder variiert, da diese Beträge pauschal nach Maßgabe der Zahl und gegebenenfalls des Alters der Kinder oder einer Behinderung der Kinder gewährt werden.
54 Folglich kann nicht damit argumentiert werden, dass der Gerichtshof in seinem Urteil vom , Moser (C-32/18, EU:C:2019:752, Rn. 53 und 54), festgestellt hat, dass das mit den nationalen Rechtsvorschriften verfolgte Ziel entscheidend ist und dass ein Mitgliedstaat die tatsächlichen Einkommensverhältnisse im Beschäftigungsstaat berücksichtigen kann. In der Rechtssache, die diesem Urteil zugrunde lag, ging es nämlich um ein Kinderbetreuungsgeld, das in seiner einkommensabhängigen Variante eine Ersatzleistung für das vorherige Erwerbseinkommen darstellte und keine Familienleistung betraf, die keinen Zusammenhang mit den tatsächlichen Kosten aufwies und deren Höhe unabhängig von einer im Ermessen liegenden individuellen Prüfung der persönlichen Bedürftigkeit der Begünstigten aufgrund eines gesetzlich umschriebenen Tatbestands bemessen wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Caisse pour l'avenir des enfants [Kind des Ehegatten eines Grenzgängers], C-802/18, EU:C:2020:269, Rn. 36).
55 Außerdem trifft es zwar zu, dass der Gerichtshof - wie die Republik Österreich geltend gemacht hat - in seinem Urteil vom , Lenoir (313/86, EU:C:1988:452), anerkannt hat, dass Leistungen, die zur Deckung gewisser durch den Beginn des Schuljahres der Kinder veranlasster Kosten bestimmt sind, eng an das soziale Umfeld und damit auch an den Wohnort der Betroffenen gebunden sind, so dass dieser Wohnort berücksichtigt werden kann, doch hat der Gerichtshof in Rn. 16 dieses Urteils entschieden, dass regelmäßige Geldleistungen, wenn sie "ausschließlich nach Maßgabe der Zahl und gegebenenfalls des Alters der Familienangehörigen" gewährt werden, "unabhängig vom Wohnort des Empfängers und seiner Familie zahlbar" bleiben. Die Republik Österreich kann sich daher nicht auf dieses Urteil berufen.
56 Was schließlich die Relevanz des von der Republik Österreich angeführten Urteils vom , Pinna (41/84, EU:C:1986:1), anbelangt, genügt der Hinweis, dass - wie der Generalanwalt in Nr. 70 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat - der dieser Rechtssache zugrunde liegende Rechtsstreit einen Unterschied hinsichtlich des Betrags oder der Höhe der Leistungen je nachdem, in welchem Staat die betreffenden Familienangehörigen wohnten, zum Gegenstand hatte, was zur Folge hatte, dass die erworbenen Rechte des Wanderarbeitnehmers geschmälert wurden und damit das Ziel, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der Union zu gewährleisten, missachtet wurde. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass im Hinblick auf die Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit mit Unionsrechtsvorschriften keine Unterschiede eingeführt werden dürfen, die zu denen hinzutreten, die sich bereits aus der mangelnden Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit ergeben. Diese Beurteilung gilt erst recht für eine nationale Bestimmung, die von dem vom Unionsgesetzgeber aufgestellten und in
Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 normierten Grundsatz der Gleichstellung abweicht.
57 Zur Vereinbarkeit des Indexierungsmechanismus, der in der neuen Regelung für das Vereinigte Königreich innerhalb der Europäischen Union vorgesehen war, mit dem Unionsrecht ist auf zwei Gesichtspunkte hinzuweisen. Zum einen ist diese Regelung nie in Kraft getreten, weshalb die Kommission auch keinen Vorschlag zur Änderung der
Verordnung Nr. 883/2004 vorgelegt hat, der es den Mitgliedstaaten erlaubt hätte, die Sozialleistungen für Kinder, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen als der Arbeitnehmer, zu indexieren. Zum anderen wäre eine solche Änderung - wenn sie vom Unionsgesetzgeber angenommen worden wäre - wie das Urteil vom , Pinna (41/84, EU:C:1986:1), zeigt, jedenfalls im Hinblick auf Art. 45 AEUV ungültig gewesen.
58 Nach alledem ist die erste Rüge, mit der ein Verstoß gegen die Verpflichtungen aus
Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 geltend gemacht wird, begründet.

