Haushaltszugehörigkeit hat Vorrang vor überwiegender Tragung der Unterhaltslasten
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Silvia Gebhart in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, geboren am ***1***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22, nunmehr Finanzamt Österreich, vom , betreffend Abweisung des Antrages vom auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag ab März 2018 für das Kind ***2***, geboren am ***3***, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Gegenständliches Beschwerdeverfahren steht in Zusammenhang mit dem Beschwerdefall des Bundesfinanzgerichtes .
Der Beschwerdeführer (Bf) ist seit ***5*** (2011) als Asylberechtigter anerkannt und seit damals Besitzer von Konventionspässen, aktuell Konventionspass vom ***9***, Nr ***10***, sowie Vater des im Spruch genannten Kindes ***2*** (im folgenden kurz "Kind" bezeichnet). Die Kindesmutter ist ***7***. Sämtliche Familienmitglieder besitzen die somalische Staatsbürgerschaft. Kindesmutter und Kind sind subsidiär schutzberechtigt.
Anlässlich der Geburt des Kindes wurde die Kindesmutter von der belangten Behörde mit dem amtlichen Formular ALF3 vom angeschrieben und ersucht, bestimmte, den Bf betreffende Daten nachzureichen, sowie darauf hingewiesen, dass ein weiterer Antrag nicht erforderlich sei.
Das ausgefüllte Formular ALF3 langte am bei der belangten Behörde ein. Es weist eine unleserliche Unterschrift auf. Es wurde in der Aktenvorlage als ON3 vorgelegt. Ebenfalls als ON3 vorgelegt wurde ein ausgefülltes Formular Beih1, in dem die integrierte Verzichtserklärung des Kindesmutter unterschrieben wurde, deren Unterschrift ebenfalls unleserlich, jedoch deutlich von jener des ALF3 verschieden ist. Auf dem rückgelangten Formular ALF3 ist folgender Vermerk, der nicht den Anforderungen des § 89 BAO entspricht (Datum und Unterschrift fehlen), angebracht: "FB soll auf KV lauten." Das Formular Beih1 weist dieselbe Unterschrift auf wie das Formular ALF3, obgleich das Formular ALF3 an die Kindesmutter gerichtet war und das Formular Beih1 vom Kindesvater, dem Bf, stammen soll.
Der Bf stellte also abweichend vom an die Kindesmutter gerichteten Formular ALF3 mit dem amtlichen Formular Beih1 vom ab März 2018 im eigenen Namen den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag (im Folgenden kurz: Familienbeihilfe) für das Kind. Die im Antrag integrierte Verzichtserklärung trägt eine unleserliche Unterschrift. Dieser Antrag des Bf als Kindesvater ist Grundlage im gegenständlichen Beihilfen- und Beschwerdeverfahren (vorgelegt als ON3 "14052018 Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe" und umfasst 28 Seiten darunter das rückgesandte Formular ALF3 und das Formular Beih1). Lediglich auf dem Formular ALF3 ist ein Eingangsstempel "persönlich überreicht" angebracht. Die restlichen 13 Blatt sind als Konvolut diesem Eingang zuzuordnen.
Mit ON4 wurde vorgelegt "14052018 neuerlicher Antrag auf Familienbeihilfe". Die ON4 umfasst 26 Seiten und enthält dasselbe Formular Beih1 wie die ON3. Ein eigener Eingangsstempel, der einen gesonderten Eingang dokumentieren würde, ist nicht angebracht. Nach Schriftbild und dem äußeren Erscheinungsbild sind die Beih1 laut ON3 und ON4 identisch.
