TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.03.2022, RV/5100019/2022

Kein Verspätungszuschlag - entschuldbares Handeln

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gabriele Grossgut-Palotás in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Szerva Steuerberatung GmbH & Co KG, Wildfellnerstraße 28, 4910 Ried/Innkreis, und ***1***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Verspätungszuschlag / Umsatzsteuer 05/2021, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Angefochten ist der Bescheid über die Festsetzung eines Verspätungszuschlages betretreffend Umsatzsteuer 05/2021.

Die Beschwerdeführerin - gegründet durch Einbringung eines Einzelunternehmens im März 2021 - reichte über Aufforderung des Finanzamtes vom eine Umsatzsteuervoranmeldung für den Zeitraum 05/2021 innerhalb der gesetzten Nachreichungsfrist ein und überwies gleichzeitig die Umsatzsteuerzahllast.

In weiterer Folge erließ das Finanzamt am einen Verspätungszuschlagsbescheid in Höhe von 187,14 €.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch ihre steuerliche Vertreterin mit Schriftsatz vom Beschwerde und beantragte, von der Festsetzung des Verspätungszuschlages abzusehen, da die Verspätung entschuldbar sei. Begründend führte sie aus, sie sei von einer vierteljährlichen Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen ausgegangen, da der Vorjahresumsatz nur 85.139,95 € betragen habe; sie habe nach Aufforderung des Finanzamtes die UVA 05/2021 innerhalb der Frist nachgereicht und die Umsatzsteuerzahllast sogleich bezahlt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom reduzierte das Finanzamt den Verspätungszuschlag um 3 % auf 2 % und setzte ihn mit 74,86 € fest.

Mit Schriftsatz vom beantragte die Beschwerdeführerin die Vorlage ihrer Beschwerde an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung. Begründend führte sie aus, sie sei für die Frage des Voranmeldungszeitraumes der Umsatzsteuer von den Umsatzzahlen des Einzelunternehmens des Jahres 2020 und damit von einer vierteljährlichen Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldungen ausgegangen; es habe keine Verpflichtung zur monatlichen Abgabe bestanden; in der Folge sei somit auch keine Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung versäumt worden.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Mit Einbringungsvertrag vom wurde das Einzelunternehmen des ***1*** unter Anwendung des Art. III UmgrStG rückwirkend zum in die A GmbH (Beschwerdeführerin) eingebracht.

Die Beschwerdeführerin hat daher ab Mai 2021 die laufende Umsatzsteuer geleistet.

Bis einschließlich zweites Quartals 2021 waren die Umsatzsteuervoranmeldungen des Einzelunternehmens vierteljährlich eingereicht worden. Der Vorjahresumsatz belief sich auf 85.139,95 €.

Durch den angefochtenen Bescheid über die Festsetzung eines Verspätungszuschlages für den Zeitraum 05/2021 wird von der Vorauszahlung an Umsatzsteuer in Höhe von 3.742,80 € ein Verspätungszuschlag mit 5 %, ds. 187,14 €, festgesetzt.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist unstrittig; es handelt sich um eine reine Rechtsfrage.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

  1. Rechtslage

Gemäß § 21 Abs. 1 UStG 1994 hat der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und 2 und des § 16 selbst zu berechnen hat. Die Voranmeldung gilt als Steuererklärung (1. und 2. Satz).

Für Unternehmer, deren Umsätze nach § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 im vorangegangenen Kalenderjahr 100.000 Euro nicht überstiegen haben, ist das Kalendervierteljahr der Voranmeldungszeitraum (Abs. 2 1. Halbsatz).

Gemäß § 135 BAO kann die Abgabenbehörde Abgabepflichtigen, die die Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung nicht wahren, einen Zuschlag bis zu 10 Prozent der festgesetzten Abgabe (Verspätungszuschlag) auferlegen, wenn die Verspätung nicht entschuldbar ist; solange die Voraussetzungen für die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung gegeben sind, tritt an die Stelle des festgesetzten Betrages der selbst berechnete Betrag. Dies gilt sinngemäß, wenn nach den Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe einem abgabenrechtlich Haftungspflichtigen obliegt. Verspätungszuschläge, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen.

Gemäß § 20 BAO müssen sich Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind die Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.

  1. Rechtliche Erwägungen

Das Finanzamt hat am einen Bescheid über die Festsetzung eines Verspätungszuschlages betreffend Umsatzsteuer 5/2021 erlassen.

Umsatzsteuervoranmeldungen (§ 21 Abs. 1 UStG 1994) sind als Steuererklärungen anzusehen. Wird die einzureichende Voranmeldung nicht fristgerecht abgegeben, kann ein Verspätungszuschlag auferlegt werden (Ruppe, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, 3. Auflage, § 21 Tz 19).

