Keine Nachsicht für abgeleitete Bescheide, wenn der Feststellungsbescheid ein Nichtbescheid war, zumal der VwGH darin keine sachliche Unbilligkeit sieht
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/6100250/2020-RS1 | Eine sachliche Unbilligkeit ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit anderen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (vgl. z.B. , mwN). |
RV/6100250/2020-RS2 | Ein Umstand, der auch bei allen anderen Abgabepflichtigen in der gleichen Lage hätte eintreten können und den der Gesetzgeber daher hätte voraussehen können, vermag nicht zur Annahme der Unbilligkeit zu führen (). |
RV/6100250/2020-RS3 | Der Umstand, dass ein Steuerpflichtiger nicht von einer vorteilhaften gesetzlichen Bestimmung profitieren kann, die erst nach Verwirklichung des ihn betreffenden Sachverhalts eingeführt wurde, führt in der Regel nicht dazu, dass eine sachliche Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO vorliegt. Es würden vielmehr die Inkrafttretensbestimmungen gesetzlicher Regelungen umgangen werden, wenn eine Rechtslage über den Umweg der Nachsicht bereits für Zeiträume vor ihrem Inkrafttreten wirksam werden würde. |
RV/6100250/2020-RS4 | Eine allfällige Rechtswidrigkeit eines Abgabenbescheides ist mit den von der Rechtsordnung vorgesehenen Rechtsbehelfen gegen diesen Bescheid zu bekämpfen; das gilt auch für eine potentielle Verfassungswidrigkeit der zugrundeliegenden Rechtsvorschriften. Ein Nachsichtsverfahren ersetzt daher weder ein Rechtsmittelverfahren noch ein Beschwerdeverfahren oder ein Revisionsverfahren vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes (vgl. bis 0081, mwN). |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard Groschedl in der Beschwerdesache von Herrn ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Höllermeier Schaller & Partner Steuerberatung Salzburg GmbH & Co KG, Karl-Emminger-Straße 23, 5020 Salzburg, über die Beschwerde des Abgabepflichtigen vom gegen den Bescheid des damaligen Finanzamtes Salzburg-Stadt vom über die Abweisung eines Ansuchens auf Nachsicht gemäß § 236 BAO zur Steuernummer ***BF1StNr1*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des steuerlichen Vertreters Dr. Claus Höllermeier, des Vertreters der belangten Behörde und der Schriftführerin zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Im Schreiben vom (Eingangsstempel ) beantragte Herr ***Bf1*** (in weiterer Folge: Bf.) die Nachsicht von Einkommensteuer 2003 € 44.656,25, Einkommensteuer 2004 € 60.696,48, Einkommensteuer 2005 € 2.134,25, Anspruchszinsen 2003 € 6.545,65, Anspruchszinsen 2004 € 9.505,82, Anspruchszinsen 2005 € 339,42 und Aussetzungszinsen 2019 € 22.606,81 mit folgender Begründung:
***Bf1*** hat sich im Jahr 2003 an der "***A***" ***B*** ***1*** KEG (Steuernummer 100 bzw. 200) und im Jahr 2004 an der "***A***" ***B*** ***2*** KEG (Steuernummer 300 bzw. 400) als (atypisch) stiller Gesellschafter beteiligt.
Aufgrund einer bei den beiden Gesellschaften stattgefundenen Außenprüfung wurden die Einkommensteuerbescheide 2003, 2004 und 2005 bei ***Bf1*** geändert. Ein Rechtsmittel gegen die Änderungen war bei ***Bf1*** nicht möglich, da diese nur abgeleitete Bescheide waren, es wurde daher eine Aussetzung der Einhebung Ende 2009 beantragt und Anfang 2010 bewilligt. Die Gesellschaften haben Rechtsmittel gegen die geänderten Bescheide erhoben. Das Verfahren zog sich über fast 10 Jahre hin.
Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde ausgesprochen, dass die vom Finanzamt am erlassenen behördlichen Erledigungen, die als Feststellungsbescheide gedacht waren, keine Bescheidqualität aufweisen. Begründet wird diese Ansicht vom Bundesfinanzgericht damit, dass ein an eine KEG (KG) gerichteter "Bescheid", in dem auch den stillen Gesellschaftern Einkünfte zugewiesen werden, kein Bescheid, sondern ein absolut nichtiger Rechtsakt sei, der keinerlei Rechtsfolgen auslösen kann und daher auch nicht mit einem Rechtsmittel bekämpft werden kann. In Folge dessen wurde das Rechtsmittel der Gesellschaften vom Bundesfinanzgericht als unzulässig zurückgewiesen. Die im Jahr 2009 ergangenen geänderten Einkommensteuerbescheide 2003, 2004 und 2005 werden aufgrund einer Gesetzeslücke bei derartigen "Nichtbescheiden" nun nicht automatisch aufgrund des Beschlusses des Bundesfinanzgerichts wieder aufgehoben. Das Bundesministerium für Finanzen vertritt in einem im Jahr 2006 im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung veröffentlichten Erlass folgende Ansicht: "Wird über die Einkünfte der stillen Gesellschaft in einem an die KG gerichteten Bescheid abgesprochen, "wo" den Gesellschaftern der KG sowie allen atypischen Gesellschaftern Einkünfte zugerechnet werden, so ist diese Erledigung zwar rechtswidrig, aber allein deshalb nicht rechtsunwirksam" (AÖF 2006/281, , BMF 010103/0076-VI/6/2006, Salzburger Steuerdialog 2006, Pkt 6, Lösung Fragestellung 1.).
Die Einhebung der aufgrund der Änderungen der Einkommensteuerbescheide 2003, 2004 und 2005 samt damit verbundener Anspruchszinsen und Aussetzungszinsen festgesetzten Beträge sind nach Lage des Falles unbillig, da bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt. Ein derartiger Fall muss unseres Erachtens auch dann vorliegen, wenn ein Einkommensteuerbescheid unter Verweis auf einen Grundlagenbescheid (Feststellungsbescheid) geändert wurde, obwohl ein derartiger Grundlagenbescheid rechtlich gar nicht existent war. In einem derartigen Fall kommt es nämlich aufgrund der bereits angesprochenen Gesetzeslücke zu keiner "automatischen" Folgeänderung gemäß § 295 Abs 1 BAO.
