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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.05.2022, RV/5100271/2022

Familienbonus Plus

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/5100271/2022-RS1
wie RV/7104384/2020-RS1
Steht für ein Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zu, kann der Familienbeihilfenberechtigte und/oder der Unterhaltsleister den Familienbonus Plus beantragen. Der (Ehe-)Partner des Familienbeihilfeberechtigten hat neben dem Unterhaltsleister keinen Anspruch, selbst wenn der Familienbeihilfebezieher den Familienbonus Plus nicht geltend macht.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Susanne Haim in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch J2tax Steuerberatung GmbH, Paschinger Straße 59, 4060 Leonding, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2019 und 2020 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Stiefvater (=Bf) beantragte 2019 und 2020 in den Einkommensteuererklärungen den ganzen (2019) bzw. halben (2020) Familienbonus Plus für das Kind Kind.

Die Einkommensteuerbescheide 2019 und 2020 ergingen am .

In ihnen wurde der Familienbonus Plus des Bf. für Kind nicht anerkannt.

Begründend wurde für 2019 und gleichlautend für 2020 ausgeführt: "Der Familienbonus Plus kann für das Kind mit der Sozialversicherungsnummer/mit dem Geburtsdatum ***1*** nicht berücksichtigt werden. Sie sind nicht anspruchsberechtigt, weil nach den uns vorliegenden Daten für dieses Kind der gesetzliche Unterhalt (Alimente) für das gesamte Veranlagungsjahr im vollen Umfang geleistet wurde. Anspruchsberechtigt ist neben der /dem Unterhaltszahler/in nur die/der Familienbeihilfenbezieher/in"

Am wurden gegen die genannten Bescheide Beschwerden erhoben und gleichlautend ausgeführt: "Herrn BF wurde der Familienbonus Plus für das Veranlagungsjahr 2019 für Kind, SV-Nr.: ***1***, versagt. Kind ist der Sohn von Frau FamN Mu VNMu, SV-Nr.: SV2, der Lebensgefährtin von Herrn BF. Das minderjährige Kind, Kind, lebt im gemeinsamen Haushalt von Herrn BF und Frau FamN Mu. Frau FamN Mu hatte im Jahr 2019 kein Einkommen, sodass sie zum gemeinsamen Haushalt finanziell nichts beigetragen hat.

Des Weiteren kann sie aus diesem Grund den Familienbonus Plus nicht dem Sinn der Norm entsprechend geltend machen. Es besteht auch keine Möglichkeit des Kindermehrbetrags, da die Voraussetzungen für den Alleinverdienerabsetzbetrag nicht gegeben sind.

Der leibliche Vater hat, an die Kindsmutter des Kindes (Kind), im Jahr 2019 Unterhaltsleistungen bezahlt, sodass ihm der halbe Familienbonus Plus per legem zusteht. Die restlichen Ausgaben wurden vom Steuerpflichtigen BF, als alleiniger Finanzier des Haushalts, getragen. Laut § 33 Abs 3a Z 3 lit b EStG steht der Familienbonus Plus zur Hälfte dem Unterhaltspflichtigen (leiblichem Vater) und zur anderen Hälfte dem Familienbeihilfenberechtigten (FamN Mu VNMu) zu. Daraus folgt, dass Herrn BF der Familienbonus nicht zustehen würde, obwohl dieser finanziell den Haushalt bezahlt. Frau FamN Mu kann den Familienbonus, jedoch nicht steuerlich geltend machen und auch der Kindermehrbetrag fällt aufgrund des gemeinsamen Haushalts weg. Unserer Ansicht nach besteht hier Gleichheitswidrigkeit, da der Gesetzgeber rechtswidrig zwischen einem leiblichen Kind zwischen Eheleuten und einem leiblichen Kind der Kindsmutter, welches in der Lebensgemeinschaft lebt, differenziert, obwohl in beiden Fällen der Lebenspartner, einmal in Form als leiblicher Vater und einmal in Form des Lebenspartners, sämtliche finanziellen Verpflichtungen der Familien gemeinschaftlich trägt. Aufgrund des geringen Einkommens der Lebensgefährtin muss Herr BF die tatsächlichen Kosten für beide Kinder tragen, jedoch für ein im Haushalt lebendes Kind kann der Steuerpflichtige, aufgrund der gesetzeswidrigen Diskriminierung, keinen Familienbonus Plus erhalten, obwohl die Familienbeihilfenbezieherin grundsätzlich Anspruch hätte, dieser jedoch aufgrund des fehlenden Einkommens ins Leere läuft. Es wird aufgrund dieses gesetzlichen Widerspruches ein Normprüfungsverfahren gern. § 140 B-VG von Seiten des BFGs angeregt."

Da lediglich die Verfassungswidrigkeit der genannten Norm geltend gemacht wurde, wurden die Beschwerden ohne Erlassung von Beschwerdevorentscheidungen dem Bundesfinanzgericht am vorgelegt.

