Berücksichtigung deutscher Sozialversicherungsbeiträge als Werbungskosten und als Sonderausgaben
VfGH-Beschwerde zur Zahl E 1621/2022 anhängig. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt.
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Rechtssätze | |
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RV/5101001/2021-RS1 | Die Beschränkung in § 16 Abs. 1 Z 4 lit. e EStG 1988 bezieht sich auf die Höchstbeiträge in der österreichischen gesetzlichen Sozialversicherung (vgl. ) |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Renate Schohaj in der Beschwerdesache ***1***, vertreten durch August Proßegger, Steuerberater, Fichtenweg 3, Tür 1, 5122 Hochburg-Ach, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2020, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der in Österreich ansässige und unbeschränkt steuerpflichtige Beschwerdeführer (Bf.) bezog im Streitjahr 2020 eine Rente der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd sowie eine deutsche Firmenrente (***3***). Mit beiden Rentenbezügen unterliegt der Bf. der Pflichtversicherung zur gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland.
Im Rahmen der Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2020 setzte die belangte Behörde mit Bescheid vom eine Nachforderung an Einkommensteuer in der Höhe von 582,00 Euro fest.
Die gegen den Einkommensteuerbescheid 2020 fristgerecht eingebrachte Beschwerde begründete der Bf. damit, dass bei der Dateneingabe des Lohnzettels L17 der Pensionskasse die Kennzahlen 350, 357 und 347 falsch erfasst worden seien und legte Unterlagen zur Berechnung der Firmenrente vor.
Entsprechend der vorgelegten Unterlagen wurden im Jahr 2020 seitens des Bf. Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von insgesamt 1.671,08 Euro geleistet, wobei 1.350,48 Euro auf die Krankenversicherung und 320,60 Euro auf die Pflegeversicherung entfielen. Dies entspricht 15,90% der Brutto Bezüge des Bf. im Jahr 2020 in der Höhe von 10.512,96 Euro.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom änderte die belangte Behörde den Einkommensteuerbescheid 2020 dahingehend ab, als die Werbungskosten-Abzugsfähigkeit der vom Bf. getragenen deutschen Sozialversicherungsbeiträge der ***4*** im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2017/13/0042, auf 5,1% beschränkt wurde. Die tatsächlich geleisteten, und nicht als Werbungskosten berücksichtigten Sozialversicherungsbeiträge wurden jedoch mit einem Betrag von 1.134,92 Euro als Sonderausgaben berücksichtigt. Die in Österreich steuerbefreite Rente aus der gesetzlichen Sozialversicherung wurde als Progressionseinkunft mit dem Bruttobezug erfasst, wobei die auf diese Bezüge in Deutschland entrichteten Sozialversicherungsbeiträge nicht gekürzt wurden, sodass 10,9% davon als Werbungskosten Berücksichtigung fanden.
Mit Eingabe vom beantragte der Bf. die Entscheidung über seine Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Ergänzend brachte er vor, dass die Kennzahl 350 den Wert 8.460,60 Euro haben müsse. Die tatsächlichen Sozialversicherungsbeiträge würden rund 15,9% der Pensionskassenrente betragen. Diese Sozialversicherungsbeiträge seien Werbungskosten gemäß § 16 Abs. 1 Z 4 lit. a EStG 1988.
Der Bf. habe während seines Berufslebens immer in Deutschland gearbeitet und habe seinen Wohnsitz immer in Österreich gehabt, wo er seine Einkünfte als Grenzgänger versteuert habe. Nachdem nur ausländische Rentenbezüge vorlägen, müsse er für sämtliche Rentenbezüge die deutschen Sozialversicherungsbeiträge bezahlen. Aus den übermittelten Unterlagen seien die entrichteten Sozialversicherungsbeiträge ersichtlich. Das Finanzamt erkenne nur 5,1% an Sozialversicherungsbeiträgen an und gehe davon aus, dass der Rest freiwillige Beträge seien. Eine Befreiung von den hohen ausländischen Sozialversicherungssätzen sei nur mit Bezug einer österreichischen gesetzlichen Rente möglich. Da keine österreichische Rente bezogen werde, müssten die Beiträge zur Pflichtversicherung in Deutschland geleistet werden. Da sich der Bf. bezüglich der Sozialversicherungsbeiträge dem Grunde und der Höhe nach nicht entziehen könne seien die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung der Höhe nach unbeschränkt als Werbungskosten zu berücksichtigen. Eine nur teilweise Berücksichtigung der Sozialversicherungsbeiträge verstoße gegen das verfassungsmäßige Recht auf Gleichbehandlung von Arbeitnehmern bzw. Pensionisten mit inländischem Wohnsitz im Hinblick auf die Sozialversicherungspflichtbeiträge.
Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Bf. bezog im Streitjahr eine Rente der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd sowie eine deutsche Firmenrente. Mit beiden Rentenbezügen unterliegt der Bf. der Pflichtversicherung zur gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland und hat Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von 1.350,48 Euro für die Krankenversicherung und 320,60 Euro für die Pflegeversicherung geleistet.
Die belangte Behörde berücksichtigte die Sozialversicherungsbeiträge im Höchstausmaß von 5,1% der Bemessungsgrundlage als Werbungskosen.
2. Beweiswürdigung
Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig. Dagegensprechende Umstände wurden nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich.
Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen annehmen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)
Gemäß § 16 Abs. 1 Z 4 lit. a EStG 1988 gehören zu den Werbungskosten "Beiträge des Versicherten zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung". Es sind dies Beiträge, deren Entrichtung sich der Versicherte (dem Grunde und der Höhe nach) nicht entziehen kann. Der Abzug ist der Höhe nach unbeschränkt. Gemäß § 16 Abs. 1 Z 4 lit. f EStG 1988 gebührt dieser unbeschränkte Abzug auch bei Beiträgen von Arbeitnehmern zu einer ausländischen Pflichtversicherung, wenn dies einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung entspricht.
Gemäß § 16 Abs. 1 Z 4 lit. e erster Satz zweiter Halbsatz EStG 1988 gehören zu den Werbungskosten auch "Beiträge zu einer inländischen gesetzlichen Krankenversicherung sowie Beiträge zu einer Krankenversicherung auf Grund einer in- oder ausländischen gesetzlichen Versicherungspflicht". Abzugsfähig sind Krankenversicherungsbeiträge nach § 16 Abs. 1 Z 4 lit. e zweiter Satz EStG 1988 aber nur insoweit, als sie "der Höhe nach insgesamt Pflichtbeiträgen in der gesetzlichen Sozialversicherung entsprechen".
Die Beschränkung der Abzugsfähigkeit der Beiträge mit der Höhe der Pflichtbeiträge "in der gesetzlichen Sozialversicherung" wurde mit dem Steuerreformgesetz 1993 eingefügt. Wie aus den Erläuterungen der Regierungsvorlage zu diesem Gesetz (1237 BlgNR 18. GP 52) hervorgeht, sollten die Pflichtbeiträge zu dort näher genannten Einrichtungen nur insoweit als Werbungskosten abzugsfähig sein, als sie der Höhe und dem Leistungsanspruch nach Pflichtversicherungsbeiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen. Höhere Beiträge, die zur Abdeckung höherer Leistungen anfallen, sollten hingegen nicht als Werbungskosten abzugsfähig sein. Damit erfolge eine Gleichstellung zum Werbungskostenabzug gemäß § 16 Abs. 1 Z 4 lit. a EStG 1988.
Die in § 16 Abs. 1 Z 4 lit. e EStG 1988 normierte Beschränkung des Abzuges mit der Höhe der Pflichtbeiträge in der gesetzlichen Sozialversicherung bezieht sich demnach - wie insbesondere auch durch den Verweis auf § 16 Abs. 1 Z 4 lit. a EStG 1988 (und nicht deren lit. f) hervorgeht - auf die Höchstbeiträge in der österreichischen gesetzlichen Sozialversicherung und nicht etwa auf im Rahmen einer ausländischen Versicherungspflicht zu leistende (höhere) Beiträge (vgl. ).
Die mit der Höhe des für Pensionsbezieher geltenden (Pflicht-)Beitragssatzes (5,10%) begrenzte Berücksichtigung der strittigen Krankenversicherungsbeiträge erweist sich sohin als rechtmäßig (vgl. auch , und ).
Als Werbungskosten von den laufenden Bezügen werden daher 369,85 Euro angesetzt.
Gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 sind ua. Beiträge und Versicherungsprämien zu einer freiwilligen Krankenversicherung, wenn der der Zahlung zugrundeliegende Vertrag vor dem abgeschlossen worden ist, bei der Ermittlung des Einkommens als Sonderausgaben abzuziehen, soweit sie nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind.
