Ersatzlose Bescheidaufhebung, wenn Antragsteller und Bescheidadressat nicht ident sind
Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2022/15/0063. Mit Erk. v. abgeändert.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***1*** in der Beschwerdesache ***4*** über die Beschwerde vom gegen den Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer ***BF1StNr1*** (Verlassenschaft nach ***3***), zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO - ersatzlos - aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Beschluss des Verlassenschaftsgerichtes vom
Mit Beschluss vom sprach das Verlassenschaftsgericht aus, dass gemäß § 153 AußStrG mangels den Wert von 5.000 € übersteigenden Aktiven die Abhandlung des Verlassenschaftsverfahrens unterbleibt. Ein Antrag auf Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens wurde von den Nachlassbeteiligten nicht gestellt.
Dem Sohn ***2*** wurde auf Grund des anlässlich der Errichtung der Todesfallaufnahme am gestellten Antrages gemäß § 153 Abs 2 AußStrG die Ermächtigung erteilt, das vorhandene Nachlassvermögen zur Gänze zu übernehmen sowie Löschungserklärungen in einverleibungsfähiger Form zu fertigen. Über das Guthaben bei Banken war somit der Sohn alleine verfügungsberechtigt.
Gleichzeitig wurde dem ***4*** die Ermächtigung erteilt, die Arbeitnehmerveranlagung zu Steuernummer ***BF1StNr1*** für das Jahr 2020 beim Finanzamt Österreich durchzuführen und das sich daraus ergebende Guthaben in Empfang zu nehmen. Begründend führte das Gericht aus, dass das zu erwartende Steuerguthaben nach der Rechtsprechung des OGH zu 20 % verlassenschaftszugehörig ist. 80 % davon sind im Wege der Legalzession auf den Sozialhilferechtsträger übergegangen. Darüber hinaus wurde dem Sozialhilfeverband die Verpflichtung auferlegt, die Höhe des verlassenschaftszugehörigen Anteils am Steuerguthaben dem Verlassenschaftsgericht mitzuteilen und diesen Anteil in weiterer Folge der noch festzustellenden berechtigten Person zur Auszahlung zu bringen.
Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2020
Am brachte der ***4***, als steuerliche Vertretung [siehe dazu Seite 4 des Formulars L 1-WAI-2020, unten links: "Steuerliche Vertretung (…..): ***4***, Bearbeiterin: ***5***, ***6***, ***7***"] der zu diesem Zeitpunkt bereits verstorbenen ***3***, einen Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2020 ein. Unterschrieben wurde das Formular von Frau ***5***, einer Mitarbeiterin des ***4***.
Zurückweisungsbescheid vom
Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für die verstorbene ***3*** zurück. Als Bescheidadressat wurde der ***4*** genannt. Begründend wurde ausgeführt, dass der Übergang von Rechten und Pflichten im Abgabenrecht gemäß § 19 Abs 1 BAO ausschließlich im Falle einer Gesamtrechtsnachfolge stattfinde. Dies beziehe sich auf sämtliche verfahrensrechtliche Positionen, wie etwa das Einbringen einer Abgabenerklärung. Der Antrag auf Durchführung der Veranlagung sei somit mangels Legitimation zurückzuweisen.
Beschwerde vom
Mit Schriftsatz vom (bei der belangten Behörde eingelangt am ) erhob der ***4***, betreffend "Arbeitnehmerveranlagung 2020 für ***8***" Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid vom .
Begründend verwies der Sozialhilfeverband auf die Vertreterbestimmung des § 80 Abs 2 BAO. Durch den Beschluss des Verlassenschaftsgerichtes sei er ausdrücklich ermächtigt, die Arbeitnehmerveranlagung durchzuführen. Richtig sei, dass es nach § 153 AußStrG zu keiner Gesamtrechtsnachfolge nach der Verstorbenen komme, sondern der Nachlass weiterhin ruhe. Gemäß § 798 ABGB bilde diese gerichtlich erteilte Ermächtigung, das betreffende Verlassenschaftsvermögen zu übernehmen, einen Erwerbstitel. Der Ermächtigte wird damit Einzelrechtsnachfolger hinsichtlich jenes Vermögens bzw jener Rechte, zu deren Übernahme er ermächtigt wurde.
