Wiederaufnahme Umsatzsteuer
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***5***, ***4***, und ***7***, ***6***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des ***FA*** (nunmehr Finanzamt Österreich), jeweils vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO hinsichtlich Umsatzsteuer 2012, Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO hinsichtlich Umsatzsteuer 2013 und Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO hinsichtlich Umsatzsteuer 2014 zur Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Bei der Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf.) handelt es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Adressatin der angefochtenen Bescheide ist, die ebenfalls eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung war.
Im Jahr 2016 kam es bei der Bf. zu einer abgabenrechtlichen Außenprüfung, unter anderem betreffend die Umsatzsteuer der Jahre 2012 bis 2014.
Der Bericht über das Ergebnis dieser Außenprüfung vom enthält diverse, die Umsatzsteuer der Jahre 2012 bis 2014 betreffende, Feststellungen.
Insgesamt kam es im Jahr 2012 zu einer Erhöhung der Bemessungsgrundlage der normalsteuersatzpflichtigen Umsätze im Ausmaß von 1.159 Euro und einer Minderung der Vorsteuern von 40.269,62 Euro. Im Jahr 2013 erhöhte sich die Bemessungsgrundlage um 11.560,17 Euro und wurden Vorsteuern in Höhe von 10.787,25 Euro nicht anerkannt. Im Jahr 2014 betrug die Vorsteuerkürzung 3.174,94 Euro.
Folgende Positionen werden im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung im Zusammenhang mit den geschilderten steuerlichen Änderungen seitens der belangten Behörde angeführt:
Tz 3: In durch die Firma ***1*** übermittelten Rechnungen sei keine Vorsteuer ausgewiesen. Dies führe zu einer Kürzung der Vorsteuern im Jahr 2012 in Höhe von 17.383,09 Euro und 2013 von 1.881,43 Euro.
Tz 4: Aus Rechnungen des Kleinunternehmers ***8*** sei der Vorsteuerabzug geltend gemacht worden. Diese Beträge würden im Jahr 2013 insgesamt 1.340,01 Euro und anno 2014 1.116,66 Euro ausmachen.
Tz 5: Belege iZm Verrechnungskonten für die Jahre 2012 und 2013 seien trotz mehrmaliger Anforderung mit dem Hinweis, diese seien anlässlich der Umsatzsteuerprüfung 10/2011 bis 05/2014 geprüft worden, nicht vorgelegt worden. Es erfolge daher eine Vorsteuerkürzung in Höhe von 17.911,55 Euro (2012) sowie 4.200 Euro (2013).
Tz 6: Auf dem Konto 7300 seien Rechnungen der Firma ***2*** doppelt verbucht worden. Es erfolge eine Verminderung der Vorsteuern im Jahr 2014 in Höhe von 231,80 Euro.
Tz 7a: Die mit abgeschriebene Forderung in Höhe von 1.159 Euro sei tatsächlich zustande gekommen. Sie sei fälschlich als Zinserlös 0% gebucht worden. Um diesen Betrag erhöhe sich die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer.
Tz 7b: Eine Forderungsabschreibung in Höhe von 11.560,17 Euro betreffend die ***3*** sei für die Betriebsprüfung nicht nachvollziehbar. Diese werde der Umsatzsteuerbemessungsgrundlage 2013 hinzugerechnet.
Tz 10: Sämtliche Dieselrechnungen, die im Zusammenhang mit dem PKW VW Polo angefallen seien, wären auf dem Konto "LKW" mit Vorsteuerabzug verbucht worden. Im Schätzungswege werde pro Jahr (2012 bis 2014) ein Betrag von 155 Euro nicht anerkannt.
Tz 11: In den Streitjahren 2012 bis 2014 seien im Zusammenhang mit Instandhaltungen für PKW fälschlich Vorsteuerbeträge abgezogen worden, und zwar im Jahr 2012 225,30 Euro, 2013 365,04 Euro und 2014 56,44 Euro.
Die belangte Behörde erließ in der Folge, jeweils am , zugestellt am , die angefochtenen Wiederaufnahmebescheide für die Verfahren betreffend die Umsatzsteuer der Jahre 2012 bis 2014.
Als Begründung dieser Bescheide wird jeweils ausgeführt: "Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gem. § 303 (1) BAO aufgrund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind. Daraus ist auch die Begründung für die Abweichungen vom bisherigen im Spruch bezeichneten Bescheid zu ersehen. Die Wiederaufnahme wurde unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse an der Rechtsrichtigkeit das Interesse auf Rechtsbeständigkeit. Die steuerlichen Auswirkungen können auch nicht als bloß geringfügig angesehen werden."
Die in den angefochtenen Bescheiden genannte Niederschrift bzw. der Prüfungsbericht wurden der Bf. am zugestellt.
