Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.04.2022, RV/7106041/2019

Familienbeihilfe bei erheblicher Behinderung und Erwerbsunfähigkeit nach Vollendung des 21. Lebensjahres, wobei sich das Kind nicht in Ausbildung befunden hat

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Monika Kofler in der Beschwerdesache VN NN, ***Bf1-Adr*** über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe für NN SOHN ab April 2015 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Eingabe vom stellte NN VN, in der Folge kurz mit Bf. bezeichnet, einen Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung für ihren Sohn SOHN NN, geboren am GebDat-SOHN, für den Zeitraum ab April 2015. Als erhebliche Behinderung bzw. Erkrankung wurde angeführt "Agoraphobie mit Panikstörung und Sacroiliitis-axiale Spondylarthritis HLAB27 positiv".

Mit Ergänzungsersuchen forderte das Finanzamt die Bf. auf, ein Formular Beih 1 = Antrag auf Familienbeihilfe für SOHN und einen Tätigkeitsnachweis ab 4/2015 von SOHN vorzulegen.

Die Bf. legte einen entsprechenden Antrag vor, eine Geburtsurkunde für SOHN, eine Meldebestätigung des Zentralen Melderegisters, aus der ersichtlich ist, das SOHN nicht an derselben Adresse gemeldet ist, wie die Bf., sowie ein Arbeitsmedizinisches Leistungsprofil der BBRZ Österreich Berufsdiagnostik Austria vom . In diesem wurden NN-KV SOHN eine Agoraphobie mit Panikstörung und eine Sacroiliitis-axiale Spondylarthritis - HLAB27 positiv bescheinigt. SOHN NN-KV habe eine Lehre zum Maler und Anstreicher absolviert und zuletzt 2012 in diesem Bereich gearbeitet. Eine weitere Tätigkeit als Maler sei aufgrund der orthopädisch/rheumatischen Beschwerden nicht mehr möglich. Regelmäßige orthopädische/rheumatologische Kontrollen als auch regelmäßiges Bewegungstraining zur Aufrechterhaltung der Beweglichkeit der Wirbelsäule würden angeraten. Aufgrund einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung werde eine medizinische Rehabilitation in Form eines Seelischen Rehabilitationsaufenthaltes empfohlen. Aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen sei der Teilnehmer derzeit nicht einsetzbar und es werde eine medizinische Rehabilitation empfohlen. eine neuerliche Begutachtung durch die BBE BDZ Wien BBRZ Österreich nach erfolgter Rehabilitation sei anzuraten.

Weiters wurde vorgelegt ein ärztlicher Befundbericht des Sozialpsychiatrischen Ambulatoriums XXX vom , in welchem SOHN NN-KV (der Name wurde durchgestrichen und von Hand NN darüber geschrieben) bescheinigt wurde, dass er aufgrund von rezidivierenden Angst- und Panikattacken und Soziophobie jahrelang nur zu Hause gewesen sei. Eine Behandlung mit einem Antidepressivum sei etabliert worden, wodurch es zu einer deutlichen Besserung der Symptome, jedoch zu keiner vollständigen Remission gekommen sei. Der Patient sei in seinen Alltagsfähigkeiten deutlich eingeschränkt, er werde intensiv in allen Alltagsbelangen durch die Mutter betreut. Auf Grund dieser Betreuung und des daraus resultierenden auch finanziellen Aufwandes wäre die Bewilligung einer erhöhten Familienbeihilfe aus sozialpsychiatrischer Sicht zu empfehlen.

Mit Schreiben des AMS vom wurde NN-KV SOHN vom AMS wegen Vorliegens von Arbeitsunfähigkeit vom Arbeitsmarktservice abgemeldet.

Vorgelegt wurde eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung, in welchem NN-KV SOHN eine Arbeitsunfähigkeit ab bescheinigt wurde. Diese wurde offenbar mehrmals verlängert. Es finden sich etliche Stempel und Daten auf dem Schreiben, als letzter Tag der Arbeitsunfähigkeit wurde der eingetragen.

Am wurde SOHN NN in Anwesenheit seiner Mutter, deren Anwesenheit nicht notwendig gewesen sei, von einer Ärztin für das Bundesamt für Soziales und Behinderten-wesen in der Zeit von 7:45 bis 8:00 Uhr untersucht und darüber ein Sachverständigen-gutachten erstellt. Unter derzeitige Beschwerde führte SOHN wie folgt aus:

"Ich habe seit ungefähr drei Jahren Angststörungen. Seit November 2016 bin ich in Behandlung. Medikamente, die mir geholfen haben, nehme ich seit ungefähr sieben Monaten. Dadurch sind die Panikattacken weniger. Allerdings fallen mir soziale Wege noch immer extrem schwer. Sie funktionieren eigentlich nur mit Begleitung. Beschwerden habe ich auch in der Hüfte links, was mir vor allem in der Früh das Aufstehen extrem schwer macht. Schmerzmittel nehme ich jedoch keine.

Auskunft der Mutter: Der Morbus Bechterew besteht bei meinem Sohn seit dem 15. Lebensjahr. Allerdings ist erst vor drei Jahren eine Ärztin im Rudolfspital auf die Diagnose gekommen"

In der Sozialanamnese wurde festgehalten, dass SOHN mit dem Bruder in einer Wohnung lebe, die Mutter wohne in der Nähe. SOHN sei ausgelernter Maler und Anstreicher und noch nie beruflich tätig gewesen.

Die relevanten Befunde wurden wie folgt zusammengefasst:

"Psychosoziale Dienste Wien vom : seit November 2016 in Behandlung unseres Ambulatoriums aufgrund rezidivierender Angst und Panikattacken sowie Sozialphobie. Die Behandlung wurde mit einem Antidepressivum etabliert, wobei es zu einer deutlichen Besserung der Symptomatik kam, wenngleich zu keiner vollständigen Remission. MR der Sakroiliakalgelenke vom : linksbetonte ausgeprägte Sakroiliitis Röntgenbefund der Wirbelsäule vom : geringe dorsal betonte Chondrosen im Segment L5/S1"

Zum Psycho(patho)logischen Status wurde wie folgt ausgeführt:

"gute Kommunikation, bewußtseinsklar, orientiert, kein kognitives-mnestisches Defizit, Gedankenstuktur: geordnet, kohärent, keine Denkstörung, Konzentration ungestört, Antrieb unauffällig, Stimmungslage angepasst, gut affizierbar, Affekte angepasst, kein produktive Symptomatik"

Das Ergebnis der Begutachtung und der Gesamtgrad der Behinderung wurden wie folgt festgehalten:

Begründend wurde wie folgt ausgeführt:

Der Grad der Behinderung liege seit 1/2018 vor, SOHN sei voraussichtlich nicht dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Es liege keine Beeinträchtigung vor, welche eine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit bedingt, es handle sich um einen Dauerzustand.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe ab und wies nach Anführung des Gesetzestextes des § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes darauf hin, dass "im Zuge dieser Erledigung" das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen im Auftrag des Finanzamtes folgende Bescheinigung(en) über das Ausmaß der Behinderung erstellt habe, die der Bf. durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zugesandt werde bzw. würden.

Name des KindesDatumGeschäftszahl

SOHN NN 24. Jän. 2018 ZAHL

Werde gegen diesen Bescheid das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben, sei (seien) der Beschwerde die oben angeführte Bescheinigung(en) beizulegen.

Gegen den Bescheid erhob die Bf. Beschwerde und führte aus, die Ärztin habe das Problem der körperlichen Einschränkung ihres Sohnes nicht verstanden und es sich nicht angehört, wo das Problem liege. Nicht nur im Psychischen Bereich sondern eben auch im körperlichen Bereich gegeben. Sie gehe einkaufen, zahle "Medi", fahre mit ihm überall zu Ärzten (mit Taxi). Ihr Sohn sei nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen, da oft durch Morbus Bechterew die Schübe 2 - 3 mal im Monat ihn an allem hinderten.