Zur Reichweite des § 236 BAO ist auf die "Verordnung des Bundesministers für Finanzenbetreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO", BGBl II 2005/435 zu verweisen. Demnach liegt eine sachliche Unbilligkeit bei der Einhebung von Abgaben insbesondere vor, "soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches in Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegungen steht, die vom Bundesministerium für Finanzen im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung veröffentlicht wurden. Diese Voraussetzung ist unserer Ansicht nach für den zitierten Erlass gegeben."
Mit Bescheid des damaligen Finanzamtes Salzburg-Stadt vom wurde dieser Antrag auf Nachsicht von Abgaben in Höhe von € 146.393,74 mit folgender Begründung abgewiesen:
"Fällige Abgabenschuldigkeiten können gemäß § 236 BAO nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Liegt Unbilligkeit nach der Lage des Falles nicht vor, fehlt die gesetzliche Voraussetzung für eine Abgabennachsicht und ist das Ansuchen aus Rechtsgründen (keine Ermessensentscheidung; zB ) abzuweisen. Die Unbilligkeit könnte persönliche oder sachliche Gründe haben.
Persönliche Unbilligkeit der Einhebung in ihrer krassesten Ausprägung wäre im Fall einer durch die Abgabenentrichtung verursachten Existenzgefährdung verwirklicht. Das Schwergewicht der Behauptungs- und Beweislast liegt beim Nachsichtswerber (zB ). Das Vorliegen persönlicher Unbilligkeit wird nicht vorgebracht. Der nachsichtsgegenständliche Betrag von EUR 146.393,74 wurde am entrichtet.
Das Ansuchen um Nachsicht wird auf das Vorliegen sachlicher Unbilligkeit gestützt. Im Antrag wird auf die "Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO" verwiesen. Demnach liege eine sachliche Unbilligkeit bei der Einhebung von Abgaben insbesondere vor, "soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches in Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegungen steht, die vom Bundesminister für Finanzen im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung veröffentlicht wurden. Diese Voraussetzung liege nach Ansicht des Antragstellers nach dem BMF 010103/0076-VI/6/2006 (AÖF 2006/281) vor. In diesem Erlass werde folgende Ansicht vertreten: "Wird über die Einkünfte der stillen Gesellschaft in einem an die KG gerichteten Bescheid abgesprochen, "wo" den Gesellschaftern der KG sowie allen atypischen Gesellschaftern Einkünfte zugerechnet werden, so ist diese Erledigung zwar rechtswidrig, aber allein deshalb nicht rechtsunwirksam. Die Einhebung der aufgrund der Änderungen der Einkommensteuerbescheide 2003, 2004 und 2005 samt damit verbundener Anspruchszinsen und Aussetzungszinsen festgesetzten Beträge seien nach der Lage des Falles unbillig, da bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ereignis eintritt. Ein derartiger Fall müsse nach Ansicht des Antragstellers auch dann vorliegen, wenn ein Einkommensteuerbescheid unter Verweis auf einen Grundlagenbescheid (Feststellungsbescheid) geändert wurde, obwohl ein derartiger Grundlagenbescheid rechtlich gar nicht existent war. In einem derartigen Fall käme es nämlich aufgrund der bereits angesprochenen Gesetzeslücke zu keiner "automatischen" Folgeänderung gemäß § 295 Abs 1 BAO.
Aus rechtlicher Sicht wird dazu Folgendes erwogen:
Die im Nachsichtsansuchen getroffenen Ausführungen hinsichtlich der Abgabenfestsetzung betreffend das Zustandekommen der Abgabenschuld sind zutreffend.
Eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung liegt vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt (; , 98/15/0176; , 98/13/0091; , 2001/14/0022; , 2005/17/0245, AW 2005/17/0061), "sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Sachliche Unbilligkeit einer Abgabeneinhebung ist grundsätzlich in Fällen anzunehmen, in denen das ungewöhnliche Entstehen einer Abgabenschuld zu einem unproportionalen Vermögenseingriff beim Steuerpflichtigen führt. Der in der anormalen Belastungswirkung und verglichen mit ähnlichen Fällen, im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der eine vom Steuerpflichtigen nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist" ().
Eine sachliche Unbilligkeit liegt nicht vor, wenn sie ganz allgemein die Auswirkung genereller Normen ist (; , 96/15/0154; , 99/16/0099; , 2003/17/0253; , 2004/16/0151; , 2013/17/0498). Materiellrechtlich legislatorisch bedingte Unzulänglichkeiten ("Ungerechtigkeiten") sind keine Unbilligkeiten iSd § 236 ( Stoll, BAO 2421). (Ritz BAO6, § 236 Tz 13) Aus der Einführung des § 295 Abs 4 BAO ergibt sich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage. Es liegt daher keine Unbilligkeit bezogen auf den gegenständlichen Einzelfall vor.
Die Nachsicht dient nicht dazu, im Festsetzungsverfahren unterlassene Einwendungen (vor allem Bescheidbeschwerden) nachzuholen.
Ein erfolgversprechendes Rechtsmittel gegen die (zu Unrecht) erlassenen Änderungen eines Einkommensteuerbescheides nach § 295 Abs. 1 BAO besteht in der Berufung gegen die (zu Unrecht) geänderten Einkommensteuerbescheide. Wurde durch Zurückweisung der Berufung gegen den Feststellungsbescheid im Rahmen der Begründung des Zurückweisungsbescheides festgehalten, dass dieser "Feststellungsbescheid" keine Bescheidwirkung entfaltete, führt dies zwar dazu, dass sich der abgeleitete Einkommensteuerbescheid als rechtswidrig erweist, da für die Abänderung gemäß § 295 BAO die Tatbestandsvoraussetzung des § 295 Abs. 1 BAO, nämlich die Abänderung eines Grundlagenbescheides nicht gegeben war. Dies ist aber in einer Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid geltend zu machen (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom , 93/15/0088, und vom , 93/14/0203; ).
Sie haben diese Berufungen unterlassen und damit nicht alle zumutbaren und erfolgversprechenden Rechtsmittel ergriffen, um die rechtsgrundlose Änderung der in Frage stehenden Einkommensteuerbescheide zu bekämpfen. Damit soll nun im Ergebnis dieses unterlassene Rechtsmittelverfahren betreffend die Einkommensteuer 2003 und 2005 im Wege der Nachsicht nachgeholt werden. Bei einer derartigen Ausgangslage liegt aber - wie oben dargestellt - keine sachliche Unbilligkeit vor, die ein erster Schritt für die Beurteilung einer möglichen Nachsicht wäre."