Beschwerdevorentscheidung vom
Die abweisende Beschwerdevorentscheidung vom richtete die belangte Behörde wiederum an den ***4***.
Gemäß § 19 Abs 1 BAO würden bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus den Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger übergehen. Der Übergang von Rechten und Pflichten im Abgabenrecht finde gemäß § 19 Abs 1 BAO daher ausschließlich im Falle einer Gesamtrechtsnachfolge statt. Dies beziehe sich auf sämtliche verfahrensrechtlichen Positionen, wie etwa das Einbringen einer Abgabenerklärung. Erfolgt die Durchführung des Verlassenschaftsverfahrens außerhalb der Abhandlung und werde dieses nach den §§ 153 oder 154 AußStrG beendet, würden jene Personen, denen Vermögenswerte aus der Verlassenschaft überlassen werden, in Einzelrechtsnachfolge des Verstorbenen treten. In diesen Fällen gebe es keinen Gesamtrechtsnachfolger. Die Verlassenschaft bleibe handlungsunfähig. Noch offene Verfahren seien einzustellen und Abgaben nach Maßgabe des § 206 BAO nicht mehr festzusetzen. Nach Ansicht der belangten Behörde sei durch die Beilage des Beschlusses des Bezirksgerichtes Ried im Innkreis davon auszugehen, dass der Sozialhilfeverband von der Ermächtigung, die das Bezirksgericht eingeräumt habe, Gebrauch machen wollte. Daher ist der dortige Wortlaut vorrangig zu beachten und das Einschreiten des Sozialhilfeverbandes sei als eines im eigenen Namen zu werten.
Beim Einkommensteueranspruch handle es sich um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch des Abgabepflichtigen gegenüber der Abgabenbehörde und nicht um einen von § 324 Abs 3 ASVG umfassten Renten- oder Pensionsanspruch gegenüber der Pensionsversicherungsanstalt. Die (Teil-)Zession des Abgabenanspruchs sei weder im Einkommensteuergesetz noch in der Bundesabgabenordnung und auch nicht im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz vorgesehen. Das Abgabenschuldverhältnis sei subjektiv mit der Person des Abgabepflichtigen unlösbar verbunden, es könne nicht auf eine andere Person übertragen bzw. zediert werden. § 324 Abs 3 ASVG beinhalte die (Legal-)Zession des Renten- bzw. Pensionsanspruches oder eines Teiles davon unter den im Gesetz näher definierten Voraussetzungen. Das auch der öffentlich-rechtliche Abgabenanspruch davon umfasst wäre, sei der Bestimmung nicht zu entnehmen. Was für den Abgabenanspruch gelte, müsse für eine nachträgliche Steuergutschrift (oder Steuernachforderung) gleichermaßen gelten, weil sie keinen neuen, anderen oder zusätzlichen Rechtsgrund haben kann, als das bestehende Einkommensteuerschuldverhältnis der Abgabepflichtigen gegenüber der Abgabenbehörde.
Der , sei zu einem Verlassenschaftsverfahren ergangen. An ihn bestehe keine (allgemeine) Bindung im Abgabenverfahren. Der einschreitende Sozialhilfeverband sei gegenständlich nicht Abgabenschuldner (§ 77 BAO) und nicht Partei des Abgabenverfahrens (§ 78 BAO) der Verstorbenen. Mangels Legitimation des antragstellenden Sozialhilfeverbandes im Sinne des § 19 Abs 1 BAO sei der Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung zurückzuweisen.
Vorlageantrag vom
Mit Schriftsatz vom brachte der Sozialhilfeverband betreffend den Zurückweisungsbescheid den Antrag auf Vorlage der Bescheidbeschwerde an das Bundefinanzgericht ein.
Vorlagebericht vom
Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde (Name Beschwerdeführer: "Erbe n. ***3***", Zustellbevollmächtigter: ***2***) dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde. Der Vorlagebericht wurde sowohl dem ***4*** als auch Herrn ***2*** zugesandt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Am xx.11.2020 verstarb Frau ***3***. Diese war von 01.01. bis xx.11.2020 in stationärer Langzeitpflege im Pflegeheim ***9***.
