Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO nach rechtskräftigem BFG-Erkenntnis
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***BF***, ***BF-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer ***BF-StNr***, Erfassungsnummern ***EN1***, ***EN2*** und ***EN3***, betreffend Zurückweisung des Antrages gemäß § 299 BAO zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang, Sachverhalt und Parteienvorbringen
***BF***, ***ÜG2*** und ***ÜG3*** waren zu je einem Drittel Eigentümer der Liegenschaften ***EZ1***, =L1, ***EZ2***, =L2, und ***EZ3***, =L3. Mit Übergabsverträgen vom bzw. haben sie diese Liegenschaften an ihre (Adoptiv-)Kinder und Nichten ***ÜN1***, ***ÜN2***, ***ÜN3***, ***ÜN4*** und ***ÜN5*** übergeben. Als Gegenleistung haben sich die Übergeber jeweils das Vorbehaltsfruchtgenussrecht ausbedungen und dabei vereinbart, dass die Übernehmer und Fruchtnießer den Übergebern unter anderem jährlich eine Zahlung für Substanzabgeltung in Höhe der Abschreibung zu leisten haben.
Diesbezüglich hat das Finanzamt die Ansicht vertreten, dass für die entgeltliche Einräumung des Fruchtgenussrechtes jeweils eine Gebühr gemäß § 33 TP 9 GebG (Dienstbarkeiten) anfalle, welche sodann den Übergebern mit Bescheiden je vom vorgeschrieben wurde. Die dagegen erhobenen Beschwerden hat das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidungen je vom als unbegründet abgewiesen. Im weiteren Rechtsmittelverfahren ist das BFG abschließend zu der Auffassung gelangt, dass die Festsetzung der Gebühren grundsätzlich zu Recht erfolgt ist; die angefochtenen Bescheide wurden der Höhe nach (verbösernd) abgeändert.
Betreffend die Übergeberin ***BF***, nunmehrige Beschwerdeführerin, =Bf., hat das BFG die Gebühren mit Erkenntnis vom , RV/7103195/2019, rechtskräftig wie folgt festgesetzt:
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ÜV vom | Übergabe an | Liegenschaft | ErfNr. | Gebühr |
***ÜN1*** | L1 | ***EN1*** | 7.139,92 € | |
***ÜN2*** | L2 | ***EN2*** | 886,26 € | |
***ÜN3***/***ÜN4*** | L3 | ***EN3*** | 1.562,43 € |
Demgegenüber hat der VwGH in einem vergleichbaren Fall mit Erkenntnis vom , Ra 2020/16/0109, entschieden, dass bei der Schenkung einer Liegenschaft in Verbindung mit einem Vorbehaltsfruchtgenuss gegen Afa-Abgeltung ein einheitliches Rechtsgeschäft vorliegt, das der Gebührenbefreiung nach § 15 Abs. 3 GebG unterliegt.
Unter Berufung auf die in diesem Erkenntnis vertretene Rechtsauffassung des Höchstgerichtes hat die Bf. am den folgenden Antrag an das Finanzamt Österreich gestellt:
"***BF***, Bescheide vom , ErfNr. ***EN1***, ErfNr. ***EN2***, ErfNr. ***EN3*** GZ RV/7103195/2019 vom
Antrag auf Aufhebung der Bescheide
Mit Entscheidung des hat dieser entschieden, dass bei einer Schenkung einer Liegenschaft mit Vorbehalt des Fruchtgenussrechts mit Vereinbarung einer Substanzabgeltung ein einheitliches Rechtsgeschäft vorliegt, das der Gebührenbefreiung nach § 15 Abs. 3 GebG unterliegt.
Wir beantragen daher im Namen unserer Mandantin die Aufhebung der ergangenen Bescheide und die Gutschrift der vorgeschriebenen Gebühren."
