Kein Vorsteuerabzug mangels Lieferung (hier: wirtschaftlich keine Verschaffung der Verfügungsmacht erfolgt, da bereits vorab "Refakturierung" vereinbart war)
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden***SenV***, die Richterin Ri2 sowie die fachkundigen Laienrichter ***SenLR1*** und ***SenLR2*** in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Gerald Mussnig, Kadagasse 1, 8430 Leibnitz, (zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung vertreten durch Wirtschaftstreuhänder Günter Hösele, Grazer Straße 32, 8530 Deutschlandsberg), über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Deutschlandsberg Leibnitz Voitsberg vom betreffend Umsatzsteuerfestsetzung für 3/2016 und 6/2016 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***Sf*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Autohändler (Gebrauchtwagen). Strittig ist vor dem BFG (nur noch), ob ihm in den oa. Monaten aus mehreren von der Fa. N* GmbH gelegten Rechnungen für diverse Fahrzeuge der Vorsteuerabzug zusteht oder nicht.
Im Zuge einer die strittigen Monate umfassenden Umsatzsteuersonderprüfung traf die Prüferin in ihrem Bericht vom ua. folgende Feststellungen:
"Tz 1 Allgemein
[Der Bf.] führt einen KFZ-Betrieb in O; betrieben wird lediglich ein Autohandel, evtl. anfallende Reparaturen werden im Nachbarbetrieb, "Werkstatt B" durchgeführt. Gemeinsam mit B erfolgt auch der Auftritt im Internet, auf der Homepage (…) findet man Informationen über die Werkstatt, es werden aber auch die Gebrauchtfahrzeuge von [Bf.] angeboten. Darüber hinaus werden die Fahrzeuge bei den Portalen "Gebrauchtwagen" sowie "Car4you" oder "willhaben" inseriert. Laut [Bf.] befinden sich sämtliche im Internet zum Verkauf angebotenen Fahrzeuge am Betriebsgelände. (…)
Tz 3: Kauf von 12 Jaguar, 16 Mini Cooper und 1 Porsche
Sachverhalt
(…) Seit August 2015 ist die Firma N* GmbH (in der Folge: N) Hauptlieferant für die Gebrauchtwägen. (…) Darüber hinaus wurden im März und Juni 2016 insgesamt 12 Jaguare, 16 Mini Cooper und ein Porsche von der Firma N gekauft und innerhalb von wenigen Tagen wieder an die Firma N verkauft.
Es handelt sich dabei um folgende Fahrzeuge: [Im Bericht werden die betreffenden - insgesamt 29 - Fahrzeuge jeweils mit Fahrgestellnummer, Nummer und Datum von Einkaufs- und Verkaufsrechnung sowie Einkaufs- bzw. Verkaufspreis einzeln angeführt].
[Der Bf.] gab im Rahmen der Einvernahme als Abgabepflichtiger bekannt, dass bei sämtlichen oben genannten Fahrzeugen, entgegen der sonst üblichen Vorgangsweise, keine Fahrzeugpapiere, wie beispielsweise der Typenschein, übergeben wurden. Darüber hinaus wurden diese Fahrzeuge von [Bf.] nicht besichtigt bzw. hinsichtlich des Allgemeinzustandes überprüft, es wurden auch die Fahrgestellnummern nicht kontrolliert, zumal auf den Rechnungen betreffend die Mini Cooper nicht die vollständige Fahrzeugidentifikationsnummer aufscheint. Diese Autos befanden sich auch nie am Betriebsgelände des [Bf.], es gab nur Fakturierungen und der Kaufpreis wurde jeweils gegenseitig überwiesen. [Der Bf.] konnte somit über besagte Autos zu keinem Zeitpunkt verfügen, wie zum Beispiel diese zum Verkauf über sein Unternehmen, über eingangs beschriebene Verkaufsportale, anbieten. Tatsächlich war die Refakturierung bereits vorab vereinbart; die Rechnungen wurden laut Aussage von [Bf.] ausgestellt, sobald er dazu Zeit hatte. Teilweise wurden die refakturierten Beträge von der Firma N an [den Bf.] überwiesen, bevor dieser die von der Firma N erhaltenen Rechnungen beglichen hat. Betreffend den diesbezüglichen Hintergrund wurde [der Bf.] befragt (Einvernahme als Abgabepflichtiger am ) und gab dazu Folgendes bekannt: Dies erfolgte hauptsächlich wegen der Fuhrparkfinanzierung der Firma N* GmbH. Hinsichtlich der Jaguare benötigte die Firma N Rechnungen von einem österreichischen Händler, da die Fahrzeuge in Holland gekauft wurden, und dafür gibt es keine Finanzierungsmöglichkeit vom Finanzierungspartner (Santander).
