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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.06.2022, RV/3100437/2021

Familienbonus Plus und UAB bei Familienbeihilfenanspruch dem Grunde nach in Österreich

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch StB, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

  1. Der Beschwerde wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

  2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer reichte am die Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung für das Jahr 2019 elektronisch beim Finanzamt ein und beantragte darin die Zuerkennung des Familienbonus Plus zur Gänze. Er gab an, Unterhalt für seine 2008 geborene, in der Tschechischen Republik wohnhafte Tochter bezahlt zu haben.

Das Finanzamt erließ am den Einkommensteuerbescheid für 2019 und setzte die Einkommensteuer für ein Einkommen von EUR 17.542,68 mit EUR -603,- fest, dies unter Berücksichtigung eines Unterhaltsabsetzbetrages in Höhe von EUR 216,84. Der Familienbonus Plus wurde nicht berücksichtigt, was das Finanzamt folgendermaßen begründete: "Der Familienbonus Plus steht für im Ausland lebende Kinder nicht zu."

Der Beschwerdeführer beantragte am die Verlängerung der Beschwerdefrist bis zum . In seiner am eingebrachten Beschwerde beantragte der Beschwerdeführer die Berücksichtigung des Familienbonus Plus zur Gänze und des Unterhaltsabsetzbetrages. Die Voraussetzungen für eine Differenzzahlung im Sinn des § 4 FLAG 1967 seien dem Grunde nach erfüllt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab das Finanzamt der Beschwerde teilweise statt und setzte die Einkommensteuer für 2019 für ein Einkommen von EUR 17.542,68 unter Berücksichtigung eines Unterhaltsabsetzbetrages von EUR 350,40 mit EUR -736,- fest. Der Familienbonus Plus wurde nicht berücksichtigt. Die Begründung dazu lautet: "…Im Erstantrag vom wurde… der Wohnort des Kindes CZ (Tschechische Republik) angegeben. In der Beschwerde vom wurde … der Wohnort des Kindes mit A (Österreich) angegeben. Laut Abfrage im Zentralen Melderegister gibt es dafür keinen Hinweis, dass das Kind in Österreich wohnhaft ist. Auch wird … keine Familienleistung für obiges Kind gewährt. Daraus ergibt sich rechtlich: Der Familienbonus Plus steht … nur für ein Kind zu, für das Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) in Österreich gewährt wird. Bisher wurde für das Kind … kein Antrag auf Familienbeihilfe gestellt, sodass eine Überprüfung des Anspruchs … in Österreich nicht erfolgen kann …".

Der Beschwerdeführer beantragte am die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und brachte weiter vor, er sei geschieden und sein Kind wohne in der Tschechischen Republik. Das Finanzamt habe den Familienbonus Plus indexiert, was unionsrechtswidrig sei. Das Finanzamt legte die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht vor und ergänzte sein Vorbringen am dahin, "dass seitens des ***FA*** … im gegenständlichen Beschwerdefall weder das Bestehen eines Familienbeihilfenanspruches in Österreich dem Grunde nach für T, geboren am x.x.2008 bestritten wird noch sonstige Einwände gegen die beantragte Berücksichtigung des Familienbonus Plus beim Beschwerdeführer bestehen."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz in Österreich und war im Streitjahr 2019 nichtselbständig in Österreich beschäftigt. Er ist geschieden. Er leistete im Jahr 2019 den gesetzlichen Unterhalt für seine am x.x.2008 geborene Tochter T. T hat ihren Wohnsitz in der Tschechischen Republik. Dieser Sachverhalt ist zwischen den Parteien unstrittig und durch den Akteninhalt belegt.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Strittig ist einzig, ob der Beschwerdeführerin im Jahr 2019 der gesamte Familienbonus Plus zusteht oder nicht.

Gemäß § 33 Abs. 2 EStG 1988 in der für das Streitjahr 2019 anzuwendenden Fassung sind von dem sich nach Abs. 1 ergebenden Betrag der Einkommensteuer verschiedene Absetzbeträge und unter diesen als erster der Familienbonus Plus gemäß Abs. 3a abzuziehen.

§ 33 Abs. 3a EStG 1988 lautet: "Für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, steht auf Antrag ein Familienbonus Plus nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu:

1. Der Familienbonus Plus beträgt

  1. bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 125 Euro,

  2. nach Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 41,68 Euro.

2. Abweichend von Z 1 ist für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, die Höhe des Familienbonus Plus sowie der Absetzbeträge gemäß Abs. 4 auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU, jede Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz im Verhältnis zu Österreich zu bestimmen:

  1. Die Höhe des Familienbonus Plus und der Absetzbeträge gemäß Abs. 4 ist ab auf Basis der zum Stichtag zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen. Die Höhe ist in der Folge jedes zweite Jahr auf Basis der zum Stichtag 1. Juni des Vorjahres zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen.

