Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.04.2022, RV/6200050/2016

Keine Altlastenbeitragspflicht für die Zwischenlagerungen von Bodenaushubmaterial für eine Zeitraum von bis zu 3 Jahren

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch QUINTAX gerlich-fischer-kopp steuerberatungsgmbh, Ignaz-Rieder-Kai 13a, 5020 Salzburg, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Salzburg (nun Zollamt Österreich) vom , Zahl: ***600000/00000/5/2015***, betreffend Altlastenbeitrag, Säumnis- und Verspätungszuschlag zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die ***BH*** hat am eine Anzeige gegen die ***GmbH***, ***GmbH-Adr***, erstattet und dem Zollamt Salzburg hinsichtlich § 9a Altlastensanierungsgesetz (AlSAG) zur Kenntnis gebracht.
Die Anzeige erfolgte auf Grund einer örtlichen Wahrnehmung eines do Forstorgans am . Augenscheinlich sei Aushubmaterial auf den ***GP X*** und ***Y***, je ***KG***, abgelagert worden. Bei der in Anspruch genommenen Waldfläche handle es sich um rund 360 m2. Laut Orthofoto vom seien die gegenständlichen Waldflächen mit Forstgehölzen bestockt gewesen. Laut Kataster würde es sich bei den betroffenen Teilflächen der ***GP X*** und ***Y*** um Wald im Sinne des Forstgesetzes handeln. Die Baumartzusammenstellung könne auf Grund der erfolgten Aufschüttungsmaßnahmen nicht mehr nachvollzogen werden; auf Grund des Nebenbestandes sei von einem Laubholzmischwald auszugehen.
Durch die Ablagerungen des Aushubmaterials (Schotter ohne Humus) sei die Produktionskraft des Waldbodens zur Gänze vernichtet worden (§ 16 Abs 2 lit a Forstgesetz 1975).
Überdies habe die Wildbach- und Lawinenverbauung, Gebietsbauleitung ***Z***, auf Anfrage mit Schreiben vom mitgeteilt, dass sich die Schüttfläche innerhalb des 30jährlichen Abflussbereiches der ***Ache*** befinde. Demnach hätte die Schüttung einer wasser- und naturschutzrechtlichen Bewilligung bedurft. Die Schüttkubatur werde nach der Zufuhr von weiteren Bodenaushubmaterialien auf ca 900 m2 eingeschätzt. Zusätzlich zu der beschriebenen forstrechtlichen Verwaltungsübertretung liege somit der Verdacht der Begehung weiterer Übertretungen gemäß § 24 iVm § 61 Abs 1 Sbg. Naturschutzgesetz 1999 idgF und gemäß § 38 iVm § 137 Abs 3 Z 5 Wasserrechtsgesetz 1959 idgF vor.

In Beantwortung eines Vorhalts des Zollamtes Salzburg an die ***GmbH*** wurde vom Vertreter zusammenfassend mitgeteilt, dass die ***Bf*** Eigentümerin der Materialien sei. Bei der Materialaufschüttung handle es sich um Bodenaushubmaterial der Qualitätsklasse A2, das für ein künftiges Bauprojekt in gleichem Zustand wiederverwendet werden soll, teilweise durch Einarbeitung auf dem Grundstück auf dem sich die Materialien befinden, teilweise bei einem anderen Projekt. Da das Material nicht entsorgt, sondern zeitnah wiederverwertet werden soll, sei es zu keiner Lagerung im Sinne des AlSAG gekommen. Die Materialien würden sich seit dem Herbst 2015 auf dem Grundstück der ***Bf*** befinden. Es handle sich um keinen Abfall im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes (AWG), weil lediglich eine Zwischenlagerung auf eigenem Grund vorliege.

