Alleinerzieherabsetzbetrag
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***Stb***, über die Beschwerden vom und vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom und vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 sowie 2017 bis 2019, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2020 (Bescheid vom ) wurde der Alleinerzieherabsetzbetrag mit der Begründung nicht gewährt, dass die Beschwerdeführerin im Veranlagungsjahr mehr als sechs Monate in einer Gemeinschaft mit einem Ehepartner oder Partner gelebt habe.
In der Beschwerde vom 6. April wurde neuerlich die Berücksichtigung des Alleinverdienerabsetzbetrages beantragt. Der Ehemann der Beschwerdeführerin habe seinen Hauptwohnsitz in Tirol und sei auch nicht der Vater des Sohnes der Beschwerdeführerin.
Mit Ergänzungsersuchen vom betreffend die Steuererklärung 2017 bis 2019 sowie die Beschwerde 2020 wurde Folgendes dargelegt: "Alleinerzieher ist eine Person, die mit mindestens einem Kind mehr als sechs Monate nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner lebt (zB.: ledig, verwitwet, geschieden oder von seinem Ehegatten dauernd getrennt lebend). Ein dauerndes Getrenntleben ist anzunehmen, wenn ein (Ehe)Partner die gemeinsame Wohnung verlässt und getrennt von seinem Partner, ohne eine eheliche Gemeinschaft mit diesem wieder aufzunehmen, auf Dauer seinen Aufenthalt in einer anderen Wohnung nimmt.
Eine aufrechte Ehe spricht grundsätzlich gegen eine dauernd getrennte Lebensführung. Es ist allerdings möglich, diese Vermutung zu widerlegen. Maßgebend für das Tatbestandsmerkmal nicht dauernd getrennt lebend ist nicht die Anzahl der Wohnsitze der Ehegatten oder deren polizeiliche Meldung, sondern ausschließlich die Sachverhaltsfrage, ob der Steuerpflichtige, der den Alleinerzieherabsetzbetrag beantragt, bei an sich aufrechter Ehe tatsächlich in Gemeinschaft mit dem Ehegatten lebt oder nicht. Ob das Kind, das im gemeinsamen Haushalt mit dem Antragsteller ist, tatsächlich auch ein Kind des derzeitigen Ehepartners ist, ist nicht von Bedeutung für einen Alleinverdienerabsetzbetrag bzw. Alleinerzieherabsetzbetrag.
Sie werden daher ersucht dem Finanzamt Ihre Lebenssituation für die Kalenderjahre 2017 bis 2020 darzustellen. Warum vermeinen Sie bei einer aufrechten Ehe trotz gemeinsamen Wohnsitz/Nebenwohnsitz alleinerziehend zu sein?"
Mit Schreiben vom gab die Beschwerdeführerin zum Ergänzungsersuchen vom bekannt, dass ihr Ehemann, ***Ehemann***, und sie seit eine Fernehe führen würden. Ihr Ehemann würde seit 2006 beim AGEhemann in Innsbruck arbeiten (siehe Bestätigung) und in AdrEhemann, wohnen.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2020 als unbegründet ab. Begründend wurden die Ausführungen des Vorhaltes vom wiederholt und darauf hingewiesen, dass es im Beschwerdeverfahren nicht gelungen sei, die Vermutung, dass bei einer aufrechten Ehe grundsätzlich keine dauernd getrennte Lebensführung bestehe, zu widerlegen.
Mit den Bescheiden vom wurden die Verfahren betreffend Einkommensteuer 2017 bis 2019 wiederaufgenommen und gleichzeitig neue Einkommensteuerbescheide erlassen, in denen der Alleinerzieherabsetzbetrag nicht gewährt wurde.