Mit Schreiben vom brachte die Bf. Beschwerde gegen die im Spruch genannten Wiederaufnahmsbescheide Umsatzsteuer 2012 bis 2014 ein. Darin bringt sie im Wesentlichen vor, mit Bescheid über einen Prüfungsauftrag vom sei eine Außenprüfung unter anderem betreffend die Umsatzsteuer 2012 bis 2014 angeordnet worden. Im Beiblatt zum Prüfungsauftrag sei die Unterfertigung der Kenntnisnahme des Prüfungsauftrages durch den Geschäftsführer der Bf. am mit dem Hinweis, dass keine Zustimmung zur Durchführung der Außenprüfung für die Zeiträume 10/2011 bis 4/2014 gemäß § 148 Abs. 3 BAO erteilt werde, erfolgt.
In einer schriftlichen Eingabe des steuerlichen Vertreters der Bf. vom sei darauf hingewiesen worden, dass der betreffende Zeitraum schon einmal einer intensiven Prüfung unterzogen worden und die Bestimmung des § 148 Abs. 3 BAO zu beachten sei.
Die in der BAO festgesetzten Normen würden ihre Wirkung nicht nur gegenüber dem Abgabepflichtigen, sondern auch gegenüber der vollziehenden Behörde entfalten. Das Erlassen eines Bescheides über einen Prüfungsauftrag für einen Zeitraum, für den eine Außenprüfung bereits vorgenommen worden sei, ohne Zustimmung des Abgabepflichtigen sei gesetzwidrig. Trotzdem vorgenomme Prüfungshandlungen würden einer gesetzlichen Grundlage entbehren und könnten nicht Anlass für Bescheid begründende Feststellungen sein. Es widerspreche jeder Form der Rechtssicherheit, wenn einmal geprüfte Abgaben durch neuerliche Prüfung Änderungen erführen. Die angefochtenen Bescheide könnten unter diesem Blickwinkel keine Rechtswirkung entfalten.
Abschließend wurde eine mündliche Verhandlung und die Entscheidung durch den Senat des Verwaltungsgerichts beantragt.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Aufgrund der betraglichen Auswirkungen auf die Umsatzsteuer 2012 bis 2014 seien die steuerlichen Auswirkungen der Wiederaufnahme der Verfahren Umsatzsteuer 2012, 2013 und 2014 keineswegs als geringfügig anzusehen, weswegen, dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit Vorrang vor der Rechtsbeständigkeit folgend, die Wiederaufnahme zu verfügen gewesen sei.
Die angefochtenen Wiederaufnahmebescheide seien jeweils mit einem Hinweis auf die Feststellungen der bereits angeführten Außenprüfung sowie der darüber aufgenommenen Niederschrift beziehungsweise den Prüfungsbericht begründet gewesen. Diese Form des Verweises auf den Prüfungsbericht sei nach ständiger Rechtsprechung des VwGH zulässig (vgl. zB ).
Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO könne ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorkämen. Solche, näher angeführte Tatsachen lägen vor.
In der Beschwerde werde gegen die verfügte Wiederaufnahme vorgebracht, dass der betreffende Zeitraum schon einmal einer intensiven Prüfung unterzogen worden sei und daher das Wiederholungsverbot des § 148 Abs. 3 BAO der Wiederaufnahme entgegenstünde.
Hierzu sei festzuhalten, dass bei der Bf. vor der Außenprüfung, die zu den angefochtenen Wiederaufnahmen geführt habe eine Außenprüfung gemäß § 147 Abs. 1 BAO durchgeführt worden sei. Diese habe aber ausschließlich das Jahr 2011 betroffen. Für den Zeitraum Oktober 2011 bis Mai 2014 sei hingegen lediglich eine Nachschau gemäß § 144 BAO vorgenommen worden. Eine Nachschau bilde aber kein Hindernis für eine spätere Außenprüfung gemäß § 147 Abs. 1 BAO (auch) über den Nachschauzeitraum (vgl. zB ).
Mit Schreiben vom begehrte die Bf. die Vorlage der Bescheidbeschwerde zur Entscheidung an das Verwaltungsgericht. Zusätzliche inhaltliche Vorbringen wurden dabei nicht getätigt.
Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Bescheidbeschwerde dem Verwaltungsgericht vor.
Mit Schreiben vom zog die Bf. ihre Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie auf Entscheidung durch den Senat zurück.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Bei der Bf. fand über das Jahr 2011 eine abgabenrechtliche Außenprüfung sowie über den Zeitraum Oktober 2011 bis Mai 2014 eine Nachschau unter anderem hinsichtlich der Umsatzsteuer statt.
