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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.05.2022, RV/7100149/2020

Pfändung einer Geldforderung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***2***, ***1***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Pfändung einer Geldforderung zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht:

I. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO insofern abgeändert, als der im Spruch des angefochtenen Bescheides genannte Betrag von 1.004.916,09 Euro durch den Betrag von 471.290,33 Euro ersetzt wird.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang und Sachverhalt

Mit Bescheid vom erfolgte eine Pfändung wegen Abgabenschulden der Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf.) in Höhe von 1.004.916,09 Euro. Dieser Pfändungsbescheid ging an die belangte Behörde, die gleichzeitig Drittschuldnerin war und betraf laut dem angefochtenen Bescheid das Guthaben in unbekannter Höhe auf dem Abgabenkonto der Bf. bei der belangten Behörde.

Mit gleichem Datum erging an die Bf. ein Bescheid über ein Verfügungsverbot sowie eine Zweitschrift des angefochtenen Bescheides.

Gegen diesen Pfändungsbescheid erhob die Bf. mit Schreiben vom das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde. Begründet wird die Beschwerde damit, dass kein ausreichender Rechtstitel für die Pfändung der Gelforderung gegen das Finanzamt (376.567,05 Euro) vorliege, da kein Rückstandsausweis der Bf. der belangten Behörde vorhanden sei. Die Bf. beantragte zudem die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung sowie die Entscheidung durch den gesamten Senat.

Diese Beschwerde wies die belangte Behörde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Aufgrund des Sicherstellungsauftrages vom , zugestellt am sei das Guthaben der Bf. auf ihrem Steuerkonto gepfändet worden. Die Pfändung sei mittels Pfändungsbescheid vom , ebenfalls zugestellt am , erfolgt.

Gemäß § 233 Abs. 1 BAO sei der Sicherstellungsauftrag ein Exekutionstitel für das finanzbehördliche und gerichtliche Sicherungsverfahren. Somit könnten nach Vorliegen des Sicherstellungsauftrages sämtliche im finanzbehördlichen und gerichtlichen Sicherungsverfahren vorgesehenen Maßnahmen getroffen werden.

Zur Sicherung nach § 78 AbgEO könne die Pfändung und Verwahrung beweglicher körperlicher Sachen und die Pfändung grundbücherlich nicht sichergestellter Geldforderungen und von Ansprüchen auf Herausgabe und Leistung beweglicher körperlicher Sachen vorgenommen werden.

Das Vorliegen eines Rückstandausweises für die Vornahme von Vollstreckungshandlungen sei nach § 78 AbgEO nicht erforderlich, sondern nur das Bestehen eines Sicherstellungsauftrages nach § 232 BAO. Entscheidend sei, dass ein Sicherstellungsauftrag und damit ein Titel für das Vollstreckungsverfahren vorliege.

Die Pfändung von Geldforderungen des Abgabenschuldners werde mit der Erlassung eines Zahlungsverbotes an den Drittschuldner und eines Verfügungsverbotes an den Abgabenschuldner vollzogen. Das Pfandrecht werde mit Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner begründet.

Die Pfändung sei somit mit verwirklicht und die Umbuchung des gepfändeten Betrages eine rein finanzamtsinterne Maßnahme gewesen, die auf die Wirkung der Pfändung keine Auswirkung habe.

Mit Schreiben vom begehrte die Bf. die Vorlage der Bescheidbeschwerde zur Entscheidung an das Verwaltungsgericht. Ergänzend zum bisherigen Vorbringen in der Beschwerde wird darin ausgeführt, dass unstrittig ein nicht rechtskräftiger Sicherstellungsauftrag vom vorliege, welcher mittels Beschwerde bekämpft werde. Unstrittig habe am ein Guthaben auf dem Abgabenkonto der Bf. bestanden. Der Pfändungsbescheid vom wirke auf das Guthaben zum Datum der Zustellung, somit per .

Grundlage der Pfändung wäre nunmehr nicht ein Rückstandsausweis, sondern der Sicherstellungsauftrag. Die belangte Behörde verweise auf § 233 Abs. 1 BAO, wonach der Sicherstellungsauftrag einen Exekutionstitel darstelle. Die Bestimmung des § 233 Abs. 1 BAO sage aber aus, dass der Sicherstellungsauftrag die Grundlage für das finanzbehördliche und gerichtliche Sicherungsverfahren sei. Dieser stelle nicht einen Exekutionstitel dar.