Zur zweiten Rüge: Verstoß gegen Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011

Würdigung durch den Gerichtshof:
93 Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass
Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71, der im Wesentlichen denselben Wortlaut wie Art. 4 der Verordnung Nr. 492/2011 hatte, entsprechend Art. 39 EG (jetzt Art. 45 AEUV) zugunsten der Personen, für die die Verordnung galt, die Gleichbehandlung im Bereich der sozialen Sicherheit ohne Unterscheidung nach der Staatsangehörigkeit dadurch sicherstellen sollte, dass er alle Diskriminierungen beseitigt, die sich insoweit aus den nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten ergeben (Urteil vom , Landtová, C-399/09, EU:C:2011:415, Rn. 42).
94 Der in
Art. 45 AEUV verankerte Gleichbehandlungsgrundsatz wird auch in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 konkretisiert, der klarstellt, dass ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen genießt wie die inländischen Arbeitnehmer, wobei diese Bestimmung ebenso auszulegen ist wie Art. 45 AEUV (Urteil vom , Caisse pour l'avenir des enfants [Kind des Ehegatten eines Grenzgängers], C-802/18, EU:C:2020:269, Rn. 24 und 70 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
95 Der durch
Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 auf Arbeitnehmer, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, erstreckte Begriff der "sozialen Vergünstigung" umfasst alle Vergünstigungen, die - ob sie an einen Arbeitsvertrag anknüpfen oder nicht - den inländischen Arbeitnehmern im Allgemeinen gewährt werden, und zwar hauptsächlich wegen ihrer objektiven Arbeitnehmereigenschaft oder einfach wegen ihres Wohnorts im Inland, und deren Erstreckung auf die Arbeitnehmer, die Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats sind, deshalb als geeignet erscheint, deren Mobilität innerhalb der Union und daher auch ihre Integration im Aufnahmemitgliedstaat zu fördern, und dieser Begriff der sozialen Vergünstigung darf nicht eng ausgelegt werden (Urteil vom , Caisse pour l'avenir des enfants [Kind des Ehegatten eines Grenzgängers], C-802/18, EU:C:2020:269, Rn. 25 und 29 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
96 Des Weiteren ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass bestimmte Leistungen sowohl Familienleistungen im Sinne von
Art. 3 Abs. 1 Buchst. j der Verordnung Nr. 883/2004 als auch soziale Vergünstigungen im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 bilden können (Urteil vom , Caisse pour l'avenir des enfants [Kind des Ehegatten eines Grenzgängers], C-802/18, EU:C:2020:269, Rn. 45 und 46 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
97 Wie der Generalanwalt in Nr. 124 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist im vorliegenden Fall unstreitig, dass die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag sowohl Familienleistungen, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz nach
Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 unterliegen, als auch soziale Vergünstigungen, die in den Anwendungsbereich von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 fallen, sind, während der Familienbonus Plus, der Alleinverdienerabsetzbetrag, der Alleinerzieherabsetzbetrag und der Unterhaltsabsetzbetrag nur dem Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 unterliegen.
98 Jedenfalls konkretisieren sowohl
Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 als auch Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 den in Art. 45 AEUV verankerten Grundsatz der Gleichbehandlung im Bereich der sozialen Sicherheit. Daher sind diese beiden Bestimmungen grundsätzlich in gleicher Weise und im Einklang mit Art. 45 AEUV auszulegen.
99 Eine auf dem Wohnsitz beruhende Unterscheidung, die sich stärker zum Nachteil der Angehörigen anderer Mitgliedstaaten auswirken kann, da Gebietsfremde meist Ausländer sind, stellt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine mittelbare Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar, die nur dann zulässig wäre, wenn sie objektiv gerechtfertigt ist (Urteil vom , Caisse pour l'avenir des enfants [Kind des Ehegatten eines Grenzgängers], C-802/18, EU:C:2020:269, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).
