Antrag auf Akteneinsicht iZm ordnungspolitischen Maßnahmen der Finanzpolizei
Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2022/13/0013.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch Puttinger Vogl Rechtsanwälte GmbH, Claudistraße 5, 4910 Ried im Innkreis, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Amts für Betrugsbekämpfung vom , Geschäftszahl ***1***, betreffend Akteneinsicht zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 28 VwGVG Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.
Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Am wurde eine Anzeige wegen Schwarzarbeit bzw. nicht korrekt entlohnter ausländischer Arbeiter von der Landespolizeidirektion Oberösterreich zuständigkeitshalber an die Finanzpolizei weitergeleitet.
Aufgrund dieser Anzeige wurde am bei der Beschwerdeführerin (in der Folge kurz: Bf.) eine Kontrolle durch Organe des Amts für Betrugsbekämpfung, Finanzpolizei-Team ***2***, durchgeführt.
Am 24. bzw. wurden der Österreichischen Gesundheitskasse in Zusammenhang mit einer von dieser durchgeführten gemeinsamen Prüfung lohnabhängiger Abgaben die im Zuge der Kontrolle erhobenen Unterlagen übermittelt.
Mit E-Mail vom ersuchte die rechtsfreundliche Vertretung der Bf. um Übermittlung der Anzeige, aufgrund derer die Beschäftigungskontrolle am erfolgt war.
Mit E-Mail vom selben Tag wurde die Vertretung der Bf. informiert, dass dem Verlangen nicht entsprochen werden könne; auf die Bestimmungen des § 17 AVG werde verwiesen.
Mit Schreiben vom "wegen: Akteneinsicht" an das Finanzamt ***FA***, Finanzpolizei-Team ***2*** führte der rechtsfreundliche Vertreter der Bf. aus, dass die Antragstellerin hinsichtlich der am bei ihr durchgeführten Beschäftigungskontrolle ein Recht auf Akteneinsicht habe und beantragte die Übersendung des gesamten Behördenaktes, in eventu einen Bescheid zu erlassen, mit dem über die Verweigerung der Akteneinsicht abgesprochen wird.
Mit Bescheid vom , zugestellt am , wurde der Antrag vom Amt für Betrugsbekämpfung, Bereich Finanzpolizei, als unbegründet abgewiesen, was im Wesentlichen wie folgt begründet wurde:
Das Recht zur Akteneinsicht stehe nur den Parteien zu, die an einem bestimmten Verwaltungsverfahren beteiligt seien. Es stehe nur gegenüber jener Behörde zu, die ein konkretes Verwaltungsverfahren führe. Damit ein Verfahren als behördliches Verfahren qualifiziert werden könne, in dem gegebenenfalls Akteneinsicht zu gewähren sei, müsse es individuelle Verwaltungsakte der Hoheitsverwaltung zum Gegenstand haben. Ausgeschlossen seien demnach etwa Akte, die der Privatwirtschaftsverwaltung zuzuordnen seien.
Auch Schritte, die lediglich die Einleitung eines behördlichen Verfahrens (durch eine andere Behörde) anregen sollten (vgl. ), könnten eine Akteneinsicht nicht begründen. Ein Verfahren, welches der Behörde Sachverhaltsgrundlagen zur Prüfung der Frage liefern solle, ob bescheidförmige Maßnahmen zu setzen seien oder aber ob solche zu unterbleiben hätten, sei hingegen ein derartiges behördliches Verfahren.
Die am durchgeführte Kontrollhandlung habe der Einhaltung der Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) sowie des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) gegolten. Da keinerlei Übertretungen nach dem AuslBG bzw. ASVG festgestellt werden hätten können, sei es zu keinem Strafantrag bei der zuständigen Verwaltungsstrafbehörde und somit zu keinem konkreten Verwaltungs(straf)verfahren gekommen. Auch von Seiten des Amtes für Betrugsbekämpfung sei es in Folge der gegenständlichen Kontrolle zu keinem konkreten Verwaltungsverfahren gekommen.