In der dagegen eingebrachten Beschwerde vom wird die Nachsicht der im Antrag auf Nachsicht angeführten Beträge (Einkommensteuer 2003, 2004, 2005, Anspruchszinsen 2003, 2004, 2005, Aussetzungszinsen 2019) von gesamt EUR 146.393,74 beantragt und wie folgt begründet:
"Entgegen der Begründung des abweisenden Bescheides vom war es nicht möglich, gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide 2003, 2004 und 2005 Berufung/ Beschwerde zu erheben, da gegen einen gemäß § 295 Abs 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid eine Berufung/Beschwerde nicht zulässig ist, wenn sich die Änderung in der Begründung ausschließlich auf den geänderten Feststellungsbescheid bei der Gesellschaft bezieht. In den geänderten Einkommensteuerbescheiden 2003, 2004 und 2005 vom war als einzige Begründung angegeben: "Die Änderung gem. § 295 BAO erfolgte aufgrund der bescheidmäßigen Feststellungen des Finanzamtes Klagenfurt zu Steuernummer 200 vom ." Auch in der Rechtsmittelbelehrung ist angeführt, dass der Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden kann, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind.
Im Übrigen wird auf die ausführliche Begründung des Antrages auf Nachsicht vom verwiesen.
Sollte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung vorgelegt werden, beantragen wir eine mündliche Verhandlung vor dem Senat."
Mit Beschwerdevorentscheidung des damaligen Finanzamtes Salzburg-Stadt vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und nach Wiedergabe des Beschwerdeinhaltes wie folgt ausgeführt:
"Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Gemäß § 236 Abs. 2 BAO findet Abs. 1 auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.
Gemäß § 236 Abs. 3 BAO gelten die Bestimmungen des § 235 Abs. 2 und 3 auch für die Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten.
Eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung liegt vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt (; , 98/15/0176; , 98/13/0091; , 2001/14/0022; , 2005/17/0245, AW 2005/17/0061), "sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Sachliche Unbilligkeit einer Abgabeneinhebung ist grundsätzlich in Fällen anzunehmen, in denen das ungewöhnliche Entstehen einer Abgabenschuld zu einem unproportionalen Vermögenseingriff beim Steuerpflichtigen führt. Der in der anormalen Belastungswirkung und verglichen mit ähnlichen Fällen, im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der eine vom Steuerpflichtigen nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist" ().
Eine solche Unbilligkeit kann beispielsweise vorliegen, wenn eine vom Gesetz objektiv nicht gewollte Doppelbesteuerung eintritt () oder zu einer Besteuerung des Gewinnanteiles eines Minderheitsgesellschafters zu mehr als 200 % führt (). (Ritz BAO6, § 236 Tz 11).
Eine sachliche Unbilligkeit liegt nicht vor, wenn sie ganz allgemein die Auswirkung genereller Normen ist (; , 96/15/0154; , 99/16/0099; , 2003/17/0253; , 2004/16/0151; , 2013/17/0498). Materiellrechtlich legislatorisch bedingte Unzulänglichkeiten ("Ungerechtigkeiten") sind keine Unbilligkeiten iSd § 236 ( Stoll, BAO, 2421). (Ritz BAO6, § 236 Tz 13)
Die Nachsicht dient nicht dazu, im Festsetzungsverfahren unterlassene Einwendungen (vor allem Bescheidbeschwerden) nachzuholen (; , 97/14/0013; , 2004/16/0151; , 2002/14/0138). Eine Unbilligkeit könnte allenfalls vorliegen, wenn solche Rechtsmittel aussichtslos erschienen sind (insbesondere wegen diesbezüglicher Rechtsauskünfte der Abgabenbehörde, ), wegen entschuldbaren Rechtsirrtums unterblieben (; , 93/17/0007) oder wegen Unzumutbarkeit nicht eingebracht wurden (,15/3470/80). (Ritz BAO6, § 236 Tz 14).
Ein erfolgversprechendes Rechtsmittel gegen die (zu Unrecht) erlassenen Änderungen eines Einkommensteuerbescheides nach § 295 Abs. 1 BAO besteht in der Berufung bzw. ab 2014 in der Beschwerde gegen die (zu Unrecht) geänderten Einkommensteuerbescheide. Wurde durch Zurückweisung der Berufung gegen den Feststellungsbescheid im Rahmen der Begründung des Zurückweisungsbescheides festgehalten, dass dieser "Feststellungsbescheid" keine Bescheidwirkungen entfaltete, führt dies zwar dazu, dass sich der abgeleitete Einkommensteuerbescheid als rechtswidrig erweist, da für die Abänderung gemäß § 295 BAO die Tatbestandsvoraussetzung des § 295 Abs. 1 BAO, nämlich die Abänderung eines Grundlagenbescheides nicht gegeben war. Dies ist aber in einer Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid geltend zu machen (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom , 93/15/0088, und vom , 93/14/0203). ().
Der "Feststellungsbescheid", auf den sich die abgeleiteten Einkommensteuerbescheide stützten, wurde nach Erlassung der Einkommensteuerbescheide nicht abgeändert oder aufgehoben; es wurde auch kein Feststellungsbescheid (erstmals) erlassen. Es wurde vielmehr durch Zurückweisung der Berufung gegen diesen Feststellungsbescheid im Rahmen der Begründung des Zurückweisungsbescheides festgehalten, dass dieser "Feststellungsbescheid" keine Bescheidwirkungen entfaltete. Dieser Umstand führt zwar dazu, dass sich die Einkommensteuerbescheide 2003, 2004 und 2005 als rechtswidrig erweisen, da für die Abänderung gemäß § 295 BAO im Jahr 2009 die Tatbestandsvoraussetzung des § 295 Abs. 1 BAO, nämlich die Abänderung eines Grundlagenbescheides nicht gegeben war. Dies wäre aber in einer Berufung gegen die Einkommensteuerbescheide geltend zu machen gewesen (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom , 93/15/0088, und vom , 93/14/0203). Die gegenständlichen Einkommensteuerbescheide 2003, 2004 und 2005 erwuchsen aber - unstrittig - unangefochten in Rechtskraft.