100 Im vorliegenden Fall bewirkt der Anpassungsmechanismus, dass sich die Höhe der Familienleistungen und der sozialen Vergünstigungen, auf die er abzielt, nach dem Preisniveau am Wohnort der Kinder ändert. Anpassungen nach oben oder unten werden daher nur vorgenommen, wenn das Kind nicht in Österreich wohnt. Unter diesen Umständen lässt sich die unmittelbare Verbindung zum Wohnstaat der Kinder nicht bestreiten.
101 Wie der Generalanwalt in den Nrn. 130 und 131 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, betrifft die Verringerung der Familienleistungen sowie der sozialen und steuerlichen Vergünstigungen, die sich aus dem im Anpassungsmechanismus festgelegten Kriterium des Wohnsitzes der Kinder ergibt, im Wesentlichen die Wanderarbeitnehmer, da insbesondere ihre Kinder in einem anderen Mitgliedstaat wohnen können (Urteil vom , Giersch u. a., C-20/12, EU:C:2013:411, Rn. 44). Außerdem lässt sich der dem Gerichtshof vorliegende Akte entnehmen, dass aufgrund der Unterschiede bei den Lebenshaltungskosten in diesen Staaten im Vergleich zu jenen in Österreich, die sich in den in der Anpassungsverordnung enthaltenen Anpassungsfaktoren widerspiegeln, die Arbeitnehmer, die von diesen Staaten aus von ihrer Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, Familienleistungen sowie soziale und steuerliche Vergünstigungen großteils in geringerer Höhe erhalten als inländische Arbeitnehmer.
102 Zum Vorbringen der Republik Österreich, der Anpassungsmechanismus stelle angesichts der Unterschiede im Preisniveau im Vergleich zu den betreffenden Staaten sicher, dass ungleiche Sachverhalte auch entsprechend differenziert behandelt würden, genügt der Hinweis, dass die dem Anpassungsmechanismus unterliegenden Familienleistungen sowie sozialen und steuerlichen Vergünstigungen nicht nach Maßgabe der tatsächlichen Kosten für den Unterhalt der Kinder festgesetzt werden. Diese Leistungen und Vergünstigungen werden nämlich pauschal gewährt und richten sich nach der Zahl und gegebenenfalls dem Alter der Kinder, ohne deren tatsächlichen Bedürfnissen Rechnung zu tragen.
103 Folglich betrifft der Anpassungsmechanismus, nach dem das für die Höhe der Familienleistungen sowie der sozialen und steuerlichen Vergünstigungen maßgebliche Kriterium der Auslandswohnsitz der Kinder ist, Wanderarbeitnehmer stärker. Er stellt daher eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar, die nur zulässig ist, wenn sie objektiv gerechtfertigt ist.
104 Der Gerichtshof hat wiederholt entschieden, dass eine solche mittelbare Diskriminierung dann gerechtfertigt ist, wenn sie geeignet ist, die Verwirklichung eines legitimen Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (Urteil vom , Caisse pour l'avenir des enfants [Kind des Ehegatten eines Grenzgängers], C-802/18, EU:C:2020:269, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
105 Die von der Republik Österreich angeführte Rechtfertigung, wonach mit der Anpassung der Höhe der Leistungen für gebietsfremde Kinder sichergestellt werden solle, dass die Unterstützung und die daraus folgende Erleichterung der Familienlasten wertmäßig den für in Österreich wohnhaften Kindern gewährten Leistungen entsprächen, entbehrt aus den oben in Rn. 102 angeführten Gründen jeder Grundlage. Darüber hinaus unterliegen die in Rede stehenden Familienleistungen und sozialen Vergünstigungen, wie bereits oben in Rn. 52 ausgeführt worden ist, nicht dem Anpassungsmechanismus, wenn die Kinder in Österreich wohnen, obwohl zwischen den Regionen dieses Mitgliedstaats unstreitig Unterschiede im Preisniveau bestehen, die mit jenen vergleichbar sind, die möglicherweise zwischen der Republik Österreich und anderen Mitgliedstaaten bestehen. Diese mangelnde Kohärenz bei der Anwendung des Anpassungsmechanismus bestätigt, dass die von der Republik Österreich geltend gemachte Rechtfertigung nicht durchgreifen kann.
106 Außerdem kann die Ungleichbehandlung, die sich aus dem Anpassungsmechanismus ergibt, nicht mit dem von der Republik Österreich geltend gemachten Ziel der Gewährleistung der Unterhaltsfunktion sowie der Ausgewogenheit des Sozialsystems gerechtfertigt werden.
