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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.03.2022, RV/7101817/2021

Rechtshandlungen des Schuldners werden nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens ex tunc wirksam

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag.Dr. Wolfgang Pagitsch in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über dessen Beschwerde vom gegen den Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes Österreich (vormals Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg) vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend "des Antrages auf Aufhebung gem. § 299 Abs. 1 BAO des Umsatz- und Einkommensteuerbescheides 2010" vom zu Recht erkannt:

  1. Gemäß § 279 BAO wird der angefochtene Bescheid aufgehoben.

  2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Bisheriger Verfahrensgang

Am brachte ***Name1*** im Auftrag des Beschwerdeführers einen Antrag "gem. § 299 BAO auf Wiederaufnahme des Verfahrens zur Einkommensteuer 2010 und Umsatzsteuer 2010" ein, da maßgebliche Abweichungen von den vom Masseverwalter erklärten Umsätzen festgestellt worden seien.

Nach einem Säumnisbeschwerdeverfahren wies die belangte Behörde am die Eingabe vom "betreffend Aufhebung gem. § 299 Abs. 1 BAO des Umsatz- und Einkommensteuerbescheides 2010" als unzulässig zurück. Als Begründung führte sie aus, dass am über das Vermögen des Beschwerdeführers das Konkursverfahren eröffnet und als gesetzlicher Vertreter ein Masseverwalter bestellt worden sei. Daher sei ***Name1***, eine Angestellte des Beschwerdeführers, nicht befugt gewesen den Antrag einzubringen.

Am beantragte der Beschwerdeführer "Wiedereinsetzung und Beschwerde zum Einkommensteuerbescheid 2010 vom ". Als Begründung zur Beschwerde wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich nur das Einzelunternehmen "***Bf1***" in Insolvenz befunden habe, die Einkommensteuerpflicht aber eine höchstpersönliche Pflicht sei, die der Masseverwalter gar nicht wahrnehmen dürfe. Die von ihm bevollmächtigte Mitarbeiterin sei daher sehr wohl berechtigt gewesen und die belangte Behörde hätte bei Zweifeln über die Bevollmächtigung einen Verbesserungsauftrag erlassen müssen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde vom als verspätet zurück, da die Zustellung durch Hinterlegung am rechtswirksam erfolgt sei und demnach die Beschwerdefrist am abgelaufen sei.

Dagegen brachte der Beschwerdeführer am per Finanz-Online einen Vorlageantrag ein. Als Begründung zur Rechtzeitigkeit des Vorlageantrages führte er aus, dass er die Beschwerdevorentscheidung durch die Reisebeschränkungen aufgrund der Coronaepidemie erst am übernommen habe. Darüber hinaus seien die Fristläufe vom bis gehemmt gewesen. Hinsichtlich der Rechtzeitigkeit der Beschwerde vom wende er ein, dass er nachweislich vom 9.1. bis in der Nähe von London gewesen sei. Er habe den bekämpften Zurückweisungsbescheid daher erst am übernommen.

Nach Aufforderung durch die belangte Behörde übermittelte der Beschwerdeführer am Nachweise hinsichtlich seines Aufenthaltes in England.

Am legte die belangte Behörde die Beschwerde vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Dabei führte sie aus, dass aufgrund der Bescheinigungen die Beschwerde vom entgegen der bisherigen Ansicht rechtzeitig eingebracht worden sei, ebenso der Vorlageantrag aufgrund der pandemiebedingten gesetzlich angeordneten Fristenunterbrechung. Da aber der Beschwerdeführer im Zeitpunkt Einbringung des Aufhebungsantrages zur Stellung des Antrages aufgrund des Insolvenzverfahrens nicht legitimiert gewesen sei, werde die Abweisung der Beschwerde beantragt.

In seiner Stellungnahme zum Vorlagebericht brachte der Beschwerdeführer vor, dass der Rechtsansicht der belangten Behörde nicht gefolgt werden könne, da durch die Aufhebung des Insolvenzverfahrens alle vorgenommenen Rechtshandlungen, die nach § 3 IO relativ unwirksam waren, ex tunc wirksam geworden seien. Zudem habe der Masseverwalter ihm aufgefordert Steuererklärungen zu unterzeichnen und abzugeben und habe die belangte Behörde die abgegebenen Erklärungen ohne Verbesserungsauftrag akzeptiert.

In Beantwortung eines Vorhaltes des Bundesfinanzgerichtes teilte der Beschwerdeführer am im Wesentlichen mit, dass hinsichtlich der Veranlagung 2010 Einvernehmen mit dem Masseverwalter bestanden habe, Frau ***Name1*** als Dienstnehmerin von ihm beauftragt und bevollmächtigt war und diese am den streitgegenständlichen Antrag eingebracht habe. Dazu legte er Nachweise hinsichtlich der Bevollmächtigung an ***Name1*** und Aktennotizen mit dem Masseverwalter vor.