Der Beschwerdeführer hat diese Berufungen/Beschwerden unterlassen. Er hat damit nicht alle zumutbaren und erfolgsversprechenden Rechtsmittel ergriffen, um die rechtsgrundlose Änderung der in Frage stehenden Einkommensteuerbescheide und Anspruchszinsenbescheide zu bekämpfen. Damit soll nun im Ergebnis dieses unterlassene Rechtsmittelverfahren betreffend Einkommensteuerbescheide 2003, 2004 und 2005, Anspruchszinsenscheide 2003-2005 und Aussetzungszinsen 2019 im Wege der Nachsicht nachgeholt werden. Bei einer derartigen Ausgangslage liegt aber keine sachliche Unbilligkeit vor, die ein erster Schritt für die Beurteilung einer möglichen Nachsicht wäre.
Des Weiteren ist diesbezüglich noch auf weitere Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hält im Erkenntnis vom , Ro 2015/13/0005, fest, dass es dem Revisionswerber von Anfang an freigestanden wäre, "die abgeleiteten Bescheide mangels Bescheidqualität der ihm bekannten Erledigungen auf die sie sich gründeten, mit Berufung [nunmehr Beschwerde] zu bekämpfen" (Rz 17). Dieser Rechtsstandpunkt wurde durch den Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss vom , E 908/2015-12, zur Verfassungsmäßigkeit der §§ 209a Abs. 4 und 295 Abs. 4 idF AbgÄG 2011, BGBl. I Nr 76/2011, bestätigt, indem der Verfassungsgerichtshof judizierte, dass "die behauptete Rechtsschutzlücke in Anbetracht der Möglichkeit, Rechtsschutz durch Berufung gegen die auf Nichtbescheide gestützten Einkommensteuerbescheide zu erlangen, nicht erkennbar ist" (, zitiert in , Rz 9).
Zur Aussage, dass aufgrund der "Rechtsmittelbelehrungen der in Rechtskraft erwachsenen Einkommensteuerbescheide 2003, 2004 und 2005 eine Beschwerdeerhebung nicht in Erwägung zu ziehen war, wird darauf hingewiesen, dass nach dem Wortlaut des § 252 BAO zwar Einwendungen gegen im Grundlagenbescheid getroffene (inhaltliche) Feststellungen nur im Verfahren betreffend den Grundlagenbescheid vorgebracht und berücksichtigt werden können, jedoch Einwendungen bzw. Bedenken gegen die formale Bescheidqualität des Grundlagenbescheides davon nicht umfasst sind. Der Verwaltungsgerichtshof führt in der Rz 14 des Erkenntnisses vom , Ra 2015/15/0031, entsprechend aus: "So lautete die von der Revision offenbar angesprochene Rechtsmittelbelehrung: 'Liegen einem Bescheid Entscheidungen zugrunde, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, so kann der Bescheid nicht mit einer Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind ... (§ 252 Abs. 1 und 2 BAO)'. Aus dieser Rechtsmittelbelehrung ist jedoch - entgegen dem Revisionsvorbringen - nicht abzuleiten, dass auch bei Zweifeln am Bescheidcharakter einer behördlichen Erledigung keine Beschwerde gegen einen (diesfalls zu Unrecht) davon abgeleiteten Einkommensteuerbescheid erhoben werden soll, zumal in einem solchen Fall § 252 Abs. 1 und 2 BAO ja gerade nicht anwendbar sind.
Aus diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden."
Im Vorlageantrag vom wird als zusätzliche Begründung dargestellt:
"In der Beschwerdevorentscheidung vom wird unsere o.a. Beschwerde als unbegründet abgewiesen, und zwar unter anderem mit folgender Begründung: Es wäre seitens ***Bf1*** möglich gewesen, gegen die (zu Unrecht) erlassenen Änderungen der von Feststellungsbescheiden abgeleiteten Einkommensteuerbescheiden, Rechtsmittel zu erheben und ein Nachsichtsansuchen diene nicht dazu, im Festsetzungsverfahren unterlassene Einwendungen nachzuholen.
Dazu ist nochmal festzuhalten, dass vom Finanzamt verkannt wird, dass der zeitliche Ablauf des Festsetzungsverfahrens ein Rechtsmittel gegen die abgeleiteten Einkommensteuerbescheide 2003, 2004 und 2005 unmöglich machte. Die geänderten (abgeleiteten) Einkommensteuerbescheide ergingen am , die Grundlagenbescheide des Finanzamtes Klagenfurt zu Steuernummer 200 am , gegen welche Bescheide dort Rechtsmittel erhoben wurden.
Erst mit Beschluss vom (nach 10 Jahren!) hat das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen. Dies deswegen, da die dort streitgegenständlichen "Bescheide gem. § 188 BAO" nicht Bescheidqualität erlangten. Da dieser Umstand jedoch nicht im Jahr 2009, sondern erst im Jahr 2019 (!) hervorkam, war es ***Bf1*** natürlich nicht möglich, ein Rechtsmittel gegen die Einkommensteuerbescheide 2003, 2004 und 2005 zu ergreifen, welches ja vom Finanzamt ohnehin umgehend zurückgewiesen worden wäre.
Es erscheint daher schon fast zynisch, dem Steuerpflichtigen mit dem Argument, dass er 10 Jahre vor dem Verwaltungsgericht den Umstand erkennen hätte können, dass der "Feststellungsbescheid" keine Bescheidqualität erlangte, nunmehr auch noch die Nachsicht der (auch vom Finanzamt anscheinend anerkannten) zu Unrecht festgesetzten Einkommensteuern 2003, 2004 und 2005 samt Anspruchszinsen und Aussetzungszinsen vorzuenthalten.
Gleichzeitig stellen wir den Antrag, eine mündliche Verhandlung vor dem Senat anzusetzen."
Die Entscheidung über die vorliegende Beschwerde wurde vom damals zuständigen Richter mit Beschluss vom bis zur Beendigung des beim Verwaltungsgerichtshof zur GZ Ra 2018/13/0098 - zugrunde liegende Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes zur GZ RV/7105228/2016 - anhängigen Verfahrens gemäß § 271 Abs. 1 BAO ausgesetzt, da die bezughabende Entscheidung des , zu diesem Zeitpunkt noch nicht veröffentlicht war.
