Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.05.2022, RV/6100126/2022

keine Haushaltszugehörigkeit im Rückforderungszeitraum

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinIBV in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Hellmut Peter Prankl, Erzabt-Klotz-Straße 12 Tür 2, 5020 Salzburg, über die Beschwerde vom gegen den Rückforderungsbescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für die Monate Mai 2021 bis September 2021 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Am erging an die Beschwerdeführerin (kurz: Bf) ein Rückforderungsbescheid betreffend Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für die Tochter T (kurz: To) für die Monate Mai 2021 bis September 2021 unter Hinweis auf § 26 Abs 1 FLAG 1967 und § 33 Abs 3 EStG 1988 sowie auf § 2 Abs 2 FLAG 1967.

Gleichzeitig erfolgte eine Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe für die Monate Jänner 2014 bis April 2021.

Mit Schriftsatz vom brachte die Bf Beschwerde samt fünf Beilagen ein und begründete diese wie folgt:
Die beigelegten Bestätigungen würden zeigen, dass sie die Summe regelmäßig an die Tochter weitergeleitet habe und somit diese Summe unverzüglich seiner Bestimmung zugekommen sei. Da ein offenes Verfahren bezüglich alleinigem Sorgerecht des Kindesvaters beim Bezirksgericht Oberndorf laufe, sei diese Vorgehensweise befürwortet worden und auch dort im Gerichts-Protokoll so vermerkt. Der Bf sei wichtig gewesen, dass To bei ihrem Vater soweit unabhängig und finanziell abgesichert sei. Sie hoffe sehr, dass To ab Oktober 2021 endlich direkt die Familienbeihilfe erhalte und sie ihr nicht mehr regelmäßig die Summe zukommen lassen müsse.

Die Beschwerde wurde vom Finanzamt (kurz: FA) mit Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen und dazu begründend Folgendes ausgeführt:
Die Tochter To sei offensichtlich seit nicht mehr im Haushalt der Bf wohnhaft. Die Familienbeihilfe sei aber an die Bf ausgezahlt worden. Da die Bf bis zu diesem Zeitpunkt Anspruchsberechtigte gewesen sei, sei sie auch für etwaige Rückforderungen bis September 2021 haftbar. Somit werde die Familienbeihilfe von der Bf zurückgefordert. Die Tochter sei noch nicht volljährig.

Mit Schriftsatz vom beantragte die Bf durch ihren nunmehr beigezogenen rechtsfreundlichen Vertreter die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (kurz: BFG).

Das FA legte dem BFG mit Bericht vom die Beschwerde zur Entscheidung vor. In der Darstellung des Sachverhaltes hielt das FA fest, dass To mit zu ihrem Vater übersiedelt sei und somit eine Haushaltszugehörigkeit mit der Bf nicht mehr gegeben gewesen sei.

Mit Vorhalt des erfolgte nach Rechtsausführungen zur Haushaltszugehörigkeit des Kindes als Anspruchsvoraussetzung für die Familienbeihilfe die Darstellung der Ergebnisse der Abfrage im Zentralen Melderegister und des aus der Abfrage im Zentralen Melderegister und der weiteren Aktenlage gezogenen Schlusses, wonach die Tochter To während der Monate Mai 2021 bis einschließlich September 2021 in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft mit ihrem Vater gelebt und dementsprechend dem Haushalt des Vaters angehört und der Bf daher nicht Familienbeihilfe zugestanden habe. Zugleich wurde die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt.

Dieser Vorhalt blieb unbeantwortet.

Dazu wird erwogen:

1. Gesetzliche Grundlagen

Nach § 2 Abs 1 lit a FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.

Anspruch auf Familienbeihilfe für ein in Abs 1 genanntes Kind hat gemäß § 2 Abs 2 FLAG 1967 die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind gemäß § 2 Abs 5 FLAG 1967 dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn
a) sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält,
b) das Kind für Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt,
c) sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, wenn die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind beiträgt; handelt es sich um ein erheblich behindertes Kind, erhöht sich dieser Betrag um den Erhöhungsbetrag für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs 4).

Für ein Kind wird Familienbeihilfe gemäß § 7 FLAG 1967 nur einer Person gewährt.

Die Familienbeihilfe beträgt gemäß § 8 Abs 2 Z 3 lit c FLAG 1967 monatlich 141,50 Euro für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 10. Lebensjahr vollendet.

Die Familienbeihilfe wird gemäß § 10 Abs 2 FLAG 1967 vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Für einen Monat gebührt Familienbeihilfe gemäß § 10 Abs 4 FLAG 1967 nur einmal.