Das Finanzamt forderte ein neues Gutachten an.

Eine andere Ärztin erstellte für das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen am ein neues Gutachten in dem u.a. wie folgt ausgeführt wurde:

...

Das Ergebnis der Begutachtung wurde wie folgt festgehalten:

Herr SOHN NN ist voraussichtlich außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend verwies das Finanzamt auf den Gesetzestext des § 8 Abs. 5 ff Familienlastenausgleichsgesetz und führte aus, laut neuem fachärztlichen Gutachten vom des Sozialministeriumservice sei im Zusammenhang mit der Beschwerde ein Grad der Behinderung i.H.v. 30 % ab festgestellt worden. Da für eine Berücksichtigung der erhöhten Familienbeihilfe mindestens ein Grad der Behinderung i.H.v. 50 % festgestellt worden sein müsse, bestehe laut den oben genannten gesetzlichen Bestimmungen kein Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe.

Mit Eingabe vom erklärte die Bf. gegenüber dem Finanzamt, es sei vor ca. über 3 Jahren nach jahrelangen ständigen Schmerzen bei ihrem Sohn SOHN NN Morbus Bechterew Sacroiliitis festgestellt worden. Samt Ärzten sei dies eine "unheilbare" Erkrankung, und man könne sie nur durch Medi lindern, sie aber nicht stoppen. Gute Arztkenntnis müsse man schon haben, um die Krankheit zu kennen. Die psychische Verfassung ihres Sohnes hänge eher von den Einschränkungen seiner Beweglichkeit und Nichterledigen der Alltagsdinge ab. 3-4x im Monat je nach Witterung kämen diese Schübe. Jetzt habe Wiener Wohnen auf die Befunde reagiert und habe ihm im Erdgeschoß eine Wohnung zur Verfügung gestellt, weil er in weiterer Zeit wahrscheinlich nicht mehr in den 3. Stock gehen könne. Solange sie als seine Mutter könne, werde sie ihm helfen. Das Finanzamt könnte sie in diesem Fall mit der Familienbeihilfe unterstützen. Das wäre das mindeste, was diese Behörde für einen Burschen tun könne, der mit so einer Gen-Krankheit zu kämpfen habe. Sollte es wieder ein nein geben, sehe sie sich gezwungen, den Volksanwalt um Hilfe zu bitten.

Beigelegt waren das bereits vorliegende Arbeitsmedizinische Leistungsprofil von BBRZ Österreich Berufsdiagnostik Austria, die erste Seite eines Endbefundes betreffend eine hämatologische Untersuchung für SOHN NN-KV, in welchem HLA-B27 positiv ausgewiesen wurde, sowie ein Fachärztlicher Befundbericht der Psychosozialen Dienste Wien vom , in welchem SOHN NN aus fachärztlicher Sicht bestätigt wurde, dass dieser aufgrund seiner psychischen Erkrankung derzeit und bis auf weiteres nicht arbeitsfähig sei. Als Diagnosen wurden Agoraphobie mit Panikstörung und Morbus Bechterew angeführt.

Das Finanzamt ersuchte die Bf. mit Schreiben vom wie folgt um Ergänzung ihres Vorbringens und verwies darauf, dass Kopien genügten, sofern nicht ausdrücklich ein Original verlangt werde:

"Mit zugestellt mit Rsb wurde am durch Hinterlegung Ihre Beschwerde als unbegründet abgewiesen, da auch das neuerliche Sachverständigengutachten vom einen Grad der Behinderung von 30% festgestellt hat. Datiert mit Iangte Ihr Schreiben beim Finanzamt ein.

Es werden um bekanntgabe ersucht, ob es sich dabei um ein Rechtsmittel, einen Voralgeantrag an das Bundesfinanzgericht oder ein Informationsschreiben an das ho Finanzamt handelt. Sollte ein Rechtsmittel gemeint sein, wird um Vorlage der Gutachten des Sozialministeriumservice vom und ersucht."

Die Bf. gab darauf mit Eingabe vom folgende "kurze Situationsbeschreibung" der Krankheit ihres Sohnes:
Nach langen Jahren eingeschränktes Leben ihres Sohnes SOHN NN (NN-KV), sei sie der Meinung, dass die 30 % Behinderung ihres Sohnes zu wenig sei. Nicht nur, dass er an einer Gen-Krankheit leide Sacroiliitis HLAB 27 pos, seelisch und psychisch in Therapie sei, Panikattacken habe und sie als seine Mutter sich um fast alles kümmere, ihn überall hinbegleite, auch Wiener Wohnen ihm eine Wohnung im Erdgeschoß 2018 wegen seiner Krankheit zuerkannt habe, seien für einen Burschen seines Alters samt unheilbarer Krankheit 30 % zu wenig. Sie bitte um mindestens 50 % Behinderungsgrad um ein wenig wenigst finanziell einiges zu erleichtern.

Vorgelegt wurden folgende Befunde:

Ein Befund des Diagnoseshauses der Diagnosezentrum Simmering GmbH vom , 2. Seite, mit dem Ergebnis einer bilaterialen Sakroiliitis und einer inzipienten Coxarthrose links

Ein Befundbericht Dris Arzt vom , aus welchem an Rheumatologischen Diagnosen Sacroiliitis - axiale SpA - HLA B 27 pos, Myogelosen, rez. Panikattacken, ersichtlich sind sowie eine empfohlene medikamentöse und physikalische rheumatologische Therapie

Der bereits vorgelegte ärztliche Befundbericht des Sozialpsychiatrischen Ambulatoriums XXX vom

Der bereits vorgelegte Fachärztliche Befundbericht des Sozialpsychiatrischen Ambulatoriums XXX vom

Am wurde dem Finanzamt ein Schreiben der Psychosozialen Dienste Wien vom an das Sozialministeriumservice übermittelt. In diesem wurde SOHN NN unter anderem bescheinigt, dass er wegen seiner psychischen Erkrankung und des damit einhergehenden starken Vermeidungsverhaltens im Rahmen seiner Angststörung derzeit und bis auf weiteres nicht kurs- oder arbeitsfähig sei. Aus fachärztlicher Sicht werde die Bewilligung der erhöhten Familienbeihilfe empfohlen, da der Patient auf Grund seiner körperlichen und psychischen Erkrankung auf intensive Unterstützung angewiesen sei. Es wurde geraten, die Einstufung des Behinderungsgrads dementsprechend zu revidieren bzw. eine höhere vorzunehmen. Langfristig wäre es gut, wenn der Patient nach Besserung der psychischen Beschwerden und abhängig von seinem körperlichen Zustand an einem geschützten Arbeitsplatz tätig sein könnte. Dem Sohn der Bf. wurde eine Panikstörung (episodisch paroxysmale Angst) bescheinigt.

In einem Befundbericht Dris Arzt vom war die derzeitige Therapie von SOHN NN mit NSAR bei Bedarf, Bezastad 400 mg 0-0-1, Oleovit 10 gtt täglich und pysikalische Therapie (zB Kurzentrum Oberlaa) angeführt.

Im Akt abgelegt ist ein Versicherungsdatenauszug für SOHN NN für den Zeitraum vom bis , aus welchem ersichtlich ist, dass dieser ab mit Unter-brechungen bis laufend entweder Notstandshilfe oder Überbrückungshilfe bezogen hat, teilweise auch im Krankenstand war und bedarfsorientierte Mindestsicherung bezogen hat.

Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Es wurden ergänzende Ermittlungen durchgeführt. Gemäß einem Versicherungsdatenauszug, welcher für SOHN NN angefordert wurde, war dieser vom bis Arbeiterlehrling bei Wien Work-Integrative Betriebe und AusbildungsgmbH. 2011 war er mit einer allgemeinen Beitragsgrundlage von 4.296,19 Euro und Sonderzahlungen von 715,26 Euro gemeldet. Er bezog von bis Arbeitslosengeld, vom bis Krankengeld, vom bis wiederum Arbeitslosengeld, ebenso vom 12.3. bis . Vom bis bezog er Notstandshilfe, vom bis Krankengeld, vom bis Notstandshilfe, vom bis Krankengeld, vom bis Notstandshilfe, vom bis Krankengeld, vom bis Nostandshilfe und vom bis laufend Notstandshilfe, Überbrückungshilfe.

Der Bf. wurde Folgendes vorgehalten:

"... Da ich keinen Sozialversicherungsdatenauszug betreffend Ihren Sohn mit Zeiten vor Vollendung des 21. Lebensjahres im Akt hatte, habe ich von der Österreichischen Gesundheitskasse einen Auszug angefordert.

Aus diesem ist ersichtlich, dass Ihr Sohn von bis eine Lehre bei Wien Werk-Integrative Betriebe und Ausbildungsgmbh absolviert hat, für welche eine geringe Lehrlingsentschädigung ausbezahlt wurde. Anschließend hat er nur mehr Leistungen des AMS bezogen, welche von Krankengeldbezügen teilweise unterbrochen waren (siehe Beilage).

In der Regel werden derartige Ausbildungsplätze nur an behinderte Personen vermittelt. Da bisher nur Unterlagen für die Zeit nach dem 21. Lebensjahr ausgewertet wurden, aber zu vermuten ist, dass Ihr Sohn schon davor gewisse Probleme hatte, wäre es notwendig, eine allfällige Behinderung durch Vorlage entsprechender Unterlagen zu belegen.

Zum Nachweis einer entsprechenden Behinderung und einer daraus resultierenden allfälligen voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, welche vor Vollendung des 21. Lebensjahres ist, könnten folgende Unterlagen vorgelegt werden:

Schulzeugnisse und Aussagen von Lehrern und Erziehern, Beurteilungen des Ausbildungsbetriebes Ihres Sohnes, Befunde oder Schreiben von behandelnden Ärzten, Sozialarbeitern, des Jugendamtes oder sonstigen Personen, die mit Ihrem Sohn vor allem in der Schule oder in der Ausbildung Kontakt hatten.

Diese Personen könnten auch vom Bundesfinanzgericht angeschrieben oder als Zeugen einvernommen werden. Momentan ist eine mündliche Einvernahme noch nicht möglich. Es besteht allerdings ohnehin auch die Möglichkeit einer schriftlichen Zeugeneinvernahme.

Sollen seinerzeit (vor Vollendung des 21. Lebensjahres) behandelnde Ärzte um Auskunft als Zeugen ersucht werden, so müsste Ihr Sohn diese von der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht entbinden (schriftlich und von ihrem Sohn eigenhändig unterschrieben). Die Entbindung müsste dem Bundesfinanzgericht geschickt werden. Namen und wenn möglich Adressen müssten bekannt gegeben werden. Sie könnten die Unterlagen aber auch selbst besorgen und dem Bundesfinanzgericht schicken."

Aufgrund dieses Vorhaltes legte die Bf. Unterlagen vor und erklärte, mehr sei nicht möglich gewesen, weil es nicht mehr im System sei.

Laut Leistungsinformation der Österreichischen Gesundheitskasse wurden folgende Leistungen verrechnet:

für 2013: mit wurden Leistungen eines Facharztes für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde mit einem Betrag von 85,00 Euro verrechnet.

für 2014: Leistungen von Fachärzten für Radiologie betreffend LWS-Kreuzbein, Beckenübersicht, Leistungen von Ärzten für Allgemeinmedizin, aus denen u.a. Beratungen bei psychischen Erkrankungen ersichtlich sind, beginnend mit April 2014, Leistungen des ÖGK - Gesundheitszentrums YYY - Neurologie Ambulanz, abgerechnet mit , mit verbalen Interventionen bei psych. Krankheiten und diagn.therapeutischen Aussprachen, Leistungen eines Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie vom September und Oktober 2014, verschiedene Medikamente, welche über Apotheken bezogen wurden, u.a. Antidepressiva (Seroquel, Tresleen), Leistungen eines Bandagisten (Plattfußeinlagen etc.), zwei Krankentransporte der MA 70 - insgesamt wurden Kosten in Höhe von 752,56 Euro verrechnet

2015: Leistungen einer Fachärztin für Innere Medizin, auch in diesem Zusammenhang wurde eine Beratung bei psychischen Erkrankungen verrechnet, Leistungen eines Diagnose Zentrums (MR-Unterbauch, HWS, Duplexsonographie des Carotisvertebralisarteriensystems, BWS, Leistungen einer fachärztlichen OG betreffend medizinische und chemische Labordiagnostik, Leistungen des Rheuma-Zentrums Wien-Oberlaa GmbH betreffend Bestimmung des HLAb27, Leistungen von Ärzten für Allgemeinmedizin, Leistungen von Apotheken, u.a. Medikamente gegen Depressionen (Seroquel) und Entzündungen (Vimovo, Salazopyrin), ein Krankentransport der MA 70 - insgesamt wurden Kosten in Höhe von 928,44 Euro verrechnet.

2016: Leistungen von Ärzten für Allgemeinmedizin, Heilmittel laut Apotheke (verschiedene psychisch wirksame Medikamente: Seroquel, Cipralex, Temesta), einmal Fahrtendienst am (ÖHTB), einmal Krankentransport durch Arbeiter-Samariter-Bund am , vier Krankentransporte (zweimal im September, davon einmal am , und je einmal im Oktober und November) - insgesamt wurden Kosten in Höhe von 639,90 Euro verrechnet.

2017: Leistungen einer Fachärztin für Innere Medizin, Leistungen von Fachärzten für Ortopädie und orthopädische Chriurgie, Leistungen von Fachärzten für Radiologie (BWS, LWS-Kreuzbein, HWS, Hüftgelegk, Beckenübersicht), Leistungen einer Fachärzte OG für medizinische und chemische Labordiagnostik, Leistungen eines Allgemeinmediziners, Diverse psychisch wirksame Medikamente (Seroquel, Cipralex) - insgesamt wurden Kosten in Höhe von 673,79 Euro verrechnet.

Weitere Bestätigungen dokumentierten die Leistungen der Jahre 2018 und 2019.

Die Österreichische Gebietskrankenkasse bestätigte SOHN NN für den Zeitraum von bis die Arbeitsunfähigkeit. Laut Auszahlungsbestätigung erhielt er von der Gebietskrankenkasse täglich 7,05 Euro ab .

Außer bereits vorgelegten bzw. vorliegenden Unterlagen wurde eine Bestätigung des Diagnosezentrums Urania über eine Untersuchung am betreffend eine MR der Sacroiliakalgelenke vorgelegt, welche zum Ergebnis einer linksbetonten ausgeprägten Saktroiliitis gelangte.

Eine Untersuchung durch das Diagnosehaus am bescheinigte bezüglich der Hals- Brust- und Lendenwirbelsäule abgesehen von geringen Steckfehlhaltungen auf Seite 1 unauffällige und reguläre Verhältnisse bis auf eine geringgradige dorsal betonte Chondrose im Segment L5/S1. Bezüglich des Beckens wurde auf Seite 2 Folgendes erklärt:

"Bilateral zeigt sich eine gering aufgelockerte, partiell akzentuiert sklerosierte Struktur in der Knochenmatrix im mittleren und kaudalen Verlauf der Artikulationsflächen der Sakroiliakalgenke.
Die Gelenksspalten sind bds. regulär weit.
Geringe bilaterale Hüftgelenkspaltverschmälerung.
Linksseitig finden sich neben einer akzentuierten subchondralen Sklerose des Acetabulumdaches einzelne, bis 5 mm haltende rundliche Transparenzerhöhungen im Bereich der Druckaufnahmezone des Femurkopfes, einer lokalen Resorptionszystenbildung entsprechend. Im Übrigen unauffällige ossäre Verhältnisse.
Beide Femurköpfe sind regulär gerundet, der linke ist um 4 mm höher stehend als der rechte. Unauffällige Weichteilverhältnisse.

