Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.06.2022, RV/3100027/2022

Fehlende Ermessensbegründung bei der Wahl des Gesamtschuldners

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinR in der Beschwerdesache Bf, Bf_Adr, vertreten durch Stb, Stb_Adr, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Gebühren 2018,St.Nr. Bf_StNr zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt/Verfahrensgang

1. Am schloss die Beschwerdeführerin (Bf) als Vermieterin mit der A s.r.o. als Mieterin den Mietvertrag über die Grundstücke EZ_KG. In diesem Vertrag wurde unter Pt. XIII Kosten/Gerichtsstand ausdrücklich festgehalten, dass die Kosten der Errichtung des Vertrages und der damit verbundenen Steuern und Gebühren von der Mieterin getragen werden.

Eine Unterfertigung des Mietvertrages erfolgte sowohl seitens der Vermieterin als auch der Mieterin.

Die Selbstberechnung der Rechtsgeschäftsgebühr erfolgte durch den Vertragserrichter RA RA iHv € 90,00.

2. Mit Bescheid vom wurde gegenüber der Beschwerdeführerin (Bf) Rechtsgeschäftsgebühr gem. § 33 TP 5 Abs. 1 GebG iHv € 16.450,00 festgesetzt.

Im Bescheid wurden Baukosten iHv rund 1,6 Mio. Euro in die Gebührenbemessungsgrundlage einbezogen, da im Mietvertrag eine Verpflichtung der Mieterin enthalten sei, auf dem Bestandsgegenstand unverzüglich mit dem Bau zweier Einfamilienhäuser zu beginnen und diese ohne Verzögerung fertigzustellen. Die Baukosten seien infolge der vertraglichen Verpflichtung zur Gebäudeerrichtung Teil dessen, was die Mieterin der Bf leisten müsse, um den Gebrauch der Bestandsache zu erhalten.

Der verfahrensrechtliche Teil der Bescheidbegründung lautet wie folgt:
Die Festsetzung erfolgte aufgrund der unrichtigen Selbstberechnung
Die Festsetzung erfolgte gemäß § 201 Abs. 2 Z. 1 BAO von Amts wegen. Bei der im Sinne des
§ 20 BAO vorgenommenen Interessenabwägung war dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit (Parteiinteresse an der Rechtskraft) einzuräumen. Auch können die steuerlichen Auswirkungen unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsökonomie nicht bloß als geringfügig bezeichnet werden. Daher war dem Gesetzeszweck, mittels einer Erlassung eines rechtmäßigen Sachbescheides ein den gesetzlichen Vorschriften entsprechendes Steuerergebnis zu erzielen, Rechnung zu tragen.

3. Die Beschwerde vom richtete sich ausschließlich gegen die Einbeziehung der Baukosten in die Steuerbemessungsgrundlage.

4. Mit der Beschwerdevorentscheidung vom erfolgte eine Verböserung: Die Grunderwerbsteuer wurde mit nunmehr € 28.075,66 festgesetzt, ausgehend von Errichtungskosten iHv insgesamt € 2.807.566,00. In der Bescheidbegründung finden sich ausschließlich Ausführungen materiellrechtlicher Natur zum Thema des "Wertes" iSd § 33 TP 5 GebG.

5. Am wurde (fristgerecht) der Vorlageantrag gestellt.

Rechtslage und Erwägungen

1. Gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 Z. 1 GebG 1957 beträgt die Rechtsgeschäftsgebühr für Bestandverträge 1 vH der Bemessungsgrundlage.

Abs. 5 leg. cit. sieht für die Gebühr die Selbstberechnung durch den Bestandgeber vor.

2. Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a GebG 1957 sind zur Entrichtung der Gebühren bei zweiseitig verbindlichen Rechtsgeschäften, wenn die Urkunde von beiden Vertragspartnern unterfertigt ist, die Unterzeichner der Urkunde verpflichtet.

Trifft die Verpflichtung zur Gebührenentrichtung zwei oder mehrere Personen, so sind sie gem. Abs. 6 leg. cit. zur ungeteilten Hand verpflichtet.

3. Gemäß § 6 Abs. 1 BAO sind Personen, die nach Abgabenvorschriften dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden, Gesamtschuldner.

4.1. Die Inanspruchnahme eines Gesamtschuldners liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, welche sich bei der Ermessensübung primär am Zweck der das Ermessen einräumenden Norm zu orientieren hat (Ritz/Koran, BAO7, § 20 Tz 8 mwN).

