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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.06.2022, RV/6100219/2021

Familienbonus Plus für minderjähriges, im Inland lebendes Kind (Beihilfenbezug in Deutschland)

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/6100219/2021-RS1
wie RV/7100274/2022-RS1
Der Familienbonus Plus ist auch dann zu gewähren, wenn kein Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe gestellt wurde, die Anspruchsvoraussetzungen aber vorliegen (vgl. ).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache der ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch StB, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

  1. Der Beschwerde wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

  2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin reichte am ihre Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung elektronisch beim Finanzamt ein und beantragte darin unter anderem den Familienbonus Plus zur Gänze für ihren im Jahr 2015 geborenen Sohn. Sie gab an, Familienbeihilfenbezieherin für ein Kind zu sein.

Im Einkommensteuerbescheid für 2019 vom gewährte das Finanzamt den Familienbonus Plus nicht und begründete dies wie folgt: "Da für S erst ab März 2020 die Familienbeihilfe bezogen wurde, konnte der Familienbonus Plus für 2019 nicht zuerkannt werden. Der Familienbonus Plus steht gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 nur für ein Kind zu, für das Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) in Österreich gewährt wird.".

In ihrer Beschwerde vom wendete die Beschwerdeführerin ein, dass die Voraussetzungen für eine Ausgleichszahlung im Sinne des § 4 FLAG 1967 dem Grunde nach erfüllt seien (das Kind wohne in Österreich) und dass der Familienbonus Plus gemäß § 33 ABs. 3a Z 1 EStG 1988 daher zustehe. Beantragt werde die Berücksichtigung des Familienbonus Plus.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde ab und brachte weiter vor, dass mangels eines Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe die Anspruchsvoraussetzungen nicht überprüft werden hätten können. Die Beschwerdeführerin beantragte am die Vorlage ihrer Beschwerde ans Bundesfinanzgericht.

Das Finanzamt legte die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht vor und ergänzte sein Vorbringen am dahin, "dass die Voraussetzungen für den Bezug der Ausgleichszahlung gem. § 4 ABs. 2 FLAG 1967 gegeben sind. Vorrangig zuständig für die Familienbeihilfe ist aufgrund der Beschäftigung der Beschwerdeführerin in Deutschland der deutsche Staat, dementsprechend wird auch Kindergeld seitens Deutschlands bezogen. Österreich kommt aufgrund des Familienwohnsitzes in Österreich nachrangig in die Zuständigkeit. Die Familienbeihilfe (Ausgleichszahlung) steht dem Grunde nach zu. Der Familienbonus Plus steht daher für die Dauer des Bezugs der Familienbeihilfe (Ausgleichszahlung) zu. Sonstige Einwände bestehen nicht."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin hat - ebenso wie ihr Sohn S, geboren am x.x..2015 - ihren Wohnsitz in Österreich und war im Streitjahr 2019 nichtselbständig als Grenzgängerin in Deutschland beschäftigt.

Sie bezog ausweislich der Bescheinigung über den Bezug von Kindergeld und Kinderzugschlag der Bundesagentur für Arbeit - Familienkasse Bayern Süd vom im Zeitraum Jänner bis Dezember 2019 Kindergeld und Kinderzuschlag für ein Kind.

Dieser Sachverhalt ist zwischen den Parteien unstrittig und durch den Akteninhalt belegt.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Strittig ist einzig, ob der Beschwerdeführerin im Jahr 2019 der gesamte Familienbonus Plus zusteht oder nicht.

Gemäß § 33 Abs. 2 EStG 1988 in der für das Streitjahr 2019 anzuwendenden Fassung sind von dem sich nach Abs. 1 ergebenden Betrag der Einkommensteuer verschiedene Absetzbeträge und unter diesen als erster der Familienbonus Plus gemäß Abs. 3a abzuziehen.

§ 33 Abs. 3a EStG 1988 lautet: "Für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, steht auf Antrag ein Familienbonus Plus nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu:

1. Der Familienbonus Plus beträgt

  1. bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 125 Euro,

  2. nach Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 41,68 Euro.

2. Abweichend von Z 1 ist für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, die Höhe des Familienbonus Plus sowie der Absetzbeträge gemäß Abs. 4 auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU, jede Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz im Verhältnis zu Österreich zu bestimmen:

  1. Die Höhe des Familienbonus Plus und der Absetzbeträge gemäß Abs. 4 ist ab auf Basis der zum Stichtag zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen. Die Höhe ist in der Folge jedes zweite Jahr auf Basis der zum Stichtag 1. Juni des Vorjahres zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen.

  2. Der Bundesminister für Finanzen hat die Berechnungsgrundlagen und die Beträge mit Verordnung bis spätestens 30. September nach dem Stichtag gemäß lit. a kundzumachen.

3. Der Familienbonus Plus ist in der Veranlagung entsprechend der Antragstellung durch den Steuerpflichtigen wie folgt zu berücksichtigen:

  1. Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat kein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:

    • Beim Familienbeihilfenberechtigten oder dessen (Ehe-)Partner der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder

    • beim Familienbeihilfenberechtigten und dessen (Ehe-)Partner jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.

  2. Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:

    • Beim Familienbeihilfenberechtigen oder vom Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder

    • beim Familienbeihilfenberechtigten und dem Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.

Für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht dem Unterhaltsverpflichteten kein Familienbonus Plus zu.

  1. Die Aufteilung des Familienbonus Plus gemäß lit. a und b ist bei gleichbleibenden Verhältnissen für das gesamte Kalenderjahr einheitlich zu beantragen. Wird von den Anspruchsberechtigten die Berücksichtigung in einer Höhe beantragt, die insgesamt über das nach Z 1 oder Z 2 zustehende Ausmaß hinausgeht, ist jeweils die Hälfte des monatlich zustehenden Betrages zu berücksichtigen…"

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, (unter anderem) Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder. Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat Anspruch auf Familienbeihilfe für (unter anderem) ein minderjähriges Kind primär jene Person, zu deren Haushalt das Kind gehört.

Der 2015 geborene Sohn der Beschwerdeführerin war im Streitjahr 2019 minderjährig und lebte im Haushalt der Beschwerdeführerin in Österreich. Damit hat die Beschwerdeführerin dem Grunde nach Anspruch auf Familienbeihilfe für ihren Sohn. Dies ist zwischen den Parteien unstrittig.

Der Familienbonus Plus ist auch dann zu gewähren, wenn kein Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe (in Österreich) gestellt wurde, die Anspruchsvoraussetzungen aber vorliegen (vgl. ; ). Auch das Finanzamt hat sich nunmehr diesem Standpunkt angeschlossen (vgl. ergänzendes Vorbringen vom ). Daher war dem Beschwerdebegehren stattzugeben.

Die Einkommensteuer 2019 wird festgesetzt wie folgt:

[...]

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die zu lösende Rechtsfrage ist durch das zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes abschließend geklärt.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.6100219.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at