In einem durchgeführten Mängelbehebungsverfahren (fehlende Unterschrift) wurden die Mängel fristgerecht behoben.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Strittig ist die Nichtberücksichtigung des halben Familienbonus Plus für das Stiefkind Kind mit der Sozialversicherungsnummer ***1***.

Die Kindesmutter und Lebensgefährtin des Beschwerdeführers (Bf) bezieht die Familienbeihilfe für dieses Kind und hatte in den Jahren 2019 und 2020 Einkünfte unter der Steuergrenze. Der Familienbonus Plus wurde von der Kindesmutter nicht beantragt.

Der Kindesvater von Alexander (Hr. Vater St.Nr.) leistete 2019 und 2020 den vereinbarten Unterhalt und bekam daher den beantragten halben Familienbonus.

Der Stiefvater (=Bf) beantragte 2019 und 2020 in den Einkommensteuererklärungen den ganzen (2019) bzw. halben (2020) Familienbonus Plus für den Stiefsohn.

In den Einkommensteuerbescheiden 2019 und 2020 wurde der beantragte Familienbonus Plus für den Stiefsohn jeweils abgewiesen, weil dieser gemäß § 33 Abs. 3a Z 3. lit b EStG nur der Familienbeihilfenbezieherin und dem Unterhaltsleistenden, der seiner Unterhaltsverpflichtung nachgekommen ist, zustehe.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

§ 33 Abs. 3a EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 96/2020 normiert (soweit für den Beschwerdefall maßgeblich) wie folgt:

Für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, steht auf Antrag ein Familienbonus Plus nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu:

1. Der Familienbonus Plus beträgt

a) bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 125 Euro,

b) nach Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 41,68 Euro.

(…)

3. Der Familienbonus Plus ist in der Veranlagung entsprechend der Antragstellung durch den Steuerpflichtigen wie folgt zu berücksichtigen:

a) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat kein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:

- Beim Familienbeihilfenberechtigten oder dessen (Ehe-)Partner der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder

- beim Familienbeihilfenberechtigten und dessen (Ehe-)Partner jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.

b) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:

- Beim Familienbeihilfenberechtigten oder vom Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder

- beim Familienbeihilfenberechtigten und dem Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.

Für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht dem Unterhaltsverpflichteten kein Familienbonus Plus zu.

(…)

4. (Ehe-)Partner im Sinne der Z 3 ist eine Person, mit der der Familienbeihilfenberechtigte verheiratet ist, eine eingetragene Partnerschaft nach dem Eingetragene Partnerschaft-Gesetz - EPG begründet hat oder für mehr als sechs Monate im Kalenderjahr in einer Lebensgemeinschaft lebt. Die Frist von sechs Monaten im Kalenderjahr gilt nicht, wenn dem nicht die Familienbeihilfe beziehenden Partner in den restlichen Monaten des Kalenderjahres, in denen die Lebensgemeinschaft nicht besteht, der Unterhaltsabsetzbetrag für dieses Kind zusteht.

Das bedeutet für den gegenständlichen Fall:

Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht: Beim Familienbeihilfenberechtigten oder dem Unterhaltsleistenden mit Unterhaltsabsetzbetrag in voller Höhe oder jeweils in Höhe der Hälfte (Verhältnis 50:50).

Nach dem diesbezüglich eindeutigen Gesetzeswortlaut kann beim (neuen) Partner der Kindesmutter nur für die Monate ein Anspruch auf den Familienbonus bestehen, in denen (dem Kindesvater) kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht. Steht jedoch ein Unterhaltsabsetzbetrag zu, erfolgt keine Berücksichtigung beim (Ehe-)Partner des Familienbeihilfenberechtigten (s. Jakom/Kanduth-Kristen EStG, 2020, § 33 Rz 36; sowie ).

Der Beschwerdeführer hat für ein Kind den halben Familienbonus beantragt, dem im Streitjahr vom Kindesvater Unterhalt in voller Höhe geleistet wurde.

Der Kindesvater, dem der Unterhaltsabsetzbetrag im Streitjahr zur Gänze zustand, hat den halben Familienbonus in seinen Arbeitnehmerveranlagungen 2019 und 2020 zu Recht geltend gemacht.

Familienbeihilfebezieherin im vorliegenden Fall ist die Kindesmutter.

Der Beschwerdeführer selbst hatte in den Jahren 2019 und 2020 weder Anspruch auf den Unterhaltsabsetzbetrag noch bezog er Familienbeihilfe für das Kind. Daher hat der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall keinen Anspruch auf den Familienbonus gemäß § 33 Abs. 3a Z 3 lit b EStG.

