Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.04.2022, RV/1100188/2019

Mittelpunkt der Lebensinteressen bei Wohnsitzen in Österreich und in der Schweiz

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2022/15/0048. Zurückweisung mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri***

in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***,

betreffend die Bescheide des ***FA*** vom und vom

hinsichtlich Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 und 2017 sowie Abweisung eines Antrages auf Herabsetzung von Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2019, Steuernummer ***BF1StNr1***,

zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Abgabenbehörde stellte in den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden fest, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Beschwerdeführers sich im Inland befinde, weshalb er auch in Österreich steuerpflichtig sei.

Sein Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlungen an Einkommensteuer das Jahr 2019 wurde mit Verweis auf die oben genannten Einkommensteuerbescheide abgewiesen.

In seinen Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide brachte er vor, ab 2016 befinde sich sein Mittelpunkt der Lebensinteressen in der Schweiz, p. A. ***1***. Die Adresse in ***2*** diene nur mehr als Zustelladresse.

An Unterlagen legte er bei:

  1. Eine Bestätigung seiner Gattin ***3***, wonach zwischen ihr und dem Beschwerdeführer keine Lebens-, Wohn- oder Wirtschaftsgemeinschaft mehr bestehe. Sie seien seit 2016 getrennt. Der Beschwerdeführer habe keinen Wohnsitz mehr an der Adresse ***4***. Betreffend die beiden gemeinsamen Kinder ***5***, geb. 1995 und ***6***, geb. 2000, übe er gelegentlich sein Besuchsrecht aus,

  2. Eine Bestätigung der Meldung aus dem Zentralen Melderegister, wonach er an der ***17*** Adresse von bis mit der Wohnsitzqualität Hauptwohnsitz gemeldet gewesen sei,

  3. Eine "Meldebestätigung für Hauptwohnsitz" der Stadt ***7*** mit dem Zuzugsdatum ,

  4. Ein Schreiben der ***8*** AG vom an Herrn ***9*** in ***1***, wonach bewilligt werde, dass der Beschwerdeführer bei Herrn ***9*** als Untermieter wohnen dürfe. Die Bewilligung könne jederzeit widerrufen werden,

  5. Ein Schreiben des Herrn ***9*** vom , wonach der Beschwerdeführer ihm monatlich von bis einen Mietanteil von CHF 500 überwiesen habe.

Die Abgabenbehörde richtete in der Folge ein Ergänzungsersuchen an den Beschwerdeführer, mit der Bitte, die Trennung von seiner Frau und Aufgabe des bisherigen Familienwohnsitzes in Österreich durch geeignete Dokumente und Unterlagen darzulegen (etwa eine Scheidungsvereinbarung, Meldung bei den Kreditgebern udgl.).

Es ergingen Beschwerdevorentscheidungen, in denen die Beschwerden (gegen die ESt-Bescheide und gegen den Bescheid über Abweisung eines Antrages auf Herabsetzung von Vorauszahlungen) als unbegründet abgewiesen wurden. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt:

Der Beschwerdeführer habe die Aufgabe der Eigentumswohnung, die er im Jahr 2004 gemeinsam mit seiner Ehegattin in ***2*** erworben habe und an der er bis mit Hauptwohnsitz gemeldet gewesen sei, aus dem Grund einer Trennung von seiner Frau nicht nachweisen können. Die Ehegattin und die beiden gemeinsamen Kinder seien nach wie vor ständig an dieser Adresse wohnhaft.

So habe er etwa keine Nachweise für die Überführung persönlicher Wirtschaftsgüter ins Ausland erbracht, nicht erläutert, warum Familienheimfahrten steuermindernd beantragt wurden, er habe keine Übergabe/Verkauf seines Anteils an der Wohnung in ***2*** dokumentiert, ebenso wenig eine Ummeldung von Telefon- oder Internetanschlüssen sowie des Pkw.

Betreffend die Adresse in ***7***, an der er ab Februar 2016 für rund 2 Jahre als Untermieter gewohnt habe, seien keine Belege für Miet- und Betriebskostenzahlungen eingereicht worden. Allein die Bestätigungsschreiben des Hauptmieters, eines Herrn ***9***, reichten als Beweismittel nicht aus

Die Bestätigung der Gattin über die Trennung seit 2016 mache den Eindruck eines aus Gefälligkeit unterfertigten Schreibens. Dazu stehe nämlich im Widerspruch, dass die Gattin anlässlich einer Überprüfung des Familienbeihilfenanspruches am keine Angaben über eine erfolgte Trennung bzw. laufende Scheidung gemacht habe. Im Gegenteil habe sie dort den Beschwerdeführer als Partner, von dem sie "nicht dauernd getrennt lebe" und "im gemeinsamen Haushalt lebe" angegeben.

Es seien keine näheren Angaben über ein laufendes Scheidungsverfahren, z.B. Besprechungen mit Anwalt, Einreichung bei Gericht, Aufteilung des ehelichen Vermögens, der Schulden, Unterhaltsvereinbarungen etc., gemacht worden.

Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Wohnsitz in Österreich aufgegeben worden sei. Vielmehr habe der Beschwerdeführer in den Streitjahren 2016 und 17 über eine Wohnung im Inland verfügt. Auch wenn man annehme, dass er ab Februar 2016 (neben dem österreichischen) auch einen Schweizer Wohnsitz gehabt habe, vermöge das seinen Beschwerden nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Gemäß Art. 4 Abs. 2 des DBA CH sei nämlich eine Person, die in beiden Vertragsstaaten eine Wohnstätte habe, in jenem Staat ansässig, zudem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, d. h., in den Mittelpunkt der Lebensinteressen, habe.

Bei der Ermittlung des Mittelpunktes der Lebensinteressen, sei nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht nur auf die Verhältnisse eines Jahres, sondern auf einen längeren Beobachtungszeitraum abzustellen.

Begründe eine Person in einem Staat eine Wohnstätte, ohne ihre im anderen Staat bereits bestehende Wohnstätte, an der sie bisher mit ihrer Familie gelebt und ihren Besitz habe, aufzugeben, so spreche dies dafür, dass sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im ursprünglichen Start beibehalten habe.

Gegenständlich habe daher der Beschwerdeführer nach wie vor den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Österreich, weshalb seine Beschwerden abzuweisen gewesen wären.

Es langte ein Antrag auf Vorlage der Beschwerden an das Bundesfinanzgericht ein, in dem ausgeführt wurde: Entsprechend den schon bisher eingebrachten Schriftstücken möge der Hauptwohnsitz in der Schweiz anerkannt werden. Es seien sämtliche Beweise bzw. Belege vorgelegt worden. Soweit beispielsweise ein Nachweis über die Ausfuhr von Möbeln etc. angefordert worden wäre, habe ein solcher nicht beigebracht werden können, da man ja auch etwa ein möbliertes Zimmer anmieten könne. Die Abgabenbehörde habe alle Beweisstücke als nicht glaubwürdig erachtet. Das Bundesfinanzgericht werde um nochmalige Beweiswürdigung ersucht. Tatsache sei, dass der Beschwerdeführer ab 2016 aufgrund seines Hauptwohnsitzes in der Schweiz nicht mehr unbeschränkt steuerpflichtig in Österreich sei.

Gleichzeitig wurde um Herabsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen für 2019 und Folgejahre auf Null ersucht. Auch dieses Ansuchen wurde als Vorlageantrag gewertet (Anm. dazu: Am wurde aus den oben dargestellten Gründen ein Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlungen an Einkommensteuer für das Jahr 2019 und Folgejahre auf Null gestellt. Der Antrag wurde unter Verweis auf die Einkommensteuerbescheide für 2016 und 2017 mit Bescheid vom abgewiesen. Am wurde dagegen Beschwerde eingebracht. Am erging diesbezüglich eine abweisende Beschwerdevorentscheidung).

Ermittlungen durch die Richterin:

Die Richterin wandte sich mit einem an die Schweizer Adresse ***Bf1-Adr***, gerichteten Ergänzungsersuchen an den Beschwerdeführer:

  1. "Im Zusammenhang mit der von Ihnen vorgebrachten Verlagerung ihrer Lebensinteressen in die Schweiz im Jahr 2016 hat die Abgabenbehörde bereits 2Ergänzungsersuchen an Sie gerichtet, die von Ihnen nur unvollständig beantwortet wurden. Bitte beantworten Sie daher die offengebliebenen und anderen hier gestellten Fragen:

  2. Wie von Ihnen bisher vorgebracht, lebten Sie in den Streitjahren getrennt von Ihrer Ehefrau, die mit den beiden Kindern in Österreich verblieb. Sofern Sie inzwischen geschieden sind, reichen Sie bitte ein Scheidungsurteil ein.

  3. Nicht beantwortet haben Sie die Frage nach ihrem Kfz: Wann haben Sie Ihr Kfz auf ein Schweizer Kennzeichen umgemeldet? Reichen Sie Unterlagen zur An-und Abmeldung ein. Haben Sie Ihren Führerschein umschreiben lassen? Bitte Nachweis.

  4. Wann wurden Telefon-und Internetanschlüsse umgemeldet? Bitte reichen Sie Unterlagen dazu ein.

  5. Laut Aktenlage haben Sie von Februar 2016 bis Februar 2018 als Untermieter bei ***16*** ***9*** gewohnt und ab selbst eine 3-Zimmer-Wohnung in ***7*** angemietet. Wo haben sie von März bis Juli 2018 gewohnt?

  6. Offengeblieben ist auch die Frage, warum Sie im Zuge der Steuererklärung für 2016, die am eingebracht wurde, ganzjährige Familienheimfahrten beantragt haben, obwohl Sie andererseits behaupten, Ihren Familienwohnsitz in Österreich im Februar 2016 aufgegeben zu haben?

  7. Warum wurden Sie von ***3*** in deren Eingabe an das Finanzamt vom zur Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe für ihre gemeinsame Tochter ***6*** als Partner, von dem sie nicht dauernd getrennt lebt, angeführt?