***Name1*** gab auf Nachfrage am an, dass sie nach der Insolvenz der Firma ***Bf1*** im Jahr 2009 bei der Firma ***Firma1*** beschäftigt war und im Dezember 2012 in Pension gegangen sei. Sie war die einzige Angestellte und führte neben der laufenden Buchhaltung auch Sekretariatsaufgaben durch. ***Bf1*** sei ihr direkter Vorgesetzter gewesen und sie hatte keine generelle Handlungsvollmacht. Vielmehr habe sie ausschließlich auf seine Anweisung gehandelt. Die Eingabe vom könne sie sich daher nur so erklären, dass ***Bf1*** auf Dienstreise gewesen sei und sie von ihm angewiesen und beauftragt wurde dieses Schreiben nach seinen Angaben zu verfassen und zu versenden.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Festgestellter Sachverhalt

Hinsichtlich des Beschwerdeführers wurde am ein Insolvenzverfahren (Anschlusskonkurs) eröffnet, welches am beendet wurde. ***Name1*** ist keine berufsmäßige Parteienvertreterin. Sie war im Jahr 2012 als Buchhalterin und Sekretärin bei der Firma ***Firma1*** beschäftigt, der Beschwerdeführer war ihr Vorgesetzter.

Am bevollmächtigte der Beschwerdeführer ***Name1*** mündlich in seinen Namen und in seinem Auftrag einen Antrag bei der belangten Behörde einzubringen. Die Formulierung und der Inhalt des Antrages wurden im Wesentlichen vom Beschwerdeführer vorgegeben. Der Antrag wurde von ***Name1*** mit dem Zusatz "i.A." ("im Auftrag") unterschrieben.

Der Antrag vom mit der Überschrift "Antrag gem. § 299 BAO" lautete: "Gem. § 299 BAO stelle ich den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zur Einkommensteuer 2010 und Umsatzsteuer 2010."

Der Beschwerdeführer hielt sich vom 9.1. bis in der Nähe von London auf.

Beweiswürdigung

Dass sich der Beschwerdeführer vom bis in einem Insolvenzverfahren befand, geht aus der Insolvenzdatei zu Zahl ***Zahl1*** hervor.

Die Bevollmächtigung von ***Name1*** erschließt sich für das Bundesfinanzgericht einerseits aus der Formulierung des streitgegenständlichen Antrages und anderseits aus den voneinander unabhängig getätigten Angaben der Bevollmächtigten und des Beschwerdeführers im Zuge verwaltungsgerichtlicher Ermittlungen.

Aus dem Antrag vom ist als Antragsteller eindeutig der Beschwerdeführer mit vollständigen Namen, Adresse und Steuernummer bezeichnet und wurde dieser von ***Name1*** im Auftrag des Beschwerdeführers gezeichnet und eingebracht, ist doch vor der eigenhändigen Unterschrift der Bevollmächtigten das Kürzel "i.A." (im Auftrag) angeführt. Aus dem Antrag ergibt sich zudem kein Hinweis, dass ***Name1*** diesen in eigenen Namen und hinsichtlich ihrer eigenen Steuerangelegenheiten eingebracht hätte. Somit hat ***Name1*** schon im Zeitpunkt der Einbringung des Antrages (zumindest schlüssig) zu erkennen gegeben, dass sie als Vertreterin des Beschwerdeführers tätig geworden ist ().

Das Vollmachtsverhältnis wird auch durch die glaubhaften Angaben von ***Name1*** im Zuge einer Nachfrage des Bundesfinanzgerichtes bestätigt. Obwohl das Geschehen bereits über neun Jahre zurücklag, kann es ihrer Erinnerung nach nur so gewesen sein, dass sie vom Beschwerdeführer als deren Vorgesetzter angewiesen bzw. beauftragt wurde, den streitgegenständlichen Antrag einzubringen, da sich dieser (öfters) auf einer Dienstreise befand. Die Unterschrift stammt zweifelsfrei von ihr, da sie mit der Unterschrift auf dem Antwortschreiben vom , welches zweifelsfrei von ***Name1*** unterschrieben wurde, übereinstimmt. Zudem liegen keine Hinweise vor, dass sich die Bevollmächtigte mit dem Beschwerdeführer abgesprochen hätte.