Soweit eine Kontrollhandlung der Prüfung der Frage diene, ob etwa Bestimmungen des AuslBG oder des ASVG eingehalten worden seien, handle es sich um Nachforschungen oder vorbereitende Anordnungen in Hinblick auf nach diesen Bestimmungen allenfalls zu führende Verfahren anderer Behörden. Die vorliegende Kontrollhandlung sei eine die Antragstellerin individuell betreffende Maßnahme der Hoheitsverwaltung, die allenfalls zu einer Anzeige an eine andere Behörde führe (bei einer derartigen Anzeige handle es sich um keinen Bescheid). (vgl. mwN)
Der Antrag auf Akteneinsicht sei daher abzuweisen gewesen.Dagegen brachte die rechtsfreundliche Vertretung der Bf. am Beschwerde gem. Art. 130 Abs. 1 Z. 1 iVm. Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG an das Bundesfinanzgericht per E-Mail bei der Finanzpolizei ein. Da belangte Behörde das Amt für Betrugsbekämpfung, Bereich Finanzpolizei sei, sei sachlich zuständiges Gericht das Bundesfinanzgericht. Die Kontrollhandlung, die durch das Finanzpolizei-Team ***2*** am bei der Bf. durchgeführt worden sei, stelle einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung dar. Wie dem Bescheid zu entnehmen sei, habe die Verwaltungshandlung der Sachverhaltsfeststellung gedient. Es hätten vermeintliche Verletzungen der Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) sowie des allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) durch die Beschwerdeführerin überprüft werden sollen. Die durchgeführte Kontrollhandlung habe der Prüfung des Sachverhalts gedient, um zu eruieren, ob seitens der Behörde mittels einer bescheidförmigen Maßnahme vorzugehen sei. Im Erkenntnis vom , Ra 2018/13/0062, gebe auch der VwGH zu verstehen, dass es sich bei einer derartigen Kontrolle um eine Verfahrenshandlung handle. Der VwGH halte darin fest, dass Kontrollhandlungen durch die Finanzpolizei nach dem AusIBG und dem AlVG der Prüfung der Frage dienten, ob bescheidförmige Maßnahmen zu setzen seien. Schon damit liege ein behördliches Verfahren vor, zu dem Akteneinsicht zu gewähren sei. Mit der Kontrollhandlung sei ein Verfahrensakt gesetzt worden, um die inhaltliche Richtigkeit einer anonymen Anzeige zu überprüfen und darauf zu reagieren. Es liege daher gegen die Bf., gegen die die Kontrollhandlung gesetzt worden sei, ein Verfahren vor, in welchem sie gemäß § 8 AVG unzweifelhaft Parteistellung habe und habe sie folglich ein Recht auf Akteneinsicht gemäß § 17 AVG. Es wurde beantragt, das Bundesfinanzgericht wolle den Bescheid des Amts für Betrugsbekämpfung vom inhaltlich dahingehend abändern, dass dem Antrag auf Akteneinsicht stattgegeben wird; in eventu, den angefochtenen Bescheid des Amts für Betrugsbekämpfung vom aufheben und zur neuerlichen Entscheidung an das Amt für Betrugsbekämpfung zurückverweisen.
Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung zur Entscheidung, gegebenenfalls auch zur Klärung der Zuständigkeit, vorgelegt.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Sachverhalt
Am wurde aufgrund einer Anzeige eine Kontrolle gem. § 89 Abs. 3 EStG 1988 und AuslBG durch Organe des Amts für Betrugsbekämpfung, Finanzpolizei-Team ***2***, bei der Bf. durchgeführt. Dabei wurden keine Übertretungen festgestellt, sodass es zu keinen Strafanträgen und somit zu keinen Verwaltungsstrafverfahren kam und auch vom Amt für Betrugsbekämpfung - abgesehen vom verfahrensgegenständlichen Abweisungsbescheid - keine bescheidförmigen Maßnahmen gesetzt wurden. Die im Zuge der Kontrolle erhobenen Unterlagen wurden der Österreichischen Gesundheitskasse in Zusammenhang mit einer von dieser durchgeführten gemeinsamen Prüfung lohnabhängiger Abgaben übermittelt.
Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich aus dem Akteninhalt sowie dem Parteienvorbringen.
Rechtliche Beurteilung
Zuständigkeit
Gem. Art 130 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;
gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;
wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.
Artikel 131 Abs. 3 B-VG lautet:
(3) Das Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen erkennt über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 bis 3 in Rechtssachen in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und Gemeinden) und des Finanzstrafrechts sowie in sonstigen gesetzlich festgelegten Angelegenheiten, soweit die genannten Angelegenheiten unmittelbar von den Abgaben- oder Finanzstrafbehörden des Bundes besorgt werden.
Entsprechend normiert § 1 BFGG:
(1) Dem Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen (Bundesfinanzgericht - BFG) obliegen Entscheidungen über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 bis 3 B-VG in Rechtssachen in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und Gemeinden) und des Finanzstrafrechts sowie in sonstigen gesetzlich festgelegten Angelegenheiten, soweit die genannten Angelegenheiten unmittelbar von den Abgaben- oder Finanzstrafbehörden des Bundes besorgt werden.