  8. Sie haben eine Umsatzliste des auf ***3*** lautenden Kontos bei der ***Bank*** für den Zeitraum bis eingereicht. Mehrmals scheint darin die auf Ihren Namen (***Bf1***) lautende Entrichtung des Mitgliedsbeitrages für den ***18*** Sport-und Kulturverein auf. Bitte nehmen Sie dazu Stellung.

  9. Über welche Aufenthaltsbewilligung verfügen Sie derzeit in der Schweiz? Reichen Sie dazu bitte einen Nachweis ein."

Das Schreiben konnte in der Schweiz nicht zugestellt werden. Es wurde an das BFG rückübermittelt, wobei auf einem Aufkleber die Punkte "Annahme verweigert" und "nicht abgeholt" angekreuzt waren.

Eine Nachschau im Zentralmelderegister ergab, dass der Beschwerdeführer seit wieder an der Adresse ***4***, mit Hauptwohnsitz gemeldet ist. Es erfolgte eine Neuzustellung an die inländische Adresse, wo das Schriftstück - offenbar von seiner Tochter ("***6***") - angenommen wurde.

In der Folge brachte der Beschwerdeführer durch seine steuerliche Vertretung nachstehendes Beantwortungsschreiben ein:

"Beiliegend erhalten Sie zahlreiche Belege, die den Hauptwohnsitz in der Schweiz untermauern. Insbesondere der umgeschriebene Führerschein ist wohl der eindeutige Beleg dafür, dass Herr ***Bf1*** in der Schweiz den Hauptwohnsitz innehatte, da dies von den Schweizer Behörden genauestens untersucht wird, bevor eine Umschreibung vorgenommen wird.

Herr ***Bf1*** ist nicht geschieden-sondern getrennt lebend.

Es ist auch richtig, dass die eine oder andere Kleinigkeit noch von Herrn ***Bf1*** bezahlt wurde, bzw. auch noch sein Name auftaucht. Dies bedeutet aber nicht, dass er in Österreich ansässig war …

Das Familienbeihilfeformular (Partner, von dem sie nicht gegen dauernd getrennt lebt …) wurde von Frau ***3*** offenbar falsch ausgefüllt.

Für den Hauptwohnsitz in der Schweiz können auch noch-bei Bedarf-verschiedene Zeugen genannt werden …"

Beigelegt waren in Kopie:

  1. Bankkarte der ***11*** Kantonalbank, gültig bis 12/21,

  2. Führerausweis, unter Punkt 4a ist das Datum ersichtlich (Ausstellungsdatum?),

  3. Aufenthaltstitel B, Art des Titels: Ausweis EU/EFTA, Anmerkung: Berechtigt zur Erwerbstätigkeit, Gültigkeitsdatum bis , Rückseite: Ausstellungsdatum , Einreisedatum ,

außerdem:

  1. Eine Mahnung der ***12*** SA (Anm.: Es handelt sich dabei um einen Mobiltelefonieanbieter) vom mit der Aufforderung, einen ausstehenden Betrag von CHF 48,85 zu bezahlen plus Zahlscheinabschnitt über Entrichtung eines Betrages von CHF 102,15; angeschlossen ein Kontoauszug per über die Abwicklung eines Zahlungsverkehrs von bis und einem Endsaldo von CHF 102,15;

  2. Ein Schreiben des Herrn ***9*** (in Kopie) vom , in dem dieser bestätigt, dass der Beschwerdeführer in der Zeit von "2016 bis zum " Untermieter bei ihm gewesen sei und monatlich CHF 643 an Miete mit Betriebskosten bezahlt habe;

  3. Drei Seiten aus einem Zulassungsschein in Kopie, lautend auf den Beschwerdeführer, teilweise schlecht leserlich, betreffend einen Personenwagen ***13***, Datum , ***7***;

  4. Ein Willkommensschreiben des Schweizer Anbieters für mobile Telefonie ***14*** vom mit der Nachricht, dass der Mobilanschluss des Beschwerdeführers am "aufgeschaltet" wurde.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

  1. Der Beschwerdeführer ist seit Jänner 2015 in der Schweizer Stadt ***7*** bei der Firma ***15*** AG berufstätig.

  2. Er war bis zum mit Hauptwohnsitz an der inländischen Adresse ***4***, gemeldet.

  3. Er lebte dort mit seiner Ehefrau und den beiden gemeinsamen Kindern, dem bereits volljährigen Sohn ***5*** und der noch minderjährigen Tochter ***6***, welche die HAK in ***2*** besuchte.

  4. Die Wohnung in ***2*** stand zur Hälfte im Eigentum des Beschwerdeführers, zur Hälfte im Eigentum seiner Gattin.

  5. Ab Februar 2016 meldete sich der Beschwerdeführer in ***7*** mit Hauptwohnsitz an.

  6. Er war vorerst an der Adresse ***1***, als Untermieter bei ***16*** ***9*** gemeldet.

  7. Ab Juli 2018 mietete er an der Adresse ***19*** ***7***, eine 3- Zimmer-Wohnung.

  8. Ab scheint der Beschwerdeführer wieder mit Hauptwohnsitzmeldung an der ***17*** Adresse auf.

  9. Mit Schenkungsvertrag vom schenkte und übergab der Beschwerdeführer seinen Hälfteanteil an der Wohnung in ***2*** an seine Tochter ***6***.