Diese Aussage deckt sich auch mit den Angaben des Beschwerdeführers im Zuge ergänzender verwaltungsgerichtlicher Ermittlungen. Dieser teilte dem Bundefinanzgericht mit, dass er seine Dienstnehmerin ***Name1*** damit beauftragt und bevollmächtigt habe, hinsichtlich der Jahre 2009 bis 2011 sämtliche erforderlichen Schritte an das Finanzamt unter Beachtung seiner Anleitungen vorzunehmen, insbesondere habe er auch sie dazu beauftragt den Antrag vom einzubringen. Dazu legte er eine Ablichtung einer schriftlichen Vollmachtsurkunde, datiert mit , vor.

Aufgrund der nachgereichten Unterlagen (zB Flugtickets, Hotelrechnungen) ist es erwiesen, dass sich der Beschwerdeführer vom 9.1. bis in der Nähe von London aufhielt.

Rechtliche Beurteilung

Zunächst wird festgehalten, dass von den Parteien außer Streit gestellt wurde, dass sowohl die Beschwerde als auch der Vorlageantrag rechtzeitig eingebracht wurden. Diese Ansicht vertritt nach Überprüfung der Aktenlage auch das Bundesfinanzgericht.

Hinsichtlich der Rechtzeitigkeit des Vorlageantrages wird auf § 323c Abs. 1 BAO verwiesen, wonach in anhängigen behördlichen Verfahren der Abgabenbehörden alle im ordentlichen Rechtsmittelverfahren (7. Abschnitt Unterabschnitt A) vorgesehenen Fristen, deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach dem fällt, sowie Fristen, die bis zum noch nicht abgelaufen sind, bis zum Ablauf des unterbrochen werden und mit neu zu laufen beginnen. Aufgrund dieser Fristhemmung gilt der am eingebrachte Vorlageantrag als rechtzeitig eingebracht, die Beschwerdevorentscheidung datiert vom .

Wie die belangte Behörde in ihrem Vorlagebericht richtig ausgeführt hat, wurde die Abwesenheit des Beschwerdeführers von der Abgabenstelle nachträglich hinreichend nachgewiesen. Die am von der belangten Behörde als Beschwerde qualifizierte Eingabe war somit ebenfalls rechtzeitig.

Es spielt daher auch keine Rolle, ob die missverständliche Formulierung des Beschwerdeführers in der Eingabe vom von der belangten Behörde als Wiedereinsetzungsantrag hinsichtlich der Versäumung der Beschwerdefrist und/oder als Beschwerde zu qualifizieren gewesen wäre. Der Beschwerdeführer wird aber angehalten zukünftig bei seinen Eingaben an Behörden klare und eindeutige Formulierungen zu wählen, damit die Behörde den wahren Willen zweifelsfrei erkennen kann.

Die unklaren Formulierungen des Beschwerdeführers setzen sich auch im streitgegenständlichen Anbringen fort. Ob der Antrag vom als Antrag auf Aufhebung gem. § 299 BAO oder als Antrag auf Wiederaufnahme zu werten sein wird, ist aber ebenfalls nicht in diesem Beschwerdeverfahren zu klären. Dies wird im weiteren Verfahren vor der belangten Behörde zu prüfen und in der Folge ein Mängelbehebungsverfahren wegen fehlender Inhaltserfordernisse durchzuführen sein.

Streitpunkt dieses Beschwerdeverfahren ist ausschließlich, ob ***Name1*** überhaupt legitimiert war den streitgegenständlichen Antrag einzubringen, andernfalls sich die Frage der Art des Antrages und deren Inhaltserfordernisse sich gar nicht mehr stellen.

Zu Spruchpunkt I.) (Aufhebung)

Gem. § 83 Abs. 1 BAO können sich die Parteien und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch natürliche voll handlungsfähige Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben.

Gem. § 83 Abs. 2 BAO richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis des Bevollmächtigten nach der Vollmacht; hierüber sowie über den Bestand der Vertretungsbefugnis auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen. Die Abgabenbehörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 85 Abs. 2 von Amts wegen zu veranlassen.

Gem. § 83 Abs. 4 BAO kann die Abgabenbehörde von einer ausdrücklichen Vollmacht absehen, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Angehörige (§ 25), Haushaltsangehörige oder Angestellte handelt und Zweifel über das Bestehen und den Umfang der Vertretungsbefugnis nicht obwalten.

