Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 31.03.2022, RV/7106311/2019

Kurzfristige Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Christian Doktor über die Beschwerde des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom , gegen den Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom , betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Monat Dezember 2018, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der Rückforderungsbescheid wird ersatzlos aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.), ein rumänischer Staatsbürger, ist verheiratet und bezieht auf Grund seiner nichtselbständigen Beschäftigung in Österreich für die KinderA., geb. ***1*** und B., geb. ***2***, Differenzzahlungen zur Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbeträgen.

Im Zuge der Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen forderte das Finanzamt vom Bf. mit Bescheid vom die für den Monat Dezember 2018 bezogenen Familienbeihilfen- und Kinderabsetzbeträge (Differenzzahlung) unter Hinweis auf die Bestimmungen des § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) mit der Begründung zurück, dass im Fall, dass sich zwischen den Mitgliedstaaten während eines Kalendermonats die Rechtsvorschriften und/oder die Zuständigkeit für die Gewährung von Familienleistungen ändern, der Mitgliedstaat, der die Familienleistungen zu Beginn dieses Monats gewährt habe, die Familienleistungen bis zum Ende dieses Monats auszuzahlen habe (Verweis auf Art. 59 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 zur Festlegung der Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit). Da der Bf. im Dezember 2018 nicht zu Beginn des Monats in Österreich erwerbstätig gewesen sei, stehe für diesen Monat die Familienbeihilfe für seine Kinder nicht zu.

In seiner Beschwerde vom (eingelangt beim Finanzamt am ) brachte der Bf. vor, dass er die Begründung des Finanzamtes - Bezugnahme auf Art. 59 der EU-Durchführungsverordnung - nicht richtig finde, weil er sich seit im Bundesgebiet und nicht in Bulgarien aufgehalten habe. Er sei immer beim selben Betrieb, nur mit kurzer Winterunterbrechung, beschäftigt gewesen.


Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit folgender Begründung ab:

"Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 in der ab gültigen Fassung regelt, welcher Mitgliedstaat für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen vorrangig zur Gewährung der im jeweiligen Hoheitsgebiet vorgesehenen Familienleistungen verpflichtet ist.

Vorrangig muss grundsätzlich jener Mitgliedstaat die Familienleistungen gewähren, in dem eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird.

Sind die Elternteile in verschiedenen Mitgliedstaaten erwerbstätig, trifft die vorrangige Verpflichtung zur Gewährung der Familienleistungen jenen Mitgliedsstaat, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen.

Sind die Familienleistungen im anderen Mitgliedsstaat höher, besteht dort gegebenenfalls ein Anspruch auf Gewährung des Unterschiedsbetrages (Artikel 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004).

Wird in jenem Mitgliedstaat, der vorrangig zur Gewährung von Familienleistungen verpflichtet ist, kein Antrag gestellt, so kann der andere Mitgliedsstaat dennoch jene Leistungen, die bei Antragstellung gewährt worden wären, bei der Berechnung des Unterschiedsbetrages berücksichtigen.

Im vorliegenden Fall wurden von Ihnen Unterlagen eingebracht, die belegen, dass Sie laut Meldenachweis ab in ***3*** durchgehend gemeldet sind. Diese Meldebestätigung ist lediglich ein Indiz dafür, dass die Meldung aufrecht ist, wo sie sich tatsächlich aufhalten, geht daraus allerdings nicht hervor.

Aus dem Versicherungsdatenauszug der NÖGKK ist ersichtlich, dass der Entgeltanspruch am an die Firma Trinkl GmbH endet, dass dieser allerdings nach dem Bezug von Krankengeld vom bis erst wieder am begonnen hat, wird in Ihrem Beschwerdeschreiben nirgends erwähnt und auch nicht nachgewiesen.

Wie bereits im Rückforderungsbescheid dargelegt, ist in erster Linie jener Staat für die Auszahlung der Familienleistungen zuständig, der zu Beginn des Monats die Auszahlung vorzunehmen hatte, dies ist im vorliegenden Fall der Wohnsitzstaat Bulgarien, da die Kindesmutter im Wohnsitzstaat ebenfalls beschäftigt ist (betreibt eine Landwirtschaft).

Da Sie also nicht zu Beginn des Monats Dezember 2018 im Inland beschäftigt waren, stehen die österreichischen Familienleistungen für Ihre Kinder im Dezember 2018 nicht zu.