Mit Eingabe vom wurde auf die Entscheidung durch den Senat verzichtet.
In der mündlichen Verhandlung am wurde von keiner der Parteien ein ergänzendes Vorbringen erstattet oder Beweisanträge gestellt.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Rechtslage:
Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können auf Antrag des Abgabepflichtigen fällige Abgabenschuldigkeiten ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Gemäß § 236 Abs. 2 BAO findet Abs. 1 auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.
In der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO, BGBl. II 435/2005 idF BGBl. II 236/2019, wird ausgeführt:
§ 1. Die Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO kann persönlicher oder sachlicher Natur sein.
§ 2. Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere vor, wenn die Einhebung
1. die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde;
2. mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme.
§ 3. Eine sachliche Unbilligkeit liegt bei der Einhebung von Abgaben insbesondere vor, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches
1. von Rechtsauslegungen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn im Vertrauen auf die betreffende Rechtsprechung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;
2. in Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegungen steht, die
a) dem Abgabepflichtigen gegenüber von der für ihn zuständigen Abgabenbehörde geäußert oder
b) vom Bundesministerium für Finanzen im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung oder im Internet als Amtliche Veröffentlichung in der Findok veröffentlicht wurden, wenn im Vertrauen auf die betreffende Äußerung bzw. Veröffentlichung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden.
Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Ist die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung zu verneinen, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum ().
Die Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO kann persönlicher oder sachlicher Natur sein. Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere vor, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde oder mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme. Eine sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anomalen Belastungswirkung und verglichen mit anderen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt ().
Die Nachsicht dient nicht dazu, im Feststellungsverfahren unterlassene Einwendungen nachzuholen (; , 97/14/0013; , 2004/16/0151; , 20002/14/0138). Die Nachsicht dient auch nicht dazu, die Rechtmäßigkeit einer Abgabenvorschreibung nachträglich zu klären (; ).
Bei Prüfung eines Nachsichtsansuchens sind alle Umstände des Einzelfalles, und zwar im Zeitpunkt der Entscheidung (Rechtsmittelentscheidung), zu berücksichtigen, um zur Erkenntnis zu gelangen, ob Unbilligkeit vorliegt (; ).
Vorweg ist festzuhalten, dass eine persönliche Unbilligkeit nicht eingewendet wurde. Die verfahrensgegenständlichen Abgaben in Summe von € 146.393,74 wurden am entrichtet.
Zur Frage einer sachlichen Unbilligkeit:
Die Behörde hat im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nur die vom Antragsteller geltend gemachten Gründe zu prüfen (). Das Schwergewicht der Behauptungs- und Beweislast liegt daher beim Nachsichtswerber (). Ihn trifft eine erhöhte Mitwirkungspflicht, dabei ist es seine Sache, einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann (). Bei der Entscheidung über ein Nachsichtsansuchen ist stets die Sachlage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung durch die Abgabenbehörde bzw. im Falle eines Beschwerdeverfahrens im Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses durch das Verwaltungsgericht maßgeblich.
Eine sachliche Unbilligkeit ist - unbeschadet der in § 3 der Verordnung BGBl. II Nr. 435/2005 beispielsweise aufgezählten und hier nicht in Betracht kommenden Fälle - nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2006/15/0337, mwN) anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit anderen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu dem vom Gesetzgeber beabsichtigen Ergebnis muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist ().
Gemäß § 236 Abs. 1 und 2 BAO können fällige, aber auch bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Nach dieser Gesetzesbestimmung hat die Abgabenbehörde im Falle eines Ansuchens um Nachsicht zuerst zu prüfen, ob ein Sachverhalt vorliegt, wonach die "Einhebung nach der Lage des Falles unbillig" wäre (). Bejaht die Abgabenbehörde das Vorliegen einer Unbilligkeit im Sinne des Gesetzes, so hat sie im Bereich des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu entscheiden. Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Ist die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung zu verneinen, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum (; sowie Stoll, BAO, 583).
Eine sachliche Unbilligkeit ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit anderen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (vgl. z.B. , mwN). Ein Umstand, der auch bei allen anderen Abgabepflichtigen in der gleichen Lage hätte eintreten können und den der Gesetzgeber daher hätte voraussehen können, vermag nicht zur Annahme der Unbilligkeit zu führen ().
Eine sachliche Unbilligkeit liegt vor, wenn im Einzelfall bei der Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt. In der allgemeinen Auswirkung einer generellen Norm ist eine solche Unbilligkeit nicht gelegen ().
Die sachliche Unbilligkeit muss in der Vorschreibung jener Abgaben gelegen sein, deren Nachsicht begehrt wird. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn es durch das ungewöhnliche Zusammentreffen verschiedener Umstände im Einzelfall zu einer Abgabenbelastung kommt, die zwar dem materiellen Recht entspricht, vom Gesetzgeber aber offensichtlich weder beabsichtigt, noch bewusst in Kauf genommen wurde ().
Die Einziehung ist nur dann nach der Lage des Falles unbillig, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt (). Kann der Umstand auch bei allen anderen Abgabenpflichtigen in der gleichen Lage eintreten und hätte der Gesetzgeber ihn daher voraussehen können, kann daraus keine Unbilligkeit abgeleitet werden ().
Mit trat § 295 Abs. 4 BAO mit folgendem Wortlaut in Geltung:
"Wird eine Berufung, die gegen ein Dokument, das Form und Inhalt eines Feststellungsbescheides (§ 188) oder einesBescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat,gerichtet ist, als nicht zulässig zurückgewiesen, weil das Dokument kein Bescheid ist, so sind auf das Dokument gestützte Änderungsbescheide (Abs. 1) auf Antrag der Partei (§ 78) aufzuheben. Der Antrag ist vor Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 maßgeblichen Frist zu stellen."
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , G 159/2019-13, G 226/2019-11, G 248/2019-8, der Bundeskanzlerin zugestellt am , zu Recht erkannt, dass der Satz "Der Antrag ist vor Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 maßgeblichen Frist zu stellen." in Abs. 4 idF BGBl. I Nr. 76/2011 verfassungswidrig war (vgl. BGBl. I Nr. 2/2020).)