Gemäß § 233 Abs. 2 BAO habe aufgrund eines Sicherstellungsantrages das Gericht auf Antrag der Abgabenbehörde die Exekution zur Sicherstellung des Abgabenbetrages zu bewilligen. Hierbei könne der Sicherstellungsauftrag zusammen mit der Verständigung von der gerichtlichen Exekutionsbewilligung zugestellt werden. Tatsache sei, dass weder ein Antrag bei Gericht durch die Abgabenbehörde auf Ausfertigung eines Exekutionstitels noch eine gerichtliche Exekutionsbewilligung der Bf. zugestellt worden sei.

Die belangte Behörde stelle richtigerweise dar, dass zur Sicherung nach § 78 AbgEO die Pfändung und Verwahrung beweglicher körperlicher Sachen und die Pfändung grundbücherlich nicht sichergestellter Geldforderungen vorgenommen werden können. Dazu sei aber ein gerichtliches Sicherungsverfahren erforderlich.

Das Gericht habe auf Antrag der Abgabenbehörde die Exekution zur Sicherstellung des Abgabenbetrages bis zu dessen Vollstreckbarkeit zu bewilligen. Der Exekutionstitel sei in Urschrift vorzulegen. Hierbei habe das Gericht zwar zu prüfen, ob der Sicherstellungsauftrag alle entscheidenden Bestandteile habe, jedoch nicht, ob er materiell richtig sei.

Infolge der im Vorlageantrag angesprochenen Beschwerde hob das Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom , GZ RV/7101223/2016 den Sicherstellungsauftrag vom hinsichtlich der Sicherstellung der Vorsteuer 01-04/2015 in Höhe von 533.625,76 Euro auf, weil die Bezeichnung der Abgabenart als Vorsteuer dem Erfordernis an die zwingenden Angaben eines Sicherstellungsauftrages nicht genüge. Im Übrigen wurde die Beschwerde gegen den genannten Sicherstellungsauftrag als unbegründet abgewiesen.

Die belangte Behörde legte die gegenständliche Bescheidbeschwerde gegen den Pfändungsbescheid dem Verwaltungsgericht mit Vorlagebericht vom zur Entscheidung vor.

Mit Schreiben vom zog die Bf. ihren Antrag auf Entscheidung durch den gesamten Senat sowie Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück. Ergänzend wird in diesem Schreiben darauf hingewiesen, dass der der Pfändung zugrundeliegende Sicherstellungsauftrag aufgehoben worden sei. Diesbezüglich könne sich deshalb die Pfändung nicht auf den danach ergangenen Sicherstellungsbescheid beziehen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus den im Verfahrensgang genannten Schriftstücken und Dokumenten sowie dem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , GZ RV/7101223/2016.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Gemäß § 232 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226 BAO) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen.

Gemäß § 78 Abs. 1 AbgEO kann auf Grund eines Sicherstellungsauftrages (§ 232 BAO) zur Sicherung von Abgaben und Abgabenstrafen schon vor Eintritt der Rechtskraft oder vor Ablauf der für die Leistung bestimmten Frist die Vornahme von Vollstreckungshandlungen angeordnet werden. Nach Abs. 2 leg. cit. kann zur Sicherung nur die Pfändung und Verwahrung beweglicher körperlicher Sachen und die Pfändung grundbücherlich nicht sichergestellter Geldforderungen und von Ansprüchen auf Herausgabe und Leistung beweglicher körperlicher Sachen vorgenommen werden.

Gemäß § 65 Abs. 1 AbgEO erfolgt die Vollstreckung auf Geldforderungen des Abgabenschuldners mittels Pfändung derselben. Im Pfändungsbescheid sind die Höhe der Abgabenschuld und der Gebühren und Auslagenersätze (§ 26 AbgEO) anzugeben. Sofern nicht die Bestimmung des § 67 AbgEO zur Anwendung kommt, geschieht die Pfändung dadurch, dass das Finanzamt dem Drittschuldner verbietet, an den Abgabenschuldner zu bezahlen. Zugleich ist dem Abgabenschuldner selbst jede Verfügung über seine Forderung sowie über das für dieselbe etwa bestellte Pfand und insbesondere die Einziehung der Forderung zu untersagen. Ihm ist aufzutragen, bei beschränkt pfändbaren Geldforderungen unverzüglich dem Drittschuldner allfällige Unterhaltspflichten und das Einkommen der Unterhaltsberechtigten bekanntzugeben.