Mit Schreiben vom hat das Finanzamt die Bf. um Bekanntgabe der verfahrensrechtlichen Grundlage für ihren Antrag ersucht. Die Bf. stellt daraufhin durch ihren Vertreter, Treuhand-Union OÖ Wirtschaftstreuhand-Steuerberatung GmbH, mit Antwortschreiben vom klar, dass es sich um einen Antrag nach § 299 BAO handelt und führt ergänzend aus:
"Für die Aufhebung eines Bescheides nach § 299 BAO ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Aufhebung maßgeblich. Die Frist für den Antrag innerhalb eines Jahres ist gewahrt. … Obwohl sich die gesetzlichen Bestimmungen nicht geändert haben, wurde in diesem Fall durch eine Gebührenprüfung beim Notar Gebührenpflicht mittels Bescheid festgestellt. Wir haben in unserer Kanzlei einige vergleichbar Fälle gehabt. Nur in diesem Fall wurden die Gebühren vorgeschrieben. Auch für den Notar war es eine völlig neue Tatsache. Nun hat auch der VwGH gegen die Gebührenpflicht entschieden. Es wäre daher auch eine beträchtliche Ungerechtigkeit gegenüber dem Steuerpflichtigen, wenn dieser als einer von ganz wenigen Steuerpflichtigen mit der Gebühr belastet bleibt, obwohl die Vorschreibung eindeutig rechtswidrig war."
Zurückweisungsbescheid vom
Mit dem hier gegenständlichen Zurückweisungsbescheid hat das Finanzamt betreffend Aufhebung der Bescheide vom nach § 299 BAO den obigen Antrag der Bf. vom zurückgewiesen, da die Abgabenbehörde zuletzt mit Beschwerdevorentscheidungen im Jahr 2018 bescheidmäßig entschieden habe, sodass der Antrag der Bf. nicht fristgerecht eingebracht worden sei. Für ein Vorgehen der Abgabenbehörde gemäß § 299 BAO betreffend eine (rechtskräftige) Entscheidung des BFG sei keine gesetzliche Grundlage gegeben.
Beschwerde vom
Die Bf. hat gegen den Zurückweisungsbescheid das Rechtsmittel der Beschwerde mit folgender Begründung eingebracht:
"Der Antrag nach § 299 BAO wurde abgewiesen, da dieser außerhalb der Jahresfrist eingebracht wurde. Die Entscheidung des war jedoch innerhalb der Jahresfrist. Mit dieser Entscheidung wurden die angefochtenen Bescheide wesentlich abgeändert und verbösert. Siehe Seite 1 der Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes: Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert. Es sind daher neue Bescheide ergangen, die innerhalb der Jahresfrist liegen. Frau ***BF*** hat die vorgeschriebenen Beträge auch fristgemäß an das Finanzamt entrichtet. Begünstigter der Entscheidung des BFG ist jedenfalls das Finanzamt. Der Antrag auf Aufhebung der Bescheide wurde auch für die abgeänderten Bescheide auf Grund der Entscheidung des BFG gestellt. Für die Aufhebung eines Bescheides nach § 299 BAO ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Aufhebung maßgeblich. Die Frist für den Antrag innerhalb eines Jahres für die abgeänderten Bescheide des BFG ist daher gewahrt. Ich stelle den Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das BFG und verzichte auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung."
Am hat das Finanzamt die Beschwerde dem BFG zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Rechtsgrundlagen
Gemäß § 299 BAO idF BGBl. I Nr. 14/2013 kann die Abgabenbehörde auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.
Gemäß § 93a BAO sind die für Bescheide geltenden Bestimmungen … sinngemäß auf Erkenntnisse und Beschlüsse der Verwaltungsgerichte anzuwenden. Maßnahmen gemäß den §§ 200 Abs. 2, 294, 295, 295a und 303 obliegen auch dann der Abgabenbehörde, wenn sie solche Erkenntnisse, Beschlüsse oder Entscheidungen betreffen.
Nach § 289 BAO (Klaglosstellung) kann das Verwaltungsgericht Erkenntnisse und Beschlüsse nur dann aufheben, wenn sie beim VwGH mit Revision oder beim VfGH mit Beschwerde angefochten sind.
Nach § 302 BAO sind Aufhebungen gemäß § 299 BAO nur bis zum Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe (§ 97) des Bescheides zulässig.
2. Rechtliche Beurteilung
Fest steht, dass das Finanzamt mit Bescheiden vom Gebühren gemäß § 33 TP 9 GebG (betreffend Vorbehaltsfruchtgenuss gegen Substanzabgeltung) festgesetzt hat.
Über die dagegen erhobene Beschwerde hat das BFG mit Erkenntnis vom , RV/7103195/2019, zugestellt am , rechtskräftig entschieden.