Dem Beschluss des Verlassenschaftsgerichtes vom zufolge, ist eine Abhandlung des Verlassenschaftsverfahrens gemäß § 153 AußStrG unterblieben. Das Verlassenschaftsgericht erteilte dem ***4*** die Ermächtigung, die Arbeitnehmerveranlagung zur Steuernummer der Verstorbenen für das Jahr 2020 beim Finanzamt durchzuführen. Ein Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens wurde von den Nachlassbeteiligten nicht gestellt.
Daraufhin brachte der Sozialhilfeverband am einen Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung im Namen der Verlassenschaft ein und führte sich selbst als steuerliche Vertretung an.
Den dazu ergangenen Zurückweisungsbescheid vom richtete die belangte Behörde an den "***4***, zH Mag. ***10***, ***6***", obwohl der Sozialhilfeverband den Antrag nicht im eigenen Namen eingebracht hatte, sondern vielmehr die "Verlassenschaft nach ***3***", als deren Gesamtrechtnachfolgerin.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus den elektronisch vorgelegten Aktenteilen, welche chronologisch unter Punkt I. (Verfahrensgang) dargestellt wurden. Dass der Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung im Namen der Verlassenschaft, durch ihren gerichtlich ermächtigten Vertreter eingebracht wurde, ergibt sich zweifelsfrei aus der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung (Formular L 1-WAI-2020) und dem der Erklärung beigelegten gerichtlichen Ermächtigungsbeschluss.
Die Nennung des Namens der Verstorbenen auf Seite 1 des Formulars L1-WAI-2020, ohne den Zusatz "Verlassenschaft nach " kann wohl nur als Versehen des einbringenden Vertreters angesehen werden, da die Steuerpflichtige zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben war. Dieser Antrag kann daher nur als Antrag der "Verlassenschaft nach ***3***" (und nicht der "***3***"), vertreten durch den Sozialhilfeverband, beurteilt werden.
3. Gesetzliche Grundlagen
Gemäß § 19 Abs 1 BAO gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes.
§ 79 BAO zufolge, gelten für die Rechts- und Handlungsfähigkeit die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes.
Nach § 80 Abs 1 BAO ("Vertreter") haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben nach § 80 Abs 2 BAO die Vermögensverwalter, soweit ihre Verwaltung reicht, die im Abs 1 bezeichneten Pflichten und Befugnisse.
§ 153 AußStrG sieht für die Aktiven geringfügiger Nachlässe ein vereinfachtes Verfahren vor. Diese Bestimmung lautet:
Unterbleiben der Abhandlung
(1) Sind Aktiven der Verlassenschaft nicht vorhanden oder übersteigen sie nicht den Wert von 5000 Euro oder tritt die Rechtsnachfolge nach dem maßgebenden Recht von Gesetzes wegen ein und sind keine Eintragungen in die öffentlichen Bücher erforderlich, so unterbleibt die Abhandlung, wenn kein Antrag auf Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens gestellt wird. Einer Verständigung bedarf es nicht.
(2) Ist auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen österreichisches Recht anzuwenden, so hat das Gericht auf Antrag denjenigen, deren Anspruch nach der Aktenlage bescheinigt ist, die Ermächtigung zu erteilen, das Verlassenschaftsvermögen ganz oder zu bestimmten Teilen zu übernehmen, dazu gehörende Rechte geltend zu machen oder aufzugeben, über erhaltene Leistungen rechtswirksam zu quittieren und Löschungserklärungen auszustellen.
§ 41 EStG 1988 regelt die Veranlagung lohnsteuerpflichtiger Einkünfte.
Aus § 324 Abs 3 ASVG iVm § 4 Abs 1 Z 1 OÖ Sozialhilfeverordnung 1998 ergibt sich, dass bestimmte Anteile eines Renten- oder Pensionsanspruches (in der Regel 80 %) im Wege der Legalzession auf den Träger der Kosten für die Heimunterbringung des Renten- oder Pensionsberechtigten übergehen.
§ 279 BAO lautet:
(1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.
(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs. 1) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.