107 Zunächst ergibt sich nämlich, wie die Kommission im schriftlichen Verfahren vor dem Gerichtshof ausgeführt hat, aus dem Rechnungshofbericht weder, dass eine erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts besteht, der durch die bloße Einführung eines Anpassungsmechanismus abgeholfen werden könnte, noch, dass der Anpassungsmechanismus geeignet ist, die Verwaltung der Familienleistungen sowie der sozialen und steuerlichen Vergünstigungen zu vereinfachen. Denn selbst wenn man - wie die Republik Österreich - davon ausgeht, dass die zusätzlichen Kosten des Anpassungsmechanismus sehr beschränkt seien, ändert dies nichts daran, dass es solche zusätzlichen Kosten gibt. Wie der Generalanwalt in Nr. 142 seiner Schlussanträge zu Recht ausgeführt hat, wird jedoch nicht bestritten, dass diese Kosten von allen getragen werden, die Beiträge zum Staatshaushalt leisten. Außerdem lässt sich dem Rechnungshofbericht entnehmen, dass das Risiko einer Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit nicht von der Zahlung von Leistungen an Arbeitnehmer, deren Kinder außerhalb Österreichs wohnen, herrührt, da diese Leistungen nur etwa 6 % der Aufwendungen für Familienleistungen ausmachen, sondern dass dieses Risiko sich aus dem Fehlen einer angemessenen Kontrolle in Bezug auf die Gewährung dieser Leistungen ergeben könnte.
108 Sodann beruht die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union auf einer Reihe von Grundsätzen, darunter dem der Gleichbehandlung. Seine Umsetzung im Bereich der sozialen Sicherheit wird zudem durch eine Unionsregelung gewährleistet, die insbesondere auf dem Grundsatz der Anwendbarkeit nur eines Rechts in diesem Bereich beruht. Mit diesem in
Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 verankerten Grundsatz sollen Ungleichbehandlungen beseitigt werden, die bei Arbeitnehmern, die innerhalb der Union zu- und abwandern, die Folge einer teilweisen oder vollständigen Kumulierung der anwendbaren Rechtsvorschriften wären. Um die Gleichbehandlung aller im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erwerbstätigen Personen am besten zu gewährleisten, unterliegt daher nach Art. 11 Abs. 3 dieser Verordnung eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, in der Regel den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats und muss nach Art. 4 dieser Verordnung dort die gleichen Leistungen erhalten wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats.
109 Schließlich hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass Wanderarbeitnehmer mit den Steuern und Sozialabgaben, die sie im Aufnahmemitgliedstaat aufgrund der dort von ihnen ausgeübten unselbständigen Erwerbstätigkeit entrichten, zur Finanzierung der sozialpolitischen Maßnahmen dieses Staats beitragen. Daher müssen ihnen diese Maßnahmen unter den gleichen Bedingungen zugutekommen wie inländischen Arbeitnehmern (Urteil vom , Aubriet, C-410/18, EU:C:2019:582, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dadurch wird die Bedeutung des Ansatzes bestätigt, wonach Wanderarbeitnehmer in Bezug auf Familienleistungen sowie steuerliche und soziale Vergünstigungen gleichbehandelt werden müssen.
110 Im vorliegenden Fall wird nicht bestritten, dass die österreichische Familienbeihilfe durch Arbeitgeberbeiträge finanziert wird, die auf der Grundlage des Gesamtbetrags der Löhne der von ihnen beschäftigten Arbeitnehmer berechnet werden, so dass der Wanderarbeitnehmer in gleicher Weise wie ein inländischer Arbeitnehmer an der Festsetzung der Höhe der von seinem Arbeitgeber gezahlten Beträge beteiligt ist, ohne dass es auf den Wohnort der Kinder der Arbeitnehmer ankommt. Gleiches gilt für den Familienbonus Plus und die anderen Absetzbeträge, die dem Anpassungsmechanismus unterliegen, da diese steuerlichen Vergünstigungen aus der Steuer auf die Einkommen der Arbeitnehmer finanziert werden, ohne danach zu unterscheiden, ob ihr Kind in Österreich wohnt oder nicht.
111 Unter diesen Umständen ist, wie der Generalanwalt in Nr. 146 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, davon auszugehen, dass die durch den Anpassungsmechanismus eingeführte unterschiedliche Behandlung je nach dem Wohnort des Kindes des betreffenden Arbeitnehmers weder geeignet noch erforderlich ist, um die Unterhaltsfunktion sowie die Ausgewogenheit des Sozialsystems zu gewährleisten.
112 Die zweite Rüge der Kommission ist daher ebenfalls begründet."