Bemerkt wird noch folgendes:

Aus der nunmehr mit Ergänzungsschreiben vorgelegten Bescheinigung aus Bulgarien ist ersichtlich, dass dort Familienleistungen nicht ausbezahlt worden sind (ab Jänner 2018 bis Juli 2019), da ein Antrag dort gar nicht eingereicht worden ist. Es hätte also bei der Erledigung des Antrages auf die österreichischen Familienleistungen die bulgarische Beihilfe in Abzug gebracht werden können, dies wurde allerdings nicht in Erwägung gezogen, sondern der Beihilfenbetrag zur Gänze ausbezahlt."


Der Bf. brachte im Vorlageantrag vom vor, dass es stimme, dass er bis (Freitag) im Krankengeldbezug gewesen sei. Der 1. und sei ein Wochenende gewesen, am (Montag) habe die Firma, er arbeite als Steinmetz, keine Arbeit für ihn gehabt, weshalb er erst am (Dienstag) zu arbeiten begonnen habe. Das heiße, dass er im Dezember 2018 in Bulgarien nicht beschäftigt gewesen sein habe können. Des Weiteren stimme es, dass er keinen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe in Bulgarien gestellt habe, weil ein solcher auf Gewährung der Ausgleichszahlung in Österreich von ihm gestellt worden sei. Tatsache sei aber, dass er im gefragten Zeitraum keine bulgarische Familienleistung bezogen habe, was das Formular E 411 vom bestätige.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Feststellungen

Der Bf., seine Gattin und die zwei mj. Kinder sind bulgarische Staatsbürger.

Die Familie lebt in Bulgarien im gemeinsamen Haushalt.

Der Bf. übt in Österreich seit mehreren Jahren eine nichtselbständige Tätigkeit aus. Er arbeitet seit als Steinmetzarbeiter bei der Fa. ***4*** und ist seit mit einem Hauptwohnsitz in ***3*** gemeldet.

Die Kindesmutter betreibt in Bulgarien eine Landwirtschaft und hat keinen Antrag auf Familienleistungen gestellt. Demnach bezieht sie in Bulgarien keine Familienleistungen.

Zufolge des Versicherungsdatenauszuges der NÖGKK bezog der Bf. vom bis Krankengeld und war vom bis wieder als beschäftigt gemeldet.

Dieser Sachverhalt ist unstrittig.

Strittig ist, ob ein Zuständigkeitswechsel iSd Art. 59 der VO (EG) Nr. 987/2009, oder bloß eine kurzfristige Unterbrechung der Erwerbstätigkeit vorliegt, sodass dem Bf. für den Monat Dezember 2018 eine Differenzzahlung zustand.

Die Rückforderung wurde seitens des Finanzamtes mit der fehlenden bzw. nicht ab dem Monatsersten beginnenden Beschäftigung des Bf. im Monat Dezember 2018 begründet.

Gesetzliche Grundlagen:

Nationales Recht

Gemäß § 2 Abs. 1 lit a FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für minderjährige Kinder Anspruch auf Familienbeihilfe.

Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden, und erlischt der Anspruch auf Familienbeihilfe mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

§ 4 FLAG 1967 normiert:

"(1) Personen, die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe haben, haben keinen Anspruch auf Familienbeihilfe.

(2) Österreichische Staatsbürger, die gemäß Abs. 1 oder gemäß § 5 Abs. 5 vom Anspruch auf die Familienbeihilfe ausgeschlossen sind, erhalten eine Ausgleichszahlung, wenn die Höhe der gleichartigen ausländischen Beihilfe, auf die sie oder eine andere Person (§ 5 Abs. 5) Anspruch haben, geringer ist als die Familienbeihilfe, die ihnen nach diesem Bundesgesetz ansonsten zu gewähren wäre.

(3) Die Ausgleichszahlung wird in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der gleichartigen ausländischen Beihilfe und der Familienbeihilfe, die nach diesem Bundesgesetz zu gewähren wäre, geleistet.

(4) … (5) …

(6) Die Ausgleichszahlung gilt als Familienbeihilfe im Sinne dieses Bundesgesetzes; die Bestimmungen über die Höhe der Familienbeihilfe finden jedoch auf die Ausgleichszahlung keine Anwendung."

