Säumniszuschlag: Kein fehlendes grobes Verschulden iSd § 217 Abs. 7 BAO, weder des Beschwerdeführers, noch des steuerlichen Vertreters
Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2022/15/0065. Zurückweisung mit Beschluss vom .
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinR in der Beschwerdesache Bf, Bf_Adr, vertreten durch Stb, Stb_Adr, über die Beschwerde vom gegen den Säumniszuschlagsbescheid des Finanzamtes Innsbruck (nunmehr: FA Österreich) vom , Steuernummer Bf_StNr, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
1. Mit Bescheid vom wurde gegenüber der Beschwerdeführerin (Bf) ein erster Säumniszuschlag iHv € 7.899,77 festgesetzt, da die Umsatzsteuer 04/2019 iHv € 394.988,53 nicht rechtzeitig entrichtet worden war.
2. Am stellte die Bf über ihre steuerliche Vertretung über FinanzOnline einen Antrag gem. § 217 Abs. 7 BAO. Aufgrund eines EDV/Firewall-Problems sei ein E-Mail mit der Mitteilung der Zahllast für die UVA 04/2019 an die Bf nicht zugestellt worden, weshalb es zu der verspäteten Überweisung gekommen sei. Da die Bf seit ihrer Gründung alle Zahllasten fristgerecht bezahlt habe, werde ersucht, auf den Säumniszuschlag gem. § 217 Abs. 7 BAO zu verzichten, da die Bf an der Säumnis kein grobes Verschulden treffe.
3. Der Antrag wurde mit Bescheid vom abgewiesen. Die Abgabenbehörde vertrat den Standpunkt, dass, zumal es sich bei der Umsatzsteuer um eine regelmäßig wiederkehrende Abgabenschuldigkeit mit gesetzlich geregelter Fälligkeit am 15. des Zweitfolgemonats handle, es der Bf jedenfalls oblegen wäre, sich beim steuerlichen Vertreter über eine eventuelle Zahlungsverpflichtung zu informieren. Den bekannten Fälligkeitstermin ohne jegliche Erkundigung beim steuerlichen Vertreter verstreichen zu lassen, lasse auf eine gewisse Sorglosigkeit im Umgang mit Zahlungsfristen schließen. Hinzu komme, dass die Entrichtung erst nach mehr als drei Wochen nachgeholt worden sei, obwohl der Rückstand auf dem Abgabenkonto jederzeit zu erkennen gewesen sei.
4. Die Beschwerde vom wurde wiederum mit fehlendem grobem Verschulden iSd § 217 Abs. 7 BAO begründet. So wurde zunächst dargelegt, dass die Bf eine von mehreren GmbH´s in Österreich sei, die, neben weiteren Firmen in den Niederlanden, betrieben werde. Die Geschäftsführung, immer darauf bedacht, allen Abgabenverpflichtungen stets zeitgerecht nachzukommen, habe mit der steuerlichen Vertretung eine sehr moderne und enge Zusammenarbeit aufgesetzt, um Zahlungsversäumnisse zu vermeiden. Aufgrund der Bauträgertätigkeit der Bf seien auch nicht in jedem Monat Umsatzsteuerzahllasten zu erwarten, sondern oft nur ein Vorsteuerüberhang. Da es aufgrund des technischen Zustellproblems mit der E-Mail, welche die Zahllast mitteilte, keine Zustellung an die Bf gab, sei diese guten Gewissens davon ausgegangen, dass keine Zahlungsverpflichtung entstanden sei, zumal die Systematik jahrelang problemlos funktioniert habe.
Der steuerliche Vertreter wiederum sei überzeugt gewesen, dass die E-Mail zugestellt worden sei und habe die Umsatzsteuervoranmeldung wie immer zeitgerecht ans Finanzamt übermittelt. Die Bf habe die Zahllast beim besten Willen nicht gleich erkennen können. Es sei bei mehreren aktiven Betrieben schlicht nicht möglich aufgrund der laufenden Geschäftsgebarung alle zu erwartenden Zahllasten oder Gutschriften für die nächsten Monate "im Kopf" zu haben. Dazu sei eben die erwähnte Zusammenarbeit mit dem steuerlichen Vertreter ausgearbeitet worden. Da dieses System funktioniert habe, habe es auch keinen Anlass gegeben, das Abgabenkonto der Bf laufend zu prüfen, zumal bis dato immer alle mitgeteilten Zahlungen rechtzeitig durchgeführt worden seien.