(3) Zu den sonstigen Angelegenheiten (Abs. 1) gehören
1. […]
2. Entscheidungen über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gegen Abgabenbehörden des Bundes oder das Amt für Betrugsbekämpfung, soweit nicht Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (Abs. 1) oder der Beiträge (Z 1) betroffen sind,
3. […]
Gem. § 49 BAO besteht die Bundesfinanzverwaltung aus
1. den Abgabenbehörden des Bundes, nämlich:
dem Bundesminister für Finanzen,
den Finanzämtern, und zwar dem Finanzamt Österreich und dem Finanzamt für Großbetriebe und
dem Zollamt Österreich;
2. dem Amt für Betrugsbekämpfung,
3. den Zentralen Services und
4. dem Prüfdienst für Lohnabgaben und Beiträge.
Das Amt für Betrugsbekämpfung ist somit keine Abgabenbehörde, die Organe des Amtes für Betrugsbekämpfung werden aber gem. § 2 Abs. 4 Z. 1 ABBG bei Erfüllung finanzpolizeilicher Aufgaben gemäß § 3 Z 2 lit. a bis c als Organ der zuständigen Abgabenbehörde tätig.
Gem. § 3 Abs. 2 ABBG obliegt dem Amt für Betrugsbekämpfung im Geschäftsbereich Finanzpolizei
die Wahrnehmung von allgemeinen Aufsichtsmaßnahmen gemäß §§ 143 f der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961,
die Durchführung von Ermittlungshandlungen für Zwecke der Verhinderung und Aufdeckung von Zuwiderhandlungen gegen die von den Finanzämtern zu vollziehenden Rechtsvorschriften sowie die in diesen Rechtsvorschriften vorgesehene Durchführung von Maßnahmen bei Gefahr in Verzug,
die Durchführung von Abgabensicherungsmaßnahmen nach den Vorschriften der BAO und der Abgabenexekutionsordnung - AbgEO, BGBl. Nr. 104/1949, bei Gefahr im Verzug,
die Durchführung von Maßnahmen zur Sicherung und Einbringung von nach dem FinStrG verhängten Geldstrafen,
die Vollziehung anderer durch unmittelbar anwendbares Recht der Europäischen Union oder Bundesgesetz außerhalb der Abgabenvorschriften dem Amt für Betrugsbekämpfung oder dessen Organen übertragenen Aufgaben,
die Vollziehung der im AuslBG und im LSD-BG der Zentralen Koordinationsstelle im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 ABBG übertragenen Aufgaben,
die Vollziehung der in § 82 Abs. 9 KFG 1967 dem Daten-, Informations- und Aufbereitungscenter übertragenen Aufgaben im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 2,
die Wahrnehmung der Rechte und Pflichten im Dienste der Strafrechtspflege gemäß § 6 des Sozialbetrugsbekämpfungsgesetzes - SBBG, BGBl. I Nr. 113/2015 sowie die Vornahme von Maßnahmen gegen Scheinunternehmen gemäß § 8 SBBG.
Bei der am durchgeführten Kontrolle durch die Finanzpolizei handelt es sich um eine Maßnahme nach § 3 Abs. 2 lit. e ABBG, weshalb die Organe des Amtes für Betrugsbekämpfung weder als Organe der Abgabenbehörde noch als Finanzstrafbehörde tätig wurden und somit eine unmittelbare Besorgung durch Abgaben- oder Finanzstrafbehörden des Bundes hier nicht vorliegt. Nach dem Wortlaut des Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 1 Abs. 1 BFGG wäre damit eigentlich keine Zuständigkeit des BFG gegeben.
Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (RV 360 BlgNR 25. GP 24) sollte die mit dem 2. Abgabenänderungsgesetz 2014, BGBl. I Nr. 105/2014 eingefügte Z 2 in § 1 Abs. 3 BFGG sicherstellen, dass für Maßnahmenbeschwerden gegen Amtshandlungen von Abgabenbehörden in Angelegenheiten finanzpolizeilicher Befugnisse auch dann das Bundesfinanzgericht zuständig ist, wenn die Angelegenheit keine Abgaben, sondern "ordnungspolitische Maßnahmen (z.B. nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, Glücksspielgesetz)" betreffe.