Am brachte der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Einkommensteuer 2020 einen Vorlageantrag ein. Das Kind der Beschwerdeführerin stamme aus erster Ehe und sei nicht das Kind von Herrn ***Ehemann***. Demzufolge bestehe keine enge Bindung zum Kind. Beiliegend würden die Bestätigungen der Arbeitgeber der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten vorgelegt, welche die Vermutung der nicht dauernd getrennten Lebensführung eindeutig belegen würden (Anmerkung der Richterin: offensichtlich gemein: widerlegen würden). Die Beschwerdeführerin würde seit bei der Firma ArbeitgeberBf in Linz arbeiten, ihr Ehemann beim AGEhemann in Innsbruck. Es widerspreche der Vermutung und der Lebenserfahrung, dass einer der Ehepartner regelmäßig zu seinem Job pendle, da die Entfernung viel zu groß sei. Beide Ehepartner hätten ihren eigenen Wohnsitz im jeweiligen Bundesland. Falls nötig könne die getrennte Lebensführung mit Zeugen aus dem Arbeits- und Freundeskreis nachgewiesen werden.
Ebenfalls am wurde gegen die Einkommensteuerbescheide 2017 bis 2019, jeweils vom , das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht. Die Begründung ist mit jeder des Vorlageantrages betreffend Einkommensteuer 2020 ident.
Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurde die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2017 bis 2019 als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass lt. Aktenlage wurde die Ehe mit Hrn. ***Ehemann***, whft. in AdrEhemann, Hautpwohnsitz), am tt.mm.2016 geschlossen worden sei. Der Hauptwohnsitz der Beschwerdeführerin befinde sich seit in Bf1-Adr. Mit dem Hochzeitsdatum tt.mm.2016 sei von Ihr der Nebenwohnsitz in AdrEhemann im Zentralmeldeamt bekanntgegeben worden. Der Nebenwohnsitz sei nach wie vor aufrecht.
Entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen sei Partner jemand, mit dem der Steuerpflichtige mit mindestens einem Kind in einer Lebensgemeinschaft/eheähnlichen Gemeinschaft lebe. Unter "eheähnlicher Gemeinschaft" sei ein auf Dauer angelegtes Zusammenleben in einer Lebensgemeinschaft zu verstehen, wozu im Allgemeinen eine Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft gehöre (). Die Merkmale der Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft könnten unterschiedlich stark ausgeprägt sein bzw. könne eines sogar gänzlich fehlen, ohne dass dies dem Vorliegen einer Lebensgemeinschaft abträglich wäre.
Indizien für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft könnten die polizeiliche Meldung an ein- und demselben Wohnort (), eine gemeinschaftliche Zustelladresse oder die gemeinsame Anschaffung einer Wohnung sein (-G/07). Eine auswärtige Berufstätigkeit eines oder beider Partner stelle jedoch noch keinen Umstand dar, der auf das Nichtvorliegen bzw. eine dauernde Trennung einer Lebensgemeinschaft hinweise, sofern der/die Partner mit gewisser Regelmäßigkeit an den gemeinsamen Familienwohnsitz zurückkehren würde/n, um dort mit dem anderen Partner zu leben (in diesem Sinne ).
Die vorgelegten Bestätigungen der Arbeitgeber über den Ort der jeweiligen Arbeitsstätten seien für die Sachverhaltsklärung/Entscheidungsfindung daher irrelevant. Es sei daher von einer bestehenden Lebensgemeinschaf/Partnerschaft/Ehe auszugehen. Der Beschwerde könne somit nicht entsprochen werden.
Im Zuge des zu erwartenden Vorlageantrages sei bekanntzugeben/nachzuweisen
- gemeinsame Urlaube (Bestätigung der Urlaubstage durch die Arbeitgeber, Hotelrechnungen etc.)
- gemeinsame Aufenthalte am Nebenwohnsitz
- gemeinsame Kostentragung bei Urlauben/gemeinsamen Aufenthalten am NWS
- gemeinsame Anschaffungen/Zahlungen (Wohnraumsanierung/-schaffung, PKW, Energiekosten, Internet, etc.)