Verdrängungswirkung des Unionsrechts:

Unter Verweis auf das diesem Erkenntnis vorangegangene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7102376/2021, sind der ständigen Rechtsprechung des EuGH folgend, die Wirkungen des Grundsatzes des Vorrangs des Unionsrechts für alle Einrichtungen eines Mitgliedstaats verbindlich, ohne dass dem insbesondere die innerstaatlichen Bestimmungen, auch wenn sie - was im konkreten Fall nicht der Fall ist - Verfassungsrang haben, entgegenstehen könnten (vgl. , Internationale Handelsgesellschaft, EU:C:1970:114, Rn. 3; , C-379/19, C-547/19, C-811/19 und C-840/19, Euro Box Promotion u. a., EU:C:2021:1034, Rn 251; , RS, EU:C:2022:99, Rn. 50).

Der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts besagt, dass das Unionsrecht dem Recht der Mitgliedstaaten vorgeht. Dieser Grundsatz verpflichtet daher alle mitgliedstaatlichen Stellen, den verschiedenen Bestimmungen des Unionsrechts volle Wirksamkeit zu verschaffen, wobei das Recht der Mitgliedstaaten die diesen Bestimmungen zuerkannte Wirkung im Hoheitsgebiet dieser Staaten nicht beeinträchtigen darf. Nach diesem Grundsatz ist ein nationales Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Unionsrechts anzuwenden hat und nationale Rechtsvorschriften nicht im Einklang mit den Anforderungen des Unionsrechts auslegen kann, verpflichtet, für die volle Wirksamkeit dieser Bestimmungen Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede - auch spätere - entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (vgl. , Costa, 6/64, EU:C:1964:66, S. 1270 und 1271; , C-624/18 und C-625/18, A. K. u. a., EU:C:2019:982, Rn. 157, 158 und 160; , C-512/18 und C-520/18, La Quadrature du Net u. a., EU:C:2020:791, Rn. 214 und 215; , G. D., EU:C:2022:258, Rn. 118).

Die Entscheidungen des EuGH binden alle Gerichte der Mitgliedstaaten auch für andere Fälle; sie schaffen objektives Recht (vgl. u. v. a.). Alle Gerichte der Mitgliedstaaten haben im Rahmen ihrer Zuständigkeit das Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden und für die volle Wirksamkeit der unionsrechtlichen Normen Sorge zu tragen, indem sie erforderlichenfalls jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lassen (vgl. u. a.).

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union wird durch die Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts, die der Gerichtshof vornimmt, erläutert und verdeutlicht, in welchem Sinne und mit welcher Tragweite diese Vorschrift seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre. Daraus folgt, dass die Gerichte die Vorschrift in dieser Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse, die nach Inkrafttreten dieser Vorschrift und vor Erlass des auf das Ersuchen um Auslegung ergangenen Urteils entstanden sind, anwenden können und müssen, wenn alle sonstigen Voraussetzungen für die Anrufung der zuständigen Gerichte in einem die Anwendung dieser Vorschrift betreffenden Streit vorliegen (vgl. , TE, EU:C:2019:665, Rn. 53; , Hein, EU:C:2018:1018, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Nur der Gerichtshof kann in Ausnahmefällen und aus zwingenden Erwägungen der Rechtssicherheit eine vorübergehende Aussetzung der Verdrängungswirkung herbeiführen, die eine unionsrechtliche Vorschrift gegenüber mit ihr unvereinbarem nationalem Recht ausübt (vgl. , G. D., EU:C:2022:258, Rn. 119). Eine solche zeitliche Beschränkung der Wirkungen einer Auslegung des Unionsrechts durch den Gerichtshof ist im nicht erfolgt.