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat gemäß § 26 Abs 1 FLAG 1967 die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Steuerpflichtige, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht gemäß § 33 Abs 3 EStG 1988 ein Kinderabsetzbetrag von 58,40 Euro zu (Satz eins). Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden (letzter Satz).

Gemäß § 167 Abs 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzusehen ist oder nicht.

2. Sachverhalt und Beweiswürdigung

To, die Tochter der Bf und des KV, kam am 11/04 zur Welt und wird am 11/22 das 18. Lebensjahr vollenden. Während des Streitzeitraumes war sie noch minderjährig.

Die Bf hat ihren Hauptwohnsitz seit in der Adr1. Der Hauptwohnsitz der Tochter To befand sich bis ebenfalls an dieser Adresse. Seit wohnt sie in der Adr2. Der Hauptwohnsitz des Vaters von To, KV, befindet sich seit in der Adr2. In den Monaten Mai 2021 bis September 2021 bestand eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen To und ihrem Vater KV.

Bis September 2021 zahlte das Finanzamt an die Bf Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge für To aus.

Die Bf überwies während des Streitzeitraumes monatlich 200,00 Euro an ihre Tochter To. Als Zahlungsreferenz wurde jeweils "Kinderbeihilfe" angeführt.

Diese Sachverhaltsfeststellungen basieren auf den dem BFG vorgelegten Aktenteilen, einer Abfrage in der Familienbeihilfendatenbank und im Zentralen Melderegister und sind insoweit unbedenklich.

Die Tatsache, dass To im April 2021 zu ihrem Vater übersiedelte und im Streitzeitraum im Haushalt des Kindesvaters und nicht in dem der Bf lebte, lässt sich aus den Eintragungen im Zentralen Melderegister ableiten. Die Ausführungen in der Beschwerdeschrift: "mir war wichtig, dass To bei ihrem Vater soweit unabhängig und finanziell abgesichert ist" verbunden mit der Tatsache, dass die Bf ab Mai 2021 die Familienbeihilfe an To überwies, sprechen ebenfalls dafür, dass To im April 2021 zu ihrem Vater übersiedelte und während des Streitzeitraumes beim Kindesvaters und nicht bei der Bf wohnte und dass der Kindesvater die laufenden Ausgaben im Rahmen einer einheitlichen Wirtschaftsführung tätigte. Die in freier Beweiswürdigung vom BFG getroffene und mit Vorhalt vom der Bf mitgeteilte Feststellung, wonach während des Streitzeitraumes eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen KV, dem Kindesvater, und To als Tochter bestand, blieb auch von Seiten der Bf unwidersprochen.

3. rechtliche Beurteilung

Einleitend ist festzuhalten, dass die Frage, ob für einen bestimmten Anspruchszeitraum Familienbeihilfe zusteht, anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten ist. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum ist der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruches für ein Kind kann somit von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein. (Vgl ).

Der Anspruch einer Person auf Familienbeihilfe setzt nach § 2 Abs 2 erster Satz FLAG 1967 grundsätzlich die Haushaltszugehörigkeit des Kindes voraus. (Vgl ).

Wie sich also aus § 2 Abs 2 FLAG 1967 ergibt, knüpft der Anspruch auf Familienbeihilfe primär an die Haushaltszugehörigkeit des Kindes an. Dabei geht das Gesetz erkennbar auch davon aus, dass ein Kind nur einem Haushalt angehören kann. Einerseits wird gemäß § 7 FLAG 1967 für ein Kind nur einer Person Familienbeihilfe gewährt, andererseits gibt es unter dem Gesichtspunkt "Haushaltszugehörigkeit" keine Regelung über eine Reihung von potentiell anspruchsberechtigten Personen, etwa nach der Dauer oder dem Grad der Intensität einer solchen Zugehörigkeit. (Vgl , ).

Die Bedingungen einer Haushaltszugehörigkeit sind in § 2 Abs 5 FLAG 1967 näher umschrieben: demgemäß kommt es ausschließlich auf die einheitliche Wirtschaftsführung mit dem Kind im Rahmen einer Wohngemeinschaft (Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft) an. Die Beantwortung der Frage mit welcher Person ein Kind die Wohnung teilt, hängt ganz wesentlich davon ab, in wessen Wohnung das Kind regelmäßig nächtigt und welche die üblicherweise mit diesen Nächtigungen im Zusammenhang stehenden altersadäquaten Betreuungsmaßnahmen erbringt. Die einheitliche Wirtschaftsführung liegt vor, wenn zum überwiegenden Teil die laufenden Ausgaben für das Kind getragen werden. Eine einheitliche Wirtschaftsführung setzt voraus, dass das Kind im Rahmen der dem Haushalt zur Verfügung stehenden Mittel entsprechend bedacht wird. Dabei kommt es nicht darauf an, von wem die Mittel für die gemeinsame Haushaltsführung stammen. (Vgl Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 2 Rz 140, Durchführungsrichtlinien zum FLAG, Pkt 02.05.2, , ).