Mit Bescheid vom , Zahl: ***600000/00000/5/2015***, hat das Zollamt der ***Bf*** für das 4. Quartal 2015 für 1.350 Tonnen Bodenaushubmaterial Altlastenbeitrag in Höhe von € 12.420,00 sowie einen Säumniszuschlag gemäß § 217 BAO von 2 % und einen Verspätungszuschlag gemäß § 135 BAO von 3 % des Abgabenbetrages, insgesamt somit einen Betrag von € 13.041,00, vorgeschrieben.
Begründend führt das Zollamt im Wesentlichen aus, dass im Zeitpunkt der Zwischenlagerung des betreffenden Materials auf den Grundstücken ***GP X*** und ***Y***, ***KG***, die erforderliche forst-, naturschutz- und wasserrechtliche Bewilligung gefehlt habe. Der objektive Abfallbegriff sei daher zu bejahen.
Wenn für die Errichtung/den Betrieb eines Lagerplatzes die Bewilligung/Anzeige oder Nichtuntersagung einer Behörde vorliegen müsse und eine solche fehle, komme der Tatbestand des § 3 Abs 1 Z 1 AlSAG (Ablagern) zum Tragen.
Die ***Bf*** habe die beitragspflichtige Tätigkeit veranlasst und sei daher Beitragsschuldner gemäß § 4 Z 3 AlSAG.
Die erstmalige Festsetzung der Abgabe erfolge von Amts wegen mit Bescheid, weil der Beitragsschuldner die Selbstberechnung und Entrichtung (Fälligkeitstag: ) unterlassen habe.

Gegen diesen Bescheid hat die ***Bf*** (nachstehend mit "Bf" bezeichnet) mit Schreiben vom durch ihren Vertreter Beschwerde erhoben und die Aufhebung des Abgabenbescheides beantragt. Man habe zum damaligen Zeitpunkt Rücksprache mit der Behörde gehalten, ob eine Bewilligung im vorliegenden Fall notwendig sei. Dementsprechend liege keine Bewilligung/Anzeige vor, weil es sich um ein reines Zwischenlager handle und die Materialien bei künftigen Bauprojekten wiederverwendet würden. Der objektive Abfallbegriff liege im konkreten Fall nicht vor.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zahl: ***600000/00000/6/2015***, ist die Beschwerde als unbegründet abgewiesen worden. Die Lagerung des Bodenaushubmaterials als Abfall sei erforderlich gewesen, um die öffentlichen Interessen nicht zu beeinträchtigen, der objektive Abfallbegriff damit erfüllt.

Mit Schreiben vom hat die Bf beantragt, ihre Bescheidbeschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen. Dies möge eine mündliche Verhandlung durchführen.