Die Zahlung sei nicht infolge der von der Behörde unterstellten Sorglosigkeit im Umgang mit Zahlungsfristen erst drei Wochen später erfolgt, sondern weil im Juni unter hohem Zeitdruck das Projekt "X" fertiggestellt und übergeben worden sei. In dieser Zeit habe eine Ausnahmesituation geherrscht und seien keine Ressourcen für administrative Tätigkeiten und Nachkontrollen zur Verfügung gestanden. Nach Bekanntwerden der Versäumnis sei die Zahlung umgehend durchgeführt worden.
Es sei im Beschwerdefall lediglich aufgrund eines technischen Problems der Informationsfluss unterbrochen worden. Die Wahrnehmung von Fristen sei jedoch grundsätzlich sichergestellt worden. Es sei somit, betrachte man die Gesamtsituation, die zur Säumnis geführt habe und ebenso die Abgabenhistorie, im Beschwerdefall kein grobes Verschulden zu erkennen.
Abschließend sei darauf verwiesen, dass der Beschwerdefall mit dem Fall vergleichbar sei, dass dann kein grobes Verschulden vorliege, wenn sich ein Abgabepflichtiger für die Überweisung eines in der Regel verlässlichen Kreditinstituts bediene und dieses eine Überweisung verspätet durchführe. Im Beschwerdefall habe die Bf den steuerlichen Vertreter mit der Mitteilung von Zahllasten per Mail beauftragt, was dieser über die letzten Jahre immer verlässlich erledigt habe. Da - aufgrund eines technischen Problems - eine solche E-Mail bei der Bf nicht eingegangen sei, habe diese nicht von einer Zahllast ausgehen können., weshalb sie kein grobes Verschulden treffe.
5. Nach Ergehen der abweisenden Beschwerdevorentscheidung wurde am der Vorlageantrag eingebracht. Darin wurde ergänzend ins Treffen geführt, dass die Bf weder mit der Buchhaltung noch mit der Erstellung der Umsatzsteuervoranmeldungen oder der Einhaltung eines Zahlungstermins zu tun habe, sondern ihr lediglich vom steuerlichen Vertreter sich aus Umsatzsteuervoranmeldungen allenfalls ergebende Zahllasten bekanntgegeben worden seien.
Im Weiteren wurde nach Wiedergabe höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Thematik des "groben Verschuldens" iSd § 217 Abs. 7 BAO vorgebracht, die Abgabenbehörde habe die konkreten Umstände des beschwerdegegenständlichen Zahlungsverzugs nicht berücksichtigt. Dadurch konterkariere die Behörde die genannte Bestimmung, indem sie in der Regel unabhängig vom Grund des Versäumnisses und der Häufigkeit der Fehler stets von einem groben Verschulden ausgehe.
Auch habe es die Behörde unterlassen festzustellen, ob grobes Verschulden auf Seiten des steuerlichen Vertreters oder der Bf vorliege. Seitens des steuerlichen Vertreters finde ein permanentes Klientenmonitoring statt, bei dem der Bearbeitungsstatus vom Einlangen der Buchhaltung bis zur Abgabe der UVA und Mitteilung einer allfälligen Zahllast überwacht werde. Des Weiteren sei, nachdem nach wie vor nicht eindeutig feststehe, wie und wo der Fehler passiert sei, hinsichtlich der steuerlichen Vertretung festzuhalten, dass die zuständige Sachbearbeiterin höchst qualifiziert sei und von ihr bis dato keine Fehlleistungen begangen worden seien.
Es liege somit bei einer Gesamtbetrachtung des Falles weder auf Seiten der Bf noch auf Seiten des steuerlichen Vertreters ein grobes Verschulden vor.
II. Sachverhalt
1. Die Umsatzsteuervoranmeldung für April 2019 mit einer Zahllast von € 394.988,53 wurde am an das Finanzamt übermittelt. Die Entrichtung der gem. § 21 Abs.1 UStG 1994 am fälligen Abgabe erfolgte am .
