TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 27.04.2022, RV/7101095/2022

Urlaubsbedingte Abwesenheit von Kanzleimitarbeitern ändert nichts an der Zustellung eines Bescheides im Sinne des § 98 Abs. 2 BAO

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ADVICON Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH, Lindengasse 15/2/17, 1070 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , mit dem der Antrag auf Berichtigung des Einkommensteuerbescheides 2018 gem. § 293 BAO abgewiesen wurde, Steuernummer ***BF1StNr1***, beschlossen:

Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (Bf.) erzielte im Streitjahr 2018 Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit als freier Dienstnehmer.

Die steuerliche Vertretung beantragte, den am erlassenen Einkommensteuerbescheid 2018 gem. § 293 BAO, wegen in diesem Bescheid unterlaufene Schreib- und Rechenfehler oder andere auf einem ähnlichen Versehen beruhende tatsächliche oder ausschließlich auf dem Einsatz einer automationsunterstützen Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten, zu berichtigen. Diesen Antrag begründete sie damit, dass die Einkünfte aus selbständiger Arbeit (freier Dienstnehmer) ohne Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen und Betriebsausgabenpauschalierungen berechnet worden wären.

Die belangte Behörde wies mit Bescheid vom den Berichtigungsantrag des Bf. als unbegründet ab, da die Bemessungsgrundlagen für die Veranlagung des Jahres 2018 infolge Nichtabgabe von Erklärungen auf dem Schätzungswege ermittelt worden wären. Fehler, die dem tatsächlichen Bescheidwillen der Behörde und einer formellen Erklärung zuzurechnen gewesen wären, liegen nicht vor. Es handelte sich daher nicht um Schreib- oder Rechenfehler. Andere offenbar auf einem ähnlichen Versehen beruhende Unrichtigkeiten, wie Fehler, die Schreib- und Rechenfehlern sehr nahekommen, also Fehler in der Ausdrucksweise, nicht hingegen Fehler im Bereich des Zustandekommens und der Gestaltung des Bescheidwillens, wären ebenso wenig vorgelegen.

Die steuerliche Vertretung des Bf. ist auch Zustellbevollmächtigter.

Der Bescheid, mit dem das Finanzamt den Berichtigungsantrag abwies, wurde dem Bf. am im Wege des FinanzOnline zugestellt.

Der Bf. erhob am durch seinen steuerlichen Vertreter gegen den Abweisungsbescheid Beschwerde, in der er ausführte, davon ausgegangen zu sein, dass das Finanzamt die in den § 109a EStG-Meldungen enthaltenen Dienstnehmeranteile zur Sozialversicherung übersehen hätte. Dies sei als "offensichtliches Versehen" zu werten und stelle einen Grund für eine Berichtigung nach § 293 BAO dar.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unzulässig zurück, da die Beschwerdefrist gemäß § 245 BAO bereits abgelaufen wäre. Der Beginn der Beschwerdefrist wäre der Tag der Zustellung des Abweisungsbescheides in die Databox gewesen, somit der . Die Frist sei sodann einen Monat später, am , abgelaufen, weshalb die am eingebrachte Beschwerde verspätet gewesen wäre.

Im Vorlageantrag vom brachte die steuerliche Vertretung vor, dass die für Finanzonline abrufberechtigten Kanzleimitarbeiter am Freitag, den , urlaubsbedingt nicht im Büro gewesen seien und die Zustellung des bekämpften Bescheides gem § 98 Abs 2 BAO letzter Satz erst mit der Rückkehr der Mitarbeiter in das Büro, sohin am Montag, den , bewirkt worden sei. Entgegen der Ansicht des Finanzamtes habe die Beschwerdefrist daher erst am zu laufen begonnen, woraus folge, dass die Beschwerde innerhalb der gesetzlich normierten Monatsfrist eingebracht worden wäre. Der Bf. stellte den Antrag, das Bundesfinanzgericht möge die Beschwerde als fristgerecht eingebracht werten und ihr inhaltlich stattgeben.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 98 Abs. 2 BAO gelten elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt des Einlangens von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam. Diese Bestimmung entspricht dem § 26 Abs. 2 ZustG. Die Frage der rechtzeitigen Kenntniserlangung vom Zustellvorgang stellt sich auch im Zusammenhang mit § 17 Abs. 3 ZustG, sodass die in diesem Zusammenhang ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im konkreten Fall auch zur Anwendung gelangt.

Gemäß § 245 Abs 1 BAO beträgt die Beschwerdefrist einen Monat. Mit ungenütztem Ablauf der Beschwerdefrist tritt die (formelle) Rechtskraft des Bescheides ein.

Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden nach § 108 Abs 2 BAO mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem für den Beginn der Frist maßgebenden Tag entspricht. Beginn und Lauf einer Frist werden durch Samstage, Sonntage oder Feiertage nicht behindert. Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen ( § 108 Abs 3 BAO). Die Tage des Postlaufes werden in die Frist nicht eingerechnet ( § 108 Abs 4 BAO).