Im März 2020 wurde dem Bundesfinanzgericht eine von der Bf in Auftrag gegebene gutachterliche Stellungnahme der ***N*** vom23. Juli 2017 vorgelegt. Laut diesem Gutachten entfallen für die Bf die notwendigen forst-, wasser- und naturschutzrechtlichen Bewilligungen.
Bereits vor der Ablagerung sei auf den betreffenden Grundstücken eine neue Leitung der ***AG*** verlegt und die ***Ache*** neu verbaut worden. Die Rodung wäre bereits zu einem früheren Zeitpunkt durchgeführt worden und hätten andere Einschreiter um Bewilligung dafür ansuchen müssen. Die gänzliche Vernichtung der Produktionskraft laut § 16 Abs 2 lit a Forstgesetz 1975 sei nicht von der Bf ausgeübt worden, sondern bereits von den Betreibern der Errichtung der Verrohrung bzw des Bachverbaues.
Die Bf habe auch nicht annehmen können, dass es sich bei der betreffenden Fläche um einen HQ 30 Bereich handle, da dieser im SAGIS nicht ausgewiesen sei und auf der benachbarten Fläche (flussaufwärts) eines holzverarbeitenden Betriebes verschiedenes Holz in Form von hohen Bretterstößen, Rundholz und Bauholz gelagert werde, was im Falle eines Starkniederschlagsereignisses zu Verklausungen führen könne. Hingegen wäre das gelagerte Aushubmaterial ohne einen Schaden zu verursachen abgeschwemmt worden. Es sei durch die Zwischenlagerung des Aushubmaterials im Herbst, wenn mit keinen größeren Starkniederschlagsereignissen mehr zu rechnen sei, zu keiner Veränderung der Abflussverhältnisse gekommen und es wäre auch keine Gefährdung der Unterlieger ausgelöst worden.
Auch ein Biotop ist auf der Biotopkartierung des Landes Salzburg auf den betreffenden Flächen nicht ausgewiesen. Auf Grund der obigen Ausführungen und der Bewirtschaftung der Nachbarflächen sei für den Nutzer vor Ort keine Zuweisung, wie laut Gebietsbauleitung der WLV erfolgt, erkennbar.
Auf Grund der Art der Lagerung (Zwischenlagerung zur Verwendung als Hinterfüllmaterial) könne festgestellt werden, dass keine dauerhafte Lagerung des Materials beabsichtigt gewesen sei, da das Material nicht eingebaut worden wäre, keine Verdichtung vorgenommen worden wäre und auch kein humoser Oberboden aufgebracht worden sei.
Weiters wäre eine dauerhafte Lagerung von Aushubmaterial in diesem Bereich nicht möglich, da es sich um eine Zufahrt zur Wasserkraftanlage und zum Erhaltungsbereich der Verbauung der ***Ache*** handle. Vom Grundbesitzer wäre nur die Zustimmung zur Zwischenlagerung erteilt worden (als Beilage angeschlossen).
Zusammenfassend stellt der Gutachter fest, es könne für die Bf nicht erkennbar sein, dass kurzfristige Lagerungen im betreffenden Bereich gesetzlich nicht erlaubt seien, da es in den benachbarten Bereichen zu keinen Beanstandungen (Lagerung von Holz, Nutzung als Parkflächen, Errichtung von Wegen, etc) von Seiten der zuständigen Behörde komme.

Auf Anfrage des Bundesfinanzgerichtes hat die ***BH*** mitgeteilt, dass do Verfahren sei abgeschlossen, nachdem man im Zuge eines Augenscheins am festgestellt habe, dass das Bodenaushubmaterial offenbar aus dem Überflutungsbereich der Ache bzw aus der Waldfläche verbracht worden ist und somit kein Beseitigungsauftrag nach dem Forst- oder Wasserrechtsgesetz mehr erforderlich war.

Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist von der Bf mit Schreiben vom zurückgenommen worden.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

§ 3 AlSAG idmF lautet auszugsweise:

"(1) Dem Altlastenbeitrag unterliegen
1. das Ablagern von Abfällen oberhalb oder unterhalb (dh. unter Tage) der Erde; als Ablagern im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt auch
a) das Einbringen von Abfällen in einen Deponiekörper, auch wenn damit deponiebautechnische oder andere Zwecke verbunden sind (zB Fahrstraßen, Rand- und Stützwälle, Zwischen- oder Oberflächenabdeckungen einschließlich Methanoxidationsschichten und Rekultivierungsschichten),
b)
das mehr als einjährige Lagern von Abfällen zur Beseitigung oder das mehr als dreijährige Lagern von Abfällen zur Verwertung,
c) …

(1a) Von der Beitragspflicht ausgenommen sind ...""

Streitpunkt des Verfahrens ist, ob auch das nicht mehr als dreijährige Lagern von Abfällen zur Verwertung - wie vom Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung seit dem Erkenntnis vom , 2010/07/0218, angenommen - dem Altlastenbeitrag unterliegt, "wenn nicht alle hiefür erforderlichen behördlichen Bewilligungen (Anzeigen oder Nichtuntersagungen) vorgelegen sind".

