Aufhebung eines Bescheides, mit welchem ein tatsächlich rechtzeitiger Einspruch gegen eine Strafverfügung zurückgewiesen wurde - Ortsabwesenheit von der Abgabestelle wurde nicht beachtet
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Finanzstrafsache gegen Bf, Bf-Adr vertreten durch Greiml & Horwath Rechtsanwaltspartnerschaft, Conrad-von-Hötzendorfstraße 6, 8010 Graz, über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen den Zurückweisungsbescheid des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom , Geschäftszahl FV-Nummer (Steuernummer StNr), zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
II. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Strafverfügung vom (gemeint wohl der ) hat das Amt für Betrugsbekämpfung gegen den Beschwerdeführer (Bf) eine Strafverfügung erlassen. Diese Strafverfügung wurde nach einem erfolglosen Zustellversuch am durch Hinterlegung mit Beginn lt Rückschein am zur Abholung hinterlegt. Am (Datum des Postaufgabestempels) brachte der Bf durch seinen Vertreter einen Einspruch gegen die Strafverfügung ein. Mit Bescheid vom wurde durch die Finanzstrafbehörde der Einspruch vom als verspätet zurückgewiesen. Begründend wurde in dem Zurückweisungsbescheid ausgeführt, dass der Einspruch zwar mit Einschreiben vom eingebracht worden sei, jedoch die Einspruchsfrist bereits am abgelaufen sei. Gegen diesen Zurückweisungsbescheid vom erhob der Bf durch seinen Vertreter am eine als "Berufung" titulierte Beschwerde und ergänzte begründend, dass der Bf vom bis zum durchgehend in seiner Heimat Bosnien-Herzegowina gewesen sei. Da er erst am wieder nach Österreich an die Abgabestelle zurückgekehrt sei und daher theoretisch frühestens am das Poststück beheben habe können, sei der Fristenlauf mit anzusetzen und sei der Einspruch daher fristgerecht erfolgt. Der Beschwerde wurde eine Kopie des Reisepasses des Bf beigelegt, woraus aus den Stempelungen hervorgehe, dass der Bf am auf seiner Rückreise nach Österreich durch Kroatien gefahren sei. Weiters wurde auf die Stempelung vom verwiesen. Zusammenfassend wurde durch den Bf beantragt, der Beschwerde Folge zu geben, den angefochtenen Bescheid aus dem Rechtsbestand zu nehmen und den erstatteten Einspruch als fristgerecht zu erklären.
Die Beschwerde wurde am dem Bundesfinanzgericht (BFG) zur Entscheidung vorgelegt und durch die belangte Behörde wurde die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Mittels Vorhaltes vom wurde der Bf ersucht eine vollständige Kopie seines Reisepasses dem Bundesfinanzgericht vorzulegen, da aus den Detailaufnahmen der einzelnen Stempelungen nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann, dass die Stempelungen betreffend die Ein- und Ausreise tatsächlich aus dem Reisepass des Bf stammen. Diesem Ersuchen ist der Bf mittels Schreiben vom nachgekommen und hat der Bf eine vollständige Kopie seines Reisepasses vorgelegt.
Mit Schreiben vom hat das BFG zur Wahrung des Parteiengehörs der belangten Behörde das Schreiben zur Vorhaltsbeantwortung vom samt der Kopie des Reisepasses übermittelt und die belangte Behörde ersucht im Lichte des § 17 ZustG und der vom Bf beigebrachten Ein- und Ausreisestempelungen in seinem Reisepass zu der Frage Stellung zu nehmen, wann aus ihrer Sicht die Zustellung der Strafverfügung wirksam geworden ist bzw allenfalls darzulegen, warum die Finanzstrafbehörde nicht von einer Zustellung am ausgeht.
Die Finanzstrafbehörde beantwortete den Vorhalt am wie folgt:
"Die Finanzstrafbehörde wurde erst mit Einbringung der Beschwerde gegen die Zurückweisung am darüber in Kenntnis gesetzt, dass sich der Beschwerdeführer in der Zeit vom bis zum durchgehend in Bosnien aufgehalten hat und somit ortsabwesend war. Aufgrund der im Zuge der Beschwerde vom eingebrachten Unterlagen (Kopie des Reisepasses) ist davon auszugehen, dass der Einspruch gegen die Strafverfügung vom rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist ab Zustellung erfolgte, da von einer tatsächlichen Zustellung der Strafverfügung mit auszugehen ist."
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Im vorliegenden Beschwerdefall wurde der Einspruch gegen die Strafverfügung entsprechend dem Poststempel am zur Post gegeben. Die dem Einspruch zu Grunde liegende Strafverfügung wurde, nach einem erfolglosen Zustellversuch am , ab dem zur Abholung bereitgehalten. Am kehrte der Bf (der sich in der Zeit vom bis zum in Bosnien-Herzegowina aufgehalten hat) nach Österreich und somit auch an die Abgabestelle zurück. Am brachte der Bf einen Einspruch gegen die Strafverfügung vom ein. Dieser Einspruch wurde mit Bescheid des Amtes für Betrugsbekämpfung am als verspätet zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die in diesem Beschwerdeverfahren gegenständliche Beschwerde vom .
