Vorliegen einer ernsthaften und zielstrebigen Berufsausbildung (Maturaschule)
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinRi in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum von September 2017 bis Juni 2018 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (Bf.) bezog u.a. im Zeitraum September 2017 bis Juni 2018 für ihr Kind ***1*** Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge.
Das Finanzamt forderte von der Bf. mit Bescheid vom die für den Zeitraum September 2017 bis Juni 2018 bezogene Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge unter Verweis auf die Bestimmungen des § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (kurz: FLAG 1967) iVm § 33 Abs. 3 EStG 1988 mit der Begründung zurück, dass trotz Aufforderung die abverlangten Unterlagen nicht eingebracht worden seien und dadurch der Mitwirkungspflicht nach § 115 Bundesabgabenordnung nicht nachgekommen worden sei. Es müsse daher angenommen werden, dass im genannten Zeitraum kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden habe bzw. bestehe.
Die Bf. erhob gegen den Rückforderungsbescheid Beschwerde und brachte darin Folgendes vor:
"Sie verlangten ein Schulzeugnis bezüglich der Maturaschule meines Sohnes, jedoch hat er nur einenTeil fertig, daher ist eine vorzeitige Ausgabe eines Schulzeugnisses nicht möglich. Weiters wurde eine akt. Schulbesuchsbestätigung verlangt, diese hatten wir Ihnen gebracht. Bei den Kopien liegt sie wieder bei."
Das Finanzamt erließ daraufhin eine abweisende Beschwerdevorentscheidung (BVE) mit folgender Begründung:
"Gem. § 2 Abs.1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgeübt oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule weitergebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Der Besuch einer Maturaschule alleine ist nicht ausreichend, um das Vorliegen einer Berufsausbildung anzunehmen. Hiezu muss das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen treten, Prüfungen abzulegen.
Da trotz Aufforderung (Ersuchschreiben um Ergänzung vom ) die abverlangten Unterlagen (Vorlage des Zulassungsbescheides betreffend derAblegung der Berufsreifeprüfung; Vorlage der Prüfungszeugnisse - Berufsreifeprüfung) nicht eingebracht wurden und dadurch der Mitwirkungspflicht nach § 115 Bundesabgabenordnung nicht nachgekommen wurde, muss angenommen werden, dass im gegenständlichen Rückforderungszeitraum kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden hat."
Dagegen brachte die Bf. einen Vorlageantrag mit der gleichen Begründung wie bei der Beschwerde ein.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Da die Datenblätter (Überprüfung des Familienbeihilfenanspruches) vom und vom nicht beantwortet wurden, wurde der Bescheid über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge vom erlassen (Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages für das Kind ***2***, geb. am 1995 für den Zeitraum von 9/2017 bis 6/2018; Rückforderungsbetrag = € 2.222,60).
Am langte die Beschwerde gegen den gegenständlichen Rückforderungsbescheid beim Finanzamt ein.
Die Beschwerde wurde am mittels Beschwerdevorentscheidung abgewiesen. Da trotz
Aufforderung (Ersuchschreiben um Ergänzung v. ) die abverlangten Unterlagen (Vorlage des Zulassungsbescheides betreffend der Ablegung der Berufsreifeprüfung; Vorlage der Prüfungszeugnisse - Berufsreifeprüfung) nicht eingebracht wurden und dadurch der Mitwirkungspflicht nach § 115 Bundesabgabenordnung nicht nachgekommen wurde, nahm das Finanzamt an, dass im gegenständlichen Rückforderungszeitraum kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden hat).
Am langte ein Vorlageantrage beim Finanzamt ein.
Beweiswürdigung
Ob ein Kind eine Berufsausbildung absolviert, ist eine Tatfrage, welche die Behörde in freier Beweiswürdigung zu beantworten hat (vgl. , , , , ).
Die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum Familienbeihilfe zusteht, ist an Hand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten ().
Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für die Familienbeihilfe ist, wie sich dies den Regelungen des § 10 Abs. 2 und 4 FLAG 1967 entnehmen lässt, der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruches für ein Kind kann somit je nach Eintritt von Änderungen der Sach- und/oder Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. ).
Für den strittigen Zeitraum wurde der Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid nicht stattgegeben, da die verlangten Unterlagen nicht gebracht wurden.
Wie sich aus den nachstehenden Ausführungen ergibt, standen der Bf. für ihren Sohn ***1*** im strittigen Zeitraum die Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Rechtsgrundlagen:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 FLAG 1967 idF BGBl I 2015/50 erlischt der Anspruch auf Familienbeihilfe mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
Gemäß § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) hat derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 ist für zu Unrecht bezogene Kinderabsetzbeträge § 26 FLAG 1967 anzuwenden.
Rechtliche Beurteilung:
Strittig ist, ob der Bf. für ihren Sohn im Streitzeitraum die von ihr bezogenen Familienbeihilfen und Kinderabsetzbeträge zugestanden sind.
