zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.06.2022, RV/3100198/2020

Wohnsitz im Inland

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri in der Beschwerdesache Bf, Bf-Adr, vertreten durch Vertr-Bf, Vertr-Adr, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes FA (jetzt Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer 2017 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe betragen:

Einkommen 2017: 14.665,28 €;
festgesetzte Einkommensteuer (gerundet gemäß § 39 Abs. 3 EStG 1988): 916 €.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

I.1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden kurz Bf) ist Künstlerin und seit 2016 in den USA berufstätig. Sie ist mit ihrem Lebensgefährten und dessen Sohn in den USA wohnhaft. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Bf befindet sich auch heute noch in den USA.

I.2. In Österreich erzielt die Bf Einkünfte aus der Vermietung von Wohnungen in A.

I.3. Auf Grund des Übergabsvertrages vom xx.2012 ist die Bf Eigentümerin der Liegenschaft EZ xxx Grundbuch B mit dem darauf errichteten Wohnhaus (Lageadresse: C-Straße xx, B). Diese Liegenschaft hatte die Mutter der Bf, Frau C, mit Kaufvertrag vom xx.2007 erworben. Im Übergabsvertrag vom xx.2012 räumte die Bf (als Übernehmerin) ihrer Mutter (als Übergeberin) das lebenslange Fruchtgenussrecht an der Liegenschaft ein. Weiters verpflichtete sich die Bf, die Liegenschaft ohne Zustimmung ihrer Mutter weder zu veräußern noch zu belasten (Punkt III des Vertrages).

I.4. Das Wohnhaus in B, besteht aus Keller, Erdgeschoß und Obergeschoß. Im Keller befinden sich eine Sauna samt Ruheraum und Dusche, Technikräume, ein Abstellraum sowie die Garage.
Im Erdgeschoß des Wohnhauses befindet sich das Schlafzimmer der Bf (14,49 m2), eingerichtet mit einem Doppelbett, einem Kleiderschrank (in dem Kleidungsstücke und Schuhe der Bf verwahrt werden), einem weiteren Schrank (mit Decken und Gartensitzpolstern), einem Sessel, Bildern, Nachttischkästen, Lampe und Dekorationsgegenständen. Dieses Zimmer wird während der Abwesenheit der Bf nicht anderweitig genutzt. Der Bf steht ein eigenes Badezimmer (8,57 m2) zur Verfügung, in dem sie auch ihre Kosmetika aufbewahrt. Daneben gibt es im Erdgeschoß ein weiteres Schlafzimmer mit Doppelbett (17,36 m2), das während ihres Aufenthaltes in B ebenfalls von der Bf genutzt wird, weiters zwei Schlafzimmer mit Stockbetten (jeweils 9,57 m2) und einen zusätzlichen Sanitärraum (4,10 m2).
Im Obergeschoß des Gebäudes liegen ein Schlafzimmer (12,01 m2) mit Ankleideraum (10,6 m2) und Bad (7,13 m2) sowie ein offener Wohnbereich mit Küche.

I.5. Die Bf hält sich mehrere Wochen pro Jahr im Wohnhaus in B auf. Dabei wird sie immer wieder von ihrem Lebensgefährten und dessen Sohn begleitet. Die Bf und ihre Familie können bei ihren Aufenthalten alle allgemeinen Räume des Gebäudes (insbesondere den gesamten Wohnbereich) mitbenutzen.
Die Bf lädt auch ihre amerikanischen Freunde nach B ein. Die Freunde der Bf wohnen bei ihren Aufenthalten in den Gästezimmern des Gebäudes im Erdgeschoß.

Die Bf hat einen eigenen Haustürschlüssel und kennt den Code für die Eingangstür.

II. Beweiswürdigung

Die unter Punkt I.4. und Punkt 1.5 getroffenen Feststellungen stützen sich auf eine (über Ersuchen des Bundesfinanzgerichtes durchgeführte) Erhebung des Finanzamts vom , in deren Verlauf das Zimmer der Bf (samt Bad) im Erdgeschoß des Wohngebäudes B, von der Prüferin besichtigt und Fotos angefertigt wurden. Weiters wurde die im Haus anwesende Mutter der Bf, Frau C, zum Sachverhalt befragt (Niederschrift vom ).

III. Verfahrensgang

III.1. In der Einkommensteuererklärung 2017 wies die Bf Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von 14.725,28 € aus. Der Einkommensteuerbescheid vom erging hinsichtlich der Höhe der inländischen Einkünfte erklärungsgemäß; bei der Anwendung des Steuertarifs (für unbeschränkt Steuerpflichtige) wurden jedoch ausländische Einkünfte von 29.105,32 € als "Progressionseinkünfte" berücksichtigt.

III.2. In der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 wurde vorgebracht, die Bf sei seit September 2016 in den USA ansässig. In Österreich sei sie nur mit ihren Vermietungseinkünften steuerpflichtig.

III.3. Das Finanzamt stellte fest, dass die Auslandseinkünfte der Bf im Inland von der Einkommensteuer befreit waren (§ 3 Abs. 1 Z 30 EStG 1988). In der Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Einkommensteuer nur von den inländischen Vermietungseinkünften berechnet; abweichend vom Erstbescheid wurde jedoch der Steuertarif bei beschränkter Steuerpflicht (§ 102 Abs. 3 EStG 1988) angewendet.