Rechtliche Beurteilung: (…) Ein Vorsteuerabzug steht nur zu, wenn der Unternehmer eine Lieferung oder sonst. Leistung erbringt. Fehlt es daran, so kann eine Vorsteuer auch dann nicht abgezogen werden, wenn eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis vorliegt und der Aussteller die Steuer gem. § 11 Abs. 14 UStG schuldet.
Der Begriff Lieferung ist ein eigenständiger Begriff des Umsatzsteuerrechtes, der die Verschaffung der Verfügungsmacht an einem Gegenstand bedeutet. Der Unternehmer befähigt somit den Abnehmer, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen. Die Verschaffung der Verfügungsmacht ist in erster Linie ein tatsächlicher Vorgang, der in dem Augenblick eintritt, in dem der Abnehmer über den gelieferten Gegenstand tatsächlich verfügen kann. (…) Entscheidend ist bei der Lieferung nicht so sehr die Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums, sondern vielmehr die Verschaffung der Verfügungsmacht am Gegenstand. Diese kann übertragen werden durch körperliche Übergabe, durch Zeichen, Erklärung oder durch Übergabe eines handelsrechtlichen Traditionspapieres wie Lagerschein od. Ladeschein. Die Verschaffung der Verfügungsmacht bedeutet den von den Beteiligten endgültig gewollten Übergang der wirtschaftlichen Substanz eines Gegenstandes vom Leistenden auf den Leistungsempfänger. Wichtig ist also, dass der Abnehmer als Eigentümer oder wie ein Eigentümer über den Gegenstand verfügen kann; d.h. den Gegenstand wie ein Eigentümer zu nutzen und veräußern zu können. Bei den oben genannten Fahrzeugkäufen war somit im Rahmen der Umsatzsteuerprüfung zu klären, ob der Abgabepflichtige die betriebliche Nutzungsmöglichkeit für diese Fahrzeuge erlangt hat, und zwar nicht nur im rechtlichen Sinn, sondern im Sinn der faktischen Verfügungsmöglichkeit über das Wirtschaftsgut.
Tatsächlich war im gegenständlichem Fall der wirtschaftliche Gehalt des Vorganges nicht darauf gerichtet, dem [Bf.] die Verfügungsmacht an den streitgegenständlichen Fahrzeugen zu verschaffen, sondern darauf gerichtet, der Firma N eine entsprechende Finanzierungsmöglichkeit zu bieten. Dem entspricht auch, dass [der Bf.] hinsichtlich dieser Fahrzeuge niemals befähigt wurde, über diese Fahrzeuge im eigenen Namen zu verfügen und Dispositionen zu treffen. Tatsache ist, dass [der Bf.] zu keinem Zeitpunkt tatsächlich über diese Fahrzeuge verfügt hat. Aufgrund der tatsächlichen Abwicklung dieses Vorgangs, der glaubhaften Aussagen des [Bf.], dass die Rückfakturierung vorab vereinbart war und dass diese Vorgangsweise der Fuhrparkfinanzierung der Firma N diente, ist davon auszugehen, dass hinsichtlich dieser Fahrzeuge der wirtschaftliche Gehalt dieser Vorgänge nicht auf die Verschaffung der Verfügungsmacht gerichtet war. Mangels Verschaffung der Verfügungsmacht hat es keine Lieferungen der gegenständlichen Mini Cooper, der Jaguare und des Porsches an [den Bf.], aber auch keine Rücklieferungen von [Bf.] an die Firma N gegeben.