- leben Sie in einer anderen Partnerschaft
Im Vorlageantrag vom betreffend Einkommensteuer 2017 bis 2019 würde begründend dargelegt, dass der Verwaltungsgerichtshof die Ehe- bzw. Lebensgemeinschaft definiert und drei Merkmale für eine Gemeinschaft konkretisiert habe. Darunter seien eine Geschlechts-, Wirtschafts- und Wohngemeinschaft zu verstehen, wobei nicht alle drei Merkmale immer zutreffen müssten. Das Einkommensteuergesetz gehe von einem Zusammenleben der Ehepartner aus, definiere aber keine Kriterien, wie eine Ehe- bzw. Lebensgemeinschaft gelebt werden müsse, damit der Anspruch auf einen Alleinerzieherabsetzbetrag gegeben sei. Vielmehr habe der Verwaltungsgerichtshof in seinen Entscheidungen die drei oben genannten Kriterien konkretisiert. Eine längere berufliche Abwesenheit eines Elternteils sei nach nicht als getrennt lebend zu bewerten. Darunter wäre etwa eine einmalige längere Abwesenheit zu verstehen. Der Ehegatte der Beschwerdeführerin sei jedoch dauernd in Tirol beruflich tätig. Durch seine berufliche Tätigkeit habe er auch seinen Wohnsitz in Tirol begründet. Die Wohnungskosten trage der Gatte zur Gänze allein. Für die Wohnung in Oberösterreich trage die Beschwerdeführerin die Kosten allein. Das BFG habe in seiner Entscheidung vom , RV/3100183/2012, den Alleinerzieherabsetzbetrag bei getrennten Wohnungen mit separaten Eingängen im gleichen Haus mit gleicher Adresse zuerkannt. Gegenständlich seien die beiden Wohnsitze örtlich getrennt.
Gelegentliche Wochenendtreffen und gemeinsame Urlaube würden nicht annähernd eine gleiche Kostentragung eines wirtschaftlichen Haushaltes bedingen. In Summe würden von den drei Merkmalen einer Ehegemeinschaft die zwei wesentlichen Merkmale einer Wirtschafts- und Wohngemeinschaft nicht zutreffen.
Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerdesache betreffend Einkommensteuer 2020 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerdesache betreffend Einkommensteuer 2017 bis 2019 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Begründend wurde Folgendes ausgeführt:
"Alleinerzieher ist eine Person, die mit mindestens einem Kind, mehr als sechs Monate nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner lebt (z.B.: ledig, verwitwet, geschieden, oder von seinem Ehegatten dauernd getrennt lebend). Ein dauerndes Getrenntleben ist anzunehmen, wenn ein (Ehe)Partner die gemeinsame Wohnung verlässt und getrennt von seinem Partner, ohne eine eheliche Gemeinschaft mit diesem wieder aufzunehmen auf Dauer seinen Aufenthalt in einer anderen Wohnung nimmt. Eine aufrechte Ehe spricht grundsätzlich gegen eine dauernd getrennte Lebensführung. Es ist allerdings möglich diese Vermutung zu widerlegen. Maßgebend für das Tatbestandsmerkmal nicht dauernd getrennt lebend ist nicht die Anzahl der Wohnsitze der Ehegatten oder deren polizeiliche Meldung, sondern ausschließlich die Sachverhaltsfrage ob der Steuerpflichtige, der den Alleinerzieherabsetzbetrag beantragt, bei an sich aufrechter Ehe tatsächlich in Gemeinschaft mit dem Ehegatten lebt oder nicht. Ob das Kind, das im gemeinsamen Haushalt mit dem Antragsteller ist, tatsächlich auch ein Kind des derzeitigen Ehepartners ist, ist nicht von Bedeutung für einen Alleinverdienerabsetzbetrag bzw. Alleinerzieherabsetzbetrag. Eine auswärtige Berufstätigkeit eines oder beider Partner stellt jedoch noch keinen Umstand dar, der auf das Nichtvorliegen bzw. eine dauernde Trennung einer Lebensgemeinschaft hinweist, sofern der/die Partner mit gewisser Regelmäßigkeit an den gemeinsamen Familienwohnsitz zurückkehrt/en, um dort mit dem anderen Partner zu leben (in diesem Sinne ). Die vorgelegten Bestätigungen der Arbeitgeber über den Ort der jeweiligen Arbeitsstätten sind für die Sachverhaltsklärung/Entscheidungsfindung daher irrelevant. Es wurde dem Finanzamt auch die Lebenssituation in den Kalenderjahren 2017-2019 nicht dargelegt und keine Antwort ist auf die Frage erfolgt, warum Frau ***Bf1*** vermeint, bei einer aufrechten Ehe trotz gemeinsamen Wohnsitz/Nebenwohnsitz alleinerziehend zu sein. Das Finanzamt beantragt daher die Beschwerde im Sinne der Beschwerdevorentscheidung abzuweisen."
