Bescheidadressat - Bescheidaufhebung
Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2022/15/0064. Mit Erk. v. abgeändert.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache ***Bf2***, ***Bf 2-Adr*** betreffend die Beschwerde vom gegen den Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes Österreich vom Steuernummer ***BF1StNr1*** (Verlassenschaft nach ***Bf1***) zu Recht erkannt:
I. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO - ersatzlos - aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Am xx. Februar 2020 ist Herr ***Bf1*** verstorben. In der Zeit von bis zu seinem Ableben befand er sich auf Kosten des ***Bf2*** im Altenheim.
Mit Beschluss des ***BG*** vom wurde dem ***Bf2*** die Ermächtigung erteilt, die Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2019 und 2020 zu beantragen und 80% des lukrierten Guthabens einzubehalten, wobei dieser dem Gericht über das Ergebnis Bericht zu erstatten habe.
Am brachte der ***Bf2*** für den verstorbenen ***Bf1*** den Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2020 samt Beilagen (Formular L1, Formular L 1ab für 2020, Schreiben zum Sozialhilfe-Kostenersatz), alle datiert vom , ein.
Mit Zurückweisungsbescheid vom wies das Finanzamt die Eingabe vom betreffend Arbeitnehmerveranlagung 2020 zurück und führte begründend aus, dass Sozialhilfeträger nicht berechtigt seien, Anträge auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung zu stellen, da sie weder Abgabenschuldner (§ 77 BAO) noch Partei des Abgabenverfahrens (§ 78 BAO) seien.
Dieser Bescheid wurde an den ***Bf2*** gerichtet.
Mit Schreiben vom brachte der ***Bf2*** gegen den Zurückweisungsbescheid vom das Rechtsmittel der Beschwerde ein. Im Wesentlichen wurde darauf hingewiesen, dass dem ***Bf2*** vom Bezirksgericht die Ermächtigung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2019 und 2020 erteilt worden sei und 80% des lukrierten Guthabens einzubehalten. Beigelegt ist der Beschluss vom und das OGH- Urteil 2 OB 72/19f.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde vom gegen den Zurückweisungsbescheid vom als unbegründet ab. Die Entscheidung war an den ***Bf2*** adressiert.
Mit Vorlageantrag vom brachte der ***Bf2*** betreffend den Zurückweisungsbescheid den Antrag auf Vorlage der Bescheidbeschwerde an das Bundesfinanzgericht ein.
Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerdesache dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt und Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ist aus der Darstellung des Verfahrensganges ersichtlich und ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen, insbesondere aus den Formularen L1, L1ab für das Jahr 2020, dem Schreiben zum Sozialhilfe-Kostenersatz, aus dem Beschluss des ***BG*** vom sowie aus dem angefochtenen Bescheid.
2. Rechtliche Beurteilung
2.1. Zu Spruchpunkt I.
§ 279 BAO lautet:
(1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.
(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs. 1) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.
Da gegenständlich kein Pflichtveranlagungstatbestand iSd § 41 Abs. 1 EStG vorliegt, ist eine Veranlagung nur auf Antrag des Steuerpflichtigen vorzunehmen (§ 41 Abs. 2 EStG 1988). Nach dem Tod eines Steuerpflichtigen kann einen derartigen Antrag nach den geltenden Bestimmungen nach der Einantwortung der Erbe als Gesamtrechtnachfolger (§ 547 ABGB) des verstorbenen Steuerpflichtigen einbringen. Vor der Einantwortung oder wenn es - wie gegenständlich - zu einer solchen infolge der §§ 153 AußStrG gar nicht kommt, setzt gemäß § 531 ABGB der ruhende Nachlass (die Verlassenschaft nach … als juristische Person) als Gesamtrechtsnachfolger und Träger der Rechte und Verbindlichkeiten des Verstorbenen dessen Rechtsposition fort.