Da - wie soeben ausgeführt - keine Lieferungen stattgefunden haben, kann [der Bf.] aus den entsprechenden Rechnungen der Firma N auch keine Vorsteuerbeträge in Abzug bringen. Diese nicht abzugsfähige Vorsteuer beträgt für sämtliche Eingangsrechnungen der oben angeführten 29 Fahrzeuge insgesamt € 165.783,33. Somit sind im Rahmen der Umsatzsteuersonderprüfung die im März 2016 geltend gemachten Vorsteuerbeträge um den Betrag von € 104.900,- zu kürzen, sowie die im Juni 2016 geltend gemachten Vorsteuerbeträge um den Betrag von € 60.883,33 zu kürzen. (…)."
Unter Verweis auf diese Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung erließ das Finanzamt die angefochtenen Bescheide.
Die dagegen erhobene Beschwerde wurde wie folgt begründet: Nach Lehre, Rechtsprechung und UStR seien bei der Ist-Versteuerung für den Vorsteuerabzug Lieferung und Rechnungslegung maßgeblich. Entscheidend sei die Verschaffung der Verfügungsmacht. Im Beschwerdefall seien sowohl im März als auch im Juni 2016 sämtliche Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt gewesen. Der Bf. habe bei Rechnungslegung über die dazugehörenden Autopapiere verfügt und sei dadurch auch rechtlicher Eigentümer der betreffenden Fahrzeuge gewesen "(unabhängig, ob die Fahrzeuge noch versicherungs- oder verkehrstechnisch wo anders gemeldet sind)". Dies ergebe sich aus dem beiliegenden Schreiben der N* GmbH. Eine körperliche Präsenz der Kfz auf der Liegenschaft des Bf. sei dazu nicht notwendig gewesen.
Das Schreiben der N* (vom ), auf welches in der Beschwerde verwiesen wird, hat folgenden Wortlaut:
"Sehr geehrter Herr [Bf.]! Die N* GmbH, (…), bestätigt, dass die Firma des Bf. in laufender geschäftlicher Beziehung Großkunde bei der Firma N* GmbH ist. Es werden jährlich über 100 Fahrzeuge abgenommen. Aus diesem Grund und aufgrund geographischer Nähe zu unserer Filiale in F stellen wir immer der Firma [Bf.] freie Flächen zur Lagerung deren Fahrzeuge zur Verfügung. Auch unsere Logistikinfrastruktur (Aufbereitung, Verkaufsservices und Dokumentenhandling) stellen wir laufend zur Verfügung. Insbesondere kann die Firma [Bf.] die Datenblätter der erworbenen Fahrzeuge jederzeit abrufen. Die Firma [Bf.] nutzt diese Services regelmäßig für einen namhaften Teil ihrer Fahrzeuge."
Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. In der gesonderten Begründung vom wird ausgeführt:
Die Beschwerde wird "damit begründet, dass [der Bf.] zum Zeitpunkt der Rechnungslegung über die jeweiligen Autopapiere verfügt hat und somit auch rechtlicher Eigentümer der betreffenden Fahrzeuge war. Als Nachweis dafür wurde der Beschwerde ein Schreiben der Firma N* GmbH beigefügt, worin Herr Ing. S, Geschäftsführer der Firma N* GmbH, bestätigt, dass [dem Bf.] freie Flächen zur Lagerung der Fahrzeuge zur Verfügung gestellt werden und dass [der Bf.] deren Logistikinfrastruktur nutzen kann, in dem Datenblätter der erworbenen Fahrzeuge für ihn jederzeit abrufbereit sind. Darüber hinaus wurden zahlreiche Datenauszugsblätter der Beschwerde beigefügt.