Das Gesetz sieht auch keine Möglichkeit vor, den Anspruch des Familienbeihilfenberechtigten auf den Familienbonus etwa in jenen Fällen, in denen dieser beim Familienbeihilfenberechtigten steuerlich keine Auswirkung hat, an den (Ehe-)Partner "abzutreten". In den Monaten, in denen ein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, ist laut Gesetz eine Berücksichtigung beim (Ehe-)Partner des Familienbeihilfenberechtigten nicht möglich.

Da das Gesetz diesbezüglich weder dem Finanzamt noch dem Bundesfinanzgericht einen Ermessensspielraum einräumt, konnte dem Beschwerdeführer der Familienbonus nicht gewährt werden.

Zur Anregung eines Normenprüfungsverfahrens durch das Bundesfinanzgericht:

Gemäß Art. 135 Abs 4 B-VG iVm Art. 89 B-VG steht die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Gesetze den Verwaltungs­gerichten nicht zu. Hat ein solches Gericht gegen die Anwendung eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken, so hat es den Antrag auf Aufhebung dieser Rechts­vorschrift beim Verfassungs­gerichtshof zu stellen. Dieser erkennt gemäß Art. 140 Abs 1 Z 1 lit. a B-VG sodann über deren Verfassungswidrigkeit. Voraussetzung dafür ist, dass das erkennende Gericht die in Prüfung zu ziehende(n) Norm(en) anwenden muss (Präjudizialität).

Der Gleichheitsgrundsatz bindet nach ständiger Rechtsprechung des VfGH auch den Gesetzgeber. Gesetze verletzen den Gleichheitsgrundsatz, wenn sie Gleiches ungleich oder Ungleiches gleich behandeln. Unterschiede in der rechtlichen Gestaltung müssen ihre Grundlage in Unterschieden der ihnen zu Grunde liegenden Tatsachen haben, weil ansonsten diese den Gleichheitsgrundsatz verletzen. Überdies muss nach dem allgemeinen Sachlichkeitsgebot die Normierung auch für sich genommen sachlich sein. Gesetze dürfen demnach keine willkürlichen Unterscheidungen zwischen den Rechtsunterworfenen vorsehen. Jede rechtliche Differenzierung muss stattdessen auf einer sachlichen Rechtfertigung beruhen, um dem Gleichheitssatz zu entsprechen.

Das sich aus dem Gleichheitsgrundsatz ableitende Leistungsfähigkeitsprinzip und das daraus entspringende Nettoprinzip stellen das vom Gesetzgeber geschaffene Ordnungssystem des Ertragssteuerrechts dar.

Dem VfGH wurden bereits mehrfach Fälle vorgebracht, die sich im Kern um die Frage der verfassungsmäßig gebotenen Berücksichtigung von Familienverhältnissen im Steuerrecht drehten. In allen diesen Fällen wurde die eben dargestellte Interpretation des Gleichheitssatzes durch den VfGH schlagend, sodass dieser zu prüfen hatte, ob die jeweils gegenständliche Norm das Leistungsfähigkeitsprinzip als grundlegendes Ordnungsprinzip des Einkommensteuerrechts ausreichend umsetzte

Im gegenständlichen Fall bringt der Bf. vor, er habe den Unterhalt der Gesamtfamilie zu tragen, da das Kind bei ihm wohne. Es sei daher gleichheitswidrig, ihm den Familienbonus Plus zu verwehren, da seine Gattin aufgrund der Höhe ihres Einkommens die Hälfte des Familienbonus nicht geltend machen könne.

Er übersieht in seiner Argumentation, dass die finanziellen Aufwendungen für das Kind im gegenständlichen Fall der Kindesvater und Unterhaltsverpflichtete durch Geldleistung des Unterhalts trägt.

Die Mutter des Kindes übernimmt die Betreuung des Kindes und leistet Naturalunterhalt. Dafür würde ihr der halbe Familienbonus zustehen.

Dass kein "übertragener" Anspruch des Lebensgefährten besteht, erscheint der Richterin nicht gleichheitswidrig. Die finanziellen Lasten für das Kind trägt der Unterhaltsverpflichtete, dass der Bf. die Aufwendungen für den Gesamthaushalt nach seinen Ausführungen alleine trägt, stimmt demnach im Hinblick auf dieses Kind nicht. Die Unterscheidung zu leiblichen Kindern im gemeinsamen Haushalt von Eheleuten ist damit nach Ansicht der Richterin klar: Für diese wird kein Unterhalt von dritter Seite geleistet.

Die verfassungsrechtlichen Bedenken werden daher seitens der Richterin nicht geteilt.

Die Einleitung eines Normenprüfungsverfahrens durch das BFG ist sohin nicht geboten.

Die Beschwerden waren abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Entscheidung basiert auf der eindeutigen gesetzlichen Regelung im EStG bzw. werden lediglich verfassungsrechtliche Bedenken vorgebracht. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 33 Abs. 3a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100271.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at