§ 53 Abs. 1 FLAG 1967 lautet:

Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) sind, soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Hiebei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten.

Internationales Recht

Für den Streitzeitraum ist die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (im Folgenden: VO 883/2004) maßgebend. Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, welche Familienleistungen betreffen (Art. 3 Abs. 1 Buchstabe j VO 883/2004). Die in Rede stehende Familienbeihilfe ist eine Familienleistung.

Nach Art. 2 Abs. 1 VO 883/2004 gilt diese Verordnung für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in dem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.

Art. 1 lit. i Verordnung Nr. 883/2004 lautet:

"Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:

i) ,Familienangehöriger':

1. i) jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, als Familienangehöriger bestimmt oder anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet wird;

Art. 4 VO 883/2004 zufolge haben die Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates.

Art. 11 der VO 883/2004 bestimmt:

"1) Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

(2) Für die Zwecke dieses Titels wird bei Personen, die aufgrund oder infolge ihrer Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit eine Geldleistung beziehen, davon ausgegangen, dass sie diese Beschäftigung oder Tätigkeit ausüben....

(3) Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:

a) eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

Nach Art. 67 VO 883/2004 hat eine Person auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden.

Art. 68 VO 883/2004 lautet:

Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen

(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:

a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.

b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien:

i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt;

ii) …

iii) bei Ansprüchen, die durch den Wohnort ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder.

(2) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird.

(3) …."

Beschluss Nr. F1 der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der Sozialen Sicherheit vom zur Auslegung des Artikels 68:

Für die Zwecke des Artikels 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 gelten Ansprüche auf Familienleistungen insbesondere dann als "durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst", wenn sie erworben wurden

  1. aufgrund einer tatsächlichen Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit oder auch

  2. während Zeiten einer vorübergehenden Unterbrechung einer solchen Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit

  1. wegen Krankheit, Mutterschaft, Arbeitsunfall, Berufskrankheit oder Arbeitslosigkeit, solange Arbeitsentgelt oder andere Leistungen als Renten in Zusammenhang mit diesen Versicherungsfällen zu zahlen sind, oder

ii) durch bezahlten Urlaub, Streik oder Aussperrung oder

  1. durch unbezahlten Urlaub zum Zweck der Kindererziehung, solange dieser Urlaub nach den einschlägigen Rechtsvorschriften einer Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit gleichgestellt ist.

2. Dieser Beschluss wird im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Er gilt ab dem Datum des Inkrafttretens der Verordnung (EG) Nr. 987/2009.

Artikel 60

Verfahren bei der Anwendung von Artikel 67 und 68 der Grundverordnung

(1) Die Familienleistungen werden bei dem zuständigen Träger beantragt. Bei der Anwendung von Artikel 67 und 68 der Grundverordnung ist, insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelangt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fallen und dort wohnen. Nimmt eine Person, die berechtigt ist, Anspruch auf die Leistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahr, berücksichtigt der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind, einen Antrag auf Familienleistungen, der von dem anderen Elternteil, einer als Elternteil behandelten Person oder von der Person oder Institution, die als Vormund des Kindes oder Kinder handelt, gestellt wird."

Rechtliche Beurteilung

Allgemeines zur Anwendung der nationalen und internationalen Bestimmungen

Zufolge der unter den gesetzlichen Grundlagen angeführten Bestimmungen des § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Nach § 2 Abs 2 FLAG 1967 hat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs 1 genanntes Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Nach § 2a Abs 1 erster Satz FLAG 1967 geht für den Fall, dass ein Kind zum gemeinsamen Haushalt der Eltern gehört, der Anspruch des Elternteils, der den Haushalt überwiegend führt, dem Anspruch des anderen Elternteils vor. Hierbei wird nach dem zweiten Satz leg.cit. bis zum Beweis des Gegenteils die Vermutung statuiert, dass die Mutter den Haushalt führt.

Die Bestimmung des § 2a Abs 2 erster Satz FLAG 1967 führt aus, dass in den Fällen des Abs. 1 der Elternteil, der einen vorrangigen Anspruch hat, zugunsten des anderen Elternteils ver-zichten kann.

Personen haben nach § 2 Abs 8 FLAG 1967 nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.

§ 3 FLAG 1967 legt zusätzliche Voraussetzungen für Personen und Kinder fest, die nichtösterreichische Staatsbürger sind.

Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht nach § 5 Abs 3 FLAG 1967 für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht nach § 5 Abs 4 FLAG 1967 für Kinder, für die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe besteht. Die Gewährung einer Ausgleichzahlung (§ 4 Abs. 2) wird dadurch nicht ausgeschlossen.

Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum(EWR) sind, soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, nach § 53 Abs 1 FLAG 1967 in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Hierbei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten.

Die VO gilt nach Art 2 Abs 1 für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.

Nach Art 3 Abs 1 lit j VO 883/2004 umfasst der sachliche Geltungsbereich dieser Verordnung auch Familienleistungen.

Gemäß Art. 11 Abs. 1 VO 883/2004 unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Mit diesem Grundsatz sollen die Komplikationen, die sich aus der gleichzeitigen Anwendung von Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten ergeben können, vermieden und die Ungleichbehandlungen ausgeschlossen werden, die für innerhalb der Union zu- und abwandernde Personen aus einer teilweisen oder vollständigen Kumulierung der anwendbaren Rechtsvorschriften folgen würden (, Szoja, Rn. 35; , Rs C-33/18, V, Rn. 42, jeweils mwN).

Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben nach Art 4 Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates.

Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, dürfen Geldleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder nach dieser Verordnung zu zahlen sind, gemäß Art 7 nicht auf Grund der Tatsache gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden, dass der Berechtigte oder seine Familienangehörigen in einem anderen als dem Mitgliedstaat wohnt bzw. wohnen, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat.

Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt nach Art 11 Abs 3 lit a VO (EG) 883/2004 Folgendes:

Eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats.

Eine Person hat nach Art 67 erster Satz VO 883/2004 auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden.

Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten nach Art 68 Abs 1 VO 883/2004 folgende Prioritätsregeln:

"a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.
b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach folgenden subsidiären Kriterien:
i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt;
..."

Nach Art 60 Abs 1 DVO ("Verfahren bei der Anwendung von Artikel 67 und 68 der Grundverordnung") werden die Familienleistungen bei dem zuständigen Träger beantragt. Bei der Anwendung von Artikel 67 und 68 der Grundverordnung ist, insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelangt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaates fallen und dort wohnen.

Grundsätzlich sollen die Betroffenen nur dem System der sozialen Sicherheit eines einzigen Mitgliedstaats unterliegen, sodass die Kumulierung anwendbarer nationaler Rechtsvorschriften und die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben können, vermieden werden (vgl. und C 612/10 Waldemar Hudzinski und Jaroslaw Wawrzyniak). Dies ist entsprechend dem Grundsatz des Art. 11 Abs. 3 lit. a der VO der Staat, in dem die Person ab-hängig beschäftigt ist.

Anspruchsberechtigte Personen

Wer von den unionsrechtlich grundsätzlich als anspruchsberechtigte Personen anzusehenden Familienangehörigen tatsächlich primär oder sekundär oder gar keinen Anspruch auf öster-reichische Familienleistungen hat, ist nach nationalem Recht zu beurteilen (; ; ).

Aufgrund des Urteil des C-378/14, Rs Trapkowski, ist die Rechtslage auf Grund der anzuwendenden Familienbetrachtungsweise zu beurteilen wie folgt:

"38 Aus Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 in Verbindung mit Art. 60 Abs. 1 der Verordnung Nr. 987/2009 ergibt sich zum einen, dass eine Person Anspruch auf Familienleistungen auch für Familienangehörige erheben kann, die in einem anderen als dem für ihre Gewährung zuständigen Mitgliedstaat wohnen, und zum anderen, dass die Möglichkeit, Familienleistungen zu beantragen, nicht nur den Personen zuerkannt ist, die in dem zu ihrer Gewährung verpflichteten Mitgliedstaat wohnen, sondern auch allen "beteiligten Personen" , die berechtigt sind, Anspruch auf diese Leistungen zu erheben, zu denen die Eltern des Kindes gehören, für das die Leistungen beantragt werden. ...

40 Es obliegt jedoch der zuständigen nationalen Behörde, zu bestimmen, welche Personen nach nationalem Recht Anspruch auf Familienleistungen haben.