Ergebnis:

Bild einer bilateralen Sakroiliitis.
Inzipiente Coxarthrose links."

Laut Bescheinigung der Stellungskommision vom wurde SOHN NN-KV als untauglich beurteilt.

Laut dem beiliegenden Statusblatt wurden folgende Diagnosen gestellt:

- Ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung sowie

- Unwohlsein und Ermüdung, Allgemeiner körperlicher Abbau, Asthenie o.n.A., Lethargie, Müdigkeit, Schwäche: chronisch, nervös, o.n.A.

Dem psychologischen Befund der Einzeluntersuchung war folgender Befund zu entnehmen:

"Der Stellungspflichtige ist zum Zeitpunkt der Untersuchung durchschnittlich begabt. Aufgrund von Lernschwierigkeiten in HS integrativ beschult worden. Im Anschluss Berufsvorbereitungslehrgang wegen Eingliederungsfähigkeit in Klassenverband abgebrochen. In HS PT für die Dauer von 3 Monaten in Anspruch genommen. In Exploration über die gesamte Exploration durchgehend kein Blickkontakt herstellbar, wirkt massiv gehemmt und ängstlich. Dzt. in integrativer Lehre (4a). Sei wegen Konflikten der Elternteile unerlaubt von Elternhaus abwesend gewesen, hierdurch nach eigenen Angaben Polizeikontakt. Prognose ungünstig, nicht in militärischen Verband eingliederbar. Aus Gesamtsicht wurde eine dauernde Befreiung vom Militärdienst empfohlen."

Mit Eingabe vom erklärte die Bf., dass ihrem Sohn seine seelische und körperliche Krankheit seit seinem ca. 15. Lebensjahr zu schaffen mache. Die ersten Jahre seien noch erträglich gewesen bzw. habe er es unterdrückt, anderen zur Last zu fallen. Mit 15 Jahren sei die Bf. bei der MA11 bei einer Psychologin im 11. Bezirk gewesen, die ihr gesagt habe, er wäre psychisch angeschlagen und darauf sei die Bf. mit ihm zu Wien Work gegeangen, die ihm eine Ausbildung ermöglicht hätten. Alles andere sei dann ziemlich schnell gegangen, seine Rheumaschmerzen hätten zugenommen und das BH habe gesagt, er wäre untauglich. Psychisch und körperlich sei es dann immer schlechter geworden und sie seien wieder in vielen Spitälern gewesen. Durch Frau Dr. Arzt und Frau Dr. ÄRZTIN hätte er beim PSD einen guten Arzt als Psychologen bekommen, der ihm die richtige Med gegeben und ihm auch seelischen Beistand gegeben habe. Seine Brüder, Bruder1 und Bruder2 NN, mit denen er lange zusammen gewohnt hätte, hätten ihm geholfen, genauso die Bf., dass er wieder zu sich finde. Sein Bruder Bruder1 habe gekocht, ihm die Wäsche gemacht und sich um ihn gekümmert, so gut es gegangen sei. Irgendwann sei nur mehr die Bf. da gewesen, bis heute. Sie gehe mit ihm einkaufen, mache Ärztetermine mit ihm und mache mit ihm einiges, so wie Ausflüge, Erledigungen, Wohnungswechsel. Sie hole ihn zu sich, sei bei ihm, gehe in die Natur raus, fahre mit ihm Fahrrad, nehme ihn ins Grüne mit, wo er auf andere Gedanken komme und er dann ein bisschen Freude habe am Leben, denn mit Schmerzen trotz Tabletten und Psychischem Dilemma habe man es nicht leicht. Die Bf. werde helfen, was nur gehe. Es gebe Tage, wo es schwer sei, dadurch "tat ich wenigst um Hilfe fragen FBH, weil alles viel Geld kostet, auch Taxifahrten und so weiter, denn immer kann er nicht mit Öffis fahren aus psychischer Hinsicht." Die Söhne der Bf. würden seine Krankheiten kennen und seien seit seinem 15. Lebensjahr auf seiner Seite. Sie seien die besten Zeugen, wie es um ihn stehe. Die Erklärung wurde von der Bf. und den Brüdern unterschrieben.

Der Ausbildner bei Wien Work konnte nicht mehr eruiert werden. Die betreffenden Ausbildner arbeiteten nicht mehr im Unternehmen.

Der Vater von SOHN und seine Brüder wurden kontaktiert. Der Vater erklärte telefonisch, bei der Scheidung sei ihm der Kontakt zu seinem Sohn untersagt worden. Er habe SOHN zuletzt bei seiner Gesellenprüfung gesehen, da sei er 18 Jahre alt gewesen. Er habe keine Behinderung wahrgenommen. SOHN sei künstlerisch begabt und der Lehrherr sehr zufrieden gewesen. Der Vater erklärte, er werde versuchen, herauszufinden, wer damals der unmittelbare Ausbildner gewesen sei. Eine weitere Kontaktaufnahme erfolgte jedoch nicht mehr.

Der Bruder Bruder2 NN erklärte, SOHN habe nach einer sehr schweren Zeit bei seinem (zu ergänzen vermutlich Vater) immer wieder Probleme mit Muskel- und Gelenksschmerzen sowie psychische Probleme gehabt. Der gemeinsame Vater sei sogar mit ihm beim Arzt und im Spital sowie bei der Fürsorge gewesen wegen einer Gesprächstherapie. Erst als er wieder "zu uns" (gemeint die Mutter und er selbst) nachhause gezogen sei, habe sich die Mutter intensiv um seine Gesundheitsprobleme gekümmert. Er könne sich gar nicht daran erinnern, wie oft die Rettung oder Notarzt bei ihnen gewesen sei. Manchmal seien die jede Woche mehrmals gekommen, bis es endlich eine Ärztin gegeben habe, die zu wissen meinte, was er habe. Das Ganze habe ungefähr ca. 8 Jahre gedauert, bis er endlich Hilfe bekommen habe. Sie alle hätten das mitbekommen, wie schlecht es ihm körperlich und psychisch gegangen sei. In den ganzen Jahren bis heute habe sich die Mutter um SOHN gekümmert, egal ob es um Einkäufe, Arztbesuche, AMS, MA 40 genauso wie der Umzug in eine Erdgeschoss Wohnung gehe. Sie koche für ihn mit und wenn es ihm nicht gut gehe, sei sie sofort da. SOHN sei in psychischer Betreuung beim PSD, wo die Mutter ihn immer hin begleite und wieder Heim bringe.

Der Bruder Bruder1 NN-KV gab folgende Stellungnahme ab:

"1. Pflichtschule liegt mittlerweile >20jahre zurück. An diese Zeit kann ich mich nurmehr seeehr schlecht erinnern. Möglicherweise hatte er schon zu dieser Zeit leichtere Beschwerden.

2. Also in der Zeit wo er die Lehre machte, weiss ich noch gut, da ich selbst Arbeitstätig war. Hatte ich bei vielen Zuhause/Haushalt mitgeholfen wenn er krampfartige "Anfälle" bekam und nicht mehr aufstehen bzw gehn konnte.