Durch eine Bevollmächtigung wird dem Bevollmächtigten vom Vollmachtgeber ein "rechtliches Können" eingeräumt (). Für die Wirksamkeit der Bevollmächtigung genügt die Entgegennahme der empfangsbedürftigen Willenserklärung durch den Bevollmächtigten selbst (interne Vollmachtserteilung). Sie kann nicht nur ausdrücklich (schriftlich oder mündlich), sondern auch schlüssig erfolgen (). Das bürgerliche Recht bindet die Erteilung einer Vollmacht grundsätzlich an keine Form, weshalb die Behörde in der Regel von der Rechtsgültigkeit einer mündlich erteilten Vollmacht auszugehen hat (). Für die Wirksamkeit einer durch einen Vertreter vorgenommenen fristgebundenen Verfahrenshandlung ist das Vorliegen einer entsprechenden Bevollmächtigung durch den Vertretenen zum Zeitpunkt der Verfahrenshandlung erforderlich ().

​Schreitet - wie im Beschwerdefall - ein nicht zur berufsmäßigen Vertretung befugter Vertreter ein, der nicht durch eine schriftliche Vollmacht ausgewiesen ist, dann ist der Vollmachtsnachweis zu erbringen. Diese Bestimmungen des Abgabenverfahrensgesetzes dienen nicht dazu, eine nachträgliche Vollmachtserteilung einzuräumen, sondern ermöglichen lediglich, den Nachweis einer bereits erfolgten Bevollmächtigung (allenfalls durch nachträgliche Beurkundung) nachzureichen (). Das bedeutet aber gleichzeitig, dass nur der Mangel des Nachweises, nicht aber jener der Bevollmächtigung selbst behebbar ist. Bestehen konkrete Zweifel, ob der betreffende Parteienvertreter tatsächlich bevollmächtigt war, so hat die Abgabenbehörde von Amts wegen entsprechende Ermittlungen vorzunehmen ().

Aufgrund der vorgelegten Akten hatte das Bundesfinanzgericht zunächst Zweifel über den Bestand und den Umfang der Bevollmächtigung und daran, ob die Bevollmächtigung von einer hiezu befugten Person bzw. einer diesbezüglich handlungsfähigen Person erfolgte. Aus diesem Grund hat sie entsprechende Ermittlungen durchgeführt, insbesondere den Beschwerdeführer und ***Name1*** dazu befragt.

Bei ***Name1*** handelte es sich zum Zeitpunkt der Bevollmächtigung um eine natürliche voll handlungsfähige Person. Aufgrund dieser Eigenschaft zählte sie zum Kreis, jener Personen die nach § 83 Abs. 1 BAO als Vertreter bevollmächtigt werden konnten. Diese arbeitete zwar in derselben Firma wie der Beschwerdeführer, war aber - da sie nicht im Einzelunternehmen des Beschwerdeführers beschäftigt war - keine Angestellte iSd § 83 Abs. 4 BAO. Ebenso traten keine Hinweise hervor, dass ***Name1*** eine Angehörige oder eine Haushaltsangehörige des Beschwerdeführers war. Die Bestimmung des § 83 Abs. 4 BAO kam daher gegenständlich nicht zur Anwendung.

Der Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis ergibt sich primär aus der Vollmachtsurkunde. Subsidiär sind diesbezüglich ebenso wie für die Beurteilung des Bestandes der Bevollmächtigung die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts maßgebend (Ritz, BAO7 § 83 Tz 15).

Das Bundesfinanzgericht geht davon aus, dass die schriftliche Vollmachtsurkunde zum Zeitpunkt der Erteilung der mündlichen Vollmacht nicht erstellt wurde und der Beschwerdeführer diese erst nachträglich aufgrund der Anfrage des Bundesfinanzgerichtes anfertigte.

Dies ist aber ausreichend. Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Wirksamkeit einer durch einen Vertreter vorgenommenen Verfahrenshandlung das Vorliegen einer entsprechenden Bevollmächtigung durch den Vertretenen zum Zeitpunkt der Vornahme der Verfahrenshandlung erforderlich. Dabei genügt es, wenn ein zum Zeitpunkt der Verfahrenshandlung bestehendes (mündliches) Vollmachtsverhältnis erst nachträglich beurkundet wird (; ; ). Eine solche nachträgliche Beurkundung kann etwa durch ein Schreiben der Partei vorgenommen werden, mit dem diese das Bestehen einer Vollmacht des Einschreiters zur Erhebung einer Berufung bestätigt (; ). Entscheidend ist nämlich nicht die - möglicherweise nach der Setzung der Verfahrenshandlung liegende - Datierung der Bevollmächtigungsurkunde, sondern dass das Vollmachtsverhältnis tatsächlich im Zeitpunkt der Setzung der Verfahrenshandlung durch den Vertreter bereits bestanden hat.