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin hat im beschwerdegegenständlichen Zeitraum ihren Hauptwohnsitz in Bf1-Adr, und einen Nebenwohnsitz in AdrEhemann. Seit ist die Beschwerdeführerin kaufmännische Angestellte bei der Firma ArbeitgeberBf in Linz. Die Kosten für die Wohnung in ***Bf1-Adr*** trägt die Beschwerdeführerin. Die steuerpflichtigen Einkünfte der Beschwerdeführerin lagen in den Jahren 2017 bis 2020 zwischen 26.677,57 € und 28.733,05 €.
An der Adresse ***Bf1-Adr***, ist auch der Wohnsitz des Sohnes ***Sohn*** gemeldet, für den die Beschwerdeführerin Familienbeihilfe bezieht.
Die Beschwerdeführerin ist seit tt.mm.2016 mit ***Ehemann*** verheiratet, der seinen Hautpwohnsitz in AdrEhemann, und seinen Nebenwohnsitz in ***Bf1-Adr***, gemeldet hat. Herr ***Ehemann*** ist seit beim AGEhemann in Innsbruck als Kanzleikraft tätig. Die Kosten für die Wohnung in Innsbruck trägt der Gatte der Beschwerdeführerin. Die steuerpflichtigen Einkünfte von Herrn ***Ehemann*** lagen in den Jahren 2017 bis 2020 zwischen 34.113,86 € und 37.244,87 €.
2. Beweiswürdigung
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen, den Parteienvorbringen und durch Einsichtnahme in das zentrale Melderegister und in das Abgabeninformationssystem.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.
Im vorliegenden Fall besteht im Wesentlichen Streit darüber, ob die verheiratete Beschwerdeführerin in den Jahren 2017 bis 2020 die Anspruchsvoraussetzungen einer Alleinerzieherin im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 2 EStG erfüllte und ihr deshalb für diese Veranlagungsjahres der beantragte Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht (Ansicht der Beschwerdeführerin) oder ob vom Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht ausgegangen werden kann (Ansicht des Finanzamtes).
Vorweg ist auf Folgendes hinzuweisen: Die Berücksichtigung des Alleinerzieherabsetzbetrages stellt eine steuerliche Begünstigung dar, die bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zu gewähren ist. Das Hauptgewicht der Behauptungs- und Beweislast liegt in diesem Zusammenhang bei der Abgabenpflichtigen. Ihr obliegt es im Sinne ihrer Mitwirkungspflicht einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzulegen, auf Grund derer der Alleinerzieherabsetzbetrag gewährt werden kann.
§ 33 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 lautet:
Alleinerziehenden steht ein Alleinerzieherabsetzbetrag zu. Dieser beträgt jährlich
bei einem Kind (§ 106 Abs. 1) 494 Euro,
bei zwei Kindern (§ 106 Abs. 1) 669 Euro.
Dieser Betrag erhöht sich für das dritte und jedes weitere Kind (§ 106 Abs. 1) um jeweils 220 Euro jährlich.
Alleinerziehende sind Steuerpflichtige, die mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner leben."
Die Beschwerdeführerin ist seit tt.mm.2016 verheiratet.
Nach Lehre und ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben verheiratete Personen nur dann Anspruch auf den Alleinerzieherabsetzbetrag, wenn sie von ihrem Ehegatten dauernd getrennt leben. Eine aufrechte Ehe spricht grundsätzlich gegen eine dauernd getrennte Lebensführung; es ist den Ehegatten allerdings möglich, diese Vermutung zu widerlegen (). Mehrere Wohnsitze bewirken keine dauernde Trennung. Maßgebend für das Tatbestandsmerkmal, nicht dauernd getrennt zu leben, ist nicht die Anzahl der Wohnsitze oder die polizeiliche Meldung, sondern ausschließlich die Sachverhaltsfrage, ob der Steuerpflichtige, der den Alleinerzieherabsetzbetrag beantragt, bei an sich aufrechter Ehe tatsächlich in Gemeinschaft mit seinem Ehegatten lebt oder nicht (). Laut kann die nach der Rechtsprechung für ein Leben in Gemeinschaft geforderte "Wohnungs-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft" durchaus unterschiedlich ausgeprägt sein, es kann sogar eines dieser Merkmale zur Gänze fehlen, ohne dass eine Gemeinschaft nicht mehr vorliegen würde. Es komme dabei regelmäßig auf die Umstände des Einzelfalles an.