Beweiswürdigung
Der Bf brachte bereits mit seiner Beschwerde vor, dass er sich vom bis zum in der Republik Bosnien-Herzegowina aufgehalten habe und legte zum Beweis dafür aus seinem Reisepass die Ausreisestempelung aus der Republik Kroatien vom am Grenzübergang Županja vor. Weiters legte der Bf die Einreisestempelung in die Republik Kroatien (am Grenzübergang Županja) vom vor. Da aus den in der Beschwerde vorgelegten Ein- und Ausreisestempelungen nicht zweifelsfrei hervorgeht, dass diese Stempelungen auch tatsächlich aus dem Reisepass des Bf stammen, wurde der Bf mittels Vorhaltes durch das BFG ersucht, eine komplette Kopie seines Reisepasses vorzulegen. Diesem Ersuchen ist der Bf nachgekommen und geht aus dieser Kopie eindeutig und zweifelsfrei hervor, dass der Bf am aus der Republik Kroatien am Grenzübergang Županja (Grenze zwischen der Republik Kroatien und der Republik Bosnien-Herzegowina) ausgereist und am wieder in die Republik Kroatien am Grenzübergang Županja eingereist ist. Die Aus- und Einreise in der Republik Kroatien wird jeweils durch ein Pfeilzeichen dargestellt. Für das BFG ist somit nachvollziehbar, dass sich der Bf in der Zeit vom bis zum nicht in Österreich an der Abgabestelle aufgehalten hat. Eine im Zeitraum zwischen dem und dem liegende Wiedereinreise nach Österreich ist weder aus dem Reisepass des Bf ersichtlich, noch wurde eine solche durch die belangte Behörde eingewendet. Es war daher für das BFG als erwiesen anzusehen, dass der Bf nach einem längeren Auslandsaufenthalt erst am nach Österreich wieder eingereist ist und damit die Strafverfügung frühestens am (Montag) beheben konnte.
Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Gemäß § 145 Abs 1 Finanzstrafgesetz (FinStrG) können der Beschuldigte und die Nebenbeteiligten gegen die Strafverfügung binnen einem Monat nach der Zustellung bei der Finanzstrafbehörde, die die Strafverfügung erlassen hat, Einspruch erheben; sie können zugleich die der Verteidigung und der Wahrung ihrer Rechte dienlichen Beweismittel vorbringen.
Gemäß § 145 Abs 2 FinStrG tritt durch die rechtzeitige Einbringung eines Einspruches die Strafverfügung außer Kraft. Das Verfahren ist nach den Bestimmungen der §§ 115 bis 142 durchzuführen. In diesem Verfahren hat die Finanzstrafbehörde auf den Inhalt der außer Kraft getretenen Strafverfügung keine Rücksicht zu nehmen und kann auch eine andere Entscheidung fällen. Erheben nur Nebenbeteiligte rechtzeitig Einspruch, so ist in einem abgesonderten Verfahren (§ 149) über ihre Rechte zu entscheiden.
Gemäß § 161 Abs 1 FinStrG hat das Bundesfinanzgericht, sofern die Beschwerde nicht gemäß
§ 156 FinStrG mit Beschluss zurückzuweisen ist, grundsätzlich in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung des Erkenntnisses seine Anschauung an die Stelle jener der Finanzstrafbehörde zu setzen und das angefochtene Erkenntnis (den Bescheid) abzuändern oder aufzuheben, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären oder die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Gemäß § 56 Abs 2 erster Satz FinStrG gelten für Anbringen, Niederschriften, Aktenvermerke, Vorladungen, Erledigungen, Fristen sowie Zwangs- und Ordnungsstrafen, soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, die Bestimmungen des 3. Abschnittes sowie § 114 Abs 3 der Bundesabgabenordnung sinngemäß.
Gemäß § 108 Abs 4 BAO werden die Tage des Postenlaufes in die Frist nicht eingerechnet.
§ 17 Zustellgesetz (ZustG) lautet wie folgt:
"(1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.
(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.
(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.
(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde."
Im vorliegenden Beschwerdefall wurde der Einspruch entsprechend dem Poststempel am zur Post gegeben. Da die Tage des Postlaufes gem § 108 Abs 4 BAO nicht in die Einspruchsfrist eingerechnet werden, gilt der Einspruch als am eingebracht. Die dem Einspruch zu Grunde liegende Strafverfügung wurde nach einem erfolglosen Zustellversuch am ab dem gem § 17 ZustG hinterlegt. Da der Bf erst am wieder nach Österreich an die Abgabestelle zurückkehrte und davor wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig von der Zustellung Kenntnis erlangen konnte, wird gem § 17 Abs 3 letzter Satz ZustG die Zustellung erst an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam. Da die Abholfrist am noch nicht abgelaufen war, wird die Zustellung der Strafverfügung somit erst am wirksam. Der am eingebrachte Einspruch ist daher rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist des § 145 FinStrG eingebracht worden. Der Zurückweisungsbescheid vom war dementsprechend ersatzlos aufzuheben.
Gemäß § 145 Abs 2 FinStrG tritt durch die rechtzeitige Einbringung eines Einspruches die Strafverfügung außer Kraft und von der Finanzstrafbehörde ist das ordentliche Finanzstrafverfahren nach den Bestimmungen der §§ 115 bis 142 FinStrG durchzuführen.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Lösung der gegenständlichen Rechtsfrage ergibt sich bereits allein aus dem Gesetz. Dementsprechend war eine ordentliche Revision nicht zuzulassen.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 108 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 17 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 § 56 Abs. 2 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.2300002.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at