• Begriff "Berufsausbildung"
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat in seiner ständigen Rechtsprechung zum Begriff "Berufsausbildung" folgende Kriterien entwickelt, da das Gesetz keine nähere Umschreibung dieses Begriffes enthält (vgl für viele zB , , , welche für die Beurteilung heranzuziehen sind.
Demnach fallen unter den Begriff der Berufsausbildung im Sinn des (iSd) § 2 Abs. 1 lit. b FLAG alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird (vgl. , ).
• Externistenreifeprüfung
Die ernsthafte und zielstrebige Vorbereitung auf die Externistenreifeprüfung stellt eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 dar.
Eine ernsthafte und zielstrebige Vorbereitung auf die Externistenreifeprüfung liegt vor, wenn ein "Kind" die Externistenreifeprüfung ablegen will und sich tatsächlich und zielstrebig auf die Ablegung der Reifeprüfung vorbereitet. Das wird dann anzunehmen sein, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der Reifeprüfung die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und das Kind zu den von der Externistenreifeprüfungskommission festgesetzten Terminen zu den Prüfungen antritt (vgl. ).
Die Vorbereitungszeit für die Berufsreifeprüfung bzw. Gewährung der Familienbeihilfe ist im Erlass des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie vom , FB 100, GZ 51 0104/4-VI/1/98 wie folgt geregelt:
"Bei Beantragung der Familienbeihilfe sind vom Finanzamt daher neben der Zulassung zur Berufsreifeprüfung jedenfalls auch die Angabe der (des) jeweiligen Prüfungstermine(s) sowie der Beleg (zB Kursbestätigung) oder die Glaubhaftmachung (bei Selbststudium) des tatsächlichen Vorbereitungsbeginns abzuverlangen. Die Familienbeihilfe ist immer zurückgerechnet vom Prüfungstermin zu gewähren, und zwar für längstens 16 Monate, wenn in diesem Zeitraum Teilprüfungen in vier Gegenständen vorgesehen sind, für längstens zwölf Monate, wenn in diesem Zeitraum Teilprüfungen in drei Gegenständen vorgesehen sind, für längstens acht Monate, wenn in diesem Zeitraum Teilprüfungen in zwei Gegenständen vorgesehen sind, und für längstens vier Monate, wenn in diesem Zeitraum eine Teilprüfung in einem Gegenstand vorgesehen ist. Voraussetzung ist aber, dass im jeweiligen Zeitraum tatsächlich eine Prüfungsvorbereitung vorliegt, denn eine Familienbeihilfengewährung über den tatsächlichen Vorbereitungsbeginn hinaus ist nicht möglich. Kann andererseits wegen Überschreitung der zur Verfügung stehenden Zeit Familienbeihilfe nicht für den gesamten Vorbereitungszeitraum gewährt werden, sind nur solche Monate zu zählen, die überwiegend in die Vorbereitungszeit fallen. Die Aufteilung des Bezugszeitraumes hängt vom zeitlichen Abstand der einzelnen Teilprüfungen ab, eine Verlängerung wegen erforderlicher Wiederholungsprüfungen über die vier Monate pro Prüfung ist nicht möglich."
Aus diesem Erlass geht somit hervor, dass eine ernsthafte und zielstrebige Berufsausbildung iSd FLAG für höchstens vier Vorbereitungsmonate bis zur jeweiligen Teilprüfung anzunehmen ist.
Eine Vorbereitungszeit von vier Monaten je Teilprüfung wurde auch vom Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten als ausreichend erachtet (UFSF vom , RV/0121-F/07).
Nach der Anzahl der erforderlichen Zulassungsprüfungen richtet sich die Länge des Familienbeihilfenanspruches, welche von der schulischen Vorbildung abhängig ist (vgl. , Erkenntnis des ).
Wie schon erwähnt, hat die Bf. weder die geforderten Zulassungsbescheide betreffend die Ablegung der Berufsreifeprüfung noch Zeugnisse vorgelegt und ist somit ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen. Somit ist im gegenständlichen Fall davon auszugehen, dass im strittigen Zeitraum keine ernsthafte und zielstrebige Berufsausbildung des Sohns der Bf. im Sinne des § 2 FLAG 1967 vorgelegen hat.
Rückerstattung von zu Unrecht bezogenen Beträgen
§ 26 FLAG normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Geldbezüge ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist somit lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Ob und gegebenenfalls wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich (vgl. , , ).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Ob ein Kind eine Berufsausbildung ernsthaft und zielstrebig absolviert, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Tatfrage, welche in freier Beweiswürdigung zu beantworten ist. Tatfragen sind einer Revision nicht zugänglich.
Betreffend das Bestehen der Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge folgt das Bundesfinanzgericht der einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zB ).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | -F/07 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7105252.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at