Mit Vorhalt vom forderte die belangte Behörden den Bf zur Vorlage folgender Beweismittel auf: Nachweise über Grundversorgung der ganzen Familie, Verzichtserklärung und Beschäftigungsnachweise der Kindesmutter. Mit Schriftsatz vom kam die Kindesmutter der Aufforderung nach und legte Bestätigungen der Caritas über den GVS-Leistungsbezug für die Monate Oktober 2017 bis Mai 2018 allesamt vom vor, die offenbar rückwirkend den bisherigen Bezug als Einzelperson korrigiert haben, weil die Tochter ***12*** am in die GVS Wien aufgenommen wurde. Für den Oktober 2017 wurde auch die ursprüngliche Bestätigung vom vorgelegt. Weiters gab sie an, dass sie arbeitslos und Mindestsicherungsbezieherin sei. Vorhalt und Vorhaltsbeantwortung samt Beilagen wurden als ON7 vorgelegt. Die Verzichtserklärung weist dieselbe Unterschrift wie jene im Beih1 vom auf. Sämtliche mit ON7 vorgelegten Dokumente wurde per Fax am bei der belangten Behörde eingebracht.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag als unbegründet ab und führte aus: "Da Ihre Gattin und Ihr Sohn […] eine Leistung aus der Grundversorgung beziehen, besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die mit Schriftsatz vom erhobene Bescheidbeschwerde, mit der der Bescheid zur Gänze wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge Mangelhaftigkeit des Verfahrens angefochten und dessen Aufhebung beantragt wird. Insbesondere wird eingewandt, dass der Bf für das Kind einen monatlichen Geldunterhalt von EUR 200,00 leiste und damit die Unterhaltskosten überwiegend trage. Zu berücksichtigen sei weiters, dass die Kindesmutter als (bloß) subsidiär Schutzberechtigte keinen Anspruch auf die Familienbeihilfe habe. Er sei seit 2017 beschäftigt.
Über die Beschwerde sprach die belangte Behörde mit Beschwerdevorentscheidung vom abweislich ab. Dabei ging sie von folgendem Sachverhalt aus: "Ihnen wurde laut Bescheid vom Asyl zuerkannt. Das Kind und die Kindesmutter, beide wohnhaft ***8***, sind laut Bescheide vom subsidiär Schutzberechtigt bis .Kind und Kindesmutter erhalten laut Bescheid der MA 40 laufend Grundversorgung.Sie leisten eine monatliche Alimentationszahlung von € 200,00." Nach Wiedergabe des Gesetzeswortlautes der §§ 2 Abs 2, 3 Abs 3 und 4 FLAG 1967 wurde die Abweisung mit der vorrangigen Anspruchsberechtigung der Kindesmutter, deren Haushalt das Kind zugehöre, begründet.
Dagegen wurde form- und fristgerecht mit Schriftsatz vom Vorlageantrag gestellt und die Entscheidung über die Beschwerde durch das BFG beantragt. Darin wiederholte der Bf seine bisher vorgebrachte Rechtsansicht und hob hervor, dass die Kindesmutter wegen ihres Status als subsidiär Schutzberechtigte nicht als vorrangige Anspruchsberechtigte angesehen werden könne, weshalb ihm der Anspruch auf die Familienbeihilfe wegen überwiegender Tragung der Unterhaltslasten zukomme.
Mit Vorlagebericht vom 08,05.2019 wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt und unter Hinweis auf RA2014/16/0014, die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Bescheidbeschwerde und Vorlageantrag sind form- und fristgerecht. Die Bescheidbeschwerde ist aus folgenden Gründen unbegründet.
Rechtsgrundlagen
§ 94 Fremdenpolizeigesetz (FPG) trägt die Überschrift "Konventionsreisepässe" und lautet auszugsweise:
"(1) Konventionsreisepässe sind Fremden, denen in Österreich der Status des Asylberechtigten zukommt, auf Antrag auszustellen.
(2) Konventionsreisepässe können darüber hinaus Fremden, denen in einem anderen Staat der Status des Asylberechtigten gewährt wurde, auf Antrag ausgestellt werden, wenn sie kein gültiges Reisedokument besitzen und ohne Umgehung der Grenzübertrittskontrolle eingereist sind.
[…]"
§ 2 Abs 1 lit a FLAG 1967 lautet
"Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für minderjährige Kinder"
§ 2 Abs 2 FLAG 1967 lautet
"Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist."
§ 3 FLAG 1967 lautet:
"(1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, oder nach § 54 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012, rechtmäßig in Österreich aufhalten.
(2) Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 NAG oder nach § 54 AsylG 2005 rechtmäßig in Österreich aufhalten.
(3) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, gewährt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe. Anspruch besteht auch für Kinder, denen nach dem Asylgesetz 2005 Asyl gewährt wurde.
(4) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch besteht auch für Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde.
[…]"
Die Materialien (62/A XXIII. GP) zu Absatz 4 lauten auszugsweise:
"Weiters soll künftig auch für Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, ein Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld eingeräumt werden, sofern diese auf Grund ihrer Hilfsbedürftigkeit nicht bereits Leistungen im Rahmen der Grundversorgung nach Maßgabe der Grundversorgungsvereinbarung nach Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern erhalten und durch eigene Erwerbstätigkeit zu ihrem Lebensunterhalt beitragen."