  10. ***6*** ***10*** verpflichtete sich im Rahmen des Schenkungsvertrages gegenüber ihrem Vater, den geschenkgegenständlichen Liegenschaftsanteil ohne seine Zustimmung weder zu veräußern noch zu belasten.

  11. Mit gesonderter Vereinbarung vom verpflichtete sich auch ***3***, die Ehefrau des Beschwerdeführers, ohne seine Zustimmung ihren Hälfteanteil an der ***17*** Wohnung weder zu veräußern noch zu belasten.

  12. Das für Frau und Tochter geltende Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten des Beschwerdeführers wurde grundbücherlich sichergestellt.

Die Feststellungen zum Sachverhalt gründen sich auf unstrittigen Akteninhalt sowie auf Einsichtnahme der Richterin in das Zentralmelderegister und Grundbuch.

Gesetzliche und abkommensrechtliche Grundlagen

Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind jene natürlichen Personen unbeschränkt steuerpflichtig, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

Gemäß § 26 Abs. 1 BAO hat jemand einen Wohnsitz im Sinne der Abgabenvorschriften dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. Nr. 64/1975 (in der Folge kurz: DBA CH), lautet auszugsweise:

Art. 4:

1.Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck "eine in einem Vertragstaat ansässige Person" eine Person, die nach dem in diesem Staat geltenden Recht dort unbeschränkt steuerpflichtig ist.

2.Ist nach Abs. 1 eine natürliche Person in beiden Vertragstaaten ansässig, so gilt folgendes: a) die Person gilt als in dem Vertragsstaat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt. Verfügt sie in beiden Vertragstaaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Vertragsstaat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen)

Art. 15:

1.Vorbehaltlich der Art. 16, 18 und 19 dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden.

Art. 23:

1.Bezieht eine in einem Vertragstaat ansässige Person Einkünfte oder hat sie Vermögen und dürfen diese Einkünfte oder dieses Vermögen nach diesem Abkommen in dem anderen Vertragstaat besteuert werden, so nimmt der erstgenannte Staat, vorbehaltlich der nachfolgenden Absätze, diese Einkünfte oder dieses Vermögen von der Besteuerung aus; dieser Staat darf aber bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder das übrige Vermögen dieser Person den Steuersatz anwenden, der anzuwenden wäre, wenn die betreffenden Einkünfte oder das betreffende Vermögen nicht von der Besteuerung ausgenommen wären.

2.Ungeachtet des Abs. 1 darf Österreich Einkünfte im Sinne des Artikels 15 Abs. 1 sowie Einkünfte im Sinne des Artikels 19 (ausgenommen Ruhegehälter), die eine in Österreich ansässige Person aus ihrer in der Schweiz ausgeübten Arbeit aus öffentlichen Kassen der Schweiz bezieht, besteuern. Bezieht eine in Österreich ansässige Person unter Art. 10, 15 und 19 fallende Einkünfte, die nach diesem Abkommen in der Schweiz und in Österreich besteuert werden dürfen, so rechnet Österreich auf die vom Einkommen dieser Person zu erhebende Steuer den Betrag an, der der in der Schweiz gezahlten Steuer entspricht;

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Strittig ist: Ist der Beschwerdeführer im Streitzeitraum in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig?

Die Frage, ob eine Person in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig ist, richtet sich nach den inländischen steuerrechtlichen Vorschriften. Es ist daher zunächst nach innerstaatlichem Recht zu untersuchen, ob der Beschwerdeführer im Streitzeitraum 2016 und 2017 einen Wohnsitz in Österreich hatte.

Gemäß § 26 BAO hat eine Person einen Wohnsitz dort, wo sie eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass sie die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Der Steuerpflichtige muss die Wohnung "innehaben", d. h., er muss über die Wohnung tatsächlich oder rechtlich verfügen können, sie also jederzeit für den eigenen Wohnbedarf nützen können (vgl. ). Als Rechtsgründe für die Innehabung kommen Eigentum, Miete, Untermiete, Wohnungsrecht, aber auch familienrechtliche Ansprüche (z.B. des Ehegatten) in Betracht. Eine bestimmte rechtsgeschäftliche Form ist nicht erforderlich (vgl. Ritz, BAO5, § 26 Tz 6). Der Wohnsitzbegriff fordert auch nicht die ununterbrochene tatsächliche Benützung der Wohnung. Es genügt, dass die Wohnung ständig durch den Abgabepflichtigen benützt werden könnte.

Von einer "Innehabung" darf nicht bloß dann gesprochen werden, wenn jemand über eine "eigene Wohnung" verfügt. Auch eine abgeleitete Verfügungsmacht über eine Wohnung wird als ausreichend angesehen. Von einem abgeleiteten Wohnsitz spricht man etwa bei Ehegatten, die aufgrund eherechtlicher Bestimmungen in der ehelichen Wohnung wohnberechtigt sind. Bei aufrechter Ehe kann davon ausgegangen werden, dass Ehegatten einen gemeinsamen Wohnsitz dort haben, wo die Familie wohnt. Hält sich ein Ehegatte aus beruflichen oder sonstigen Gründen langfristig im Ausland auf und lassen auch die Umstände auf keine dauernde Trennung schließen, dann behält der Ehegatte den Wohnsitz bei der Familie bei (vgl. ; Doralt, EStG9, § 1 Tz 14; Ritz, BAO6, § 26 Tz 12).