Zu dieser Begründung setzt die Behörde im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung Folgendes entgegen: Hinsichtlich der vorgelegten Datenauszugsblätter wird festgestellt, dass diese bis dato nicht lückenlos vorgelegt wurden. Im Zuge der Folgeprüfung (Zeitraum 07-11/2016) erläuterte [der Bf.] die Vorgehensweise im Zusammenhang mit den von der Firma N* GmbH abrufbaren Datenblättern wie folgt: [Der Bf.] kann nicht selbst diese Auszüge erstellen, sondern schickt bei Notwendigkeit ein Mail an die Buchhaltung der Firma N* GmbH. Danach werden die Datenauszugsblätter für die betreffenden Fahrzeuge übermittelt.
Somit ist es denkmöglich, dass die Datenblätter erst nachträglich ausgedruckt wurden und zum damaligen Zeitpunkt der Umsatzsteuersonderprüfung noch nicht vorhanden waren und deshalb nicht vorgelegt wurden. Zumal er in der Einvernahme als Abgabepflichtiger () dem Finanzamt mitteilte, dass er die genannten Fahrzeuge nicht besichtigt, die Fahrgestellnummern nicht kontrolliert und auch keine Fahrzeugpapiere erhalten hatte. In dieser Erstaussage stellte [der Bf.] fest, dass diese Fakturierung und Refakturierung ausschließlich der Fuhrparkfinanzierung der Firma N* GmbH gedient hatte."
Mit dem Vorlageantrag wurden einige Unterlagen (Rechnungen, Fahrzeugpapiere) vorgelegt sowie darauf verwiesen, dass bei einer vom Finanzamt Wien 1/23 für denselben Zeitraum durchgeführten Umsatzsteuernachschau bei der N*.at GmbH keinerlei Unregelmäßigkeiten feststellbar gewesen wären.
Mit Eingabe vom an das BFG zog der Bf. durch seinen Vertreter das gegen (die hier folglich nicht mehr gegenständliche) Tz 4 des Prüfungsberichtes gerichtete Beschwerdevorbringen zurück (Versagung des Vorsteuerabzuges aus dem Erwerb von 12 BMW; die Vorsteuern wurden zwischenzeitig in den Folgemonaten zum Abzug zugelassen).
Im Zuge der beantragten Senatsverhandlung vor dem BFG am wiederholten die Parteien im Wesentlichen ihre bisherigen Ausführungen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Bf. ist einzelunternehmerisch als Gebrauchtwagenhändler tätig.
Im März 2016 stellte die Fa. N GmbH dem Bf. insgesamt 23 Fahrzeuge der Marken Jaguar und Mini Cooper in Rechnung (sieben davon am 7.3., 16 am 24.3.). Jeweils am Folgetag legte der Bf. an die N GmbH Rechnungen über dieselben Fahrzeuge (mit geringfügig höheren "Preisen").
Im Juni 2016 stellte die N* dem Bf. sechs Kfz (einen Porsche am 8.6., fünf Jaguar am 14.6.) in Rechnung, welche wiederum vom Bf. jeweils am Folgetag an die N* "refakturiert" wurden.
Strittig ist nun, ob dem Bf. aus den Rechnungen der N GmbH der Vorsteuerabzug zusteht.
Der Bf. gab dazu im Zuge einer Einvernahme vor der Abgabenbehörde am ua. an:
"(…) Es ging hauptsächlich um die Fuhrparkfinanzierung von der N. (…) Finanzierungspartner war die Santander. Die Bank nimmt kein Risiko, zieht den Betrag auf 4 Mal ein, danach brauchte N eine weitere Finanzierung, die nur mit einer weiteren Eingangsrechnung wieder in die Finanzierung von Santander gegeben wurden. Für Autos, die nicht aus AT gekauft werden, gibt es keine Finanzierung, daher wurde für aus Holland gekaufte Jaguar eine Rechnung von einem österreichischen Händler benötigt, deshalb willigte ich ein, die Autos zu kaufen und wieder an die N zurück zu fakturieren.
(…) Die Autos waren nie am Betriebsgelände, es gab nur die Fakturierungen. Der Kaufpreis wurde jeweils gegenseitig überwiesen.
Frage: Wurden diese Autos zum Verkauf angeboten?