3. Meines Erachtens wurden diese immer schlimmer weil er richtig schrie manchmal dabei vor Schmerzen.

4. Er war sehr fleißig, genau, zielstrebig. Ihm war sehr wichtig die Lehre trotz all den "Problemen" abzuschließen.

5.*siehe Frage 3 -> diese Krampfanfälle wurden immer stärker.

6. Probleme in Bezug auf was!? Sowie betont schon auf Frage 3 und 5, waren die Krampfanfälle in den Beine vor allem (was ich mitbekam) immer stärker wenn sie auftraten.

7. "Wien Work" hieß glaub ich die Stätte. Wie der Name des Ausbildner war, weiss ich leider nichtmehr.

8./9. Ja, er hat jede Hilfe versucht zu bekommen wo es nur ging. Angefangen bei Hausarzt, Spital, Orthopäde, Internist usw. Schließlich wollte er das diese Schmerzen aufhören oder bzw dem auf den Grund gegangen wird um es auch richtig zu behandeln.

10. Es kam kein Arzt oder Spital drauf was oder warum er diese Krämpfe hatte BIS die lnternistin Dr. XXXX nach einer bestimmten Untersuchung durch Blutabnahme einen Gendefekt glaub ich feststellte, sodass ich und mein Bruder Bruder2 auch Blutabnehmen mussten, um nicht vielleicht den selben Defekt zu haben oder ähnliches.

11. Naja die Probleme zu bewältigen is gut gesagt. Klar versuchte man zb durch eine Orthopädische Matratze die Schmerzen lindern, Einlagen in Schuhen auszuprobieren oder zb das er durch einfaches spazieren gehn so die Muskeln trainiert. Ging aber auch nicht lange, schließlich wollte er sich nicht auch dann überanstrengen.

12. Unsere Mutter war die Person die dies kontrollierte und ihm dabei unterstützte. Mein Bruder war ein Musterlehrling und hat seine arbeiten seeehr genau und perfekt gemacht. (Habe seine Arbeiten wenn er sie fotografierte gesehen) Ich schätze das auch sein Lehrherr sehr zufrieden mit ihm war was er mir immer so erzählte.

13. Ich kann schwer sagen ob jemand aus seinem Lehrbetrieb andere auch davon gewusst hatten ABER es wird schon durchaus so sein dass er sich jemanden anvertraut hatte, ob es jetzt sein Lehrherr war oder andere Lehrlinge mit denen er sich gut verstand, kann ich so nicht sagen / wissen.

14. Dadurch dass er eben schon während der Lehre permanent starke Schmerzen hatte damit und die Lehre nicht abbrechen wollte weil er eben seeehr gute Arbeit leistete und unbedingt dieses Abschluß wollte, war es für ihn sowieso kein leichter weg bis dorthin alles unter einen Hut zu bekommen mit Lehre, Schmerzen und all den Arzt Wegen zwischendurch. Schließlich darf man nicht vergessen was das auch für ihn eine psychische Belastung war dies alles zu meistern.

Nach Abschluss der Lehre war er seeehr erleichtert den positiv bestanden zu haben aber auch sehr angeschlagen dass er nie wieder einen "normalen" Arbeitsalltag durchstehen könnte mit dieser "Behinderung" weil ihm dies schon viel Kraft gekostet hatte in der Lehre."

Aufgrund des Ergebnisses der durchgeführten Ermittlungen und unter Vorhalt desselben wurde das Finanzamt mit Beschluss aufgefordert, ein neues Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen - Sozialministeriumservice anzufordern. Begründend führte das Bundesfinanzgericht wie folgt aus:

"Zusammengefasst ergibt sich Folgendes:

Aus den vorliegenden Unterlagen ist ersichtlich, dass SOHN offenbar bereits in der Hauptschule Probleme hatte. Aus den Unterlagen der Stellungskommission ist ersichtlich, dass er aufgrund von Lernschwierigkeiten integrativ beschult wurde. Er absolvierte laut Versicherungsdatenauszug eine Lehre in einem integrativen Betrieb, welche er am abschloss. Von der Stellungskommission waren ihm bereits zuvor psychische und körperliche Probleme bescheinigt worden, welche zu seiner Beurteilung als untauglich führten.

SOHN war bis bei der Bf. mit Hauptwohnsitz gemeldet. Er war auch bei den täglichen Verrichtungen des Alltags auf die Unterstützung der Familie, zuletzt nur mehr der Mutter, angewiesen. Die Lehrzeit war von psychischen Problemen gekennzeichnet, aber auch von körperlichen Problemen. Eine rechtzeitige bzw. ausreichende Behandlung der orthopädischen Probleme erfolgte zunächst nicht, weil nicht erkannt wurde, dass SOHN an Morbus Bechterew leidet. Betreffend die psychischen Probleme wurden Schritte unternommen, um SOHN zu helfen, jedoch war es offenbar aufgrund der Art der Erkrankung schwer, eine substantielle Verbesserung innerhalb einer absehbaren Zeit zu erzielen. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass es schwierig ist, einen Zugang zu Patienten zu finden, welche an Panikstörungen leiden. Laut Psychosozialen Diensten war der Patient auf Grund von rezidivierenden Angst- und Panikattacken und Soziophobie jahrelang nur zu Hause. Die Behandlung mit einem Antidepressivum führte innerhalb eines Zeitraumes von mehreren Jahren (November 2016 bis Oktober 2019) zu keiner vollständigen Remission. Dem Patienten wurde aus diesem Grund auch eine deutliche Einschränkung in seinen Alltagsfähigkeiten bescheinigt, er werde intensiv in allen Alltagsbelangen durch die Mutter betreut (Schreiben der Psychosozialen Dienste vom ) bzw. sei auf intensive Unterstützung angewiesen (Schreiben der Psychosozialen Dienste vom ).

Ohne die Unterstützung seiner Familie wäre SOHN vermutlich auf Unterstützungsleistungen durch die öffentliche Hand angewiesen. Es ist für den Psychosozialen Dienst auch am , also rund drei Jahre nach Aufnahme der Betreuung nicht erkennbar gewesen, dass SOHN Kurse besuchen oder arbeiten gehen könnte.

Personen, die nicht im Stande sind, sich selbst zu versorgen, sind nach den Erfahrungen des täglichen Lebens auch nicht in der Lage, einer geregelten Arbeit nachzugehen.

Im Hinblick auf die geringen Einkünfte während der Lehrzeit, die ausschließliche Erzielung von Einkünften des Arbeitsmarktservice und von Krankengeld nach der Lehrzeit, die mangelnde Tauglichkeit für das Militär aus psychischen und körperlichen Gründen sowie die Dependenz bezüglich der Versorgung des eigenen Haushaltes und der mangelnden Selbständigkeit bei der Wahrnehmung von Terminen sowie die seitens der Psychosozialen Dienste Wien trotz mehrjähriger Betreuung und mittlerweile regelmäßiger medikamentöser Behandlung bescheinigte mangelnde Kurs- und Arbeitsfähigkeit ist zweifelhaft, ob SOHN jemals über die Fähigkeit verfügte, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen und ob die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, nicht schon bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten ist. Insbesondere aufgrund des Widerspruchs in den Einschätzungen der Psychosozialen Dienste und des Bundessozialamtes hält das Bundesfinanzgericht die Anforderung eines weiteren Gutachtens für notwendig.

Das Gutachten soll insbesondere die Einschätzung begründen, warum trotz bei der Stellung festgestellter körperlicher und psychischer Abweichungen von der Norm, welche zu einerEinstufung als untauglich führten und eines offensichtlich erheblich einschränkenden psychischen Leidensbildes, welches trotz mehrjähriger Betreuung durch die Psychosozialen Dienste und medikamentöser Betreuung nicht zum Wegfall des Unterstützungsbedarfs durch die Mutter in einfachen Dingen des Alltags geführt hat, davon ausgegangen wird, dass SOHN imstande sei, sich durch eine Erwerbstätigkeit selbst den Unterhalt zu verschaffen. Die Psychosozialen Dienste haben noch bis 2019 die Auffassung vertreten, dass SOHN weder kurs- noch arbeitsfähig sei. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, dass die körperlichen Einschränkungen bei der Stellung bereits bescheinigt wurden und am seitens der Beratungs- und Betreuungseinrichtung Berufsdiagnostik Wien (BBRZ) zu der Feststellung führten, dass eine weitere Tätigkeit als Maler aufgrund der orthopädisch/rheumatischen Beschwerden nicht mehr möglich sei.