Nationales Recht, das in einer konkreten Konstellation im Widerspruch zu unmittelbar anwendbarem Unionsrecht steht, wird für diese Konstellation verdrängt. Nationales Recht bleibt insoweit unangewendet, als ein Verstoß gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht gegeben ist. Steht der Anwendung einer nationalen Norm der Anwendungsvorrang unmittelbar anwendbaren Unionsrechts entgegen, wäre die Anwendung der nationalen Norm einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung gleichzuhalten, die mit den Vorgaben des gleichheitsrechtlichen Willkürverbotes nicht zu vereinbaren ist (vgl. ). Die Verdrängungswirkung des Unionsrechts hat zur Folge, dass die nationale gesetzliche Regelung in jener Gestalt anwendbar bleibt, in der sie nicht mehr im Widerspruch zum Unionsrecht steht.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofs erreicht die Verdrängung des nationalen Rechts "bloß jenes Ausmaß, das gerade noch hinreicht, um einen unionsrechtskonformen Zustand herbeizuführen" (vgl. ; ; ).

Lässt das Unionsrecht für eine bestimmte Konstellation mehrere Lösungen zu, ist es Aufgabe des Gesetzgebers, innerhalb des vom Unionsrecht vorgegebenen Rahmens eine nationale Regelung zu normieren. Solange der Gesetzgeber diese Entscheidung nicht getroffen hat, und soweit dem Unionsrecht unmittelbare Anwendbarkeit zukommt, muss der Rechtsanwender eine "bereinigte Rechtslage" zur Anwendung bringen. Bestehen mehrere gleichwertige unionsrechtskonforme Lösungen, hat nach dieser Rechtsprechung der Rechtsanwender nicht ein freies Wahlrecht, sondern hat nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs jene Lösung zur Anwendung zu bringen, mit welcher materiell am wenigsten in das nationale Recht eingegriffen wird. Soweit als möglich ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die normative Anordnung des nationalen Gesetzgebers aufrechtzuerhalten (vgl. ; ; ).

Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor. Der EuGH hat in seinem Urteil eindeutig ausgesprochen, dass die Indexierung des Familienbonus Plus, des Alleinverdienerabsetzbetrags, des Alleinerzieherabsetzbetrags und des Unterhaltsabsetzbetrags nach der Kaufkraft in den einzelnen Mitgliedstaaten bzw. Vertragsstaaten Wanderarbeitnehmer stärker als österreichische Staatsbürger betreffe. Die Indexierung stelle daher eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar, die nur zulässig sei, wenn sie objektiv gerechtfertigt ist, was aber nicht der Fall sei.

Die in § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 normierte Indexierung für den Alleinverdienerabsetzbetrag und den Kindermehrbetrag für die Kinder gem. § 106 Abs. 1 EStG 1988 des Beschwerdeführers wird somit infolge der Verdrängungswirkung des Unionsrechtes nicht angewendet. Der Beschwerdeführer ist nichtselbständig erwerbstätig. Er wohnt mit seiner Ehegattin und mit seinen zwei Kindern ständig in einem anderen Mitgliedstaat.

Nichtanwendung von § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988:

Die einzige unionsrechtskonforme Lösung der hier anhängigen Rechtssache kann nur darin bestehen, gemäß dem die Bestimmung des § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 infolge Verdrängung durch das Unionsrecht nicht anzuwenden.

Der Alleinverdienerabsetzbetrag steht dem Beschwerdeführer gem. § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 iVm. § 1 Abs. 4 EStG 1988, für zwei Kinder gem. § 106 Abs. 1 EStG 1988 unstrittig zu. Gemäß § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 beträgt der Alleinverdienerabsetzbetrag bei zwei Kindern EUR 669,-.

Gemäß § 33 Abs. 4 Z 4 EStG 1988 iVm. § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 und § 3 Abs. 3 Familienbonus Plus-Absetzbeträge-EU-Anpassungsverordnung beträgt der Alleinverdienerabsetzbetrag bei zwei Kindern, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat aufhalten, EUR 414,12. Diesen Betrag hat die belangte Behörde jeweils in den angefochtenen Bescheiden festgesetzt.

Aufgrund der Verdrängungswirkung des Unionsrechts ist somit die von der belangten Behörde angewendete Indexierung gemäß § 33 Abs. 4 Z 4 EStG 1988 iVm. § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 und § 3 Abs. 3 Familienbonus Plus-Absetzbeträge-EU-Anpassungsverordnung nicht anwendbar. Aus diesem Grund ist der Alleinverdienerabsetzbetrag wie bei zwei Kindern, die den Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, mit EUR 669,- pro Veranlagungszeitraum festzusetzen.