Für die Begründung des Wohnsitzes im Sinne des § 26 BAO ist die polizeiliche Meldung nicht zwingend erforderlich. Eine berufliche Tätigkeit im Ausland und häufige Auslandsreisen schließen einen Wohnsitz im Inland nicht aus, können aber in Zweifelsfällen einen Begründungsanhalt bieten ().

Wie in Art. 4 Abs. 2 DBA CH normiert, entscheidet bei Vorhandensein von Wohnstätten in zwei Vertragstaaten der Mittelpunkt der Lebensinteressen über die Ansässigkeit.

Bei Bestimmung des Mittelpunktes der Lebensinteressen kommt es auf persönliche und wirtschaftliche Beziehungen an, die die gesamte Lebensführung des Abgabepflichtigen hinsichtlich Familie, Besitz, Vermögenswerten, örtlich gebundenen Tätigkeiten, Einnahmequellen, gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Beziehungen nach ihrer überwiegenden Bedeutung umfassen. Persönliche und wirtschaftliche Beziehungen müssen nicht kumulativ vorliegen. Bei gegenläufigen Beziehungen (z.B. engere persönliche Beziehungen zum einen Staat, engere wirtschaftliche Beziehungen zum anderen Staat) entscheidet das Überwiegen. Dies erfordert eine zusammenfassende Wertung; es zählt das Gesamtbild der Lebensverhältnisse (vgl. und Beiser in ÖStZ 1989, 241 ff.).

Wirtschaftlichen Beziehungen kommt in der Regel eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen (vgl. BFG RV/1100424/2011 mit Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung).

Die stärkste persönliche Beziehung besteht grundsätzlich zu dem Ort, an dem jemand regelmäßig mit seiner Familie lebt (vgl. etwa ; ). Begründet eine Person in einem Staat eine Wohnstätte, ohne ihre im anderen Staat schon bestehende Wohnstätte aufzugeben, so kann die Tatsache, dass sie die erste Wohnstätte, an der sie bisher gelebt und gearbeitet hat und wo sie ihre Familie und ihren Besitz hat, aufrecht hält, zusammen mit anderen Gesichtspunkten dafür sprechen, dass sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im ersten Staat beibehalten hat (vgl. , mwN).

Umgelegt auf den Streitfall ergibt sich:

Im Zuge der Veranlagung für die Streitjahre brachte der Beschwerdeführer vor, von seiner Frau getrennt zu leben. Sein "Hauptwohnsitz" liege seit 2016 in der Schweiz. Zum Beweis wurde eine Bestätigung seiner Gattin eingereicht, wonach keine Lebensgemeinschaft zwischen den Gatten seit Juni 2016 bestehe und der Beschwerdeführer nicht mehr an der ***17*** Adresse wohnhaft sei. Später wurde eine Bestätigung der Gattin nachgereicht, in der sie erklärt, von ihrem getrennt lebenden Ehegatten seit 2016 Kindesunterhalt in bar erhalten zu haben.

Über diese Bestätigungen der Gattin hinaus, konnte die behauptete Trennung durch keine stichhaltigen Unterlagen dokumentiert werden. Das Fehlen von - seitens der Abgabenbehörde mehrfach angeforderten - schriftlichen Vereinbarungen hinsichtlich Unterhalt und Besuchsregelungen sowie allfälligen Nachweisen von Gerichts- oder Anwaltsterminen betreffend eine etwa geplante Scheidung oder die trennungsbedingte Regelung von Modalitäten, spricht ebensowenig für eine tatsächlich gewollte und erfolgte Trennung wie der Umstand, dass die Ehegatten bis heute nicht geschieden sind (siehe Vorhaltsbeantwortung vom ) sowie, dass der Beschwerdeführer seinen Hälfteanteil an der Eigentumswohnung in ***2*** erst im Jahr 2021 aus der Hand gab, indem er ihn an seine Tochter verschenkte (dies unter grundbücherlicher Sicherstellung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots zu seinen Gunsten, nicht nur seitens der Tochter, sondern auch seitens der Gattin als zweiter Hälfteeigentümerin).

Auch der Umstand, dass die Gattin des Beschwerdeführers im Formular zur Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe noch Ende 2017 den Beschwerdeführer als "Partner, von dem sie nicht dauernd getrennt lebt" bezeichnet, lässt nicht auf eine Beendigung des gemeinsamen Lebensweges schließen. Die Erklärung der steuerlichen Vertretung in der Vorhaltsbeantwortung vom März 2022, wonach es sich dabei um ein Versehen gehandelt habe, vermag in Gesamtschau mit allen anderen Sachverhaltselementen nicht zu überzeugen.