2. Die Bf ist eine als Bauträger bzw. im Bereich Projektentwicklung tätige GmbH. Die Alleingesellschafterin der Bf, die M GmbH, steht ihrerseits im Eigentum zweier niederländischen B.V.´s; die beiden Geschäftsführer der Bf sind in den Niederlanden ansässig.
3. Neben der Beteiligung an der Bf hält die M GmbH Beteiligungen in unterschiedlichem Ausmaß an acht weiteren österreichischen GmbH´s. Die Geschäftsführer der Bf üben diese Funktion bei der Muttergesellschaft und sieben der Schwestergesellschaften aus; die achte Schwestergesellschaft wird von einem dieser beiden Geschäftsführer allein vertreten.
Alle GmbH´s sind als Bauträger tätig oder betreiben ein Hotel.
4. Die Grundaufzeichnungen iSd Bundesabgabenordnung werden von den Mitarbeitern und Geschäftsführern des Unternehmensverbundes in den Niederlanden geführt.
5. Die Erstellung der laufenden Buchhaltung sowie insbesondere der Umsatzsteuervoranmeldungen erfolgt durch die österreichische steuerliche Vertretung der Bf. Ebenso werden die Umsatzsteuervoranmeldungen durch den steuerlichen Vertreter beim jeweils zuständige Finanzamt eingereicht.
Nach Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldung erfolgt die Übermittlung von Buchhaltungsreporten und allfälligen Zahllasten durch den steuerlichen Vertreter an die Bf per Mail. Die Zahllasten werden an die Geschäftsführung des Unternehmensverbundes, dem die Bf angehört, für sämtliche Firmen in einem Sammelmail übermittelt. Die Übermittlung der monatlichen Buchhaltungsreporte erfolgt gesondert.
Ergibt die Umsatzsteuervoranmeldung keine Zahllast, sondern eine Gutschrift, wird nur ein Buchhaltungsreport übermittelt.
6. Der Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldungen ist in der Kanzlei des steuerlichen Vertreters ein Kontrollmechanismus vorangestellt. Dieses "Klientenmonitoring", welches über das Buchhaltungsprogramm abgewickelt wird, wird vom Buchhalter selbst und vom Leiter der Buchhaltung durchgeführt. Das Buchhaltungsprogramm gibt automatisiert einen Überblick über die zu bearbeitenden Buchhaltungen und stellt pro UVA-Periode farblich dar, ob eine Umsatzsteuervoranmeldung bereits abgegeben wurde und beim Finanzamt bereits eingegangen ist, oder ob sie fehlerhaft war oder überhaupt noch nicht eingereicht wurde. Die entsprechende Liste wird vom Buchhalter überprüft.
Darüber hinaus kontrolliert der Leiter der Buchhaltung in der Woche des 15. in jedem Monat bei allen relevanten Klienten täglich, ob die Umsatzsteuervoranmeldung noch einzureichen ist und informiert nötigenfalls den zuständigen Buchhalter.
Der Ausgang der unter Pt. II.5. dargestellten Mailnachrichten unterliegt der Kontrolle durch den jeweiligen Mitarbeiter; eine darüberhinausgehende Kontrolle durch eine weitere Person findet nicht statt.
Im Unternehmer der Bf selbst erfolgt keine Überwachung von Abgabenzahlungsfristen.
5. Nicht festgestellt werden konnte, dass aus der Kanzlei des steuerlichen Vertreters betreffend die sich aus dieser Umsatzsteuervoranmeldung ergebende Zahllast eine E-Mail mit der entsprechenden Benachrichtigung an die Bf geschickt, sowie ein Buchhaltungsreport für April 2019 übermittelt wurde.
III. Beweiswürdigung
1. Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Akteninhalt, dem öffentlich einsehbaren Firmenbuch, den Vorhaltsbeantwortungen vom , vom 2. und vom , sowie der nachfolgenden Beweiswürdigung.
2. Mit Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes vom wurde die Bf aufgefordert, das im Rechtsmittelverfahren eingewendete, aber nicht näher erläuterte EDV/Firewall-Problem darzustellen. In der Vorhaltsbeantwortung vom wurden dazu keine konkreten Angaben gemacht, sondern lediglich vermutet, dass die Firewall der Bf die Zustellung der E-Mail blockiert habe. Ein Ausdruck der versendeten Mail, eine Ausgangsbestätigung, Serverprotokolle oä. des steuerlichen Vertreters zum Nachweis, dass eine Versendung der E-Mail mit der Benachrichtigung der Zahllast für Umsatzsteuer 04/2019 überhaupt stattgefunden hat, wurden trotz Aufforderung nicht vorgelegt bzw. wurde behauptet, Derartiges sei nicht mehr abrufbar.