  2. Der Bundesminister für Finanzen hat die Berechnungsgrundlagen und die Beträge mit Verordnung bis spätestens 30. September nach dem Stichtag gemäß lit. a kundzumachen.

3. Der Familienbonus Plus ist in der Veranlagung entsprechend der Antragstellung durch den Steuerpflichtigen wie folgt zu berücksichtigen:

  1. Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat kein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:

    • Beim Familienbeihilfenberechtigten oder dessen (Ehe-)Partner der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder

    • beim Familienbeihilfenberechtigten und dessen (Ehe-)Partner jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.

  2. Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:

    • Beim Familienbeihilfenberechtigen oder vom Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder

    • beim Familienbeihilfenberechtigten und dem Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.

  3. Für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht dem Unterhaltsverpflichteten kein Familienbonus Plus zu.

  4. Die Aufteilung des Familienbonus Plus gemäß lit. a und b ist bei gleichbleibenden Verhältnissen für das gesamte Kalenderjahr einheitlich zu beantragen. Wird von den Anspruchsberechtigten die Berücksichtigung in einer Höhe beantragt, die insgesamt über das nach Z 1 oder Z 2 zustehende Ausmaß hinausgeht, ist jeweils die Hälfte des monatlich zustehenden Betrages zu berücksichtigen…"

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, (unter anderem) Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder. Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Die 2008 geborene Tochter des Beschwerdeführers war im Streitjahr 2019 minderjährig. Sie lebte nicht im gemeinsamen Haushalt mit dem Beschwerdeführer, der jedoch die Unterhaltskosten für sie überwiegend trug.

Der Familienbonus Plus ist auch dann zu gewähren, wenn kein Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe (in Österreich) gestellt wurde, die Anspruchsvoraussetzungen aber vorliegen (vgl. ; , ). Auch das Finanzamt hat sich nunmehr diesem Standpunkt angeschlossen (vgl. ergänzendes Vorbringen vom ). Daher war dem Beschwerdebegehren stattzugeben.

Eine Anpassung der Höhe des Familienbonus Plus im Sinn des § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 ("Indexierung") kommt nicht in Betracht, zumal der Gerichtshof der Europäischen Union () entschieden hat:

"1. Die Republik Österreich hat durch die - auf die Änderung von § 8a des Bundesgesetzes betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen vom in der durch das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung und von § 33 des Bundesgesetzes über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen vom in der durch das Jahressteuergesetz 2018 vom und das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung zurückgehende - Einführung eines Anpassungsmechanismus in Bezug auf die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für Erwerbstätige, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 4 und 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit sowie aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union verstoßen.

2. Die Republik Österreich hat durch die - auf die Änderung von § 8a des Bundesgesetzes betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen vom in der durch das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung und von § 33 des Bundesgesetzes über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen vom in der durch das Jahressteuergesetz 2018 vom und das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung zurückgehende - Einführung eines Anpassungsmechanismus in Bezug auf den Familienbonus Plus, den Alleinverdienerabsetzbetrag, den Alleinerzieherabsetzbetrag und den Unterhaltsabsetzbetrag für Wanderarbeitnehmer, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 verstoßen."

Die unmittelbare Anwendung und den Vorrang von unionsrechtlichen Bestimmungen haben sowohl die Gerichte als auch die Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten zu beachten. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist jedes im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufene nationale Gericht als Organ eines Mitgliedstaats verpflichtet, in Anwendung des in Art 4 Abs 3 AEUV niedergelegten Grundsatzes der Zusammenarbeit das unmittelbar geltende Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden und die Rechte, die es dem Einzelnen verleiht, zu schützen, indem es jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts, gleichgültig ob sie früher oder später als das Unionsrecht ergangen ist, aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt ( mwN).

Die vom Gerichtshof der Europäischen Union festgestellte Unionsrechtswidrigkeit des Anpassungsmechanismus in Bezug auf den Familienbonus Plus ist demnach in diesem Beschwerdeverfahren zu beachten und steht der Anwendung des § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 entgegen.

Auch der Unterhaltsabsetzbetrag steht in voller Höhe zu. Eine Anpassung gemäß § 33 Abs. 4 Z 4 EStG hat entsprechend dem oben Ausgeführten zu unterbleiben.

Die Einkommensteuer 2019 wird festgesetzt wie folgt:

[...]

Zu Spruchpunkt II. (Revisionszulässigkeit)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die hier zu lösenden Rechtsfragen sind durch die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung abschließend geklärt, weshalb die Revision nicht zulässig ist.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.3100437.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at