§ 5 Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG) regelt den berechtigten Personenkreis und dessen Absätze 1 und 2 Ziffer 1 lauten:
"(1) Leistungen nach diesem Gesetz stehen grundsätzlich nur volljährigen österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern zu.
(2) Den österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern sind folgende Personen gleichgestellt, wenn sie volljährig sind, sich rechtmäßig im Inland aufhalten und die Einreise nicht zum Zweck des Sozialhilfebezuges erfolgt ist:
1. Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtige, denen dieser Status nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005) zuerkannt wurde sowie Personen, die Staatsangehörige eines EU- oder EWR-Staates oder der Schweiz und Opfer von Menschenhandel, grenzüberschreitenden Prostitutionshandel oder Opfer von Gewalt sind oder die über eine Aufenthaltsberechtigung als Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder als Opfer von Gewalt verfügen (§ 57 Abs. 1 Z 2 und 3 AsylG 2005);"
§ 10 WMG lautet auszugsweise:
§ 10 trägt die Überschrift "Anrechnung von Einkommen und sonstigen Ansprüche" und dessen Absatz 6 Ziffer 1 lautet:
"Von der Anrechnung ausgenommen sind:
Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 mit Ausnahme von Zuwendungen aus dem Familienhospizkarenz-Härteausgleich, die Kinderabsetzbeträge gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988, der Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 und die familienbezogenen Absetzbeträge gemäß § 33 Abs. 4 EStG 1988"
Sachverhalt
Der Bf und Frau ***7*** sind die Eltern des am ***3*** in Österreich geborenen Kindes ***2***. Sämtliche Familienangehörige besitzen die somalische Staatsbürgerschaft. Der Bf besitzt seit 2011 Asylstatus und ist seit 2017 in Österreich nichtselbständig beschäftigt. Die Kindesmutter und das Kind sind im Streitzeitraum nach § 8 AsylG subsidiär schutzberechtigt. Der Bf und die Kindesmutter leben bereits seit Juli 2017 getrennt. Das Kind wohnt im Haushalt der Kindesmutter.
Ob das Kind ab März 2018 in der Grundversorgung der Caritas erfasst war, lässt sich nicht feststellen: Mit dem Bescheid der MA40 wurde der Kindesmutter nach §§ 7, 8, 9, 10 und 12 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes (WMG) in der geltenden Fassung in Zusammenhang mit der Verordnung der Wiener Landesregierung zum Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG-VO) in der geltenden Fassung auf Grund der Geburt des Kindes, ***2***, für die Monate Juni bis September 2018 ein Betrag von EUR 814,08 monatlich zuerkannt. Laut Begründung legte der Magistrat Wien dem Bescheid der MA40 als Ermittlungsergebnis zugrunde, dass für das Kind ***2*** Alimente von EUR 200,00 ab April 2018 und Grundversorgung von EUR 100,00 ab März 2018 bezogen wurden.
Dem vorgelegten Verwaltungsakt liegen auch die Bestätigungen der Caritas über den GVS-Leistungsbezug für die Monate Oktober 2017 bis Mai 2018 allesamt vom vor, die offenbar rückwirkend den bisherigen Bezug für bloß einen Erwachsenen korrigieren, weil die Tochter ***12*** am in die GVS Wien aufgenommen wurde. Diese Annahme ergibt sich schlüssig aus den Bestätigungen für Oktober 2017, die in alter und neuer Version vorliegen. Weitere Korrekturen wurden nicht vorgelegt. Nach den Feststellungen im Bescheid der MA40 befand sich die Tochter ***12*** erst seit mit EUR 100,00 in der Grundversorgung, obgleich die Nachweise der Caritas die GVS für die Tochter seit Oktober 2017 belegen.
Der Bf leistet an die Kindesmutter für das gemeinsame Kind ab April 2018 eine monatliche Unterhaltszahlung von EUR 200,00. Nach Vorbringen des Bf trage er mit diesem Betrag die Unterhaltslasten zum überwiegenden Teil. Das Asylverfahren für das Kind war im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung noch beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.
Beweismittel und -würdigung
Beweismittel: Verwaltungsakt, insbesondere Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, MA40, vom , Zahl ***11*** (kurz: Bescheid der MA40), Bestätigungen der Caritas über den GVS-Leistungsbezug für den Monat Oktober 2017 vom sowie für die Monat Oktober 2017 bis Mai 2018 allesamt vom ; Erkenntnis
Obige Sachverhaltsfeststellung ergab sich anhand des vorgelegten Verwaltungsaktes aufgrund folgender Überlegungen:
Im Vorlageantrag trug der Bf vor, für das Kind ***2*** sei nie Grundversorgung beantragt worden sei, wovon der angefochtene Bescheid jedoch ausgeht, der sich dazu auf den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, MA40, vom , Zahl ***11*** (kurz: Bescheid der MA40) gestützt hat.