Nein. Die Refakturierung war bereits vorab vereinbart, die Rechnungen wurden ausgestellt, sobald ich dazu Zeit hatte.
Frage: Haben Sie die Fzg-Nr. überprüft, enthalten die Rechnungen die vollständigen Fzg-Nr.?
Bei Fahrzeugen, die von der N gekauft wurden, habe ich keine Fahrgestellnummern überprüft.
Frage: Können Sie sicher sein, dass es die besagten KFZ überhaupt gibt und sich diese in Österreich befinden?
Ich habe die Autos nicht überprüft, ich habe bei der Abholung der von mir gekauften Autos gesehen, dass sehr viele Minis vor Ort waren. Die Jaguare habe ich nicht gesehen.
Frage: Bekommt N von Ihnen einen Kaufvertrag?
Zwischen Firmen gibt es grundsätzlich keinen Kaufvertrag, es werden nur Rechnungen ausgestellt, da kein Gewährleistungsanspruch besteht. (…)"
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem BFG bestätigte der Bf., dass die gegenständlichen Rechnungen allein dem Zweck gedient hätten, um der N* die Fuhrparkfinanzierung zu ermöglichen. Der Bf. hätte die betreffende Fahrzeuge auch nicht selbst verkaufen können, "weil die Refakturierung an die N* vorab vereinbart war. Er hätte einen allfälligen Interessenten daher an Herrn S. (N) verweisen müssen" (s. Protokoll über die mündliche Senatsverhandlung vor dem ).
Der Bf. hat seinen eigenen Angaben zufolge weder die Fahrzeuge besichtigt noch deren Fahrgestellnummern überprüft. Die Autos befanden sich nie am Betriebsgelände des Bf. und wurden von ihm auch nie zum Verkauf angeboten. Es wäre ihm auf Grund der Vereinbarung mit der N auch gar nicht möglich gewesen, die Fahrzeuge an allfällige Kaufinteressenten zu veräußern, denn die "Refakturierung" war mit der N* bereits vorab vereinbart. Die Fahrzeuge wurden jeweils einen Tag nach Rechnungslegung durch die N GmbH wieder an die N* "zurückfakturiert". Der "Verkaufspreis" lag dabei zwischen € 83,- und € 250,- über dem "Einkaufspreis" (netto).
Diese Vorgangsweise erfolgte - so das Beschwerdevorbringen - allein zum Zwecke der Fuhrparkfinanzierung der N* GmbH. Die N habe für ihre kreditgebende Bank Rechnungen eines österreichischen Händlers benötigt; die Fahrzeuge (Jaguar) wurden aber in den Niederlanden gekauft, dafür hätte es keine Finanzierungsmöglichkeit vom Finanzierungspartner gegeben.
Beweiswürdigung
Der oa. Sachverhalt steht außer Streit und ergibt sich aus den vorliegenden Rechnungen sowie den Angaben des Bf. in seiner Beschwerde, in der Einvernahme vom sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem BFG am .
Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Nach § 3 Abs. 1 UStG 1994 sind Lieferungen Leistungen, durch die ein Unternehmer den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen.
Gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 lit. a UStG 1994 kann der Unternehmer die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.
Ein Vorsteuerabzug steht nur zu, wenn der (andere) Unternehmer eine Lieferung oder sonstige Leistung erbringt. Vorausgesetzt wird eine entgeltliche, dh auf das Zustandekommen eines Leistungsaustausches gerichtete Leistung. Fehlt es daran, so kann eine Vorsteuer auch dann nicht abgezogen werden, wenn eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis vorliegt und der Aussteller die Steuer gemäß § 11 Abs. 14 UStG schuldet (; Ruppe/Achatz, UStG4, § 12 Tz 36).
"Lieferung" ist ein spezifisch umsatzsteuerlicher Begriff. Das Wesen der Lieferung besteht in der Verschaffung der Verfügungsmacht an einem Gegenstand durch einen Unternehmer (Ruppe/Achatz, aaO, § 3 Tz 7f.).
Art. 14 Abs. 1 der MWSt-RL versteht unter Lieferung die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen. Abzustellen ist darauf, ob eine Übertragung durch eine Person derart erfolgt, dass die andere Person ermächtigt ist, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie Eigentümer ().