Im Beschwerdefall ist der Sicherstellungsauftrag vom die Grundlage für die Vornahme der Forderungspfändung zur Sicherung der darin genannten Abgaben. Der Sicherstellungsauftrag bildet daher taugliche "Rechtsgrundlage" für die Erlassung des angefochtenen Pfändungsbescheides. Dass, wie von der Bf. vorgetragen, der Sicherstellungsauftrag zur Gänze aufgehoben worden sei, erweist sich nach dem festgestellten Sachverhalt (siehe das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , GZ RV/7101223/2016) als unrichtig.

Gegen die Forderungspfändung im finanzbehördlichen Vollstreckungsverfahren steht dem Abgabenschuldner ein Rechtsmittel zu (vgl. ).

In den Fällen, in denen die Abgabenbehörde auf Grund eines Guthabens des Abgabenschuldners selbst als Drittschuldner anzusehen ist, bedarf es der Erlassung des Zahlungsverbotes (sogenanntes Zweitverbot), um das Pfandrecht an dem Guthaben zu begründen.

Dem Einwand der Bf., dass der Sicherstellungsauftrag bei Ergehen des Pfändungsbescheides noch nicht rechtskräftig gewesen sei und dieser auch bekämpft werden, ist entgegenzuhalten, dass die Vornahme von Vollstreckungshandlungen nach § 78 Abs. 1 AbgEO nur das Bestehen eines Sicherstellungsauftrages nach § 232 BAO erfordert. Entscheidend ist, dass ein Sicherstellungsauftrag und damit ein Titel für das Vollstreckungsverfahren vorliegt (vgl. , mwN). Auf die Rechtskraft des Sicherstellungsauftrages kommt es nach dem Wortlaut des § 78 Abs. 1 AbgEO nicht an. Die Ansicht, wonach es auf die Rechtskraft des Sicherstellungsauftrages ankäme, weil sonst auch bei dessen Rechtswidrigkeit keine Möglichkeit bestehe, gegen die Pfändung vorzugehen, erweist sich daher als nicht richtig. (). Im Übrigen ist das verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren durch das Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom , GZ RV/7101223/2016 abgeschlossen und der Sicherstellungsauftrag teilweise bestätigt worden. Dass gegen diese Entscheidung weiter vorgegangen worden sei, ergibt sich weder aus dem Akt noch wurde dies von den Verfahrensparteien behauptet.

Sollte sich als Ergebnis eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die Rechtswidrigkeit des Sicherstellungsauftrages ergeben und dieser in der Folge aus dem Rechtsbestand beseitigt werden, so wäre eine Änderung des Pfändungsbescheides nach § 295 Abs. 3 BAO möglich (siehe wiederum ). Im konkreten Fall steht fest, dass der, der verfahrensgegenständlichen Pfändung zugrundeliegende Sicherstellungsauftrag durch das Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom , GZ RV/7101223/2016 hinsichtlich der Sicherstellung der Vorsteuer 01-04/2015 in Höhe von 533.625,76 Euro aufgehoben worden ist und somit nur noch im Ausmaß von 471.290,33 Euro Bestand hat.

Ein Bescheid ist gemäß § 295 Abs. 3 BAO ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, zu ändern oder aufzuheben, wenn der Spruch dieses Bescheides anders hätte lauten müssen oder dieser Bescheid nicht hätte ergehen dürfen, wäre bei seiner Erlassung ein anderer Bescheid bereits abgeändert, aufgehoben oder erlassen gewesen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () gilt dies auch für das Verhältnis zwischen Sicherstellungsauftrag und Pfändungsbescheid. Im gegenständlichen Fall ist der Sicherstellungsauftrag nicht aus dem Rechtsbestand ausgeschieden, sondern seiner Höhe nach auf den Betrag von 471.290,33 Euro abgeändert worden. Spiegelbildlich war daher der entsprechende Betrag im angefochtenen Bescheid auf ebendiese Summe anzupassen.

Die seitens der Bf. vorgebrachten Einwendungen, dass weder ein Antrag des bei Gericht durch die Abgabenbehörde auf Ausfertigung eines Exekutionstitels noch eine gerichtliche Exekutionsbewilligung der Bf. zugestellt worden sei, bringt der Beschwerde hingegen keinen Erfolg. Gegenständlich ist die Rechtmäßigkeit eines finanzbehördlichen und nicht eines gerichtlichen Vollstreckungsverfahrens zu beurteilen. Dass die Voraussetzungen des § 78 AbgEO dem Grunde nach erfüllt sind, ergibt sich bereits aus den obigen Ausführungen.

Insgesamt war angefochtene Bescheid daher spruchgemäß abzuändern.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das gegenständliche Erkenntnis steht im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt damit nicht vor. Eine ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis ist daher unzulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 232 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 65 Abs. 1 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 78 Abs. 1 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 295 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100149.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at