Der gesetzliche Zweck der Festsetzung von Verspätungszuschlägen besteht darin, den rechtzeitigen Eingang der Abgabenerklärungen und damit die zeitgerechte Festsetzung und die Entrichtung der Abgabe sicherzustellen. Der Verspätungszuschlag hat insoweit zugleich repressiven als auch (zumindest mittelbar) präventiven Charakter und ist ein Druckmittel eigener Art, das auf die besonderen Verhältnisse des Abgabenrechtes zugeschnitten sind (Stoll, BAO-Kommentar, § 135, Seiten 1524 f). Der Verspätungszuschlag ist somit die Sanktion für die verspätete Einreichung bzw. für die Nichteinreichung einer Abgabenerklärung (Ritz, BAO6, § 135 Tz 6).

Die Begründung (§ 93 Abs. 3 lit. a) des Verspätungszuschlagsbescheides hat alle für die Ermessensübung maßgeblichen Umstände und Erwägungen zu enthalten (zB ). Sie hat weiters das Vorliegen des Verschuldens nachvollziehbar zu begründen (). Eine lediglich die Behauptung enthaltende Begründung, eine Voranmeldung sei nicht bzw. verspätet eingereicht worden, genügt in keinem Fall (Ritz, BAO6, § 135 Tz 22, und die dort zitierte Literatur).

Die Festsetzung von Verspätungszuschlägen liegt dem Grunde und der Höhe nach im Ermessen (zB ). Sie setzt voraus, dass ein Abgabepflichtiger die Frist bzw. Nachfrist zur Einreichung einer Abgabenerklärung nicht einhält und dass dies nicht entschuldbar ist (Ritz, BAO6, § 135 Tz 4).

Ist hingegen die Verspätung entschuldbar, bleibt kein Raum für eine Ermessensübung. Diesfalls ist von der Festsetzung eines Verspätungszuschlages aus Rechtsgründen abzusehen (Rechtsanspruch, zwingendes Recht) (). Auch die Beurteilung der Frage, ob im Einzelfall Verschulden vorliegt oder nicht, ist nicht Ermessen. "Verschulden" ist ein unbestimmter (normativer) Gesetzesbegriff, der fallbezogen mitunter einen gewissen Interpretationsspielraum nicht auszuschließen vermag, der aber nicht eine (relativ) freie Beurteilung wie bei Ermessensnormen eröffnet (Stoll, BAO-Kommentar, § 135, Seiten 1527 f).

Eine Verspätung ist dann entschuldbar, wenn dem Abgabepflichtigen ein Verschulden nicht zugerechnet werden kann, dh. wenn er die Versäumung der Frist zur Einreichung der Abgabenerklärung weder vorsätzlich noch fahrlässig herbeigeführt hat (). Bereits leichte Fahrlässigkeit schließt die Entschuldbarkeit aus (zB ). Als leicht fahrlässig gilt ein Verschulden, wenn es auf einem Fehler beruht, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht (). Grobe Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn eine so schwere Sorgfaltswidrigkeit gesetzt wird, wie sie einem ordentlichen Menschen in dieser Situation keinesfalls unterläuft (Stoll, BAO-Kommentar, § 135, Seiten 1528).

Kein Verschulden liegt vor, wenn die Partei der vertretbaren Rechtsansicht war, dass sie keine Abgabenerklärung einzureichen hat und daher die Einreichung unterlässt (, 0141; ). Gesetzesunkenntnis oder irrtümliche, objektiv fehlerhafte Rechtsauffassungen sind nur dann entschuldbar und nicht als Fahrlässigkeit zuzurechnen, wenn die objektiv gebotene, der Sache nach pflichtgemäße, nach den subjektiven Verhältnissen zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen wurde (Ritz, BAO6, § 135 Tz 10 und die dort zitierte Judikatur).

Es handelt sich bei der Beschwerdeführerin um die Rechtsnachfolgerin des Einzelunternehmens, welches aufgrund seiner Umsatzzahlen die Umsatzsteuervoranmeldungen jeweils vierteljährlich eingereicht hatte. Die Beschwerdeführerin ist aufgrund eines Vorjahresumsatzes von unter 100.000 € vom Kalendervierteljahr als Voranmeldezeitraum ausgegangen.

Die Beschwerdeführerin war somit der vertretbaren Rechtsansicht, dass sie keine Umsatzsteuervoranmeldung für Mai 2021 abzugeben hatte. Es ist ihr kein Fehlverhalten an der verspäteten Abgabe der UVA 05/2021 vorzuwerfen. Die Verspätung ist daher entschuldbar. Es bleibt folglich kein Raum für eine Ermessensübung. Von der Festsetzung eines Verspätungszuschlages war daher aus Rechtsgründen abzusehen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da die vorgenannten Gründe nicht vorliegen, ist eine Revision nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 135 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100019.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at