Mit BGBl. I Nr. 104/2019 (Finanz-Organisationsreformgesetz - FORG) wurde die Finanzpolizei als Bereich des neu geschaffenen Amts für Betrugsbekämpfung eingerichtet und wird diese nur mehr in bestimmten Bereichen als Organ der Abgabenbehörde (§ 3 Z 2 lit. a bis c ABBG) tätig. Im Rahmen des FORG wurde daher in § 1 Abs. 3 Z 2 BFGG nach der Wortfolge "gegen Abgabenbehörden des Bundes" die Wortfolge "oder das Amt für Betrugsbekämpfung" eingefügt.
Laut Initiativantrag zum FORG (IA 985/A BlgNR 26. GP) sei wesentlich, dass finanzpolizeiliche Maßnahmen außerhalb des abgabenrechtlichen Bereichs dem Amt für Betrugsbekämpfung als Verwaltungsbehörde zuzurechnen seien, weshalb dieses auch belangte Behörde in Verfahren wegen Maßnahmenbeschwerden sei.
Durch Einfügen der Wortfolge "oder das Amt für Betrugsbekämpfung" in § 1 Abs. 3 Z 2 BFGG sollte daher gewährleistet werden, dass die Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichts für Maßnahmenbeschwerden im Bereich "ordnungspolitischer Maßnahmen" bestehen bleibt. Dabei wurde aber scheinbar übersehen, auch in Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 1 Abs. 1 BFGG die Wortfolge "Abgaben- oder Finanzstrafbehörden" entsprechend zu ergänzen bzw. abzuändern.
Der VwGH (, Ra 2018/13/0062) leitete (zur Rechtslage vor BGBl. I Nr. 104/2019) aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (RV 360 BlgNR 25. GP 24) ab, dass nach der Absicht des Gesetzgebers eine Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichts auch bestehen sollte, wenn ein Begehren auf Akteneinsicht im Hinblick auf eine ordnungspolitische Maßnahme durch Organe der Finanzpolizei erfolgte, auch wenn es sich - wie im vorliegenden Fall - nicht um ein Verfahren über eine Maßnahmenbeschwerde handelte.
Da es sich - wie oben dargestellt - dabei, dass in Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 1 Abs. 1 BFGG nicht auch das Amt für Betrugsbekämpfung eingefügt wurde, scheinbar um ein redaktionelles Versehen gehandelt hat und die Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichts für Maßnahmenbeschwerden weiterhin bestehen soll, bleibt auch die o.a. Rechtsprechung des VwGH, wonach eine Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichts auch hinsichtlich eines Begehrens auf Akteneinsicht betreffend eine ordnungspolitische Maßnahme durch Organe der Finanzpolizei besteht, weiter anwendbar.
Anzuwendendes Recht
Zu beachten ist, dass auf das Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht hier die Bestimmungen des VwGVG anzuwenden sind. Das ergibt sich aus § 24 Abs. 1 vierter Satz BFGG, wonach für Beschwerden nach § 1 Abs. 3 Z 2 BFGG das Verfahren im VwGVG geregelt ist. (vgl. )
Gemäß § 17 VwGVG sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Nach Artikel I Abs. 2 Z 1 EGVG ist auf das behördliche Verfahren von Verwaltungsbehörden das AVG anzuwenden. Die in Artikel I Abs. 3 Z 1 EGVG normierte Ausnahme, wonach die Verwaltungsverfahrensgesetze in den Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben und Beiträge, die von den Abgabenbehörden erhoben werden, nicht anzuwenden sind, trifft hier nicht zu. Es stand der Behörde daher frei eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen (§ 14 Abs. 1 AVG) und die Einbringung der Beschwerde per E-Mail war zulässig (§ 13 AVG).
Akteneinsicht/-übersendung
§ 17 AVG lautet:
(1) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien bei der Behörde in die ihre Sache betreffenden Akten Einsicht nehmen und sich von Akten oder Aktenteilen an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder auf ihre Kosten Kopien oder Ausdrucke erstellen lassen. Soweit die Behörde die die Sache betreffenden Akten elektronisch führt, kann der Partei auf Verlangen die Akteneinsicht in jeder technisch möglichen Form gewährt werden.
(2) Allen an einem Verfahren beteiligten Parteien muss auf Verlangen die Akteneinsicht in gleichem Umfang gewährt werden.
(3) Von der Akteneinsicht sind Aktenbestandteile ausgenommen, insoweit deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen einer Partei oder dritter Personen oder eine Gefährdung der Aufgaben der Behörde herbeiführen oder den Zweck des Verfahrens beeinträchtigen würde.