Mit trat § 295 Abs. 4 BAO in folgender Fassung in Geltung:
"Wird eine Bescheidbeschwerde, die gegen ein Dokument, das Form und Inhalteines Feststellungsbescheides (§ 188) odereines Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat,gerichtet ist, als unzulässig zurückgewiesen, weil das Dokument kein Bescheid ist, sind auf das Dokument gestützte Bescheide auf Antrag der Partei aufzuheben. Der Antrag ist innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Zurückweisung zu stellen. Der an die Stelle des aufgehobenen Bescheides tretenden Abgabenfestsetzung steht, soweit sie im das Dokument ersetzenden Bescheid enthaltene Feststellungen übernimmt, der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Festsetzung innerhalb eines Jahres ab Aufhebung erfolgt. § 209a Abs. 2 erster Satz gilt sinngemäß, wenn gegen den das Dokument ersetzenden Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben wird."
Durch eine Nachsicht können nur solche Auswirkungen der Abgabenvorschriften gemildert werden, die der Gesetzgeber nicht selbst vorhergesehen hat (vgl. die Erkenntnisse vom , 87/17/0146, und vom , 93/17/0007).
Ein Grund für die Einführung des Antragsrechtes war, dass hiedurch vorsorglich gegen auf § 295 Abs. 1 gestützte Änderungsbescheide eingebrachte Rechtsmittel (mit der Behauptung, es liegen Nichtbescheide vor) vermieden werden sollen (vgl. ErlRV 1212 BlgNR 24. GP, 31).
Gerade im Hinblick auf § 295 Abs. 4 BAO kann nicht behauptet werden, dass der Gesetzgeber die Problematik im Zusammenhang mit Einkünfte-Feststellungsbescheiden, bei denen sich später herausstellt, dass sie keine rechtlichen Wirkungen haben, nicht bedacht (vorhergesehen) habe. Vielmehr wurde diese "Gesetzeslücke" vom Gesetzgeber in Kauf genommen, was jedoch alle Abgabepflichtigen im gleichen Ausmaß betroffen hat.
Der Umstand, dass ein Steuerpflichtiger nicht von einer vorteilhaften gesetzlichen Bestimmung profitieren kann, die erst nach Verwirklichung des ihn betreffenden Sachverhalts eingeführt wurde, führt entgegen der Zulässigkeitsbegründung der Revision in der Regel nicht dazu, dass eine sachliche Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO vorliegt. Es würden vielmehr die Inkrafttretensbestimmungen gesetzlicher Regelungen umgangen werden, wenn eine Rechtslage über den Umweg der Nachsicht bereits für Zeiträume vor ihrem Inkrafttreten wirksam werden würde.
Nachdem der Gesetzgeber für Anträge gemäß § 295 Abs. 4 BAO (beide Fassungen) eine Frist festgelegt hat, war diesem auch bewusst, dass das Gesetz in jenen Fällen, in denen die Frist nicht erfüllt wird, nicht zur Anwendung kommt.
Der VwGH führt im Erkenntnis vom , Ro 2015/13/0005, aus:
"18 Der Revisionswerber hat gegen die Einkommensteuerbescheide aber keine Rechtsmittel erhoben und damit für den Fall einer späteren Zurückweisung der Rechtsmittel gegen die als Grundlagenbescheide herangezogenen Erledigungen das Erfordernis einer Rechtskraftdurchbrechung entstehen lassen, wobei Wiederaufnahmen nach Eintritt der Verjährung nur mehr unter den in § 304 BAO normierten Bedingungen (nach damaliger Rechtslage: Antragstellung binnen fünf Jahren nach Rechtskraft) möglich sein konnten. Dass der Gesetzgeber in § 295 Abs. 4 BAO in der Folge ein für den Fall des Vorliegens einer Zurückweisung vereinfachtes, aber ebenfalls an die Bedingungen des § 304 BAO geknüpftes Verfahren zur Aufhebung von einem Nichtbescheid abgeleiteter Bescheide einführte, bedeutete in Bezug auf die für Wiederaufnahmen geltende zeitliche Begrenzung der Geltendmachung der fehlenden Bescheidqualität des Grundlagenbescheides keine Änderung. Die Beibehaltung dieser Begrenzung beschränkte nur die Wirksamkeit der Gesetzesänderung in Bezug auf den zweiten mit ihr verfolgten Zweck - Vermeidung vorsichtshalber erhobener Rechtsmittel gegen die abgeleiteten Bescheide - auf den Entfall des nach damaliger Rechtslage bestehenden Risikos, mit einem Wiederaufnahmsantrag wegen groben Verschuldens infolge von Anfang an ausreichender Erkennbarkeit des Fehlens der Bescheidqualität nicht durchzudringen (vgl. auch insoweit die schon zitierten Erläuterungen, a.a.O., 30, die diesen Aspekt der aufwändigen Wiederaufnahmsverfahren hervorheben). Eine Planwidrigkeit ist in der Beibehaltung der zeitlichen Begrenzung daher nicht zu erkennen."
Sieht das Gesetz für eine bestimmte Gruppe von Fällen Begünstigungen vor, so stellt die Nichtanwendung des Gesetzes auf andere, vom Gesetz nicht umschriebene Fälle keine unbillige Härte dar ().
Durch eine Nachsicht können nur solche Auswirkungen der Abgabenvorschriften gemildert werden, die der Gesetzgeber nicht selbst vorhergesehen hat (vgl. die Erkenntnisse vom , 87/17/0146, und vom , 93/17/0007).
Die Anwendung genereller Normen bei der Abgabenfestsetzung bewirkt oftmals gewisse Härten, die aber vom Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen werden. Solche durch eine allgemein gültige Rechtsvorschrift bewirkte, nicht auf den Einzelfall beschränkte Härten vermögen für sich allein keine Unbilligkeit nach § 236 BAO zu begründen.
Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen, dass ein Gesetz verfassungswidrig war, so sind gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gemäß Abs. 5 gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden.