4. Rechtliche Beurteilung
4.1. Zum Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung vom
Nach § 41 Abs 2 EStG 1988 setzt eine Arbeitnehmerveranlagung einen Antrag des Abgabenpflichtigen voraus. Nach dem Tod des Steuerpflichtigen und nach erfolgter Einantwortung kann ein derartiger Antrag durch den Erben als Gesamtrechtsnachfolger (§ 547 ABGB) des Verstorbenen eingebracht werden (§ 19 BAO).
Für den Zeitraum zwischen dem Tod des Verstorbenen und der Einantwortung kennt das bürgerliche Recht die Rechtsfigur des ruhenden Nachlasses. Vor der Einantwortung (oder auch wenn es zu einer solchen infolge der §§ 153 ff AußStrG gar nicht kommt) setzt daher gemäß § 531 ABGB der ruhende Nachlass (die "Verlassenschaft nach XY" als juristische Person) als Gesamtrechtsnachfolger (§ 19 BAO) und damit als Träger der Rechte und Verbindlichkeiten des Verstorbenen, dessen Rechtsposition fort. Die Verlassenschaft kann entweder durch einen gerichtlich bestellten Verlassenschaftskurator oder auch durch den erbantrittserklärten Erben vertreten werden. In den Fällen des Unterbleibens einer Verlassenschaftsabhandlung wird in der Regel weder eine Erbantrittserklärung abgegeben noch ein Verlassenschaftskurator bestellt. Zur Geltendmachung bzw Aufgabe von Rechten bedarf es somit einer ermächtigten Person. Nach der Judikatur des OGH ist alleine das Verlassenschaftsgericht dafür zuständig, für eine ordentliche Vertretung des ruhenden Nachlasses zu sorgen. Hierzu ordnet § 153 Abs 2 AußStrG an, dass das Verlassenschaftsgericht einer Partei die Ermächtigung erteilen kann, das Verlassenschaftsvermögen ganz oder zu bestimmten Teilen zu übernehmen, dazu gehörende Rechte geltend zu machen oder aufzugeben. Als Vertreter des ruhenden Nachlasses kann somit nicht nur ein Verlassenschaftskurator bestellt werden, sondern es kann auch im vereinfachten Verfahren eine anspruchsberechtigte Person ermächtigt werden, bestimmte Rechte in einem bestimmten Verfahren geltend zu machen.
Endet daher das Verlassenschaftsverfahren ohne Einantwortung, ist die gerichtliche Ermächtigung einer Verfahrenspartei zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung verfahrensrechtlich sowohl im Außerstreitverfahren als auch nach der Bundesabgabenordnung zulässig. Die Ermächtigung des § 153 Abs 2 AußStrG kann sich immer nur darauf beziehen, als Vertreter des Nachlasses Rechte geltend zu machen. Wenn nun auf Basis dieser Rechtslage der Sozialhilfeverband im Namen des ruhenden Nachlasses einen Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung stellt, hat das Finanzamt darüber abzusprechen. Eine Ermächtigung, den Anspruch im eigenen Namen geltend zu machen, würde zudem ins Leere gehen, weil § 41 Abs 2 EStG 1988 die Antragstellung durch den Steuerpflichtigen oder eben durch seinen Gesamtrechtsnachfolger (Erbe oder ruhender Nachlass) bzw durch deren Vertretung verlangt.
Für die Beurteilung von Anbringen im Sinne des § 85 BAO (dazu zählt ein Antrag auf Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung) kommt es auf den Inhalt und auf das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteienschrittes an (Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO3, § 85 Rz. 3f). Parteienerklärungen im Verwaltungsverfahren sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Es kommt also darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss ().
Das bedeutet für den vorliegenden Beschwerdefall:
Im gegenständlichen Beschwerdefall ist eine Verlassenschaftsabhandlung gemäß § 153 Abs 1 AußStrG unterblieben. Ungeachtet einer gerichtlichen Ermächtigung bleibt daher vorerst die ruhende Verlassenschaft (als juristische Person und Gesamtrechtsnachfolgerin) bestehen.
Mit Beschluss des Verlassenschaftsgerichtes nach § 153 Abs 2 AußStrG vom wurde der ***4*** ermächtigt, "die Arbeitnehmerveranlagung zu Steuernummer xxx für das Jahr 2020 beim Finanzamt Österreich durchzuführen und das sich daraus ergebende Guthaben in Empfang zu nehmen."