Bei dem Bescheid der MA40 und der Bestätigungen der Caritas handelt es sich um öffentliche Urkunden, deren Beweiskraft nach § 168 BAO gem § 292 ZPO zu beurteilen ist. Dass der Bescheid eine Willenserklärung und die Bestätigung Wissenserklärungen sind, nimmt ihnen nicht die Eigenschaft als öffentliche Urkunden. § 292 Abs 1 ZPO sieht vor, dass öffentliche Urkunden vollen Beweis dessen begründen, was darin von der Behörde amtlich verfügt oder erklärt oder von der Behörde bezeugt wird. Gemäß § 292 Abs 2 ZPO ist der Gegenbeweis zulässig. Aufgrund die widersprüchlichen Beweislage gleichwertiger Beweise lässt sich eine Feststellung dahin, ob das Kind ***2*** ab März 2018 in der GVS aufgenommen war oder nicht, nicht treffen. Die rückwirkende Korrektur zur Tochter, wie sie sich aus den Belegen der Caritas ergibt, wurde nicht in den Bescheid der MA40 übernommen. Die Abweichung von den Belegen der Caritas wurde im Bescheid der MA40 nicht begründet.
Im Verfahren , wurde vorgetragen, für das Kind sei keine Grundversorgung geleistet worden, weil der Bf dessen Unterhalt zu einem höheren Betrag abdecke (EUR 200,00), als ihm nach der Grundversorgung zustünde (EUR 100,00). Es wäre daher plausibel, dass nur für die Tochter, die einen anderen Vater hat, die Grundversorgung gewährt wurde und für die beiden Kinder, deren Vater der Bf ist, infolge Anrechnung seiner Unterhaltsleistungen auf die Mindestsicherung keine Grundversorgung gewährt wurde.
Aufgrund der widersprüchlichen Beweislage zweier gleichrangiger Beweismittel als öffentliche Urkunden kann die Feststellung, das Kind sei ab März 2018 in der Grundversorgung versorgt gewesen, nicht getroffen werden. Für die Entscheidung ist das jedoch nicht relevant.
Rechtsstandpunkte der Parteien
Belangte Behörde
Die belangte Behörde hat die Begründung des angefochtenen Bescheides mit der Beschwerdevorentscheidung ausgetauscht. Der tragende Abweisungsgrund ist die Haushaltszugehörigkeit des Kindes bei der Kindesmutter, deren Anspruchsberechtigung jener des Bf vorgehe (argumento Wortfolge in Beschwerdevorentscheidung "Haushaltszugehörigkeit hat Vorrang vor überwiegender Kostentragung").
Beschwerdeführer
Bescheidbeschwerde
[...] Wie auch aus dem Mindestsicherungsbescheid der Mutter […] vom hervorgeht, trage ich für [unser Kind] die überwiegenden Unterhaltskosten. Monatlich bezahle ich EUR 200,- Unterhalt […].
Die Mutter […] hat subsidiären Schutz gem. § 8 AsylG und ist nicht erwerbstätig, daher hat sie keinen Anspruch auf Familienbeihilfe für [unser Kind]. Da ich die überwiegenden Unterhaltskosten für [unser Kind] trage und seine Mutter als subsidiär Schutzberechtigte auch nicht anspruchsberechtigt ist, habe ich gemäß § 2 Abs 2 Familienlastenausgleichsgesetz Anspruch auf Familienbeihilfe für [unser Kind].
Das Finanzamt begründet die Abweisung meines Antrags auf Familienbeihilfe […] mit der Angabe, dass Personen mit dem Status von subsidiärSchutzberechtigten nur dann Familienbeihilfe gewährt würde, wenn diese und auch keineanderen Familienmitglieder Anspruch auf Grundversorgung hätten und sie erwerbstätigwären. Weiters wird angegeben, dass [die Kindesmutter] und [mein Kind] Grundversorgungbeziehen würden, weshalb mein Antrag abzuweisen wäre.
Wie ich bereits angeführt habe, bin ich -der Antragsteller -jedoch gem. § 3 AsylG asylberechtigt, seit März 2017 erwerbstätig, trage die überwiegenden Unterhaltskosten für [unser Kind] und bin gemäß §3 Abs 3 FLAG anspruchsberechtigt.