Das Wesen der Gesamtschuld besteht in einer besonders starken Sicherung des Gläubigers (zB ). Der Steueranspruch wird gewissermaßen auf mehrere Beine gestellt und die Finanzbehörde dadurch in die Lage versetzt - unabhängig vom Leistungsvermögen und der Leistungsbereitschaft des in erster Linie zur Leistung Verpflichteten und dem oft nicht vorhersehbaren Erfolg von Vollstreckungsmaßnahmen - , die zur Erfüllung der Ansprüche geeignete Person auszuwählen (Ritz/Koran, BAO7, § 6 Tz 2 mwN).

Ermessensentscheidungen sind zu begründen. Die Begründung hat die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (Ritz/Koran, BAO7, § 20 Tz 13 mwN).

Wurde im vertraglichen Innenverhältnis eine entsprechende Vereinbarung getroffen, dann darf sich die Abgabenbehörde nicht ohne sachgerechten Grund an die Person halten, die nach dem vertraglichen Innenverhältnis die Steuerlast nicht tragen sollte. Denn auch wenn durch vertragliche Vereinbarungen zwischen Gesamtschuldnern die Abgabepflicht eines Gesamtschuldners nicht ausschließbar ist, ist doch dieses Innenverhältnis für die Ermessensübung von Bedeutung. (Ritz/Koran, BAO7, § 6 Tz 9, sowie Fellner in Fellner [Hrsg], Stempel- und Rechtsgebühren, § 28 GebG 1957 Rz 30, jeweils mit Hinweisen auf zB ; , 99/16/0405).

Zu einer gesetzmäßigen Begründung der Ermessensübung gehört es, unter anderem auch die Erwägungen für das Abstehen von einer Inanspruchnahme der übrigen Gesamtschuldner und für die Einforderung der Abgabe von dem einen Gesamtschuldner darzulegen (zB ).

4.2. Im Beschwerdefall wurde das Ermessen der Abgabenbehörde ausschließlich in der Richtung begründet, dass eine bescheidmäßige Festsetzung der Rechtsgeschäftsgebühr aufgrund der Interessenabwägung (Rechtsrichtigkeit vor Rechtsbeständigkeit) geboten war. Eine Ermessensübung dahingehend, dass nach dem vertraglichen Innenverhältnis die Mieterin diese Gebühr zu tragen gehabt hätte, und somit eine Begründung dafür, weshalb die Festsetzung gegenüber der Bf und nicht gegenüber der Mieterin erfolgte, ist weder im Erstbescheid, noch in der Beschwerdevorentscheidung erfolgt.

Wurde im vertraglichen Innenverhältnis die Tragung der Steuerlast durch eine der Vertragsparteien vereinbart, so wird insbesondere bei Gefährdung der Einbringlichkeit naheliegen, von dieser Vereinbarung abzuweichen (Ritz/Koran, BAO7, § 6 Tz 9 mwN, sowie Fellner in Fellner [Hrsg], Stempel- und Rechtsgebühren, § 28 GebG 1957 Rz 31ff mit zahlreichen Judikaturzitaten).

Anhaltspunkte für eine solche Gefährdung der Einbringlichkeit bei der Mieterin, die somit ohne Weiteres für eine Inanspruchnahme der Bf anstelle der Mieterin sprechen würden, sind für das Bundesfinanzgericht nicht erkennbar, zumal laufende Einkünfte aus der Vermietung der auf der Bestandsache errichteten Gebäude erzielt werden. Eine Ermessensübung dahingehend, dass nicht die nach der vertraglichen Vereinbarung primär zur Entrichtung der Rechtsgeschäftsgebühr iZm dem Bestandvertrag verpflichtete Mieterin, sondern die Bf in Anspruch zu nehmen gewesen wäre, scheint dem Bundesfinanzgericht, welches das Ermessen im Erkenntnis eigenverantwortlich zu üben hat, daher nicht geboten.

Es war sohin der Beschwerde gegen den Gebührenbescheid stattzugeben und der Bescheid aufzuheben.

Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Das vorliegende Erkenntnis ergeht in Übereinstimmung der der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, weshalb die Revision nicht zuzulassen war.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 33 TP 5 Abs. 1 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 33 TP 5 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 28 Abs. 1 Z 1 lit. a GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 6 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.3100027.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at