In weiterer Folge fand der Bf. über die Jahre 2012 bis 2014 eine abgabenrechtliche Außenprüfung unter anderem hinsichtlich der Umsatzsteuer statt. Im Zuge dieser Außenprüfung wurden, neben weiteren, auch folgende Feststellungen zur Umsatzsteuer der Bf. im Zeitraum 2012 bis 2014 getroffen.
Die Bf. hat im Zusammenhang mit PKW folgende Vorsteuern geltend gemacht:
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Jahr | 2012 | 2013 | 2014 |
Betrag | 380,30 | 520,04 | 211,44 |
Der Abzug dieser Beträge als Vorsteuer ist gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 ausgeschlossen. Der belangten Behörde waren diese Umstände bei Erlassen der Erstbescheide Umsatzsteuer 2012 bis 2014 nicht bekannt.
Die Bf. hat im Jahr 2012 einen Umsatz in Höhe von 1.159 Euro nicht der Umsatzbesteuerung unterzogen. Daraus resultiert eine nicht abgeführte Umsatzsteuer von 231,8 Euro. Der belangten Behörde waren diese Umstände bei Erlassen des Erstbescheides Umsatzsteuer 2012 nicht bekannt.
Die Bf. machte im Jahr 2014 aus Rechnungen der Firma ***2*** doppelt Vorsteuer (insgesamt zweimal 231,80 Euro) geltend. Der belangten Behörde waren diese Umstände bei Erlassen des Erstbescheides Umsatzsteuer 2014 nicht bekannt.
Die Bf. hat aus Rechnungen eines Kleinunternehmers den Vorsteuerabzug im Jahr 2013 in Höhe von insgesamt 1.340,01 Euro und 2014 von 1.116,66 Euro geltend gemacht. Ein Vorsteuerabzug für eine Steuer, die nur aufgrund der Rechnung geschuldet wird ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs und des EuGH ausgeschlossen (vgl. z.B. mwN, , 2009/13/0195 mwN). Der belangten Behörde waren diese Umstände bei Erlassen der Erstbescheide Umsatzsteuer 2013 bis 2014 nicht bekannt.
Allein aus diesen Positionen ergeben sich Umsatzsteuerdifferenzen zu den durch die angefochtenen Bescheide wiederaufgenommen Verfahren für 2012 in Höhe von 1.860,05 Euro, für 2013 von 520,04 Euro und 2014 von 1.559,09 Euro.
Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Unterlagen, insbesondere aus dem zitierten Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom und dem dazugehörigen Arbeitsbogen sowie der Einsichtnahme in den elektronischen Veranlagungsakt der Bf. Dem widersprechende, belastbare Unterlagen oder Nachweise legte die Bf. im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht vor.
Das Verwaltungsgericht folgt daher den glaubwürdigen Ausführungen der belangten Behörde, die durch genannten Dokumente der Betriebsprüfung gestützt werden.
Dass es im Streitzeitraum 2012 bis 2014 nicht zu einer zweiten Außenprüfung gekommen ist, sondern lediglich für Zeitraum Oktober 2011 bis Mai 2014 eine Nachschau durchgeführt worden ist, kann dem Bericht über die Außenprüfung des Jahres 2011 vom entnommen werden und spiegelt sich auch in den dortigen Feststellungen wider, die im Vergleich zur späteren, hier verfahrensgegenständlichen Außenprüfung, unterschiedliche Bereiche betreffen.
Die Zustellung der angefochtenen Bescheide und der zusätzlichen Begründung ist den entsprechenden Rückscheinen zu entnehmen.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde ist anzumerken, dass gemäß § 245 Abs. 1 BAO die Beschwerdefrist einen Monat beträgt. Enthält ein Bescheid die Ankündigung, dass noch eine Begründung zum Bescheid ergehen wird, so wird die Beschwerdefrist nicht vor Bekanntgabe der fehlenden Begründung oder der Mitteilung, dass die Ankündigung als gegenstandslos zu betrachten ist, in Lauf gesetzt. Dies gilt sinngemäß, wenn ein Bescheid auf einen Bericht verweist. Die angefochtenen Bescheide enthalten einen Verweis auf einen Bericht, welcher am zugestellt worden ist. Die Einbringung der Beschwerde am erfolgte sohin fristwahrend.
Die Bf. begründet ihre Beschwerde damit, dass das Erlassen eines Bescheides über einen Prüfungsauftrag für einen Zeitraum, für den eine Außenprüfung bereits vorgenommen worden ist, ohne Zustimmung des Abgabepflichtigen gesetzwidrig sei. Dennoch vorgenommene Prüfungshandlungen würden einer gesetzlichen Grundlage entbehren und könnten nicht Anlass für Bescheid begründende Feststellungen sein.