Das Finanzamt übermittelte ein Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom und brachte dazu vor, SOHN sei am GebDat-SOHN geboren, das 21. Lebensjahr somit im Juni 2013 vollendet. Seine Lehre wurde mit Lehrabschlussprüfung (mit Vorzug) lt Gutachten 2012 abgeschlossen. Eine weitere Berufsausbildung sei dem Finanzamt nicht bekannt und bei der Begutachtung durch das Sozialministeriumservice auch nicht erwähnt worden. Lt. Gutachten sei er "dann zu Hause gewesen". Das 25. Lebensjahr sei im Juni 2017 vollendet worden. Die "dauernde Erwerbsunfähigkeit" sei nun ab 02/2016 festgestellt worden. Das vorliegende Gutachten erscheine vollständig, schlüssig und nicht widersprüchlich. Da nun mit diesem Gutachten eine "dauernde Erwerbsunfähigkeit" des Kindes festgestellt worden sei, der Zeitpunkt des Eintrittes zwar vor Vollendung des 25. Lebensjahres gelegen sei, aber sich das Kind zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Berufsausbildung befunden habe, werde weiterhin um Abweisung der Beschwerde ersucht.

Die Begutachtung fand am zwischen 8:30 und 9:00 Uhr statt. Nach Wiedergabe der Vorgutachten wurde unter dem Punkt Anamnese u.a. ausgeführt:

vorbeschrieben/vorbekannt:

Sacroilitis-axiale Spondylarthritis, HLA B27 positiv.

"Seit ca. 2010 beim Orthopäden in Behandlung, Diagnosestellung ca. 2015. Kurz in der Vorgeschichte auf Salazopyrin eingestellt, nach 1 Woche abgesetzt weil es Unwohlsein und Panik ausgelöst habe.

Angaben der Mutter: Im 13. /14. LJ sei es zu Mobbing in der Schule gekommen, es wurde auch die Polizei eingeschaltet, er habe den Schulbesuch verweigert. Der Vater, bei dem der AW damals wohnte, habe ihm schwer psychisch misshandelt, habe ihn ignoriert und ins Zimmer gesperrt als Strafe. Daher wurde bei Gericht eingereicht, dass der AW wieder zur Mutter komme.

2015 kam es zu vermehrten Ängsten und Panikattacken, die sich verstärkt haben. Seit ca. 11/2016 in Behandlung an verschiedenen Stellen und er erhielt Medikamente. Seit ca. 3 Jahren beim PSD.

Bislang keine stationäre psychiatrische Behandlung. Eine psychiatrische stat. Behandlung sei empfohlen worden, er habe es aber in seinem Zustand nicht machen wollen, da es sich verschlimmert habe."

Zu den derzeitigen Beschwerden wurde ausgeführt:

"Seit den neuen Medikamenten sei es besser. Die Panikattacken sind jetzt so, dass keine Rettung zu rufen ist. Er könne sich selbst beruhigen. Die Panikattacken kommen spontan, aber auch wenn er Termine habe oder auch bei sozialen Kontakten, z. B. einkaufen. Es komme täglich.

So lange er einen großen Platz habe, wo er Menschen meiden könne gehe es.

Von Seiten des Bechterew merke er es wenn er schnelle Bewegungen mache mit Schmerzen neben der Wirbelsäule links."

Zu Behandlungen und Medikamenten wurde ausgeführt:

"Cipralex 10 1-0-0

keine Schmerzmittel

bei Bed.: Seroquel 25mg zum Schlafen oder bei starker Aufregung- er brauche es aber sehr sehr selten.

PSD mindestens 1x/Monat (in der Coronazeit telefonisch)"

Unter dem Punkt Sozialanamnese wurde ausgeführt wie folgt:

"VS, HS mit Abschluss,

Lehre für Maler/Anstreicher mit LAP (mit Vorzug) 2012

dann eine Zeit arbeitssuchend 2-3 Jahre, eine Zeit auch bei der Mutter mitversichert.

Sei dann zu Hause gewesen.

Er sei beim BBRZ untersucht worden und auch vor Kurzem bei Fit to work, er sei als nicht arbeitsfähig beschrieben worden. Es sei eine Traumatherapie empfohlen worden.

Wuchs bei den Eltern auf, vom 12.-14. LJ lebte er beim Vater, dann wieder bei der Mutter.

2019 zog PW alleine in eine Gemeindewohnung und lebt seither dort (1x umgezogen).

Mutter lebt in der Nähe.

Einkünfte: Notstandshilfe, Mindestsicherung, kein Pflegegeld

2016 sei die krankheitsbedingte Pension 2x abgelehnt worden.

Führerschein: keiner

Bundesheer: untauglich

Hobby: zeichnen, Computer, gehe mit einem Freund manchmal Radfahren

Früher sehr sportlich mit Fußball, Skateboard

soziale Kontakte außerhalb der Familie kaum. Kontakt mit 1 Nachbar, den er lange kenne."

Die vorliegenden Befunde wurden angeführt, ebenso das Ergebnis einer genauen körperlichen Untersuchung durch die Ärztin.

Zum psycho(patho)logischen Status wurde ausgeführt:

"Kooperativ und freundlich, gut auskunftsfähig, wirkt etwas unsicher und nervös, bewußtseinsklar, voll orientiert, kein kognitiv- mnestisches Defizit, Gedankenductus: geordnet, kohärent; Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen, stabil, affizierbar; Affekte: angepasst, keine produktive Symptomatik, rez. Panikattacken, außerhalb der Familie kaum soziale Kontakt"

Als Ergebnis wurden die festgestellten Behinderungen und der Gesamtgrad der Behinderung wie folgt angegeben:

Begründend wurde wie folgt ausgeführt:

Zur voraussichtlichen Dauer der Behinderung wurde angeführt:

Zum Zeitpunkt des Eintrittes der Behinderung und zur voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, wurde wie folgt ausgeführt:

Herr SOHN NN ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

Zur Begründung betreffend die Fähigkeit, sich voraussichtlich selbst den Unterhalt zu verschaffen, führte die begutachtende Ärztin wie folgt aus:

Eine Nachuntersuchung in drei Jahren sei erforderlich. Dies wurde wie folgt begründet:

Das Gutachten wurde der Bf. übermittelt und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.

Bezüglich der unterschiedlichen Daten auf dem arbeitsmedizinischen Leistungsprofil der BerufsDiagnostik Austria BBRZ Österreich wurde diese kontaktiert. Elisabeth Poisinger von der Fachbereichsleitung BBRZ für Berufsdiagnostik gab Folgendes an:

"Die Daten unten beziehen sich auf die Freigabe des Formulars, während das Datum oben sich auf die tatsächlich durchgeführte Untersuchung bezieht.

Der Klient hatte schon damals keine entsprechenden Befunde vorgelegt, war aber in so einem schlechten Zustand ("so schlecht beinander"), dass er als nicht vermittelbar eingestuft wurde. Um ihm weitere (sinnlose) Vermittlungen des AMS zu ersparen, hat man ihm die Bestätigung auch ohne Vorbefunde anderer Ärzte ausgestellt."

Das Arbeitsamt übermittelte über Anfrage verschiedene Vermerke, die von den jeweiligen Betreuern angelegt wurden.