Durch die Eheschließung haben sich die Ehegatten zur umfassenden wechselseitigen Beistandspflicht bereit erklärt. Dass diese - auch finanzielle Belange umfassende - Beistandspflicht, grundsätzlich geeignet ist, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin zu beeinflussen, ist nicht in Abrede zu stellen. Dies ergibt sich schon allein aus dem Umstand, dass der Gatte der Beschwerdeführerin über ein deutlich höheres Einkommen als die Beschwerdeführerin selbst verfügt.
Das Finanzamt hat die Beschwerdeführerin mehrmals um Vorlage schlüssiger Beweismittel ersucht, aus denen sich ergibt, dass sie nicht mit ihrem Ehepartner in Gemeinschaft lebt. In der Beschwerdevorentscheidung vom wurde explizit darauf hingewiesen, welche Unterlagen vorzulegen wären (Bestätigung der Urlaubstage durch die Arbeitgeber, Hotelrechnungen, Nachweise der Kostentragung bei Urlauben, Wohnraumschaffung/-sanierung etc.) Die Beschwerdeführerin hat daraufhin wiederholt ausschließlich die Bestätigungen der Arbeitgebers vorgelegt, woraus hervorgeht, dass die Beschwerdeführerin seit in Linz und ihr Ehegatte seit 2006 in Innsbruck tätig ist.
Diese Bestätigungen eignen sich nicht als Nachweis darüber, dass die Beschwerdeführerin nicht in einer Gemeinschaft mit ihrem Ehepartner lebt.
Die räumliche Trennung allein bedeutet nicht, dass die Beschwerdeführerin nicht in einer Gemeinschaft mit ihrem Ehepartner lebt. Maßgebend wäre das Beenden der ehelichen (partnerlichen) Lebensgemeinschaft iSd §§ 90 ff ABGB, die in Ausnahmefällen auch bei getrennten Wohnsitzen weiterbestehen kann.
Im vorliegenden Fall wohnen die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte zwar getrennt, dieser Umstand beruht jedoch auf beruflichen Überlegungen des Ehegatten, zumal ein tägliches Pendeln zwischen Oberösterreich und Tirol nicht möglich wäre. Wenn sich die Ehegatten im beiderseitigen Einvernehmen darauf verständigt haben, getrennt voneinander zu wohnen, bedeutet dies allerdings nicht automatisch, dass eine eheliche Lebensgemeinschaft nicht besteht. Dies gilt im Besonderen, wenn diese Vereinbarung bereits zu Beginn der Ehe (August 2016) gilt. Die fehlende Wohngemeinschaft allein indiziert noch nicht zwingend, dass keine Lebensgemeinschaft vorliegt, weil auch in einer Ehe, bei der die Ehegatten nach § 91 ABGB ihre eheliche Lebensgemeinschaft unter Rücksichtnahme aufeinander einvernehmlich gestalten sollen, einvernehmlich getrenntes Wohnen als zulässig betrachtet wird. Die Beschwerdeführerin hat nicht vorgebracht, dass die eheliche Lebensgemeinschaft aufgehoben bzw. beendet wäre.
Auch in aufrechter Ehe ist die Beibehaltung oder Gründung mehrerer Wohnsitze keineswegs außergewöhnlich, ebenso die Aufteilung der Kosten in der Weise, dass jeder der Partner für jeweils eine Wohnung aufkommt. Dies gilt vor allem dann, wenn beide Ehepartner über ein eigenes Einkommen verfügen. Typisch für eine Partnerschaft ist, dass der Wille der Partner auf ein gemeinschaftliches Zusammenleben gerichtet ist. Dies ist auch hier der Fall (beide Ehepartner haben beim jeweils anderen den Nebenwohnsitz gemeldet).