Dem ist schon dem Grunde nach entgegenzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Verletzung des Verbotes einer Wiederholungsprüfung an sich sanktionslos ist (siehe z.B. ).
Tatsächlich konnte jedoch festgestellt werden, dass für den Streitzeitraum eine Wiederholungsprüfung nicht gegeben ist, weil zuvor für Zeitraum Oktober 2011 bis Mai 2014 lediglich eine Nachschau, nicht aber eine Außenprüfung durchgeführt worden ist.
Eine Nachschau gemäß § 144 BAO stellt nur eine beaufsichtigende Maßnahme zum Zwecke der äußeren Kontrolle dar. Aus dem Ergebnis einer derartigen Kontrollmaßnahme ergibt sich insbesondere kein Hindernis für eine Buch- und Betriebsprüfung gemäß §§ 147 ff BAO (). Somit kann die Bf. den angefochtenen Bescheiden unter diesem Gesichtspunkt nicht wirksam entgegentreten.
Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Zweck der Wiederaufnahme nach § 303 Abs. 1 lit. b BAO ist die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen (vgl. ). Gemeint sind Tatsachen, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung "im abgeschlossenen Verfahren" bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind (vgl. ).
Tatsachen im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung allein oder iVm dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens zu einem anderen Ergebnis als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften ( mVa ).
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln nur aus der Sicht der jeweiligen Verfahren derart zu beurteilen ist, dass es darauf ankommt, ob der Abgabenbehörde im wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können. Dabei ist das Hervorkommen neuer Tatsachen oder Beweismittel aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens und nicht aus anderen Verfahren, bei denen diese Tatsachen möglicherweise erkennbar waren, zu beurteilen. Das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln im Sinne des § 303 BAO bezieht sich damit auf den Wissensstand (auf Grund der Abgabenerklärungen und ihrer Beilagen) des jeweiligen Veranlagungsjahres. Entscheidend ist, ob der abgabenfestsetzenden Stelle alle rechtserheblichen Sachverhaltselemente bekannt waren ( mVa ; , 2008/15/0049; , 2011/15/0106; , Ro 2014/13/0034, jeweils mwN).
Nach dem festgestellten Sachverhalt sind diverse Tatsachen im Zuge der abgabenrechtlichen Prüfung der Bf. hervorgekommen, die nach dem Wissensstand der jeweiligen Veranlagungsjahre (Umsatzsteuer 2012, 2013 und 2014) als neu für die belangte Behörde anzusehen sind. Die Wiederaufnahme der betreffenden Verfahren erweist sich demnach als dem Grunde nach zulässig.
Gemäß § 20 BAO sind Ermessensentscheidungen innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dabei ist dem Begriff "Billigkeit" die Bedeutung von Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei und dem Begriff "Zweckmäßigkeit" das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einhebung der Abgaben, beizumessen. Eine derartige Interessensabwägung verbietet bei Geringfügigkeit der neu hervorgekommenen Tatsachen in der Regel den Gebrauch der Wiederaufnahmemöglichkeit. Die Geringfügigkeit ist dabei an Hand der steuerlichen Auswirkungen der konkreten Wiederaufnahmegründe und nicht auf Grund der steuerlichen Gesamtauswirkungen zu beurteilen, die infolge Änderungen auf Grund anderer rechtlicher Beurteilungen im Sachbescheid vorzunehmen wären. Nur im Falle der Geringfügigkeit neu hervorgekommener Tatsachen hat die Behörde Verhältnismäßigkeitsüberlegungen - insbesondere auch in Bezug auf das Ergebnis der neuen Sachentscheidung - in ihre Ermessensentscheidung einzubeziehen. Bei Ausübung des Ermessens sind alle im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme in Betracht kommenden Umstände zu berücksichtigen ( mwN).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () eine steuerliche Auswirkung der konkreten Wiederaufnahmegründe in Höhe von 746 Euro ist nicht mehr als (absolut) geringfügig anzusehen. Im gegenständlichen Streitfall gehen die steuerlichen Auswirkungen der wiederaufgenommenen Verfahren nach dem festgestellten Sachverhalt in jedem einzelnen Streitjahr (Umsatzsteuer 2012, 2013 und 2014) zum Teil deutlich über diesen Betrag hinaus.
Im Sinne der genannten Rechtsprechung steht daher die Ermessensübung, wonach die Verfahren Umsatzsteuer 2012, 2013 und 2014 gemäß § 303 Abs. 1 BAO wiederaufzunehmen sind, mit dem Gesetz in Einklang. Die Beschwerde ist daher spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das gegenständliche Erkenntnis folgt der zitierten reichhaltigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt damit nicht vor. Eine Revision gegen dieses Erkenntnis ist unzulässig.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.5101315.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at