41 Nach alledem ist Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 987/2009 dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Fiktion dazu führen kann, dass der Anspruch auf Familienleistungen einer Person zusteht, die nicht in dem Mitgliedstaat wohnt, der für die Gewährung dieser Leistung zuständig ist, sofern alle anderen durch das nationale Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Gewährung erfüllt sind, was von dem vorlegenden Gericht zu prüfen ist."

Aus dem Urteil des EuGH geht eindeutig hervor, dass, wenn eine Person, die berechtigt ist, Anspruch auf Familienleistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahrnimmt (hier: die Kindesmutter), der andere Elternteil (hier: der Bf.) einen Antrag auf Gewährung dieser Leistungen stellen kann (Rz 37) (vgl. hierzu die Erkenntnisse des BFG: ; , , ; ).

Für den vorliegenden Fall gilt Folgendes:

Beschäftigung des Bf. in Österreich

Der Bf. ist als bulgarischer Staatsbürger EWR-Bürger. Er ist daher gemäß § 53 Abs. 1 FLAG 1967 österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt.

Somit waren die innerstaatlichen Bestimmungen des FLAG 1967 als auch die Verordnung (EG) Nr 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (idF VO), die ab gilt, anzuwenden.

Der Bf. übt seit einigen Jahren in Österreich eine nichtselbständige Beschäftigung aus und ist seit mit einem Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet ist. Seine Ehegattin betreibt in Bulgarien eine Landwirtschaft. Die Kinder leben mit ihr im gemeinsamen Haushalt. Die Ehegattin hat in Bulgarien keinen Antrag auf Familienleistungen gestellt.

Der Anspruch auf Familienleistungen in Österreich war gemäß Art 11 Abs. 3 lit a der VO (EG) 883/2004 durch die (ausschließlich) nichtselbständige Erwerbstätigkeit des Bf. in Österreich begründet. Es kam daher Art. 68 lit b VO (EG) 883/2004 zur Anwendung. Österreich war als Beschäftigungsstaat vorrangig zuständig () und hat demgemäß die Familienbeihilfe (Differenzzahlung/Ausgleichszahlung) ausbezahlt.

Kein Antrag der Ehegattin des Bf. auf Familienleistungen in Bulgarien

Nimmt eine Person, die berechtigt ist, Anspruch auf die Leistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahr, berücksichtigt der zuständige Träger des Mitgliedstaates, dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind, einen Antrag auf Familienleistungen, der von dem anderen Elternteil, einer als Elternteil behandelten Person oder von der Person oder Institution, die als Vormund des Kindes oder der Kinder handelt, gestellt wird.

Die Interpretation des Bf, wenn die Mutter ihren Anspruch nicht wahrnehme, komme er als Antrag stellender Vater gemäß Art 60 Abs 1 DVO zum Zug (arg.: "berücksichtigt der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind, einen Antrag auf Familienleistungen, der von dem anderen Elternteil ... gestellt wird"), ist nur insofern richtig, als das österreichische Finanzamt den vom (hier:) Vater gestellten Antrag auf Ausgleichszahlung /Differenzzahlung bzw. Familienbeihilfe (und Kinderabsetzbetrag), wenn und soweit diesem ein Anspruch der haushaltsführenden Mutter vorgeht, grs. zugunsten des Anspruchs der Mutter auf österreichische Familienleistungen zu berücksichtigen hat (vgl. ; ; , ).

Zufolge der vorstehenden Ausführungen konnte der Bf. (Kindesvater) einen Antrag auf Differenz/Ausgleichszahlung stellen, da die Kindesmutter ihr Recht nicht wahrgenommen hat.

Zuständigkeitswechsel

Strittig ist im gegenständlichen Fall ausschließlich, ob ein Zuständigkeitswechsel iSd Art. 59 der VO (EG) Nr. 987/2009, oder bloß eine kurzfristige Unterbrechung der Erwerbstätigkeit vorliegt, sodass dem Bf. für den Monat Dezember 2018 eine Differenzzahlung zustand.

Die Rückforderung wurde seitens des Finanzamtes mit der fehlenden bzw. nicht ab dem Monatsersten beginnenden Beschäftigung des Bf. im Monat Dezember 2018 begründet.