Damit eine Lieferung zustande kommt, muss der Unternehmer den Abnehmer befähigen, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Ruppe/Achatz, aaO, § 3 Tz 31).
Der Unternehmer muss dem Abnehmer Substanz, Wert und Ertrag des Gegenstandes zuwenden (zB ; sowie die bei Ruppe/Achatz, aaO, § 3 Tz 33, angeführte Rechtsprechung).
Entscheidend ist, dass der wirtschaftliche Gehalt des Vorganges darauf gerichtet ist, dem Abnehmer die wirtschaftliche Substanz des Gegenstandes endgültig zuzuwenden, sodass gerade die Zuwendung des Gegenstandes den besonderen wirtschaftlichen Gehalt des Vorganges ausmacht (zB ).
Anhaltspunkte hiefür bieten die zwischen den Leistungsaustauschpartnern geschlossenen Vereinbarungen und deren tatsächliche Durchführung (). Erforderlich ist zusätzlich zum Übergang der wirtschaftlichen Substanz vom Leistenden auf den Leistungsempfänger, dass dies von den Beteiligten endgültig gewollt ist (zB ). Entscheidend ist das Gesamtbild der Verhältnisse des Einzelfalls (Ruppe/Achatz, aaO, § 3 Tz 33).
Verfügungsmacht kann nur auf Grund eines übereinstimmenden Willensentschlusses verschafft und erlangt werden ().
§ 3 UStG 1994 stellt auf das Verfügungsgeschäft ab, nicht auf das Verpflichtungsgeschäft. Der Abschluss des Verpflichtungsgeschäftes (zB Kaufvertrag) bewirkt (noch) keine Lieferung.
Bei der Verschaffung der Verfügungsmacht handelt es sich um einen tatsächlichen Vorgang. Der Übergang muss tatsächlich erfolgen und kann nicht lediglich abstrakt vereinbart werden (Pernegger in Melhardt/Tumpel, UStG3, § 3 Rz 51).
In Anbetracht der dargestellten Sach- und Rechtslage hat das Finanzamt die im Beschwerdefall strittigen Vorsteuern - mit völlig zutreffender Begründung - zu Recht nicht zum Abzug zugelassen:
Im vorliegenden Fall war der wirtschaftliche Gehalt der Vereinbarung zwischen dem Bf. und der N* unbestritten gerade nicht darauf gerichtet, dem Bf. die wirtschaftliche Substanz an den betreffenden (insgesamt 29) Fahrzeugen endgültig zuzuwenden. Vielmehr war lediglich eine (kurzfristig aufeinander folgende) wechselseitige Rechnungsausstellung bzw. -legung vereinbart, mit dem alleinigen Zweck, damit der N* eine Finanzierungshilfe zu verschaffen. Eine Verschaffung der Verfügungsmacht an den Bf. war hingegen nie beabsichtigt.
In diesem Sinne gab der Bf. auch an, die Fahrzeuge nicht zum Verkauf angeboten zu haben. Dies wäre ihm auf Grund der vorab vereinbarten "Refakturierung" an die N GmbH auch gar nicht möglich gewesen; allfällige Kaufinteressenten hätte er an die N* verweisen müssen.
Eine endgültige Zuwendung der wirtschaftlichen Substanz der Fahrzeuge (im oa. Sinne) war zwischen dem Bf. und der N* unzweifelhaft in keiner Weise intendiert und ist eine solche - auf Grund der angeführten Umstände - auch tatsächlich niemals erfolgt. Einziger Zweck der gegenseitigen In-Rechnung-Stellung der Fahrzeuge war es, der N* eine Finanzierungsmöglichkeit zu verschaffen.
Daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass der Bf. die Autos mit geringfügig höheren Preisen "refakturiert" hat als die N*, um damit quasi seinen "Verwaltungsaufwand" abzugelten.