Am wurde nach einer Rückmeldung nach einem Krankenstand festgehalten, dass "Hr. X" psychische Probleme habe, "sich wegen Therapie umsehen werde und zur freiwilligen REHA-Beratung möchte. Dzt. Post N, da Situation nicht stabil ist, Befunde folgen. Info über MP."

Am wurde eine Vorsprache nach langem Krankenstand protokolliert. Therapie werde geplant. Hr. X habe Termin bei REHA-Berater zuletzt krankheitshalber versäumt, sei auf Wunsch neuerlich zugebucht worden. Werde dort seine Befunde mitbringen. "Info über MP."

Am wurde eine Dokumentation - REHA-Verlauf mit dem Betreff "Orientierungsgespräch" angelegt und folgendem Wortlaut:

"Der Kd macht bei seiner Vorsprache einen freundlichen Eindruck. Er legt auch einen Befund des Röntgenarztes vor. Darin werden orthopädische Probleme genannt. Diese beeinträchtigen den Kd jedoch It. eigener Auskunft nicht. Sein Problem liegt eher in einer gewissen Lust-, bzw. Antriebslosigkeit. Seine gesundheitliche Beeinträchtigung kann er schwer benennen. Es gibt auch keinerlei Befunde dazu.

Lt eigener Auskunft wurden bisher keinerlei Krankheiten (außer den oben genannten orthopädischen) gefunden. Hr. NN-KV ist jedoch sicher, dass er krank ist. er wird demnächst seinen Hausarzt aufsuchen und sich Zuweisungen zu zusätzlichen Untersuchungen (z.B. EEG) ausfolgen lassen.

Im Gespräch stellte sich heraus, dass der Kd. mit seinem Lehrberuf nicht unbedingt zufrieden ist. Er meint auch, er sei nicht so wählerisch was die Jobsuche betrifft. Nach Feststellung des gesundheitlichen Problems wurde z.B. auch die Möglichkeit eines FSHUB-Kurses angesprochen. Ebenso wie eine mögliche weitere Berufsausbildung. Der Kd zeigt Interesse an einer Tätigkeit als Hausarbeiter.

Im Gespräch zeigt sich der Kd. eher unsicher was die weitere berufliche Zukunft betrifft. er kann diesbezüglich keinerlei Wünsche oder Pläne nennen. Es wurde daher mit dem Kd vereinbart, im eigenen Interesse innerhalb eines vorher festgelegten Zeitraumes die noch "ausständigen" Untersuchungen durchführen zu lassen. Info bei NK. Sollte es dann eine chronische Krankheit (mit Befund) diagnostiziert werden, kann auf Wunsch des Kd selbstverständlich wieder eine Zubuchung zum RC erfolgen. Solange keine diagnostizierte, eine etwaige Berufsausbildung beeinträchtigende Krankheit vorliegt, kann keine Rehabilitation erfolgen.

Sollte es keine Diagnose geben, wäre eine Zubuchung zum TAS 14486 (Kolping Handwerker-Projekt) empfehlenswert."

Einem weiteren Vermerk vom ist zu entnehmen, dass der Kunde angegeben habe, dass er noch nicht alle Befunde habe. Werde diese beim "NK" mitbringen. Beruflich werde er sich dann erst entscheiden, was er machen könne und wolle auch Ü-Termin in BZ gebucht.

Die letzte Eintragung vom wurde über eine Vorsprache mit der Bf. angelegt. Ihr Kind habe einen Gen-Defekt, sei 4 Monate im Krankenhaus gewesen und auch "am WE mit Rettung im Krankenhaus". "Zu BDZ gebucht, BVGakt. und MP inf."

Vor dem existierten laut AMS keine Entragungen, welche sich auf den Gesundheitszustand von SOHN NN (NN-KV) bezogen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt und Streitpunkte

Der Sohn der Bf., SOHN NN, in der Folge auch kurz SOHN, wurde am GebDat-SOHN geboren. Er trug zwischenzeitig den Familiennamen seines Vaters, NN-KV. Die Namensführung wurde laut Auskunft des Militärkommandos Wien am wieder in den Geburtsnamen NN geändert. SOHN leidet an einer erheblichen Behinderung aufgrund einer Panikstörung. Eine voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, wurde durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ab 2/2016 bestätigt. Strittig ist, ob der Eintritt der erheblichen Behinderung auf die Zeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres, also vor den , rückzudatieren ist.

Am stellte die Bf. den Antrag auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe für SOHN wegen Agoraphobie mit Panikstörung und Sacroiliitis - axiale Spondylarthritis HLAB27 positiv (der Sohn der Bf. leidet an Morbus Bechterew). Der Antrag wurde für den Zeitraum ab April 2015 gestellt.

SOHN absolvierte in der Zeit vom bis erfolgreich eine Lehre zum Maler. Lehrbetrieb war Wien Work-Integrative Betriebe und AusbildungsgmbH, wobei im vierten Lehrjahr für rund 10 Monate eine allgemeine Beitragsgrundlage von 4.296,19 Euro und 715,26 Euro an Sonderzahlungen angegeben wurden.

In diese Zeit fällt die Stellung von SOHN im Mai 2010. Ihm wurde eine ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung bescheinigt, weiters ein Unwohlsein und Ermüdung, ein Allgemeiner körperlicher Abbau, Asthenie o.n.A., Lethargie, Müdigkeit, Schwäche: chronisch, nervös, o.n.A..

SOHN bezog nach Abschluss der Lehre Arbeitslosengeld bis und vom 23.2. bis Krankengeld. Von bis bezog er wiederum Arbeitslosengeld. Es folgte eine längere Unterbrechung von rund einem Jahr. Vom 12.3. bis bezog er Arbeitslosengeld.

Für das Jahr 2013 wurde die erste Leistungsinformation der Österreichischen Gesundheits-kasse vorgelegt. Außer dokumentierten Leistungen eines Zahnarztes im ersten Quartal sind dieser jedoch weder weitere ärztliche Leistungen, diagnostische Leistungen, Heilbehandlungen oder ein Bezug von Medikamenten zu entnehmen.

Es folgte im Versicherungsdatenauszug eine neuerliche Bezugsunterbrechung von über 10 Monaten, bevor SOHN vom bis Notstandshilfe bezog. Im Anschluss daran folgte vom bis ein Krankengeldbezug, dann vom bis ein Notstandshilfebezug und von bis ein Krankengeldbezug.

Laut Leistungsbescheinigung der Österreichischen Gesundheitskasse ist 2014 für April erstmals nach einer Beratung beim Hausarzt das Aufsuchen der Neurologie Ambulanz im ÖGK - Gesundheitszentrum YYY mit einer verbalen Intervention bei psychischen Krankheiten dokumentiert. Weiters wurde ein Facharzt für Radiologie aufgesucht im Zusammenhang mit der Lendenwirbelsäule-Kreuzbein sowie dem Becken. Auch ein Besuch beim Orthopäden ist dokumentiert sowie beim Bandagisten. In diesem Zeitraum wurden auch entsprechende Medikamente zur Behandlung von psychischen Erkrankungen verordnet. Es kam zu zwei Krankentransporten.

Vom bis bezog SOHN Notstandshilfe, vom bis Krankengeld, nach einer rund dreimonatigen Unterbrechung vom bis Notstandshilfe und nach einer rund achtmonatigen Unterbrechung ab Notstandshilfe. In diesem Zeitraum wurden weitere Untersuchungen bzw. Behandlungen durchgeführt.

SOHN fühlte sich noch am bei der Vorsprache beim AMS durch die orthopädischen Probleme nicht beeinrächtigt. Sein Problem liege eher in einer gewissen Lust- bzw. Antriebs-losigkeit. Eine Agoraphobie oder Panikattacken wurden bei dieser Vorsprache nicht erwähnt.