Nach dem Beschwerdevorbringen ergibt sich kein Hinweis auf das Nichtbestehen einer aufrechten Ehe. Es ist dem geschilderten Sacherhalt jedenfalls nicht zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin und ihr Ehepartner wegen des Umstands des Wohnens in zwei Wohnungen den Kontakt, der zwischen Ehepartnern üblich ist, bzw. den Willen zu einer gemeinsamen Lebensführung, aufgegeben haben. Dies wäre- vor allem zu Beginn des beschwerdegegenständlichen Zeitraumes - äußert unwahrscheinlich, zumal die Eheschließung im August 2016 stattfand.
Dem Umstand, dass Ehegatten sich etwa aus beruflichen Gründen zu getrennten Wohnungen entschließen und dadurch einer finanziellen Mehrbelastung ausgesetzt sind, misst der Gesetzgeber im Rahmen der Vorschriften betreffend die Zuerkennung des Alleinerzieherabsetzbetrages keine tatbestandsmäßige Bedeutung zu. Im gegenständlichen Fall sind das Unterhalten von zwei Wohnungen und die damit verbundenen finanziellen Mehraufwendungen durch persönliche Umstände bedingt.
Es kann gegenständlich davon ausgegangen werden, dass die wirtschaftliche wechselseitige Beistandspflicht aufrecht ist. Da somit die Berufungswerberin im Sinne der Rechtsprechung des VwGH nicht dauernd von ihrem Ehegatten getrennt lebt, steht ihr der Alleinerzieherabsetzbetrag nicht zu. Klarzustellen ist, dass durch den Alleinerzieherabsetzbetrag nicht etwa die Unterhaltsbelastung durch das Kind, sondern die besondere Belastung berücksichtigt wird, der allein stehende Personen mit Kindern ausgesetzt sind (Doralt, EStG6, § 33 Tz. 35). Somit ist es auch nicht von Bedeutung, wenn der Ehegatte der Beschwerdeführerin in keiner Weise für den Unterhalt des Sohnes der Beschwerdeführerin aufkommt.
Verheirateten Personen steht der in Streit stehende Absetzbetrag nur dann zu, wenn sie von ihrem Ehegatten dauernd getrennt leben. Dauernd getrennt bedeutet nicht nur vorübergehend getrennt. Dieser Begriff birgt also eine gewisse Endgültigkeit in sich. Eine dauernde Trennung wird etwa dann vorliegen, wenn ein Ehegatte die Wohnung verlässt und auf Dauer in einer anderen Wohnung lebt. Den meisten Fällen einer dauernden Trennung wird der Zerrüttungsgedanke zugrunde liegen, der aber mangels einer entsprechenden Initiative der Beteiligten nicht zur Auflösung der Ehe führt (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch EStG 1988 Ausführungen zu § 33). In diesen Fällen besteht kein Wille mehr zur, eine eheliche Gemeinschaft kennzeichnenden, gemeinsamen Lebensführung. Seitens der Beschwerdeführerin wurde nicht vorgebracht, dass sie von ihrem Ehemann dauernd getrennt lebt bzw. die eheliche Gemeinschaft beendet ist.
Da aus den angeführten Gründen das Tatbestandsmerkmal des dauernd Getrenntlebens im Sinne der Rechtsprechung des VwGH nicht vorliegt, zumal die Beschwerdeführerin in den Streitjahren in einer funktionierenden Beziehung mit ihrem Ehepartner lebte und die gewählte Wohnsituation einer liberalen Lebensform entspricht, in der nicht nach konventionellen Modellen Zusammenleben an einem gemeinsamen Wohnsitz geübt wird, steht ihr der Alleinerzieherabsetzbetrag nicht zu.
Die Beschwerden waren aus vorstehenden Gründen als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall steht die Tatfrage, ob die Beschwerdeführerin in einer Gemeinschaft mit ihrem Ehegatten lebt oder nicht, im Vordergrund. Die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, sodass keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 33 Abs. 4 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100002.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at