Das Zollamt führt in seiner rechtlichen Beurteilung aus, auch eine Zwischenlagerung in einer kürzeren als in § 3 Abs 1 Z 1 lit b AlSAG genannten Zeitdauer führe nach dem oa Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes und der Folgejudikatur zur Beitragspflicht nach dem AlSAG, wenn nicht sämtliche Bewilligungen vorlägen. Eine solche Zwischenlagerung liege im Beschwerdefall vor, weil nicht sämtliche erforderlichen Bewilligungen vorgelegen hätten.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2019/13/0006, ist er mit verstärktem Senat jedoch von der früheren Judikatur, wonach das Fehlen einer für die Zwischenlagerung erforderlichen Bewilligung zur Altlastenbeitragspflicht hinsichtlich kürzerer als der in § 3 Abs 1 Z 1 lit b AlSAG der Beitragspflicht unterworfenen Zwischenlagerungen führe, abgegangen.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt zum AWG 2002, wie zuvor schon zum AWG 1990, in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, eine "Ablagerung" liege vor, wenn sie langfristig oder auf Dauer erfolge, während einer "Lagerung" immanent sei, dass die betreffenden Stoffe wieder entfernt werden sollen (vgl in diesem Sinn ; , 2000/07/0255; , 2003/07/0121; , 2003/07/0115; , 2006/07/0164; , 2009/07/0210; , 2009/07/0154; , 2008/07/0078). Die Formulierung des Deponiebegriffs im AWG 2002 entspreche diesem schon zum AWG 1990 vertretenen Verständnis (so das Erkenntnis vom ).
Dass eine Zwischenlagerung keine "Ablagerung" ist, setzt etwa auch der mit der AWG-Novelle 2004, BGBl. I Nr. 155, eingeführte letzte Satz des § 15 Abs 3 AWG voraus, wenn es darin heißt, eine "Ablagerung von Abfällen" dürfe nur in hiefür genehmigten "Deponien" erfolgen.
§ 3 Abs 1 Z 1 AlSAG knüpft - auch in der Verwendung der Begriffe "Ablagern" und "Lagern" - an dieses Regelungsgefüge an und verfolgt in lit b, wie auch im Schrifttum angemerkt wird, den Zweck, die ua für das Einbringen von Abfällen in einen Deponiekörper vorgesehene Beitragspflicht auf Fälle auszudehnen, in denen die Dauer einer Zwischenlagerung das Maß überschreitet, bis zu dem sie ohne Einhaltung der Bestimmungen für Deponien zulässig ist (vgl in diesem Sinn Eisenberger, RdU 2013, 100).
Eine Vorschrift, die kürzere Zwischenlagerungen dem Altlastenbeitrag unterwirft, existiert nicht.
Das Gesetz enthält keinen Abgabentatbestand, unter den Zwischenlagerungen subsumierbar sind und von dem § 3 Abs 1 Z 1 lit b AlSAG eine Ausnahme vorsieht, und die zitierte Bestimmung gehört nicht zu den in § 3 Abs 1a AlSAG normierten Ausnahmen von den in Abs 1 normierten Fällen der Beitragspflicht. Sie begründet wie die im Erkenntnis vom , 2003/07/0115, kommentierte Regelung, an deren Stelle sie trat, eine ohne sie nicht bestehende Beitragspflicht in Fällen, für deren Behandlung "als Ablagern" das Gesetz die Überschreitung einer bestimmten Dauer des "Lagerns" verlangt.

Da das verfahrensgegenständliche Bodenaushubmaterial laut Aktenlage ab Herbst 2015 auf den betreffenden Grundstücken zwischengelagert und im Juli 2016 bereits entfernt war, liegt eine Beitragspflicht aufgrund von § 3 Abs 1 Z 1 lit b AlSAG im gegenständlichen Fall - mangels Lagerung über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren - nicht vor.
Ob für die Zwischenlagerung des Materials tatsächlich eine forst-, wasser- oder naturschutzrechtliche Bewilligung erforderlich gewesen wäre, ist vom Bundesfinanzgericht nicht mehr zu prüfen.

Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

Zur Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung - insbesondere das Erkenntnis vom , Ro 2019/13/0006 - nicht erfüllt.

Salzburg, am

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