Gemäß § 18 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 besteht für Ausgaben im Sinne des Abs. 1 Z 2 bis 4 mit Ausnahme der Beiträge für eine freiwillige Weiterversicherung einschließlich des Nachkaufs von Versicherungszeiten in der gesetzlichen Pensionsversicherung und vergleichbarer Beiträge an Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen ein einheitlicher Höchstbetrag von 2.920 Euro jährlich. Dieser Betrag erhöht sich in den in § 18 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 genannten Fällen um 2.920 Euro. Sind diese Ausgaben insgesamt niedriger als der jeweils maßgebende Höchstbetrag, so ist ein Viertel der Ausgaben, mindestens aber der Pauschbetrag nach Abs. 2, als Sonderausgaben abzusetzen; sind sie gleich hoch oder höher als der jeweils maßgebende Höchstbetrag, so ist ein Viertel des Höchstbetrags als Sonderausgaben abzusetzen (Sonderausgabenviertel).
Die vom Bf. tatsächlich geleisteten und die steuerpflichtigen Bezüge betreffenden und nicht als Werbungskosten anerkannten deutschen Krankenversicherungsbeiträge der Firmenrente in der Höhe von 913,36 Euro waren daher im Ausmaß eines Viertels (Sonderausgabenviertel: 228,34 Euro) als Sonderausgaben zu berücksichtigen (Berechnung: 1.152,73+192,12-369,85-61,64=913,36, davon ein Viertel: 228,34).
Zu den Bedenken der Bf., wonach eine nur teilweise Berücksichtigung der Sozialversicherungsbeiträge gegen das verfassungsmäßige Recht auf Gleichbehandlung von Arbeitnehmern bzw. Pensionisten mit inländischem Wohnsitz im Hinblick auf die Sozialversicherungspflichtbeiträge verstoße, ist folgendes auszuführen:
Auf Grund Art. 135 Abs. 4 B-VG iVm Art. 89 Abs. 2 B-VG hat das Verwaltungsgericht bei verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Anwendung eines Gesetzes bzw. bei Bedenken gegen die Anwendung einer Verordnung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit einen Antrag auf Aufhebung dieser Norm beim Verfassungsgerichthof zu stellen. Dabei sind die Bedenken gegen die vom Bundesfinanzgericht anzuwendende Norm unabhängig von einem allfälligen Beschwerdevorbringen zu berücksichtigen und haben, wenn sie sich beim Bundesfinanzgericht manifestieren, zu einem entsprechenden stichhaltig begründeten Prüfungsantrag zu führen. Wie der OGH schon wiederholt erkannt hat, ist unabdingbare Voraussetzung der Anrufung des Verfassungsgerichtshofes, dass das Gericht selbst Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des anzuwendenden Gesetzes bzw. die Gesetzmäßigkeit der anzuwendenden Verordnung hat; der Umstand allein, dass eine Partei solche Bedenken vorbringt (oder dass im Schrifttum Bedenken geäußert worden sind), berechtigt oder verpflichtet das Gericht noch nicht zur Normenprüfung.
Im gegenständlichen Fall kann das Bundesfinanzgericht keine Verfassungswidrigkeit der angewandten Gesetzesbestimmungen erkennen, zumal aus den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum Abgabenänderungsgesetz 2001 (827 BlgNR 21. GP 21), mit welcher die Beschränkung der Abzugsfähigkeit der Beiträge mit der Höhe der Pflichtbeiträge "in der gesetzlichen Sozialversicherung" eingeführt wurde, eindeutig hervorgeht, dass durch diese Beschränkung lediglich eine Gleichstellung dieser Beträge mit Pflichtbeiträgen an eine gesetzliche Krankenversicherung hergestellt werden sollte.
Darüber hinaus ist zu bemerken, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Ra 2017/13/0042, ebenfalls keine Bedenken gegen die Gesetzesbestimmung hatte, andernfalls er einen Antrag auf Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung beim Verfassungsgerichtshof gestellt hätte.
Sofern der Bf. den Ansatz des Betrages von 8.460,60 Euro bei der Kennzahl 350 begehrt, ist ihm beizupflichten. Im Hinblick auf § 25 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 ist der arbeitnehmerfinanzierte Anteil der Firmenpension in der Höhe von 2.736,48 Euro lediglich im Ausmaß von 25% zu erfassen, sodass bei einem Jahresbruttoeinkommen in der Höhe von 10.512,96 Euro unter der Kennzahl 350 die in Österreich steuerpflichtigen Bruttobezüge in der Höhe von 8.460,60 Euro zu erfassen sind:
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.
Einer Rechtsfrage kann nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt (zB. ). Da gegenständlich nur einzelfallbezogen maßgebliche Sachverhaltsfragen zu beurteilen waren und das Bundesfinanzgericht darüber hinaus der in der Entscheidung genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgte, liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vor. Aus diesem Grund war die Revision spruchgemäß nicht zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 Z 4 lit. e EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.5101001.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at