Seitens des steuerlichen Vertreters wurde auf Anfrage des Bundesfinanzgerichtes ausgeführt, dass grundsätzliche alle ein- und ausgehenden Mails im Outlook-Programm und auf dem Mail-Server dauerhaft archiviert würden. Weshalb jene eine E-Mail, mit der die Bf über die Umsatzsteuerzahllast 04/2019 informiert worden sei, nicht archiviert und nicht mehr aufrufbar sei, sei nicht nachvollziehbar.
Der Vorhaltsbeantwortung vom sowie Anfragebeantwortungen durch den steuerlichen Vertreter vom 2. und vom zufolge wurde bzw. wird der Bf nach Einreichung der jeweiligen Umsatzsteuervoranmeldung nicht nur eine allfällige Zahllast, sondern in jedem Fall, also auch bei Vorliegen einer Umsatzsteuergutschrift, ein sog. "Buchhaltungsreport" übermittelt. Die Übermittlung erfolgt, ebenso wie jene der Benachrichtigung über die Umsatzsteuerzahllast, per (separater) E-Mail. Auf explizite Nachfrage des Bundesfinanzgerichtes konnte jedoch auch die E-Mail, mit der der Buchhaltungsreport für April 2019 an die Bf übermittelt worden sei, nicht vorgelegt werden.
Es entspricht der Lebenserfahrung anzunehmen, dass ein Steuerberater jeden Schrift- und Mailverkehr mit seinen Klienten, auch abseits gesetzlicher Aufbewahrungspflichten, aufbewahrt bzw. archiviert, schon um etwaige Haftungsfolgen zu vermeiden. Dass ausgerechnet jene E-Mails, welche - aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen - die Bf nicht erreicht haben, zufällig außerdem weder im Ausgangsordner noch grundsätzlich auf dem Mailserver des Steuerberaters abrufbar sein sollen, ist nicht glaubhaft.
Es ist daher auch nicht glaubhaft, dass tatsächlich ein "EDV/Firewall-Problem" und somit ein technischer Fehler, der weder für die Bf noch den steuerlichen Vertreter erkennbar gewesen sei, ursächlich für die Nicht-Übermittlung der E-Mails und im Weiteren die nicht rechtzeitige Entrichtung der Umsatzsteuer gewesen sein soll. Es ist vielmehr anzunehmen, dass, nach rechtzeitiger Übermittlung der Umsatzsteuervoranmeldung ans Finanzamt, schlicht übersehen wurde, diese E-Mails zu versenden.
3. Im gesamten Vorbringen kommt zum Ausdruck, dass in der Geschäftsorganisation der Bf ein Kontrollmechanismus zur Überwachung der Einhaltung von Abgabenzahlungsverpflichtungen nicht existiert. Derartiges wurde tatsächlich nicht einmal behauptet; der in der Beschwerde ins Treffen geführte im Juni 2019 herrschende Arbeitsdruck infolge der Fertigstellung des Projektes "X" ist lediglich als Versuch der Rechtfertigung zu sehen, dass die offene Abgabenschuld überhaupt erst aufgrund der Festsetzung des Säumniszuschlages bemerkt wurde.
4. Durch das Vorbringen im Vorlageantrag wurde suggeriert, das Klientenmonitoring reiche über die Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldung hinaus und umfasse auch noch die Überwachung der Mitteilung einer allfälligen Zahllast an die Bf. In der Anfragebeantwortung vom erfolgte auf ausdrückliche Nachfrage des Bundesfinanzgerichtes eine ebenso ausdrückliche Klarstellung: Der Nachrichtenausgang wird demnach ausschließlich vom jeweiligen Mitarbeiter selbst überwacht.
IV. Rechtslage und Erwägungen
1. Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind gemäß § 217 Abs. 1 BAO nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten.
Der erste Säumniszuschlag beträgt gemäß Abs. 2 leg. cit. 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.