Art. 59 der Verordnung (EG) Nr 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl.EU Nr L 284 vom lautet:

(1) Ändern sich zwischen den Mitgliedstaaten während eines Kalendermonats die Rechtsvor-schriften und/oder die Zuständigkeit für die Gewährung von Familienleistungen, so setzt der Träger, der die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gezahlt hat, nach denen die Leistungen zu Beginn dieses Monats gewährt wurden, unabhängig von den in den Rechtsvor-schriften dieser Mitgliedstaaten für die Gewährung von Familienleistungen vorgesehenen Zahlungsfristen die Zahlungen bis zum Ende des laufenden Monats fort.

(2) Er unterrichtet den Träger des anderen betroffenen Mitgliedstaats oder die anderen be-troffenen Mitgliedstaaten von dem Zeitpunkt, zu dem er die Zahlung dieser Familienleistungen einstellt. Ab diesem Zeitpunkt übernehmen der andere betroffene Mitgliedstaat oder die anderen betroffenen Mitgliedstaaten die Zahlung der Leistungen."

Art. 59 der Durchführungsverordnung dient zum einen verwaltungsorganisatorischen Er-fordernissen (Informationsaustausch) und zum anderem der Verhinderung eines ungerecht-fertigten Doppelbezuges von Familienleistungen für den Monat eines "Zuständigkeitswechsels" ().

Nach Art. 1 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABlEU Nr L 166 vom , idF der Berichtigung ABlEU Nr L 200 vom Verordnung Nr. 883/2004 bezeichnet für Zwecke dieser Verordnung der Ausdruck "Beschäftigung" jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt.

Im Erkenntnis vom , RV/7100577/2016 sprach das Bundesfinanzgericht, dass, wenn eine nichtselbständige Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit über einen längeren Zeitraum gewöhnlich in einem einzigen Mitgliedstaat ausgeübt werde, dieser weiter zur Erbringung von Familienleistungen zuständig bleibe, auch wenn für einen kurzen Zeitraum gar keiner Beschäftigung nachgegangen oder gar keine Erwerbstätigkeit ausgeübt werde, dies sofern nicht in einem anderen Mitgliedstaat einer Beschäftigung nachgegangen oder eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werde, sohin eine kurzfristige Unterbrechung der eigentlichen Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit vorliege.

Beschluss Nr. F1 der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der Sozialen Sicherheit vom zur Auslegung des Artikels 68:

Im Erkenntnis des , stellte das Gericht Folgendes fest:

"Nach dem Beschluss Nr. F1 der Verwaltungskommission zu Art. 68 gelten Ansprüche auf Familienleistungen auch dann als durch eine Beschäftigung ausgelöst, wenn sie während Zeiten einer vorübergehenden Unterbrechung einer (nichtselbständigen) Beschäftigung wegen Arbeitslosigkeit erworben werden, solange Arbeitsentgelt oder andere Leistungen als Renten im Zusammenhang mit diesen Versicherungsfällen zu zahlen sind. Wird daher eine (nichtselbständige) Beschäftigung unterbrochen, jedoch weiter Arbeitsentgelt oder Arbeitslosengeld bezogen, liegt eine einer Beschäftigung gleichgestellte Situation vor."

Schon für den Zeitraum in dem der Bf. Krankengeld bezogen hat, bestand nach Abs. 1 lit b unterlit. I des obzit Beschlusses, wegen einer Unterbrechung der Beschäftigung, wegen Krankheit, ganz klar weiterhin ein Anspruch auf Familienbeihilfe.

Der Umstand, dass der Bf. nach Ende des Bezuges von Krankengeld für einen Arbeitstag keiner Beschäftigung nachging, vermag zufolge dieses Beschlusses, ebenfalls kein Ende des Familienbeihilfenanspruches zu bewirken, denn der Bf. war zuvor ganz offensichtlich nicht bloß geringfügig beschäftigt - anderenfalls hätte kein Anspruch auf Krankengeld bestanden - daraus folgt zwingend, dass auch Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung bestanden. Ob der Bf. nun diese Ansprüche geltend gemacht hat oder nicht vermag am grundsätzlichen bestehen eines Anspruchs und damit am Fortbestehen des Familienbeihilfenanspruchs, nichts zu ändern.

Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass dieser Beschluss im Wesentlichen lediglich jene Rechtsauslegung bestätigt, die bereits zur Vorgängerregelung (EU-VO 1408/71) bestand (siehe dazu FLAG-Kom. Lenneis/Wanke, Rz. 190 zu § 3). Schon dort wurde der Arbeitnehmerbegriff sozialversicherungsrechtlich interpretiert, was bedeutet, dass bereits das Bestehen einer Pflichtversicherung bzw. einer freiwilligen Weiterversicherung einen Anspruch begründete. Der nun geltende Beschluss führt im Ergebnis diese Interpretationslinie, mehr oder minder unverändert, auch für die nun geltende VO 883/2004 fort.

Grundsätzlich sollen die Betroffenen nur dem System der sozialen Sicherheit eines einzigen Mitgliedstaats unterliegen, sodass die Kumulierung anwendbarer nationaler Rechtsvorschriften und die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben können, vermieden werden (vgl. und C 612/10 Waldemar Hudzinski und Jaroslaw Wawrzyniak). Dies ist entsprechend dem Grundsatz des Art. 11 Abs. 3 lit. a der VO der Staat, in dem die Person abhängig beschäftigt ist. Dergestalt führen in Konstellationen wie im Beschwerdefall kurzfristige Zeiten zwischen nichtselbständigen Beschäftigungen, ohne dass der Beschwerdeführer eine andere Erwerbstätigkeit ausübt, nicht zu einem jeweiligen Wechsel zwischen den zuständigen Mitgliedstaaten ( mit Hinweis auf und , vgl. auch ).

Das Bundesfinanzgericht vertritt die Ansicht, dass die kurzfristige Unterbrechung der Beschäftigung des Bf. in Österreich wegen der Regelungen des Beschluss Nr. F1 der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der Sozialen Sicherheit vom zur Auslegung des Artikels 68 nicht zu einem Wechsel und Rückwechsel der Zuständigkeit zur Erbringung von Familienleistungen geführt hat. Vielmehr hat ununterbrochen ein Anspruch in Österreich bestanden.

Österreich war für den Monat Dezember 2018 weiterhin vorrangig als Beschäftigungsstaat zur Erbringung von Familienleistungen zuständig. Dem Anspruch steht auch nicht Art. 59 VO (EG) 987/2009 entgegen.

Das Gericht hat deshalb auch nicht abschließend darüber zu befinden, inwieweit angesichts der aktuellen Judikatur des VwGH's nicht ohnedies nationalem Recht der Vorzug zu geben wäre. Siehe dazu wo dieser u.a. ausführt: "Denn nationales Recht, das in einer konkreten Konstellation im Widerspruch zu unmittelbar anwendbarem Unionsrecht steht, wird für diese Konstellation verdrängt. Nationales Recht bleibt insoweit unangewendet, als ein Verstoß gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht gegeben ist. Die Verdrängungswirkung des Unionsrechts hat zur Folge, dass die nationale gesetzliche Regelung in jener Gestalt anwendbar bleibt, in der sie nicht mehr im Widerspruch zum Unionsrecht steht. Die Verdrängung erreicht dabei bloß jenes Ausmaß, das gerade noch hinreicht, um einen unionsrechtskonformen Zustand herbeizuführen (vgl. , VwSlg 8795/F; und , VwSlg 8332/F).

Lässt das Unionsrecht für eine bestimmte Konstellation mehrere Lösungen zu, ist es Aufgabe des Gesetzgebers, innerhalb des vom Unionsrecht vorgegebenen Rahmens eine nationale Regelung zu normieren. Solange der Gesetzgeber diese Entscheidung nicht getroffen hat, und soweit dem Unionsrecht unmittelbare Anwendbarkeit zukommt, muss der Rechtsanwender eine "bereinigte Rechtslage" zur Anwendung bringen. Bestehen mehrere gleichwertige unionsrechtskonforme Lösungen, hat der Rechtsanwender nicht ein freies Wahlrecht, sondern hat jene Lösung zur Anwendung zu bringen, mit welcher materiell am wenigsten in das nationale Recht eingegriffen wird. Soweit als möglich ist die normative Anordnung des nationalen Gesetzgebers aufrechtzuerhalten (vgl. abermals , VwSlg 8795/F; und , VwSlg 8674/F, mwN)."

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall lag keine derartige Rechtsfrage vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 53 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 67 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 68 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 11 Abs. 3 lit. a VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
§ 2 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 4 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Art. 11 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 59 VO 987/2009, ABl. Nr. L 284 vom S. 1
§ 10 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7106311.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at