§ 3 Abs 4 (letzter Satz) FLAG besagt, dass Anspruch auf Familienbe[i]hilfe auch für Kinderbesteht, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde.
Der Abweisungsbescheid erfolgte daher rechtswidrig."
Vorlageantrag
[…] Wie in meiner Beschwerde bereits angegeben ist die [Kindesmutter] nur subsidiär schutzberechtigt und nicht asylberechtigt und derzeit nicht erwerbstätig. Sie hat daher keine[n] Anspruch auf Familienbeihilfe für [unser Kind]. Es gibt daher - entgegen den Angaben in der Beschwerdevorentscheidung - keine andere anspruchsberechtigte Person, deren Anspruch meinem Anspruch vergehen würde.
Weiters erhält [unser Kind] keine Leistungen der Grundversorgung. Eine solche Leistung wird zwar im Mindestsicherungsbescheid der MA 40 angeführt bzw. (fiktiv) als Einkommen gerechnet, es wurde für [unser Kind] aber nie Grundversorgung beantragt und [es] erhält keine Grundversorgungsleistung.
Im übrigen besagt § 3 Abs 4 FLAG:
(...)
{4) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen der Status des subsidiärSchutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, Anspruch aufFamilienbeihilfe, sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten undunselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch besteht auch für Kinder, denenderStatus des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde.
(...)
Demnach besteht Anspruch (auf Familienbe[i]hilfe) für Kinder, denen der Status des subsidiärSchutzberechtigten nach dem AsylG 2005 zuerkannt wurde. [Unser Kind] ist subsidiär schutzberechtigt, ich selbst bin asylberechtigt,erwerbstätig und trage durch meine monatlichen Unterhaltszahlungen in Höhe von EUR200,- [die] überwiegenden Unterhaltskosten."
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I.
Das BFG geht davon aus, dass es nur einen Antrag Beih1 gibt, der am der belangten Behörde persönlich überreich wurde. Ein und derselbe Antrag wurde offenbar doppelt per Finanzonline eingebracht oder doppelt gescannt.
Eine Verzichtserklärung des haushaltsführenden Elternteiles kommt lediglich bei gemeinsam wohnender Familie in Betracht. Da die Eltern seit 2017 getrennt leben, scheidet die Möglichkeit eines Verzichtes der Kindesmutter bereits aus diesem Grund aus. Die Verzichtserklärung vom ist daher rechtlich unwirksam. Die weitere Verzichtserklärung vom geht ins Leere. "Der Verzicht einer anspruchsberechtigten Person auf Bezug der Familienbeihilfe zugunsten des anderen Elternteiles setzt nach § 2a FLAG voraus, dass das Kind, für das der Familienbeihilfenanspruch besteht, zum gemeinsamen Haushalt der Eltern gehört (vgl 2001/15/0207). Mit dem Auszug eines Elternteiles aus der (bisher) gemeinsamen (Ehe)Wohnung und dem Verbleiben des Kindes in dieser Wohnung fällt für diesen Elternteil die Anspruchsberechtigung weg, weil die Tatbestandsvoraussetzung des § 2 Abs. 2 FLAG nicht mehr gegeben ist. Es liegt damit auch kein Fall des § 2a leg. cit. mehr vor. Unabhängig von einem zuvor allenfalls abgegebenen Verzicht nach § 2a Abs. 2 FLAG kommt der Anspruch auf Familienbeihilfe ab dem dem Auszug folgenden Monat (§ 10 Abs. 2 FLAG) nur mehr dem Elternteil zu, welcher mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt wohnt" ().
Der Bf als Kindesvater und das Kind erfüllen die Voraussetzungen nach § 3 Abs 3 erster Satz FLAG 1967 und nach § 3 Abs 4 letzter Satz FLAG 1967. Die anspruchsberechtigte Kindesmutter erfüllt die materiellen Voraussetzungen nach § 3 Abs 3 und 4 FLAG nicht. Diese rechtliche Beurteilung träfe einen Inländer in der Situation des Bf genauso.