Gemäß § 217 Abs. 7 BAO sind auf Antrag des Abgabepflichtigen Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.
2. Voraussetzung für die Herabsetzung bzw. Nichtfestsetzung des Säumniszuschlages nach § 217 Abs. 7 BAO ist es daher, dass betreffend die verspätete Entrichtung der Umsatzsteuer 04/2019 kein grobes Verschulden vorliegt.
Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt. Eine (lediglich) leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. (Ritz/Koran, BAO7, § 217 Tz 43f mwN)
Das (grobe) Verschulden des Vertreters ist dem Verschulden des Vertretenen gleichzuhalten. Hingegen ist (grobes) Verschulden von Arbeitnehmern der Partei (oder des Parteienvertreters) nicht schädlich. Entscheidend ist diesfalls, ob der Partei selbst (bzw ihrem Vertreter) grobes Verschulden, insbesondere grobes Auswahl- oder Kontrollverschulden, anzulasten ist. (Ritz/Koran, BAO7, § 217 Tz 45f mwN)
Die einmalige Versäumung einer Frist lässt für sich allein noch nicht den Schluss zu, dass die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Wahrnehmung von Fristen sichergestellt ist ().
3. Im Beschwerdeverfahren ist unstrittig, dass die Umsatzsteuer 04/2019 nicht zum Fälligkeitstag entrichtet wurde. Es ist ausschließlich zu beurteilen, ob die nicht rechtzeitige Entrichtung der Umsatzsteuer 04/2019 auf ein grobes Verschulden iSd § 217 Abs. 7 BAO der Bf bzw. des steuerlichen Vertreters zurückzuführen war.
3.1. Das fehlende grobe Verschulden der Bf wurde in den eingebrachten Rechtsmitteln vor allem damit begründet, dass infolge der Besonderheiten in ihrer Geschäftstätigkeit und der - bislang anstandslos funktionierenden - Gepflogenheiten der Zusammenarbeit mit dem steuerlichen Vertreter die zu entrichtende Zahllast für sie weder erwart- noch erkennbar gewesen sei. Untermauert wurde dieses Vorbringen damit, dass die Bf zuvor immer alle Abgabenschuldigkeiten pünktlich entrichtet habe, was zutrifft.
Dem steht jedoch entgegen, dass aus dem gesamten Vorbringen im Rechtsmittelverfahren nicht ersichtlich ist bzw. nicht einmal behauptet wurde, dass die Bf über irgendeine Form von Kontrollsystem verfügt, das die Einhaltung von Abgabenzahlungsfristen sicherstellen soll. Unter diesen Umständen kann ein fehlendes grobes Verschulden der Bf an der nicht rechtzeitigen Entrichtung der Umsatzsteuer 04/2019 nicht angenommen werden.
Weshalb es der Bf nicht möglich oder zumutbar sein sollte, die vom steuerlichen Vertreter monatlich übermittelten Buchhaltungsreporte zu sichten bzw. kontrollieren und schon daraus anstehende Umsatzsteuerzahllasten zu ersehen, ist nicht nachvollziehbar. Ebenso hätte der Bf im konkreten Fall auffallen müssen, dass überhaupt kein Buchhaltungsreport für April 2019 übermittelt worden war.
Schon im Hinblick darauf, dass die Bf nach dem Beschwerdevorbringen nicht wissen konnte, ob für einen bestimmten Zeitraum eine Umsatzsteuerzahllast zu begleichen sein könnte, hätte sie ein an die im Rechtsmittelverfahren geschilderten Besonderheiten angepasstes Kontrollsystem einrichten müssen, welches die Einhaltung von Abgabenzahlungsterminen sicherstellt.
Mit dem Hinweis auf § 217 Abs. 5 BAO ist für die Bf nichts zu gewinnen, da bei dieser Regelung, im Gegensatz zum gegenständlich anzuwendenden § 217 Abs. 7 BAO, ein allfälliges Verschulden an der Nichtentrichtung keine Rolle spielt.