So hat der Beschwerdeführer etwa für das Streitjahr 2016 die steuerliche Berücksichtigung von Kosten für Familienheimfahrten beantragt. Bei "Familienheimfahrten" im steuerlichen Sinn handelt es sich um Fahrten vom Wohnsitz am Arbeitsplatz zum Familienwohnsitz (Doralt, EStG13, § 16 Tz 200/14 ff.), präzise ausgedrückt um Heimfahrten an jenen Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehegatten einen Hausstand unterhält, d. h., den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hat (vgl. Kofler/Wurm in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG20, § 20 Tz 104/11) - zu diesem Punkt hat der Beschwerdeführer trotz Vorhalts der Abgabenbehörde und des Bundesfinanzgerichtes keine Äußerung abgegeben.

Weiters wurde die Gattin als inländische Zustellungsbevollmächtigte namhaft gemacht, was bei Ehegatten, deren Wege sich getrennt haben, durchaus ungewöhnlich anmutet. Noch im September 2018 wurden amtliche Schriftstücke an die Gattin als inländische Zustellungsbevollmächtigte übermittelt.

Zudem scheinen, wenn auch die den Zeitraum bis betreffenden Kontoauszüge der ***Bank***, ***2***, (inzwischen) auf Frau ***3*** lauten, über den gesamten Zeitraum hinweg auf den Namen des Beschwerdeführers (***Bf1***) lautende Abbuchungen für Mitgliedsbeiträge an den ***18*** Sport- und Kulturverein auf. Soweit seitens der steuerlichen Vertretung in der Vorhaltsbeantwortung vom März 2022 hiezu bemerkt wurde, hin und wieder würden noch kleine Beträge durch den Beschwerdeführer bezahlt, ist dies nicht schlüssig und überzeugend. Es vermag sich dem BFG nicht zu erschließen, warum nach einer - wie behauptet - bereits Anfang 2016 erfolgten Trennung und Verlagerung des Lebensmittelpunktes ins Ausland noch mehr als drei Jahre später regelmäßig ein Mitgliedsbeitrag für einen inländischen Verein auf den Namen des Beschwerdeführers entrichtet werden sollte.

Die Sachlage, die somit dafür spricht, dass sich der Beschwerdeführer tatsächlich nicht von seiner Frau getrennt hat, sondern vielmehr seinen Familienwohnsitz trotz Begründung von Wohnstätten in der Schweiz in ***2*** beibehielt, erfährt insofern ihre Bestätigung, als sich der Beschwerdeführer im Jahr 2021 wieder mit Hauptwohnsitzqualität an der ***17*** Adresse angemeldet hat. Es verwundert insofern nicht, dass das vom Bundesfinanzgericht im März 2022 an die Schweizer Adresse versendete Ergänzungsersuchen in der Schweiz nicht zustellbar war, jedoch sehr wohl an der ***17*** Adresse der Familienwohnung.

Dass übrigens bei einer tatsächlich erfolgten Trennung keine Unterhaltsregelung betreffend Gattin und Kind/Kinder getroffen worden wäre und keine entsprechenden Eingänge auf einem Konto ersichtlich sind, vielmehr Unterhaltsleistungen jeweils in bar übergeben worden sein sollten, ist lebensfremd und unglaubwürdig.

Soweit daher der Beschwerdeführer die Verlagerung seiner Lebensinteressen in das Ausland auf eine im Jahr 2016 erfolgte Trennung von seiner Frau stützt, erweist sich dies im Lichte der obenstehenden Ausführungen als Schutzbehauptung, die darauf abzielt, nicht mehr im Inland als Steuersubjekt herangezogen zu werden.

Nach allem Ausgeführten hatte somit der Beschwerdeführer in den Streitjahren einen inländischen Wohnsitz, an dem er mit seiner Frau in aufrechter Ehe lebte und an dem auch seine Kinder wohnhaft waren. Er konnte über diese Wohnung, die zudem in den Streitjahren und weiter bis 2021 in seinem Hälfteeigentum stand, tatsächlich und rechtlich verfügen. Hier lag der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen.

Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Beschwerdeführer auch in der Schweiz Wohnsitze begründete.

Soweit es sich dabei - den Streitzeitraum umfassend - von bis (später, nach Nachfrage durch das BFG im Vorhaltswege: Bis ) um eine Untermiete bei Herrn ***9*** handelte, ist auszuführen: Auch eine Untermiete begründet grundsätzlich einen Titel für die Verfügung über Wohnraum. Gegenständlich wurde jedoch kein Untermietvertrag zwischen dem Beschwerdeführer und Herrn ***9*** vorgelegt. Im Akt befindet sich lediglich ein Schreiben der ***8*** AG, wonach dem Herrn ***9*** erlaubt werde, den Beschwerdeführer als Untermieter aufzunehmen, diese Bewilligung könne aber jederzeit widerrufen werden.

Eine jederzeit widerrufliche Erlaubnis zur Wohnraumnutzung ohne vertragliche Vereinbarung über Miet-und Betriebskostenanteil sowie über die Nutzung bzw. Mitbenützung von Räumlichkeiten bietet jedoch keinen Titel, der die uneingeschränkte Verfügungsmacht über eine Wohnung vermittelt. Die im Akt aufliegenden und hinsichtlich Zeitangaben und Kostentragung variierenden Bestätigungen des Herrn ***9*** reichen insofern nicht aus, um einen Rechtstitel für eine ernsthaft gewollte und umgesetzte Untervermietung zu bilden.