(4) Die Verweigerung der Akteneinsicht gegenüber der Partei eines anhängigen Verfahrens erfolgt durch Verfahrensanordnung.
Gemäß § 89 Abs. 3 EStG 1988 haben die Abgabenbehörden und das Amt für Betrugsbekämpfung im Rahmen der Vollziehung der abgabenrechtlichen Bestimmungen insbesondere zu erheben (§§ 143 und 144 BAO), ob die versicherungs- und melderechtlichen Bestimmungen des ASVG, die Anzeigepflichten des AlVG und die Bestimmungen, deren Missachtung den Tatbestand der §§ 366 Abs. 1 Z 1 oder 367 Z 54 GewO erfüllt, eingehalten wurden. Zum Zweck der Prüfung der Einhaltung der Anzeigepflichten überprüfter Personen sind die Abgabenbehörden und das Amt für Betrugsbekämpfung berechtigt, die Arbeitslosmeldung und den Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung und von Überbrückungshilfen nach dem ÜHG für die letzten drei Monate durch Eingabe des Namens und der Sozialversicherungsnummer der überprüften Person automationsunterstützt abzufragen.
Nach § 26 Abs. 1 AuslBG sind Arbeitgeber u.a. verpflichtet, dem Amt für Betrugsbekämpfung auf deren Verlangen Anzahl und Namen der im Betrieb beschäftigten Ausländer bekanntzugeben. Die Arbeitgeber haben auch die notwendigen Auskünfte zu erteilen und in die erforderlichen Unterlagen Einsicht zu gewähren.
Gemäß § 4 Abs. 1 ABBG kommen den Organen des Amtes für Betrugsbekämpfung im Rahmen ihrer Aufgaben gemäß § 3 Z 2 lit. a, b und e sowie § 3 Z 3 lit. g die den Organen der Abgabenbehörden in §§ 48b [Datenübermittlung], 146a [Betretungsrecht] und 146b [Identitätsfeststellungsrecht] BAO eingeräumten Befugnisse zu.
Das Recht auf Akteneinsicht setzt ein Verwaltungsverfahren (vgl Art I Abs 1 EGVG; ) bei der Behörde, der gegenüber die Einsicht begehrt wird (), voraus.
Der Antrag auf Akteneinsicht vom wurde an das Finanzamt ***FA***, Finanzpolizei und nicht an das zuständige Amt für Betrugsbekämpfung adressiert wurde. Das ist jedoch unproblematisch, da gemäß § 323b Abs. 6 BAO bis Anbringen, für deren Behandlung entweder das Finanzamt Österreich, das Finanzamt für Großbetriebe oder das Amt für Betrugsbekämpfung zuständig ist, auch unter Verwendung der Bezeichnung der Finanzämter gemäß § 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur Durchführung des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes 2010 (AVOG 2010 - DV), BGBl. II Nr. 165/2010, in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 375/2016, sowie unter Verwendung der zum kundgemachten Anschriften der Finanzämter wirksam eingebracht werden konnten.
Das Recht zur Akteneinsicht steht nur den Parteien zu, die an einem bestimmten Verwaltungsverfahren beteiligt sind. Es steht nur gegenüber jener Behörde zu, die ein konkretes Verwaltungsverfahren führt; hierzu zählen auch aufsichtsbehördliche Verfahren (vgl. zuletzt , mwN).
Damit ein Verfahren als behördliches Verfahren qualifiziert werden kann, in dem gegebenenfalls Akteneinsicht zu gewähren ist, muss es individuelle Verwaltungsakte der Hoheitsverwaltung zum Gegenstand haben (vgl. ; , Ra 2019/12/0065). Ausgeschlossen sind demnach etwa Akte, die der Privatwirtschaftsverwaltung zuzuordnen sind (vgl. ). Auch Schritte, die lediglich die Einleitung eines behördlichen Verfahrens (durch eine andere Behörde) anregen sollen (vgl. betr. Weiterleitung einer Anzeige durch den Bundesminister für Gesundheit an die für das Verfahren zuständige Ärztekammer), können eine Akteneinsicht nicht begründen. Ein Verfahren, welches der Behörde Sachverhaltsgrundlagen zur Prüfung der Frage liefern soll, ob bescheidförmige Maßnahmen zu setzen sind oder aber ob solche zu unterbleiben haben, ist hingegen ein derartiges behördliches Verfahren (vgl. ).