Betreffend des Kindermehrbetrages ist festzustellen, dass wenn sich eine Tarifsteuer (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) von weniger als EUR 250 ergibt und der Alleinverdienerabsetzbetrag zusteht, bei Vorhandensein von zwei Kindern gem. § 106 Abs. 1 EStG 1988 die Differenz zwischen EUR 250,- und der Tarifsteuer als Kindermehrbetrag pro Kind zu erstatten ist, außer es wurden für mindestens 330 Tage im Kalenderjahr steuerfreie Leistungen gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a, lit. c EStG 1988 oder Leistungen aus der Grundversorgung oder Mindestsicherung bezogen. Im konkreten Fall ergibt die Tarifsteuer des Beschwerdeführers jeweils EUR 0,-.

Die belangte Behörde hat unter Anwendung der Indexierung einen Kindermehrbetrag für beide Kinder iHv. EUR 309,50 pro Veranlagungszeitraum gewährt. Aufgrund der Verdrängungswirkung des Unionsrechts ist somit die Gewährung des Kindermehrbetrages gemäß § 33 Abs. 4 Z 4 EStG 1988 iVm. § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 und § 3 Abs. 3 Familienbonus Plus-Absetzbeträge-EU-Anpassungsverordnung der Kindermehrbetrag ohne Anwendung der Indexierung nach der Kaufkraft des anderen Mitgliedstaates vorzunehmen. Hiermit ist der Kindermehrbetrag für beide Kinder des Beschwerdeführers iHv. EUR 500,- pro Veranlagungszeitraum im Beschwerdezeitraum festzusetzen.

Betreffend den Unterhaltsabsetzbetrag ist der Rechtsmeinung der belangten Behörde zu folgen, dass dieser im Beschwerdezeitraum dem Grunde nach nicht zusteht, da die betreffenden Kinder als dem Beschwerdeführer haushaltszugehörig anzusehen sind. Zu dieser Rechtsfrage hat das BFG bereits wie folgt entschieden: "Tatbestandsvoraussetzung für die Gewährung eines Unterhaltsabsetzbetrages gemäß § 33 Abs 4 Z 3 EStG 1988 ist u.a., dass ein Steuerpflichtiger für ein Kind den gesetzlichen Unterhalt leistet unter Zutreffen von weiteren angeführten Voraussetzungen (Leistung für ein nicht dem Haushalt des Steuerpflichtigen zugehöriges Kind oder für ein Kind, für welches weder dem Leistenden noch dem jeweils nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe-)Partner Familienbeihilfe gewährt wird)." () Da diese gesetzlichen Voraussetzungen im konkreten Fall schon dem Grunde nach nicht vorliegen, steht ein Unterhaltsabsetzbetrag für die beiden Kinder des Beschwerdeführers nicht zu.

Aus den oben genannten Gründen ist spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die ordentliche Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die Rechtsfrage, ob ein Anpassungsmechanismus in Form der Indexierung nach der Kaufkraft in den einzelnen Mitgliedsstaaten in Bezug auf die Familienbeihilfe und auf bestimmte Familienleistungen mit dem Unionsrecht vereinbar ist, eindeutig ablehnend beantwortet. Aus diesem Grund ergibt sich als unionsrechtskonforme Lösung die Gewährung des errechneten Unterschiedsbetrages ohne Anwendung einer Indexierung in Bezug auf Kaufkraftunterschiede in den einzelnen Mitgliedstaaten. Es liegt daher aufgrund dieser Judikatur keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 4 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 68 Abs. 2 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 3 Abs. 1 VO 1408/71, ABl. Nr. L 149 vom S. 2
§ 33 Abs. 4 Z 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 45 AEUV, ABl. Nr. C 83 vom S. 47
Art. 1 Buchstabe z VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
§ 33 Abs. 8 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 1 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 67 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 7 Abs. 2 VO 492/2011, ABl. Nr. L 141 vom S. 1
§ 33 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 33 Abs. 7 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 3 Abs. 3 Familienbonus Plus-Absetzbeträge-EU-Anpassungsverordnung, BGBl. II Nr. 257/2018
Verweise

















Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100170.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at