Es sind daher diese Schriftstücke - die im Übrigen nach Schriftbild und Aufbau den Bestätigungen der Gattin des Beschwerdeführers hinsichtlich Trennung und Unterhalt ähneln - ebenso wie letztere - im Rahmen der freien Beweiswürdigung gem. § 167 Abs. 2 BAO, als Gefälligkeitsbestätigungen einzustufen.

Von der "Innehabung" einer Wohnung in der Schweiz im Sinne des § 26 BAO, welche die tatsächliche und rechtliche Verfügungsmacht über eine Wohnung indiziert, kann daher gerade in den Streitjahren 2016 und 17 nicht ausgegangen werden.

Soweit der Beschwerdeführer ab eine Dreizimmerwohnung in der ***Bf1-Adr***, anmietete, hinsichtlich derer ein Mietvertrag im Akt aufliegt, ist auszuführen: Wäre gegenständlich das Jahr 2018 als Streitjahr zu beurteilen, müsste davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer Wohnstätten iSd § 26 BAO sowohl in der Schweiz als auch - ausgehend von seiner aufrechten Ehe - in Österreich hatte.

Gemäß Art. 4 Abs. 2 des DBA CH ist in einem solchen Fall entscheidend, wo eine Person den Mittelpunkt der Lebensinteressen hat. Wie oben ausgeführt ist bei der Bestimmung des Mittelpunktes der Lebensinteressen zu untersuchen, wo die stärkeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen liegen. Zumal im Fall des Beschwerdeführers eine Eheauflösung oder -zerrüttung nicht nachgewiesen werden konnte und er neben seiner Gattin zwei Kinder und einen Familienwohnsitz im Inland hat, gehen diese starken persönlichen Beziehungen den wirtschaftlichen Beziehungen, die durch seine Berufsausübung zweifellos in der Schweiz gegeben sind, vor. Der Beschwerdeführer hat nicht dargelegt, in der Schweiz - über sein berufliches Umfeld hinaus - über Freunde und persönliche Beziehungen zu verfügen bzw. Hobbys auszuüben und seine Freizeit zu gestalten.

Abgesehen von seiner Arbeit und der ab Mitte 2018 angemieteten Wohnung, sind daher keine Anknüpfungspunkte an die Schweiz ersichtlich. In Österreich hatte der Beschwerdeführer neben seiner Familie Kontakte zum ***18*** Sport-und Kulturverein, dessen Mitglied er war und an den er - siehe oben - regelmäßig Mitgliedsbeiträge entrichtete. Neben diesen persönlichen, inländischen Beziehungen, gab es aber auch einen wirtschaftlichen Anknüpfungspunkt durch das Hälfteeigentum an der ***17*** Wohnung, das er - wie oben dargestellt - erst im Jahr 2021 an seine Tochter übertrug.

Sofern der Beschwerdeführer durch seine steuerliche Vertretung in der Vorhaltsbeantwortung vom März 2022 angeboten hat, "bei Bedarf" könnten verschiedene Zeugen "für den Hauptwohnsitz in der Schweiz" genannt werden, ist auszuführen: Dass der Beschwerdeführer in den Streitjahren 2016 und 2017 bzw. bis Juni 2018 eine Unterkunft in der Schweiz hatte sowie ab Juli 2018 selbst eine Wohnung in der Schweiz anmietete, wird seitens des BFG nicht bezweifelt. Die meldebehördliche Qualifikation ("Hauptwohnsitz", "Nebenwohnsitz") ist dabei nicht ausschlaggebend. Auf eine diesbezüglich nicht relevante Zeugenbefragung wird daher seitens des BFG verzichtet. Entscheidend ist hingegen, wo sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Beschwerdeführers befindet/befand. Dies zu beurteilen obliegt dem BFG in freier Beweiswürdigung gemäß § 167 Abs. 2 BAO und bietet die Aktenlage samt Ermittlungsergebnissen dazu genügend Anhaltspunkte.

Nicht außer Acht gelassen werden darf dabei auch, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen nicht beliebig für kurze Zeit von einem Staat in den anderen verlagert werden kann. So ist es international anerkannt, dass für die Beurteilung des Lebensmittelpunktes eine längere Phase als Beobachtungszeitraum herangezogen werden muss. Daher sind auch die Verhältnisse in dem Besteuerungszeitraum vorangehenden und nachfolgenden Perioden zu berücksichtigen (vgl. Loukota, Internationale Steuerfälle, Tz 534). Im Falle des Beschwerdeführers erweist sich insoweit die ***17*** Wohnung, an der er - wie oben analysiert - stets verwurzelt war, als Lebensmittelpunkt. Nicht zuletzt seine dortige Wiederanmeldung mit Hauptwohnsitzqualität im Jahr 2021 spricht dafür, dass er diese Wohnung iSd § 26 BAO beibehalten und benutzen wollte. Dies indiziert aber auch seine unbeschränkte Einkommensteuerpflicht in Österreich gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 in den Streitjahren.