Gegenständlich wurde dem ***Bf2*** mit Beschluss des ***BG*** vom die Ermächtigung erteilt, die Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2019 und 2020 zu beantragen und 80% des lukrierten Guthabens einzubehalten, wobei dieser dem Gericht über das Ergebnis Bericht zu erstatten hat. Das heißt, der ***Bf2*** wurde ermächtigt, als Vertreter des ruhenden Nachlasses (Vertreter der Verlassenschaft nach ***Bf1***) den Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung durchzuführen. So interpretiert auch Berger (Steuerguthaben und Arbeitnehmerveranlagung, iFamZ 2021, 173) eine derartige gerichtliche Ermächtigung, der dies aus der Rechtsprechung zur Vorgängerbestimmung des § 153 Abs. 2 ableitet (§ 72 Abs. 2 AußStG a.F., OGH 6 Ob 31/03g) und insbesondere auf folgenden Rechtssatz (RIS Justiz RS 0007649) verweist: "Die Ermächtigung ersetzt nicht die Einantwortung des Nachlasses und bewirkt deshalb auch nicht den Übergang der Nachlassrechte auf den Ermächtigten, sie bedeutet nur die Erteilung des prozessualen Rechtes, den Nachlass im Prozess zu vertreten und für ihn Rechte geltend zu machen."
Für die Beurteilung von Anbringen iSd § 85 BAO (dazu zählt ein Antrag auf Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung) kommt es auf den Inhalt und auf das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteienschrittes an (vgl. Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO3 (2021), § 85 Rz 3f). Parteienerklärungen im Verwaltungsverfahren sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, es kommt also darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss ().
Gegenständlich wurde die Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung 2020 für die Verlassenschaft nach ***Bf1*** (Formular L1 , Schreiben vom ) eingereicht. Unterschrieben wurden das Formular von Frau ***XY***, einer Mitarbeiterin des ***Bf2***.
Berücksichtigt man die Angaben auf dem Formular L1, dem Schreiben vom , den Inhalt des Beschlusses des ***BG*** und den Umstand, dass bestimmte Teile eines Renten- oder Pensionsanspruches im Weg der Legalzession (§ 324 Abs. 3 ASVG iVm § 4 Abs. 1 Z 1 OÖ Sozialhilfeverordnung 1998) auf den Träger der Kosten für die Heimunterbringung des Renten- oder Pensionsberechtigten übergehen, ergibt sich unzweifelhaft, dass der Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2020 von der Verlassenschaft nach ***Bf1***, vertreten durch den ***Bf2***, eingebracht wurde.
Bescheidadressat ist die natürliche oder juristische Person, für die ein Bescheid seinem Inhalt nach bestimmt ist. Wie oben dargelegt wurde, wurde der Antrage auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung von der Verlassenschaft nach ***Bf1***, vertreten durch den ***Bf2***, eingebracht. Daraus ergibt sich in der Folge, dass nur dieses Rechtssubjekt Bescheidadressat sein kann. Tatsächlich wurde der gegenständlich angefochtene Zurückweisungsbescheid an den ***Bf2*** (im eigenen Namen) gerichtet.
Eine ersatzlose Aufhebung iSd § 279 Abs. 1 BAO hat zu erfolgen, wenn antragsgebundene Verwaltungsakten ohne diesbezüglichen Antrag getätigt werden. Gegenständlich wurden an den ***Bf2*** ein (Zurückweisungs)Bescheid in Zusammenhang mit einer Arbeitnehmerveranlagung erlassen, obwohl der ***Bf2*** (im eigenen Namen) keinen diesbezüglichen Antrag gestellt hat.
Der angefochtenen Zurückweisungsbescheid vom war daher - wie im Spruch ersichtlich - ersatzlos aufgehoben. Gemäß § 279 Abs. 2 BAO tritt dadurch das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung der aufgehobenen Bescheide befunden hat. Das heißt, der Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2020 der Verlassenschaft nach ***Bf1*** ist (wieder) unerledigt.
2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall sind die zu klärenden Rechtsfragen durch die zitierte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschieden, sodass eine Revision nicht zulässig ist.
Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 279 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | Berger in BFGjournal 2023, 19 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100162.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at