III.4. Innerhalb verlängerter Frist beantragte die steuerliche Vertreterin der Bf die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Begründend wurde ausgeführt, die Bf habe im Jahr 2016 den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in die USA verlagert und sei folglich in den USA mit ihrem Welteinkommen steuerpflichtig. Da die Bf auch im Inland über einen Wohnsitz verfüge, sei sie (auch) in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig, wobei nach dem geltenden Doppelbesteuerungsabkommen mit den USA lediglich die Vermietungseinkünfte zur österreichischen Einkommensteuer herangezogen werden dürften. Die Bf halte sich ca. sechs Wochen pro Jahr im Wohnhaus in B auf; sie habe jederzeit uneingeschränkten Zugang zum Gebäude und ein Zimmer zu ihrer ausschließlichen Verwendung, über das sie frei verfügen könne. In diesem Zimmer befänden sich - auch während ihrer Abwesenheit - persönliche Gegenstände wie zB Kleidungsstücke, Schuhe und Kosmetika. Das Zimmer werde nicht anderweitig verwendet. Die Bf habe somit einen Wohnsitz in Österreich, der die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht zur Folge habe.
Die Bf beantrage, die Einkommensteuer von einem Einkommen in Höhe von 14.665,28 € (ohne Hinzurechnung gemäß § 102 Abs. 3 EStG 1988) festzusetzen. Weiters werde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Der Antrag auf mündliche Verhandlung wurde mit Eingabe vom zurückgezogen.

IV. Rechtslage

IV.1. Unbeschränkt steuerpflichtig sind jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 1 Abs. 2 EStG 1988).

Beschränkt steuerpflichtig sind jene natürlichen Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die beschränkte Steuerpflicht erstreckt sich nur auf die im § 98 aufgezählten Einkünfte (§ 1 Abs. 3 EStG 1988).
Nach § 98 Abs. 1 Z 6 erster Teilstrich EStG 1988 unterliegen der beschränkten Einkommensteuerpflicht die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 28), wenn das unbewegliche Vermögen, die Sachinbegriffe oder Rechte im Inland gelegen sind.

IV.2. Einen Wohnsitz im Sinn der Abgabenvorschriften hat jemand dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird (§ 26 Abs. 1 BAO).

V. Erwägungen

V.1. Unter einer Wohnung iSd § 26 Abs. 1 BAO sind Räumlichkeiten zu verstehen, die nach der Verkehrsauffassung zum Wohnen geeignet sind, also ohne wesentliche Änderung jederzeit zum Wohnen benützt werden können und ihrem Inhaber nach Größe und Ausstattung ein dessen Verhältnissen entsprechendes Heim bieten. Damit Räumlichkeiten nach der Verkehrsauffassung als Wohnung geeignet sind, müssen sie so ausgestattet sein, dass sie es erlauben, sich nicht nur ganz kurzfristig dort aufzuhalten: Die Möglichkeit zum Schlafen, zur Körperpflege, zur Zubereitung von Essen und zur Aufbewahrung persönlicher Gegenstände muss gewährleistet sein (siehe Ritz, BAO, 7. Auflage, Rz 1 zu § 26, und die dort zitierte Rechtsprechung). Maßgebend sind die tatsächlichen Verhältnisse.

V.2. In welchem zeitlichen Ausmaß eine Wohnung tatsächlich genutzt wird, ist nicht entscheidend ().

V.3. Nach den oben (Punkt I) getroffenen Sachverhaltsfeststellungen war die Bf im Streitjahr 2017 bereits in den USA ansässig. Im Inland hat sie einen weiteren Wohnsitz, steht ihr doch im Erdgeschoß des Wohnhauses B, ein eigenes Zimmer mit Bad zur alleinigen Verfügung. Die Möglichkeit zum Schlafen, zur Körperpflege und zur Aufbewahrung persönlicher Gegenstände (Ritz, aaO) ist somit vorhanden. Darüber hinaus kann die Bf den Wohnbereich samt Küche im Obergeschoß mitbenutzen. Der Wohnsitzbegriff des § 26 Abs. 1 BAO schließt die gemeinsame Nutzung etwa einer Küche durch den Inhaber der Wohnung und eine andere Person nicht aus (Hinweis auf , S. 35 ff). Zum Gebäude hat die Bf jederzeit Zutritt, da sie einen eigenen Haustürschlüssel besitzt und den Code für die Eingangstür kennt.

Die Bf hat somit einen Wohnsitz im Inland und unterliegt mit ihren Vermietungseinkünften der unbeschränkten Steuerpflicht.

VI. Berechnung der Einkommensteuer

Das inländische Einkommen der Bf im Jahr 2017 betrug 14.665,28 € (Gesamtbetrag der Einkünfte 14.725,28 € abzüglich Sonderausgabenpauschale 60 €). Die darauf entfallende Einkommensteuer gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988 errechnet sich mit 916,32 €.

VII. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall waren in erster Linie Sachverhaltsfragen zu klären. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellten sich nicht. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 26 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 1 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.3100198.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at