Da das Vorliegen einer schriftlichen Vollmachtsurkunde nicht zwingende Tatbestandsvoraussetzung für die Wirksamkeit einer Bevollmächtigung ist (; ; ), erübrigt sich auch die Frage, zu welchem Zeitpunkt die vom Beschwerdeführer vorgelegte Vollmachtsurkunde tatsächlich erstellt wurde.

Im Ergebnis ist das Bundesfinanzgericht aufgrund der vorgenommen Ermittlungen, insbesondere wegen der Formulierung des Antrages und der unabhängig voneinander getätigten übereinstimmenden Aussagen in freier Beweiswürdigung zur Überzeugung gekommen, dass der Beschwerdeführer ***Name1*** vor der Vornahme der Verfahrenshandlung mündlich die Anweisung erteilt hat in seinen Namen und in seinen Auftrag den streitgegenständlichen Auftrag bei der belangten Behörde einzubringen. Diese Ansicht vertrat auch die belangte Behörde, versagte aber die Legitimation, da sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Einbringung des Antrages in einem Insolvenzverfahren befand und daher verfügungsunfähig war.

Gem. § 79 BAO gelten für die Rechts- und Handlungsfähigkeit die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts.

Gem. § 3 Abs. 1 IO sind Rechtshandlungen des Schuldners nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, welche die Insolvenzmasse betreffen, den Insolvenzgläubigern gegenüber unwirksam.

Daraus folgt, dass mit der Insolvenzeröffnung am die Wahrnehmung aller abgabenrechtlichen Belange des Gemeinschuldners auf den Masseverwalter übergegangen sind und zwar auch hinsichtlich solcher Abgaben, die Konkursforderungen darstellen, sowie hinsichtlich sämtlicher Anbringen gegenüber der Abgabenbehörde. Deshalb hatte am grundsätzlich nur der Masseverwalter das Recht streitgegenständlichen Antrag bei der belangten Behörde einzubringen.

Die belangte Behörde übersieht aber im bekämpften Bescheid, dass diese Verfügungsunfähigkeit keine absolute und zeitlich unbegrenzte, sondern eine relative (Unwirksamkeit gegenüber den Konkursgläubigern) und eine zeitlich begrenzte (für die Dauer das Konkurses) ist. Daher sind alle vom Gemeinschuldner vorgenommenen Rechtshandlungen, die nach § 3 IO relativ unwirksam waren, nach Konkursaufhebung wirksam und zwar ex tunc. Gleiches gilt daher für Rechtshandlungen des Gemeinschuldners, die Verfahrenshandlungen darstellen und die im Zeitpunkt der Entscheidung mangels Erledigung durch die Behörde noch einen Gegenstand der Entscheidung bilden können. Diese sind daher ab Konkursaufhebung als wirksam zu behandeln ().

Das Insolvenzverfahren des Beschwerdeführers wurde mit Beschluss des Landesgerichtes vom aufgehoben. Aus diesen Grund sind ab diesem Zeitpunkt alle vom Beschwerdeführer im Insolvenzzeitraum vorgenommenen Rechtshandlungen (Vollmachterteilung an ***Name1***, Einbringung des streitgegenständlichen Antrages) ex tunc wirksam (vgl. auch Ritz, BAO7 § 79 Tz 18).

Da die belangte Behörde über den streitgegenständlichen Antrag erst am entschieden hat, spielte es für die Beurteilung der Aktivlegitimation keine Rolle mehr, ob der Beschwerdeführer hinsichtlich der Einbringung des Antrages und der Bevollmächtigung an ***Name1*** die Zustimmung des Masseverwalters eingeholt hat. Derartige Feststellungen wurden daher vom Bundesfinanzgericht nicht vorgenommen.

Der Antrag vom wurde daher entgegen der Ansicht der belangten Behörde von einer dazu legitimierten Person eingebracht. Der Zurückweisungsbescheid vom war daher aufzuheben.

Gem. § 279 Abs. 2 BAO tritt durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

Nach der Rechtsprechung des VwGH hat im Fall der Zurückweisung des Antrags durch die Abgabenbehörde wegen Unzulässigkeit das Verwaltungsgericht nur über die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, nicht aber über den Inhalt des zurückgewiesenen Antrags, zu entscheiden. Die Abgabenbehörde hat dann über den Antrag, unter Abstandnahme von dem zunächst gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden (; unter Hinweis auf ).

3.2. Zu Spruchpunkt II.) (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei den zu lösenden Rechtsfragen an der einheitlichen höchstgerichtlichen Judikatur, darüber hinaus hing die Entscheidung im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalles sowie auf der Ebene der Beweiswürdigung zu beantwortenden Sachfragen ab. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 83 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 83 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 3 Abs. 1 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101817.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at