3.2. Wie oben unter Pt. III.2. dieses Erkenntnisses dargelegt, ist nicht glaubhaft, dass die laut Vorbringen im Rechtsmittelverfahren einem "EDV/Firewall-Problem" zum Opfer gefallene E-Mail - von der sich im Vorhalteverfahren vor dem Bundesfinanzgericht im Übrigen herausstellte, dass es nicht nur eine, sondern mindestens zwei Mails gewesen waren - aus der Kanzlei des steuerlichen Vertreters überhaupt an die Bf verschickt wurde (bzw. wurden).
Aus dem Vorbringen zum "Klientenmonitoring" des steuerlichen Vertreters ist ersichtlich, dass eine Überwachung der befassten Buchhalter durch den Leiter der Buchhaltung damit endet, dass die Umsatzsteuervoranmeldungen rechtzeitig und richtig beim Finanzamt eingereicht werden. Daran anschließende Benachrichtigungen der Klienten obliegen ausschließlich den befassten Buchhaltern. Im Beschwerdefall würde dies bedeuten, dass das Übersehen der Versendung des E-Mails, mit dem die Bf über die Umsatzsteuerzahllast 04/2019 informiert werden hätte sollen, ein Verschulden einer Dienstnehmerin des steuerlichen Vertreters darstellen würde. Ein solches wäre dem steuerlichen Vertreter dann anzulasten, wenn ihn betreffend diese Dienstnehmerin ein grobes Auswahl- bzw. Überwachungsverschulden träfe (Ritz/Koran, BAO7, § 217 Tz 46 mwN), oder das Versehen, bzw. dass dieses Versehen unbemerkt blieb, einer mangelhaften Kanzleiorganisation des steuerlichen Vertreters zuzuschreiben wäre.
Die Abgabenhistorie der Bf bestätigt das Vorbringen, dass, abgesehen von der Umsatzsteuer 04/2019, bislang sämtlichen Abgabenzahlungspflichten fristgemäß nachgekommen wurde. Dies spricht für die grundsätzliche Zuverlässigkeit der Buchhalterin, die für die Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldung 04/2019 und die im Anschluss an die Bf zu versendenden E-Mails zuständig war. Ein Auswahl- oder Kontrollverschulden betreffend diese konkrete Mitarbeiterin kann dem steuerlichen Vertreter daher nicht zur Last gelegt werden.
Allerdings besteht bei der Betreuung der Bf und deren Mutter- bzw. Schwestergesellschaften durch den steuerlichen Vertreter ein besonderes System: Die betreffenden Klienten verlassen sich, ungeachtet dessen, dass für sie nach ihrem Vorbringen eine allfällige Zahlungsverpflichtung von Monat zu Monat nicht vorhersehbar sei, was für sich schon eine besondere Sorgfalt im Umgang mit Zahlungsfristen bedingt, bei der Frage, ob Umsatzsteuer zu zahlen ist oder nicht, ausschließlich auf eine Benachrichtigung durch den steuerlichen Vertreter. Angesichts dieser gesteigerten Verantwortung wäre vom steuerlichen Vertreter durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen gewesen, dass keine Zahlungsfristen übersehen werden. Der Umstand, dass bis zum fraglichen Zahlungstermin im Juni 2019 noch nie ein vergleichbarer Fehler passiert ist, vermag nicht über einen hier völlig fehlenden Kontrollmechanismus hinwegzutäuschen.
Aufgrund der Umstände des Beschwerdefalls ist somit dem steuerlichen Vertreter, ebenso wie der Bf selbst, ein die Anwendung des § 217 Abs. 7 BAO ausschließendes grobes Verschulden vorzuwerfen: Es obliegt ausschließlich dem oder der betreffenden Mitarbeiter(in) des steuerlichen Vertreters, die unmittelbaren Vorkehrungen für die rechtzeitige Abgabenentrichtung in Form einer E-Mail zu treffen, ohne dass der- oder diejenige dabei einer Kontrolle unterläge. Es ist nicht erkennbar, dass unter diesen Umständen eine Kanzleiorganisation des steuerlichen Vertreters existiert, die die Wahrnehmung von Abgabenzahlungsfristen sicherstellt, zumal auch den zuverlässigsten Mitarbeitern Fehler unterlaufen können.
Unzulässigkeit der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Das gegenständliche Erkenntnis ergeht in Übereinstimmung mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu § 217 Abs. 7 BAO, weshalb die Revision nicht zuzulassen war.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 217 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.3100072.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at