Das BFG kommt im Rahmen der freien Beweiswürdigung (Vgl Pkt 2 Sachverhalt und Beweiswürdigung) zu dem Ergebnis, dass während der Monate Mai 2021 bis einschließlich September 2021 eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen Vater und Tochter bestand. To gehörte somit nicht dem Haushalt der Bf, sondern dem Haushalt des Kindesvaters an.

Da die minderjährige Tochter To während des Streitzeitraumes nicht dem Haushalt der Bf, sondern dem Haushalt des Kindesvaters angehörte, steht der Bf die ihr ausbezahlte Familienbeihilfe und der an sie ausbezahlte Kinderabsetzbetrag in den Monaten Mai 2021 bis September 2021 gemäß § 2 Abs 2 FLAG 1967 nicht zu.

Erwähnt sei dazu, dass bei Vorliegen einer Haushaltszugehörigkeit selbst eine überwiegende Kostentragung durch eine andere Person, wie dies beispielsweise bei getrennt lebenden Elternteilen, wobei einem Elternteil die volle Unterhaltspflicht für das Kind (und allenfalls auch den das Kind betreuenden anderen Elternteil) trifft, regelmäßig der Fall ist, nicht zu einem Anspruch auf Familienbeihilfe führt, da das FLAG 1967 den Anspruch auf Familienbeihilfe klar vorrangig an die Haushaltsführung knüpft. (Vgl ).

Zu der von der Bf angesprochenen vereinbarten und beim Bezirksgericht protokollierten Vorgangsweise (vgl Verfahrensgang) wird angemerkt, dass das FLAG generell keine Vereinbarung der Übertragung des Anspruches an einen nicht Anspruchsberechtigen kennt. Für die Beurteilung der Haushaltszugehörigkeit im Sinne des § 2 Abs 2 iVm § 2 Abs 5 FLAG 1967 ist ausschließlich die Tatsache der Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft von Bedeutung ist. Den Tatsachen entgegenstehende zivilrechtliche Vereinbarungen über die Haushaltszugehörigkeit sind im Hinblick auf die zwingenden Bestimmungen des FLAG 1967 insoweit ohne rechtliche Relevanz. (Vgl , , ).

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 und § 33 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich eine objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag zu Unrecht bezogen hat (vgl. zB , ).

Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs der Familienleistungen an, also auf das bloße Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug. (vgl. ; ).

Subjektive Momente, wie beispielsweise Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags oder die (gutgläubige, bestimmungsgemäße) Verwendung bzw der Verbrauch der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. (vgl , , , , , Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 26 Rz 13f).

Es ist dementsprechend auch nicht von Bedeutung, dass im gegenständlichen Fall von der Bf die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge direkt an To weitergeleitet wurden, wobei hinzuzufügen ist, dass To wegen der Zugehörigkeit zum Haushalt ihres Vaters keinen Eigenanspruch auf Familienbeihilfe hat und deshalb die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge nicht dem eigentlichen Anspruchsberechtigten zugekommen sind. (Vgl , , )

Entscheidend ist lediglich, dass die Bf die Beträge zu Unrecht erhalten hat (vgl. , ).

Die objektive Erstattungspflicht hat zur Folge, dass der Behörde, sobald die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag nicht (mehr) gegeben sind, hinsichtlich der Rückforderung von bereits bezogener Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag kein Ermessensspielraum bleibt. Billigkeitsüberlegungen sind daher im Rückforderungsverfahren nach § 26 Abs 1 FLAG 1967 nicht anzustellen. (vgl. , , ).

Der Rückforderungsbescheid vom ist somit vom Finanzamt zu Recht erlassen worden, sodass der Beschwerde kein Erfolg beschieden sein kann.

4. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. (Art 133 Abs 4 B-VG).

Im gegenständlichen Fall liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, da sich bereits aus dem Gesetz ergibt, dass die Familienbeihilfe demjenigen zusteht, bei dem ein Kind haushaltszugehörig ist. Tatfragen sind einer Revision nicht zugänglich.

Salzburg, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at