Wenn in der Beschwerde damit argumentiert wird, der Bf. hätte über die dazugehörigen Autopapiere verfügt und sei dadurch auch rechtlicher Eigentümer der Fahrzeuge gewesen, so ist darauf zu verweisen, dass bei der Übergabe von Kfz die Aushändigung der Fahrzeugpapiere allein nicht für eine Übertragung der Verfügungsmacht ausreicht (Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I15 [2018], 290).
Das Finanzamt zog zudem in der Folge in seiner Beschwerdevorentscheidung aus näher angeführten Gründen in Zweifel, dass der Bf. bereits im Zeitpunkt der Rechnungslegung über die jeweiligen Fahrzeugpapiere verfügt habe (s. Begründung der Beschwerdevorentscheidung). Der Bf. hielt dem im weiteren Verlauf des Verfahrens (im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem BFG) entgegen, es sei im Regelfall praktisch unmöglich, im Zeitpunkt der Rechnungslegung bereits auch über die Fahrzeugpapiere zu verfügen.
Da es jedoch auch bei Fahrzeugen jedenfalls auf eine "körperliche Übergabe" ankommt (und die Aushändigung der Papiere noch keine "Übergabe" bewirkt), kann es letztlich ohnehin dahingestellt bleiben, ob der Bf. bei Rechnungslegung durch die N* bereits die entsprechenden Dokumente inne hatte oder nicht.
Entscheidend ist, dass eine endgültige Zuwendung von Substanz, Wert und Ertrag der Fahrzeuge an den Bf. von vornherein niemals beabsichtigt war und eine solche tatsächlich auch nicht erfolgt ist. Vereinbart war zwischen dem Bf. und der N* lediglich eine - zeitlich unmittelbar aufeinander folgende - wechselseitige Rechnungslegung über dieselben Kfz, um damit der N* eine Finanzierung ihres Fuhrparkes zu ermöglichen. Infolge dieser Vereinbarung war der Bf. nicht in der Lage, über die Kfz im eigenen Namen Verfügungen zu treffen.
Wie oben ausgeführt, ist das Verpflichtungsgeschäft für das Bewirken einer Lieferung im umsatzsteuerlichen Sinn nicht entscheidend. Dennoch ist festzuhalten, dass es im Beschwerdefall selbst an einem entsprechenden, auf Übertragung der Verfügungsmacht an den Bf. gerichteten Verpflichtungsgeschäft (Kaufvertrag) mangelt. Inhalt der Vereinbarung zwischen dem Bf. und der N GmbH war - siehe oben - einzig und allein die kurzfristig hintereinander erfolgende wechselseitige Rechnungslegung über dieselben Fahrzeuge. Eine Übertragung der Verfügungsmacht an den Bf. war von Vornherein nie Inhalt dieser Vereinbarung. Folglich war es dem Bf. auch in den ein bis (maximal) zwei Tagen, in denen er auf Grund der Rechnungen "Inhaber" der betreffenden Kfz gewesen sein soll, nicht möglich, diese im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu verkaufen (bzw. in sonstiger Weise darüber zu verfügen).
Nach Auffassung des erkennenden Senates entspricht es im Übrigen auch nicht den kaufmännischen bzw. unternehmerischen Gepflogenheiten sowie der Lebenserfahrung, Fahrzeuge im Bruttowert von rund € 900.000,- zu "erwerben", ohne diese jemals zu besichtigen, deren Zustand sowie die Fahrgestellnummern zu überprüfen und sich darüber Kenntnis zu verschaffen, ob diese überhaupt existieren. Auch daraus geht klar hervor, dass eine endgültige Übertragung der Verfügungsmacht an den Bf. wirtschaftlich nicht ernstlich angestrebt war und eine Lieferung iSd. UStG nicht erfolgt ist.
Aus den dargelegten Gründen konnte daher der Beschwerde keine Folge geleistet werden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da sich das BFG in seiner Entscheidungsfindung auf die in der Begründung zitierte Judikatur stützen konnte, lag eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vor und war die Revision nicht zuzulassen.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 12 Abs. 1 Z 1 lit. a UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 3 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | Setina in BFGjournal 2022, 371 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.2100164.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at