Am hat die Bf. an das Finanzamt einen Antrag auf Aufhebung der Bescheide vom (lt. Vorhaltbeantwortung zu ergänzen: nach § 299 BAO) gestellt.
Gemäß § 299 BAO sind Abgabenbehörden berechtigt, ihre eigenen Bescheide wegen Unrichtigkeit des Bescheidspruches aufzuheben.
Allerdings gehören die im Antrag genannten Gebühren(Erst)bescheide des Finanzamtes aufgrund der nachfolgenden Erlassung des BFG-Erkenntnisses nicht mehr dem Rechtsbestand an. Gemäß § 279 BAO hat das Verwaltungsgericht nämlich stets meritorisch "in der Sache selbst" zu entscheiden; damit tritt das Erkenntnis an die Stelle der Erledigung der Verwaltungsbehörde.
"Nach § 289 Abs. 2 BAO [entsprechende Bestimmung vor 2014] ist die Abgabenbehörde zweiter Instanz berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen, wobei die Abweisung einer Berufung als unbegründet so zu werten ist, als ob die Berufungsbehörde einen mit dem angefochtenen Bescheid im Spruch übereinstimmenden Bescheid erlassen hätte, der fortan an die Stelle des angefochtenen Bescheides tritt (vgl. die bei Ritz, BAO3, § 289 Tz 47 wiedergegebene Judikatur). Dem Rechtsbestand gehört folglich nur die Rechtsmittelentscheidung an (vgl. )."
Das Beschwerdevorbringen der Bf., durch die Entscheidung des BFG seien neue Bescheide ergangen, weil die angefochtenen Bescheide wesentlich abgeändert und verbösert worden seien, ist somit nach den bisherigen rechtlichen Ausführungen nicht zutreffend. Die Bf. verkennt, dass das Erkenntnis des BFG in der Sache und nicht über diese ergeht.
Die Aufhebung eines nicht mehr existenten Bescheides nach § 299 BAO durch das Finanzamt kommt nicht in Betracht (vergleiche ).
Doch selbst für den Fall, dass man den Antrag der Bf. aufgrund ihres Beschwerdevorbringens dahingehend deuten könnte, dass die Bf. einen Antrag auf Aufhebung der nicht mehr richtigen BFG-Entscheidung selbst gestellt hat, wäre eine solche Aufhebung nach § 299 BAO durch das Finanzamt nicht zulässig.
Die Abgabenbehörden sind mit diesem Rechtsbehelf nur berechtigt, ihre eigenen Bescheide aufzuheben; in Erkenntnisse und Beschlüsse eines Verwaltungsgerichtes dürfen Abgabenbehörden niemals nach § 299 BAO eingreifen. Betreffend Erkenntnissen obliegen ausschließlich die im § 93a 2. Satz BAO ausdrücklich genannten Maßnahmen (zB § 200 Endgültigerklärung, §§ 294, 295, 295a Abänderung, § 303 Wiederaufnahme), den Abgabenbehörden.
Nicht zuletzt kann ergänzend darauf hingewiesen werden, dass auch dem BFG selbst als rechtskraftdurchbrechendes Instrument (wesentlich eingeschränkt) nur die Klaglosstellung nach § 289 Abs. 1 BAO offen steht (nähere Begründung siehe Einführung in das Recht der Bundesabgabenordnung1, Tanzer/Unger Seite 311).
Da somit der Antrag der Bf. an das Finanzamt auf Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO jedenfalls als unzulässig zurückzuweisen war, da einerseits die aufzuhebenden Bescheide vom - wie dargestellt - aufgrund des rechtskräftigen BFG-Erkenntnisses vom rechtlich nicht mehr existiert haben und andererseits das Finanzamt eine zweitinstanzliche Entscheidung nicht aufheben darf, kommt es darauf, ob der Aufhebungsantrag rechtzeitig gestellt wurde, nicht mehr an.
Das Finanzamt hat somit den beschwerdegegenständlichen Zurückweisungsbescheid zu Recht erlassen und war daher die Beschwerde wie im Spruch ersichtlich als unbegründet abzuweisen.
3. Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG vor, dies selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des VwGH ergangen wäre (vgl. ).
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100021.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at