Die in Art. 139 Abs. 6 und Art. 140 Abs. 7 B-VG enthaltene Regelung, dass die aufgehobenen Vorschriften auf die vor der Aufhebung bzw. vor Ablauf der vom Verfassungsgerichtshof gesetzten Frist verwirklichten Tatbestände anzuwenden und nur die Anlassfälle davon ausgenommen sind, führt notwendigerweise dazu, dass die Anlassfälle gegenüber anderen Fällen begünstigt werden. Die sich daraus ergebenden Unterschiede in der Belastung treten allgemein ein und führen ebenso wenig wie Gesetzesänderungen oder Änderungen der Rechtsprechung zu atypischen Belastungen und daher auch nicht zur Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Einzelfall (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 89/13/0266, , 91/13/0170, und vom , 97/17/0400).
Im Erkenntnis vom , Ro 2015/13/0005, betreffend Zurückweisung von Anträgen gemäß § 295 Abs. 4 BAO hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 1998 und 1999 führte der Verwaltungsgerichtshof aus:
"Dem Revisionswerber wäre es von Anfang an freigestanden, die abgeleiteten Bescheide mangels Bescheidqualität der ihm bekannten Erledigungen, auf die sie sich gründeten, mit Berufung zu bekämpfen. Ein solches Vorgehen - im vorliegenden Fall im Jahr 2009, also noch vor Einführung des § 295 Abs. 4 BAO - war bei möglichen Zweifeln an der Bescheidqualität, wie sie hier auf Grund der Adressierung der Erledigungen nur jeweils an die Gesellschaft und an den Revisionswerber als einen von mehreren Kommanditisten nahe lagen, auch üblich, was - neben dem schon erwähnten Ziel einer Vermeidung aufwändiger Wiederaufnahmsverfahren - unter dem Gesichtspunkt einer Entlastung der Verwaltung zur Einführung der neuen Antragsmöglichkeit beitrug (vgl. den diesbezüglichen, vom Revisionswerber nur auszugsweise zitierten Teil der Erläuterungen, a. a.O., 31)."
Der Beschwerdeführer hat nicht vorsorglich gegen die Einkommensteuerbescheide und Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen für die Jahre 2003 bis 2005 ein Rechtsmittel eingebracht. Die Aussetzungszinsen wurden erst später festgesetzt.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, dient eine Nachsicht nicht dazu, Unrichtigkeiten der Abgabenfestsetzung zu beseitigen und unterlassene Rechtsbehelfe, insbesondere Berufungen, nachzuholen ().
Zwar wurde das hier gegenständliche Nachsichtsverfahren bis zur Beendigung des beim Verwaltungsgerichtshof zur GZ. Ra 2018/13/0098 anhängigen Verfahrens (Revision gegen das Erkenntnis des ) gemäß § 271 BAO ausgesetzt, jedoch wurde die Revision mit Beschluss vom zurückgewiesen. Die maßgeblichen Ausführungen lauten:
"4 Der Revisionswerber stellte am einen Antrag, näher bezeichnete Beträge betreffend die Einkommensteuer 2005 und 2006 sowie Anspruchszinsen gemäß § 236 BAO nachzusehen. Mit späteren Eingaben ergänzte er diesen Antrag um Nachsicht betreffend Aussetzungszinsen sowie um Stundungszinsen.
5 Das Finanzamt wies die Anträge ab und erließ nach Erhebung einer Beschwerde eine abweisende Beschwerdevorentscheidung. Nach Stellung eines Vorlageantrages wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vorgelegt. Im Beschwerdeverfahren wurde vorgebracht, dass mit unter anderem als Feststellungsbescheide intendierte Erledigungen über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2005 und 2006 der OEG ergangen seien. In der Folge habe das Finanzamt mit gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Bescheiden vom die Einkommensteuer des Revisionswerbers für die Jahre 2005 und 2006 neu festgesetzt. Die rechtzeitig erhobene Berufung gegen die Erledigungen über die Feststellung von Einkünften sei vom Bundesfinanzgericht mit Beschluss vom mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen worden, es handle sich dabei um Nichtbescheide. Der am gestellte Antrag auf Bescheidaufhebung gemäß § 295 Abs. 4 BAO wurde wegen Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 BAO maßgeblichen Frist zurückgewiesen. Es liege eine sachliche Unbilligkeit vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintrete. Dass der Abgabepflichtige allein die Folgen der Fehler mehrerer im Verfahren beteiligten Behörden tragen solle, begründe eine Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend führte es aus, dass eine Unbilligkeit nicht vorliege, wenn sie ganz allgemein die Auswirkung genereller Normen sei. Eine solche Unbilligkeit müsse stets eine Unbilligkeit der Einhebung und nicht eine Unbilligkeit der Festsetzung sein. Unter Unbilligkeiten im Sinne des § 236 BAO könnten nur solche Härten, unzumutbare Eingriffe, unverständliche Ergebnisse und subjektiv oder objektiv unerträgliche behördliche Maßnahmen zu verstehen sein, die im Bereich der Einhebung liegen und nicht auch solche, die im Abgabenrecht selbst und damit in der Stufe der Anwendung des materiellen Rechts und damit in der Abgabenfestsetzung ihren Grund haben. Solchen Mängeln sei in dem Bereich zu begegnen, in dem sie entstanden seien, nämlich im Festsetzungsverfahren und in den gegen die Festsetzung möglichen Rechtszügen. Der Revisionswerber habe nicht vorsorglich ein Rechtsmittel gegen die Einkommensteuerbescheide und Anspruchszinsenbescheide 2005 und 2006 eingebracht, sodass von einer ausnahmsweise unverschuldeten Unmöglichkeit einer Rechtsverfolgung keine Rede sein könne. Es sei zwar einzuräumen, dass die Unabänderbarkeit der Einkommensteuerbescheide und Anspruchszinsenbescheide infolge Eintritts der Verjährung eine gewisse Härte darstelle, diese Härte sei aber vom Gesetzgeber offenbar gewollt, es sei im vorliegenden Fall kein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eingetreten. Eine Nachsicht würde unzulässigerweise das geltende Gesetz umgehen. Eine solche durch eine allgemein gültige Rechtsvorschrift bewirkte, nicht auf den Einzelfall beschränkte Härte vermöge für sich keine Unbilligkeit nach § 236 BAO zu begründen. […]
9 Eine sachliche Unbilligkeit ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit anderen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (vgl. z.B. , mwN). Ein Umstand, der auch bei allen anderen Abgabepflichtigen in der gleichen Lage hätte eintreten können und den der Gesetzgeber daher hätte voraussehen können, vermag nicht zur Annahme der Unbilligkeit zu führen ().