Daran vermögen auch die dem Bundesfinanzgericht im März 2022 nachgereichten Unterlagen nichts zu ändern:

Davon ausgehend, dass der Beschwerdeführer zumindest ab Anmietung einer Wohnung im Juli 2018 über einen Schweizer Wohnsitz verfügte, besagt allein dies nicht, dass er den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen (siehe obige Ausführungen) in der Schweiz hatte. Ein Aufenthaltstitel B, wie er in Kopie im Akt mit Ausstellungsdatum und Gültigkeit bis aufliegt, knüpft lediglich daran an, dass eine Person ein unbefristetes oder mindestens zwölf Monate dauerndes Arbeitsverhältnis in der Schweiz hat; er ist gültig für 5 Jahre und wird um weitere 5 Jahre verlängert, wenn die genannten Voraussetzungen weiter erfüllt werden (www.sem.admin.ch). Im Übrigen befindet sich im Akt auch - ebenfalls in Kopie - eine Aufenthaltsbewilligung B mit einer Gültigkeit bis und einem Einreisedatum . Auch die Umschreibung eines ausländischen Führerausweises binnen eines Jahres ab Wohnsitznahme in der Schweiz indiziert nicht zwingend, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen der betreffenden Person in der Schweiz liegen muss. Zudem erfordert etwa auch das berufliche Lenken von bestimmten Motorfahrzeugen den Besitz eines Schweizer Führerausweises (www.zh.ch/de/mobilitaet/fuehrerausweis). Soweit der Beschwerdeführer durch seine steuerliche Vertretung in der Vorhaltsbeantwortung vom März 2022 angemerkt hat, der umgeschriebene Führerschein sei ein eindeutiger Beleg dafür, dass er den Hauptwohnsitz in der Schweiz hatte, da dies von den Schweizer Behörden genauestens untersucht werde, ist dem nicht zuzustimmen. So ist es bekannt, dass Schweizer Gemeinden in der Praxis, soweit es etwa um steuerrechtliche Belange geht, nicht überprüfen, ob die jeweilige Person an der angegebenen Adresse auch tatsächlich ihren Wohnsitz hat bzw., welche Qualität diesem Wohnsitz zukommt (vgl. UFS, , RV/0270-F/11). Die Beurteilung von Anknüpfungspunkten für die inländische Steuerpflicht obliegt im Übrigen den inländischen Abgabenbehörden. Auch die nachgereichten Schreiben der Mobilfunkanbieter ***12*** SA (übrigens vom ) und ***14*** (über die Erstellung eines Mobilanschlusses am ) vermögen keinen Beweis zu machen, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Beschwerdeführers im Streitzeitraum in der Schweiz lag. Dasselbe gilt für die (undeutlich) kopierten Seiten eines Zulassungsscheins, in dem die Daten und aufscheinen.

In zusammenfassender Würdigung ist festzustellen:

Gerade in den Streitjahren 2016 und 2017 hatte der Beschwerdeführer nach allem oben Ausgeführten keinen Wohnsitz gemäß § 26 BAO in der Schweiz inne, zumal ihm nur eine jederzeit widerrufliche Unterkunftsmöglichkeit bei Herrn ***9*** eingeräumt wurde. Die Anmietung einer Wohnung durch den Beschwerdeführer erfolgte erst im Juli 2018. Selbst bei Innehabung einer Wohnung schon in den Streitjahren, hätte sich aber der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Beschwerdeführers aufgrund überwiegender persönlicher und nicht zu vernachlässigender wirtschaftlicher Beziehungen im Inland befunden, wo er mit seiner Ehefrau (eine Trennung konnte nicht nachgewiesen werden) und seinen Kindern über eine Eigentumswohnung in ***2*** verfügte.

Der Beschwerdeführer war daher in den Streitjahren im Inland unbeschränkt steuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988.

Soweit der Beschwerdeführer auch den Bescheid angefochten hat, mit dem sein Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2019 und Folgejahre auf Null (§ 45 EStG 1988) abgewiesen wurde, ist auszuführen: Ab Juli 2018 verfügte der Beschwerdeführer über Wohnstätten in der Schweiz und in Österreich. Wie oben eingehend erläutert, gilt in einem solchen Fall eine Person als in dem Vertragstaat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, d. h., den Mittelpunkt der Lebensinteressen hat. Dies ist im Fall des Beschwerdeführers der inländische Familienwohnsitz in ***2***. Es kommt daher der an die Einkommensteuerschuld für das letztveranlagte Kalenderjahr anknüpfenden Festsetzung von Vorauszahlungen für 2019 und Folgejahre Berechtigung zu.

Die Beschwerden waren insgesamt spruchgemäß abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständlich zu beurteilenden Rechtsfragen finden Deckung in der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Soweit daneben Sachverhaltsfragen Gegenstand der Analyse waren, sind diese über den Einzelfall hinaus nicht von Interesse.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 4 Abs. 2 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
§ 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 26 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 26 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.1100188.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at