Gemäß § 260 Abs. 1 BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss zurückzuweisen, wenn sie a) nicht zulässig ist oder b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Kanzlei ausschließliche Abgabestelle, wenn eine Person, für die das zuzustellende Dokument inhaltlich bestimmt ist (Empfänger im materiellen Sinn), durch eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person vertreten wurde. In einer solchen Konstellation ist der berufsmäßige Parteienvertreter Empfänger (im formellen Sinn) nach § 2 Z 1 ZustG (vgl. , ).

In der Literatur (vgl. Ritz/Koran, BAO, 2021, § 98 Rz 4) wird unter Hinweis auf Entscheidungen des Bundesfinanzgerichts ausgeführt, dass der Zeitpunkt, an dem die Daten in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind, bei FinanzOnline der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox ist, zu der der Empfänger Zugang hat (zB RV/0002-F/13; ; ; , RV/5100404/2016; , RV/5100209/2016; , RV/7104423/2014; , RV/7104134/2017; , RV/5101130/2017). Dies gilt auch, wenn die Daten am Freitag nach Ende der Kanzleiöffnungszeit des zustellungsbevollmächtigten Parteienvertreters einlangen (; , RV/7103033/2018). Auf das tatsächliche Einsehen der Databox durch den FinanzOnline-Teilnehmer (zB Öffnen, Lesen, oder Ausdrucken eines Bescheides) kommt es nicht an (zB ; , RV/0002-F/13; , RV/2100371/2015; , RV/5100404/2016; , RV/7104423/2014; , RV/7103033/2018).

Im vorliegenden Fall sind die Daten des Abweisungsbescheides am während der Kanzleistunden im Wege des FinanzOnline in die Databox eingebracht worden und sind in den elektronischen Verfügungsbereich des zustellungsbevollmächtigten Vertreters gelangt.

Nach § 98 Abs. 2 BAO gilt der Abgabenbescheid daher am als zugestellt. Dies muss schon deshalb gelten, da die Einbringung der Daten während der Kanzleistunden erfolgte, sodass der Umstand, dass - nach dem Vorbringen der steuerlichen Vertretung - die beiden Finanzonlineberechtigten Mitarbeiter an diesem Tag urlaubsbedingt nicht anwesend waren, daran nichts zu ändern vermochte. Es liegt im eigenen Verantwortungsbereich einer Kanzlei zu gewährleisten, dass von innerhalb der Kanzleistunden elektronisch zur Verfügung gestellten Dokumenten Kenntnis erlangt werden kann.

Ungeachtet dessen liegen im konkreten Fall aus Sicht des Vorbringens der steuerlichen Vertretung, dass die Zustellung des Bescheides erst am Montag, den erfolgte, an dem die beiden Mitarbeiter aus ihrem Urlaub zurückkehrten, die Voraussetzungen des § 98 Abs. 2 dritter Satz nicht vor, der darauf abstellt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine die Wirksamkeit der Zustellung hindernde Abwesenheit nicht bereits durch die Abwesenheit von der Abgabestelle schlechthin vor. Die Rechtzeitigkeit der Kenntniserlangung vom Zustellvorgang wird demnach nicht von einer solchen Abwesenheit von der Abgabestelle ausgeschlossen, wenn der Empfänger einen Tag nach dem Beginn der Abholfrist zurückkehrt und drei Tage nach der Hinterlegung das Schriftstück behebt sowie ihm für die Ausführung des Rechtsmittels zehn Tage verbleiben (vgl. ; ). Danach ist es nicht erforderlich, dass dem Empfänger in den Fällen einer Zustellung durch Hinterlegung stets die volle Frist für die Erhebung eines allfälligen Rechtsmittels zur Verfügung stehen muss (vgl. , 0118).

Vor diesem Hintergrund führte die Kenntnisnahme des verfahrensgegenständlichen Bescheides am Montag, den , zu einer Verkürzung der Rechtsmittelfrist um drei Tage, demnach keineswegs zu einer unzulässigen Verkürzung der Rechtsmittelfrist, weil zweifelsfrei noch ein angemessener Zeitraum für die Einbringung des Rechtsmittels verbliebe. Auch aus diesem Grund ginge der Beschwerdeeinwand einer urlaubsbedingten Abwesenheit ins Leere.

Der verfahrensgegenständliche Abweisungsbescheid galt demnach gemäß § 98 Abs. 2 erster Satz BAO bereits am Freitag, , als zugestellt und wurde damit der Lauf der Beschwerdefrist an diesem Tag in Gang gesetzt. Die einmonatige Beschwerdefrist endete demzufolge gemäß § 108 Abs. 2 BAO am Freitag, den .

Die am eingebrachte Beschwerde war daher gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO mit Beschluss zurückzuweisen, da sie nicht fristgerecht eingebracht worden war.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor, da die Voraussetzungen einer Zurückweisung und die Berechnung der Fristen eindeutig dem Gesetz zu entnehmen sind (§ 260 Abs. 1 lit. b BAO; § 245 BAO, § 108 BAO). Die Beurteilung, dass von einer rechtzeitigen Kenntniserlangung vom Zustellvorgang selbst bei Abwesenheit von der Abgabestelle gemäß § 98 Abs. 2 3. Satz BAO auszugehen gewesen wäre, stützte sich auf die im Beschluss zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb eine Revision nicht zulässig ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 260 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 245 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 98 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 26 Abs. 2 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
Verweise




RV/0002-F/13

ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101095.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at