Auch wenn im Beschluss nicht ausdrücklich festgehalten wird, dass der Sozialhilfeverband alsVertreter der Verlassenschaft nach ***3*** ermächtigt wird, die Arbeitnehmerveranlagung durchzuführen, entsprechende Bescheide entgegenzunehmen und Rückzahlungsanträge zu stellen, kann die Ermächtigung nur so verstanden werden, dass der Sozialhilfeverband als Vertreter des ruhenden Nachlasses tätig wird. Dementsprechend wurde auch der Antrag vom Sozialhilfeverband als Vertreter der Verlassenschaft (siehe Antrag, Seite 2, unten: Steuerliche Vertretung (Name, Anschrift, Telefon/Telefax: ***4***), also im Namen der Verlassenschaft nach ***3*** und nicht im eigenen Namen, bei der belangten Behörde eingebracht. Unterschrieben wurde das Formular von Frau ***5***, einer Mitarbeiterin des ***4***. Auch aus dem Inhalt des dem Antrag beigelegten Beschlusses des Verlassenschaftsgerichtes vom ergibt sich unzweifelhaft, dass der Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2020 von der Verlassenschaft nach ***3***, vertreten durch den ***4*** gestellt wurde. Für die Annahme, dass der Sozialhilfeverband als Einzelrechtsnachfolger der Verstorbenen tätig geworden ist, ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte.
Dass die Nennung des Namens der Verstorbenen auf Seite 1 des Formulars L1-WAI-2020, ohne den Zusatz "Verlassenschaft nach " als Versehen des einbringenden Vertreters zu beurteilen war, wurde bereits unter Punkt II. 2. (Beweiswürdigung) dargelegt.
4.2. Zum Zurückweisungsbescheid vom
Bescheidadressat ist der, für den der Bescheid seinem Inhalt nach bestimmt ist (Fischerlehner/Brennsteiner3, Abgabenverfahren, 217).
Eine ersatzlose Aufhebung (als meritorische Beschwerdeerledigung) im Sinne des § 279 Abs 1 BAO hat u.a. zu erfolgen, wenn antragsgebundene Verwaltungsakten ohne diesbezüglichen Antrag getätigt werden bzw ein verfahrensrechtlicher Bescheid (wie etwa die Zurückweisung eines Antrages) zu Unrecht erlassen wurde (Ritz/Koran7, BAO, § 279, Rz. 6).
Das bedeutet für den vorliegenden Beschwerdefall:
Wie bereits dargelegt, wurde der Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung von der Verlassenschaft nach ***3***, vertreten durch den Sozialhilfeverband, eingebracht. Daraus ergibt sich in der Folge, dass nur das Rechtssubjekt "Verlassenschaft nach ***3***" Bescheidadressat sein kann. Tatsächlich wurde der gegenständlich angefochtene Zurückweisungsbescheid vom aber an den ***4*** (im eigenen Namen) gerichtet.
Die belangte Behörde hat daher an den Sozialhilfeverband einen Zurückweisungsbescheid in Zusammenhang mit einer Arbeitnehmerveranlagung erlassen, obwohl der Sozialhilfeverband (im eigenen Namen) keinen diesbezüglichen Antrag gestellt hat.
Damit war der angefochtene Zurückweisungsbescheid vom ersatzlos aufzuheben. Gemäß § 279 Abs 2 BAO tritt dadurch das Verfahrens in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hat. Das bedeutet, dass der Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2020 der Verlassenschaft nach ***3*** (wieder) unerledigt ist.
Zum Vorlagebericht vom ist zu bemerken, dass es keinen "Erben nach ***3***" gibt, weil keine Erbantrittserklärung abgegeben wurde und somit auch keine Einantwortung erfolgt ist.
5. Zur Zulässigkeit einer (ordentlichen) Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Beschwerdefall ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, womit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG vorliegt.
Linz, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 79 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 41 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 279 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 153 AußStrG, Außerstreitgesetz, BGBl. I Nr. 111/2003 § 80 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 324 Abs. 3 ASVG, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 189/1955 § 19 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100135.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at