§ 3 Abs 3 und 4 FLAG 1967 regelt, unter welchen Voraussetzungen Drittstaatsangehörige Anspruch auf Familienbeihilfe haben. § 3 FLAG 1967 ist jedoch keine Norm, die die anspruchsberechtigte Person definiert. Fremde haben - bei Erfüllung der in § FLAG 1967 genannten Tatbestandsmerkmale und Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - Anspruch auf die Familienbeihilfe nach den in § 2 Abs 2 FLAG 1967 genannten Kriterien. § 2 Abs 2 FLAG 1967 sieht ausdrücklich einen Vorrang des Elternteiles vor, zu dessen Haushalt das Kind gehört, vor demjenigen Elternteil, der den Unterhalt überwiegend trägt. Im Fall getrenntlebender Elternteile hat nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur derjenige Elternteil Anspruch, zu dessen Haushalt das Kind gehört. Somit kann dem angefochtenen Bescheid idF der Beschwerdevorentscheidung nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn die belangte Behörde beim Bf die Anspruchsvoraussetzung als nicht erfüllt angesehen hat. Erst ab dem Zeitpunkt, ab dem das Kind bei einer anderen Person, die zum Personenkreis des § 2 Abs 3 FLAG 1967 gehört (zB anderer Elternteil oder Großeltern), nicht mehr haushaltszugehörig ist, richtet sich der Anspruch danach, welche Person die Unterhaltskosten überwiegend trägt. Diese Rechtsansicht entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs.
"Nach § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG steht der Anspruch auf Familienbeihilfe vorrangig jener Person zu, zu deren Haushalt das Kind gehört. In diesem Fall kommt es aber nicht darauf an, von wem die Mittel für die gemeinsame Haushaltsführung stammen. Nur wenn keiner Person ein Anspruch auf Familienbeihilfe nach § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG zusteht, ist entscheidend, wer die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt (§ 2 Abs. 2 zweiter Satz FLAG)" (vgl ; ).
Der Verwaltungsgerichtshof behält in ständiger Rechtsprechung zur Reihenfolge der anspruchsberechtigten Personen bei Inlandssachverhalten die zuvor dargestellte Rechtsansicht bei. Eine konträre Rechtsansicht vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung in jenen Fällen, die in den Geltungsbereich der unionsrechtlichen sozialen Koordinierung VO (EG) 883/2994 fallen. Hier sieht das Höchstgericht in ständiger Rechtsprechung - vergleichbar einer contra-legem-Interpretation des nationalen Rechts - auch bei getrennt lebenden Elternteilen und bei Zugehörigkeit des Kindes zum Haushalt eines Elternteiles sehr wohl den anderen Elternteil als anspruchsberechtigt an, wenn dieser die Unterhaltslasten zum überwiegenden Teil trägt: "Zum Familienbeihilfenanspruch eines in Österreich Beschäftigten oder selbständig Erwerbstätigen, dessen Kind in einem anderen Mitgliedstaat wohnt und zu dessen Haushalt es nicht gehört, hat der VwGH bereits zur Vorgängerregelung der VO 883/2004 darauf abgestellt, ob der in Österreich lebende Elternteil die Unterhaltskosten für das in einem anderen Mitgliedstaat wohnende Kind überwiegend trägt (vgl. etwa 2009/13/0240; 2009/13/0241; 2009/13/0243; 2004/15/0049, VwSlg 8225 F/2007). Zu vergleichbaren Konstellationen hat der VwGH im Anwendungsbereich der VO 883/2004 einen Anspruch des in einem anderen Mitgliedstaat im gemeinsamen Haushalt mit dem Kind wohnenden Elternteils dann verneint, wenn der in Österreich eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübende Elternteil, zu dessen Haushalt das Kind nicht gehört, die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt (vgl. Ro 2014/16/0067; 2012/16/0135). Der VwGH hat weiters ausgesprochen, dass seine Rechtsprechung auch nicht durch die Rechtsprechung des EuGH ( C-378/14, Tomislaw Trapkowski) überholt ist (vgl. Ra 2019/16/0133; )."
Die Rechtsfrage, ob darin eine Inländerdiskriminierung zu erblicken ist, wurde dem Verwaltungsgerichtshof bislang nicht unterbreitet. Das BFG teilt obige Rechtsansicht zum Unionsrecht in dieser strickten und ausschließlichen Haltung jedoch nicht (vgl Vorabentscheidungsbeschluss RE/7100001/2019, anhängig beim EuGH zur Zahl C-199/21).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Falllösung hat eine Rechtsfrage in obigem Sinn nicht aufgeworfen. Bf, Kindesmutter und Kind leben in Österreich. Die Eltern sind getrennt, das Kind war bei der Kindesmutter haushaltszugehörig, sodass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ausschließlich ihr Anspruchsberechtigung zukommt (; ).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | RE/7100001/2019 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102608.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at