Bei der Untersuchung für das zuletzt erstellte Sachverständigengutachten vom erklärte die anwesende Mutter (Bf.), es sei im 13./14. Lebensjahr zu Mobbing in der Schule gekommen, SOHN habe den Schulbesuch verweigert.

2015 sei es zu vermehrten Ängsten und Panikattacken gekommen, die sich verstärkt hätten. Seit stand SOHN in regelmäßiger Betreuung des Sozialpsychiatrischen Ambulaturiums der Psychosozialen Dienste Wien. Eine empfohlene stationäre psychiatrische Behandlung wurde von SOHN laut Anamnese (Gutachten vom ) abgelehnt.

Aufgrund neuer Medikamente benötigte er keine Rettung mehr wegen Panikattacken. Wenn er schnelle Bewegungen machte, hatte er aufgrund des Bechterew Schmerzen neben der Wirbelsäule links.

SOHN absolvierte die Lehre für Maler/Anstreicher mit Lehrabschlussprüfung (mit Vorzug) 2012. Er war früher sehr sportlich mit Fußball, Skateboard.

2016 wurde die krankheitsbedingte Pension 2x abgelehnt.

2015 ist ein Krankentransport dokumentiert, 2016 sind es sechs Fahrtendienste bzw. Krankentransporte, davon drei am selben Tag, 2017 keiner, wobei in diesem Jahr nahezu durchgehend psychisch wirksame Medikamente bezogen wurden.

Das Sachverständigengutachten vom bescheinigte SOHN einen Grad der Behinderung von 50 % aufgrund einer Panikstörung. Bezüglich der axialen Spondylarthritis wurde ein Grad der Behinderung von 20 % festgestellt. Der führende Grad der Behinderung werde durch das zweite Leiden nicht erhöht, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung gegeben sei. Der Grad der Behinderung liege seit 2/2016 vor und SOHN werde voraussichtlich dauernd außerstande sein, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Zeit davor lägen keine Befunde vor, die eine psychische Erkrankung mit schwerwiegenden Funktionseinschränkungen in einem solchen Ausmaß dokumentierten, dass eine daraus resultierende anhaltende Selbsterhaltungsunfähigkeit vor dem 18. Lebensjahr eingetreten sei. Der Einzelbefund der Stellungskommission (5/2010) bei fehlenden Brückenbefunden ergebe kein anderes Bild.

Bei der Untersuchung durch die Ärztin, welche die Begutachtung für das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen am durchführte, erklärte SOHN, ungefähr seit drei Jahren Angststörungen zu haben.

Bei der Untersuchung am wurde ein neurologisches Gutachten/PVA vom vorgelegt, in welchem SOHN Agoraphobie mit Panikstörung und Vermeidungsverhalten, M. Bechterew, bescheinigt wurde.

SOHN wurde von der BBRZ Österreich Berufsdiagnostik Austria mit Arbeitsmedizinischem Leistungsprofil vom als derzeit nicht einsetzbar beurteilt, wobei u.a. davon ausgegangen wurde, dass er aufgrund der orthopädisch/rheumatischen Beschwerden seine Tätigkeit als Maler nicht mehr ausüben könne. Aufgrund einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung wurde eine medizinische Rehabilitation in Form eines Seelischen Rehabilitationsaufenthaltes empfohlen.

SOHN absolvierte nach 2011 keine Ausbildung mehr, befand sich also zur Zeit der Vollendung des 21. Lebensjahres auch nicht in Ausbildung.

Beweiswürdigung

Als Grund für die erhebliche Behinderung und die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit von SOHN führte die Bf. einerseits eine Sacroiliitis-axiale Spondylarthritis, HLAB27 positiv (Morbus Bechterew) an, zum anderen eine Agoraphobie mit Panikstörung.

Es trifft zu, dass SOHN nach der Lehrabschlussprüfung im Jahr 2011 keiner dokumentierten Beschäftigung mehr nachgegangen ist. Auch ein durchgehender Bezug von Leistungen des AMS bzw. von Krankengeld liegt nicht vor.

Laut Leistungsinformationen der Österreichischen Gesundheitskasse ist jedoch für das Jahr 2013, in dem SOHN das 21. Lebensjahr vollendete, nur die Inanspruchnahme zahnärztlicher Leistungen dokumentiert. Dass sich bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres aufgrund einer erheblichen Behinderung ein entsprechender Leidensdruck aufgebaut hat, ist daher nicht nachweisbar.

Auch wenn die Angaben von SOHN bezüglich des Eintrittes der Behinderung keine genauen Daten benennen, wird doch mit dem Hinweis auf notwendige Krankentransporte, welche insgesamt lediglich in eingeschränktem Ausmaß und überdies erst ab 2014 dokumentiert sind, in Verbindung mit der Angabe, er leide seit ungefähr drei Jahren an Angststörungen beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen aus Anlass der Erstellung des Gutachtens vom , deutlich, dass die psychische Beeinträchtigung erst nach Vollendung des 21. Lebensjahres ein Ausmaß erreicht hat, das eine entsprechende Behandlung erforderte und SOHN erheblich einschränkte.

Beratungen wegen einer psychischen Erkrankung sind in den Leistungsinformationen der Österreichischen Gesundheitskasse erstmals für April 2014 dokumentiert. Die Bf. hat den Antrag auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe erst im Oktober 2017 gestellt und die erhöhte Familienbeihilfe ab April 2015 beantragt, was ebenfalls gegen ein Vorliegen einer erheblichen Behinderung vor diesem Zeitpunkt spricht.

Auch beim AMS wurde eine psychische Beeinträchtigung erstmals 2014 angesprochen.

Dem letzten Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen kann daher nicht entgegen getreten werden, wenn es mangels vorliegender Brückenbefunde davon ausgegangen ist, dass eine erhebliche Behinderung mit daraus folgender voraussichtlicher Unfähigkeit von SOHN, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, erst nach Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten ist. Das Gutachten ist insoweit schlüssig und stimmt mit den Ergebnissen des sonstigen Ermittlungsverfahrens überein.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. c Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe , die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG gilt als erheblich behindert ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Gemäß § 8 Abs. 6 FLAG ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine zu einer Erwerbsunfähigkeit führende geistige oder körperliche Behinderung Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt, ist der Tatbestand des § 2 Abs. 1 lit. c FLAG erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend)einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt (vgl. unter anderen Zahl Ra 2018/16/0022).

Bei der Antwort auf die Frage, ob eine solche körperliche oder geistige Behinderung, die zur Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, führt, vor Vollendung des 21. Lebensjahres (oder allenfalls während einer Berufsausbildung vor Vollendung des 27. oder 25. Lebensjahres) eingetreten ist, sind die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten gebunden und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechen (vgl. unter anderen ).

Da die Unfähigkeit von SOHN, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen laut dem insoweit unbedenklichen Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, BASB Landesstelle Wien vom nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten ist, lagen die Voraussetzungen für den Bezug der erhöhten Familienbeihilfe ab April 2015 nicht vor. Auch wenn das Gutachten explizit nur eine Aussage zum Eintritt einer voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit vor dem 18. Lebensjahr enthält, ergibt sich aus der Feststellung der erheblichen Behinderung mit 2/2016, dass diese nach Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten ist. Ein Eintritt vor dem 21. Lebensjahr wurde im Verfahren auch mangels Vorlage entsprechender Befunde nicht ausreichend belegt.

Der Beschwerde konnte daher keine Folge gegeben werden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Erkenntnis folgt der darin zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, welche seiner ständigen Judikatur entspricht. Die Einbringung einer (ordentlichen) Revision gegen dieses Erkenntnis ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise
VwGH, Ra 2018/16/0022
VwGH, Ra 2017/16/0023
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7106041.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at