Soweit eine Kontrollhandlung der Prüfung der Frage diente, ob Bestimmungen des AuslBG oder des ASVG eingehalten wurden, handelte es sich hierbei um Nachforschungen oder vorbereitende Anordnungen im Hinblick auf nach diesen Bestimmungen allenfalls zu führende Verfahren anderer Behörden. Insoweit waren von der Abgabenbehörde keine Bescheide zu erlassen, die Abgabenbehörde hatte vielmehr gegebenenfalls Anzeige an die zuständige Behörde (Verwaltungsstrafbehörde) zu erstatten. Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass auch im Verfahren über derartige Nachforschungen und vorbereitende Anordnungen über die Verweigerung der Akteneinsicht ein anfechtbarer Bescheid zu ergehen hat (vgl. , mwN; betr. ein Verfahren zur Aufforderung zur Auskunftserteilung gemäß § 103 Abs. 2 KFG 1967, wonach dem Revisionswerber im Administrativverfahren gemäß § 103 Abs. 2 KFG 1967 Parteistellung und das Recht auf Einsicht in den betreffenden Verfahrensakt zukommt, soweit nicht bestimmte Aktenteile gemäß § 17 Abs. 3 AVG von der Akteneinsicht ausgenommen sind).
Wie sowohl die belangte Behörde im Abweisungsbescheid als auch die Bf. in der Beschwerde zutreffend ausgeführt haben, handelt es sich bei der durch die Finanzpolizei durchgeführten Kontrolle um eine die Antragstellerin individuell betreffende Maßnahme der Hoheitsverwaltung. Die Nachforschungen betreffend die Bf. unter Anwendung der gesetzlich eingeräumten Befugnisse (z.B. § 4 Abs. 1 ABBG, § 26 Abs. 1 AuslBG, § 89 Abs. 3 EStG 1988) stellen ein behördliches Verfahren dar.
Die Verweigerung der Akteneinsicht in einem anhängigen Verfahren erfolgt gemäß § 17 Abs. 4 AVG durch Verfahrensanordnung und kann im Allgemeinen nur mit dem Rechtsmittel gegen den das Verfahren abschließenden Bescheid bekämpft werden (vgl. ). Dieser Grundsatz kommt aber dann nicht zum Tragen, wenn ein die Angelegenheit abschließender Bescheid nicht in Betracht kommt. In solchen Verfahren hat über die Verweigerung der Akteneinsicht ein im Instanzenzug anfechtbarer Bescheid zu ergehen (vgl. , mwN).
Hinsichtlich der Kontrollhandlung vom sind keine Bescheide zu erwarten, sodass es sich bei der Abweisung des Antrags auf Akteneinsicht um einen rechtsmittelfähigen Bescheid handelt. Der Abweisungsbescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass ein konkretes Verwaltungsverfahren, in dem Akteneinsicht zu gewähren wäre, nicht vorliege, was jedoch nicht zutrifft. Der Bescheid war daher aufzuheben.
Das Amt für Betrugsbekämpfung hat grundsätzlich Einsicht in den bei der Finanzpolizei zu dieser Kontrollhandlung vorliegenden Verfahrensakt zu gewähren. § 17 Abs. 1 AVG gewährt den Parteien eines Verfahrens ein Recht darauf, bei der Behörde in den Akt Einsicht zu nehmen und sich von den Akten an Ort und Stelle Abschriften selbst anzufertigen oder auf ihre Kosten Kopien oder Ausdrucke erstellen zu lassen. Die belangte Behörde ist aber in keinem Fall verpflichtet, Akten, Aktenteile oder Kopien davon an die beschwerdeführende Partei zu übersenden (vgl. ). Das Amt für Betrugsbekämpfung kann zwar dem Antrag auf Akteneinsicht - wie beantragt - durch Übersendung von Aktenkopien nachkommen, ist dazu aber nicht verpflichtet.
Zur Zulässigkeit der Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision zulässig, da das Erkenntnis von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil eine Rechtsprechung zur Frage der Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichts für Beschwerden gegen die bescheidmäßige Abweisung eines Antrags auf Akteneinsicht hinsichtlich einer "ordnungspolitischen Maßnahmen" durch die Finanzpolizei nach Inkrafttreten des Finanz-Organisationsreformgesetzes bisher fehlt.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 1 Abs. 1 BFGG, Bundesfinanzgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 14/2013 § 1 Abs. 3 Z 2 BFGG, Bundesfinanzgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 14/2013 § 17 Abs. 1 AVG, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 Art. 131 Abs. 3 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.5300013.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at