10 Der Revision gelingt es nicht darzulegen, dass im Revisionsfall ein solcher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dargestellter Einzelfall vorliegt und die angefochtene Entscheidung somit von dieser Rechtsprechung abweicht. Der Umstand, dass ein Steuerpflichtiger nicht von einer vorteilhaften gesetzlichen Bestimmung profitieren kann, die erst nach Verwirklichung des ihn betreffenden Sachverhalts eingeführt wurde, führt entgegen der Zulässigkeitsbegründung der Revision in der Regel nicht dazu, dass eine sachliche Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO vorliegt. Es würden vielmehr die Inkrafttretensbestimmungen gesetzlicher Regelungen umgangen werden, wenn eine Rechtslage über den Umweg der Nachsicht bereits für Zeiträume vor ihrem Inkrafttreten wirksam werden würde.
11 Insoweit die Revision in diesem Zusammenhang die Einführung der §§ 188 Abs. 5 und 295 Abs. 4 BAO als "begünstigende Rechtsvorschriften" anspricht, ist darauf zu verweisen, dass ein Fall des § 188 Abs. 5 BAO hier nicht vorlag. In Bezug auf § 295 Abs. 4 BAO ist zu entgegnen, dass der Revisionswerber ohnedies einen solchen Antrag gestellt hat. Dass dieser nicht zum gewünschten Erfolg geführt hat, lag an den vom Gesetzgeber vorgesehenen - vom Verfassungsgerichtshof mittlerweile als verfassungswidrig aufgehobenen ( u.a.) - Einschränkungen.
12 Der Revisionswerber hat die Zurückweisung seines Antrages auf Bescheidaufhebung gemäß § 295 Abs. 4 BAO allerdings nicht bekämpft. Eine allfällige Rechtswidrigkeit eines Abgabenbescheides ist mit den von der Rechtsordnung vorgesehenen Rechtsbehelfen gegen diesen Bescheid zu bekämpfen; das gilt auch für eine potentielle Verfassungswidrigkeit der zugrundeliegenden Rechtsvorschriften. Ein Nachsichtsverfahren ersetzt daher weder ein Rechtsmittelverfahren noch ein Beschwerdeverfahren oder ein Revisionsverfahren vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes (vgl. bis 0081, mwN).
13 Der Umstand, dass die seinerzeitige Zurückweisung des Antrages gemäß § 295 Abs. 4 BAO auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruhte, führt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu einer Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Einzelfall (vgl. grundlegend , und aus der ständigen Rechtsprechung etwa , 2006/16/0007, mwN)."
Daraus folgt, dass der VwGH von der zitierten Rechtsprechung nicht abgewichen ist, somit bei einem nahezu gleichgelagerten Sachverhalt keine sachliche Unbilligkeit erkannt hat.
Es ist dem Beschwerdeführer zwar einzuräumen, dass die Unabänderbarkeit der Einkommensteuerbescheide (infolge Nichtanwendbarkeit des § 295 Abs. 4 BAO) eine gewisse Härte darstellt, diese Härte ist aber vom Gesetzgeber offenbar gewollt, es ist im vorliegenden Fall kein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eingetreten. Eine Nachsicht würde unzulässiger Weise das geltende Gesetz umgehen. Eine solche durch eine allgemein gültige Rechtsvorschrift bewirkte, nicht auf den Einzelfall beschränkte Härte vermag für sich keine (sachliche) Unbilligkeit zu begründen.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde übereinstimmend festgestellt, dass es sich - vor allem angesichts der Tatsache, dass die Einkommensteuerbescheide laut Rechtsmittelbelehrung nicht mit Argumenten gegen den Feststellungsbescheid bekämpft werden hätten können - um einen Härtefall handelt. Allerdings wurde auch die diesbezügliche (oben erwähnte) höchstgerichtliche Judikatur kurz besprochen. Ein Abgehen von dieser Judikatur war daher nicht möglich, da alle von dieser Rechtslage betroffenen Abgabepflichtigen gleich behandelt werden/wurden und daher keine sachliche Unbilligkeit vorliegt.
Nachsicht für Anspruchszinsen:
Der Zweck der Anspruchszinsenregelung besteht darin, mögliche Zinsvorteile bzw. Zinsnachteile, die sich aus unterschiedlichen Zeitpunkten der Abgabenfestsetzung ergeben, auszugleichen. Entscheidend ist dabei die objektive Möglichkeit der Erzielung von Zinsvorteilen bzw. Zinsnachteilen, nicht, ob tatsächlich Zinsen in Höhe der festgesetzten Anspruchszinsen lukriert werden konnten. Nach § 205 Abs. 1 BAO sind jeweils Differenzbeträge zu verzinsen, insbesondere jene, die sich aus einer Gegenüberstellung einer neuerlichen Abgabenfestsetzung mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben. Bei Abänderungen von Abgabenfestsetzungen ergibt sich der zinsenrelevante Differenzbetrag also aus der nunmehr vorgeschriebenen Abgabe abzüglich der bisher vorgeschriebenen Abgabe (). Die Vorschreibung der Anspruchszinsen stellt daher eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage dar, die jeden vom betreffenden Gesetz erfassten Abgabepflichtigen gleichermaßen trifft. Eine sachliche Unbilligkeit ist darin nicht zu erblicken.
Nachsicht für Aussetzungszinsen:
Da diese Aussetzungszinsen allein auf einem Antrag des Abgabepflichtigen basieren, ist es in seiner Verantwortung gelegen, ob und wofür diese Zinsen berechnet und festgesetzt werden. Auch darin kann keine sachliche Unbilligkeit erblickt werden.
Da somit im vorliegenden Fall keine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung gegeben ist eine persönliche Unbilligkeit nicht geltend gemacht wurde, eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles jedoch tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung ist, blieb für eine Ermessensentscheidung () kein Raum und war spruchgemäß zu entscheiden.
Zur Unzulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Entscheidung orientiert sich vielmehr am Erkenntnis des , zu dem die Entscheidung ausgesetzt war, ohne von der dargestellten höchstgerichtlichen Judikatur abzuweichen.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | |
Schlagworte | Nachsicht F-Bescheid war ein Nichtbescheid abgeleitete Bescheide |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.6100250.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at