Keine Anwendbarkeit der Kleinunternehmerregelung - Ansässigkeit im Ausland
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Ulrike Stephan in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Holzhauser, Oswald & Partner Partnerschaftsgesellschaft mbB, Kolpingstraße 2, 84347 Pfarrkirchen, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Braunau Ried Schärding (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Umsatzsteuer 2016 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Die in Deutschland (***Bf1-Adr***) wohnhafte Beschwerdeführerin (Bf.) bezog im Jahr 2016 Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus dem Verkauf von Christbäumen auf dem ***1***-Parkplatz in ***2***. In der Umsatzsteuererklärung 2016 nahm sie die Kleinunternehmerregelung in Anspruch.
Die belangte Behörde versagte im angefochtenen Bescheid die Anwendung der Kleinunternehmerregelung und behandelte die vereinnahmten Erlöse als umsatzsteuerpflichtig (Steuersatz 13%); die Bf. betreibe ihr Unternehmen von Deutschland aus, die Voraussetzungen des § 6 Abs 1 Z 27 UStG seien daher nicht erfüllt.
Die Bf. begründete Ihre Beschwerde damit, dass Ihr Umsatz € 7.407,00 betrage, somit greife die Kleinunternehmerregelung gem. § 6 Abs 1 Z 27 UStG.
In der Begründung zu der abweisenden Beschwerdevorentscheidung führte die belangte Behörde aus:
"Gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG ist ein Unternehmer Kleinunternehmer, der im Inland einenWohnsitz oder Sitz hat und dessen Umsätze nach § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 UStG im Veranlagungszeitraum € 30 000 nicht übersteigen (Rechtslage bis ).
Sie verkaufen in Österreich am ***1***-Parkplatz in ***4*** Christbäume. Sie wohnen in Deutschland und pflanzen dort auch Ihre Christbäume an. Der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit liegt an dem Ort, von dem aus der Unternehmer seine unternehmerische Tätigkeit verwaltet, an dem die Verwaltungsunterlagen erstellt und die Bücher geführt und aufbewahrt werden, an dem die Bankgeschäfte wahrgenommen und die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung getroffen werden. Der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit liegt in Deutschland.
Aufgrund der oben angeführten Gründe gelten Sie in Österreich nicht als Kleinunternehmer."
Die Bf. wendet in ihrem Vorlageantrag dagegen ein, dass aus der Bescheinigung des Finanzamtes ***3*** vom hervorgehe, dass die Bf. mit ihrem Gatten in Deutschland als GesbR Umsätze aus Land- und Forstwirtschaft tätige. Die Bf. sei in Deutschland nicht als Einzelunternehmerin selbständig tätig und pflanze auch keine Christbäume in Deutschland an. Die Bf. übe ausschließlich in Österreich eine selbständige gewerbliche Tätigkeit aus. Da die Umsätze unter € 30.000 lägen, sei die Kleinunternehmerregelung anzuwenden.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die in Deutschland (***Bf1-Adr***) wohnhafte Beschwerdeführerin (Bf.) bezog im Jahr 2016 in Österreich Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus einem einmonatigem (jeweils im Dezember eines Jahres) Verkauf von Christbäumen am ***1***-Parkplatz in ***2*** (***Adr 2***).
In der Umsatzsteuererklärung nahm sie die Kleinunternehmerregelung in Anspruch. Der Umsatz betrug im Veranlagungsjahr € 7.407,00.
Die Bf. hat in Österreich keinen Wohnsitz, keinen Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit und keine feste Niederlassung.
Die Bf. betreibt in Deutschland mit ihrem Gatten eine Land- und Forstwirtschaft in der Rechtsform einer GesbR. Die Entfernung zwischen dem land- und forstwirtschaftlichem Betrieb bzw dem Hauptwohnsitz der Bf. und dem ***1***-Parkplatz beträgt cirka 10 Kilometer.
Beweiswürdigung
Dass in Österreich kein Wohnsitz bestand (und besteht), hat eine Abfrage im Zentralen Melderegister bestätigt.
Die Vorschreibung der Grundumlage der Wirtschaftskammer Oberösterreich für den Markt- Straßen- und Wanderhandel iHv € 47,50 ist adressiert an die Wohnanschrift der Bf. in Deutschland, ebenso wird in der Kopfzeile der Einnahmen- Ausgaben- Rechnung 2016 die Adresse der Bf. in Deutschland angeführt.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 in der hier anzuwendenden Fassung vor dem Abgabenänderungsgesetz 2016 (AbgÄG 2016), BGBl. I Nr. 117/2016, sind die Umsätze der Kleinunternehmer steuerfrei. Kleinunternehmer ist ein Unternehmer, der im Inland einen Wohnsitz oder Sitz hat und dessen Umsätze nach § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 im Veranlagungszeitraum 30 000 Euro nicht übersteigen.
Hinsichtlich des Vorliegens der Ansässigkeit im Inland als Voraussetzung für die Kleinunternehmerbefreiung ist in unmittelbarer Anwendung der MwStSystRl oder auch in richtlinienkonformer Interpretation des Begriffes "Sitz" in § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 auch in Zeiten vor Inkrafttreten des AbgÄG 2016 anstatt auf den Wohnsitz des Unternehmers auf dessen Ansässigkeit im Sinne eines Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit oder einer festen Niederlassung, von der aus das Unternehmen betrieben wird, abzustellen (vgl Stoppelkamp, C-421/10, Rn 26 ff mwN; vgl ).
Als Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit gilt (gemäß der dazu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, die in der Folge in Art 10 der DurchführungsVO (EU) 282/2011; MwSt-DVO) Eingang gefunden hat, der Ort, an dem die Handlungen zur zentralen Verwaltung des Unternehmens vorgenommen werden. Zur Bestimmung dieses Orts sind der Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung des Unternehmens getroffen werden, der Ort des satzungsmäßigen Sitzes und der Ort, an dem die Unternehmensleitung zusammenkommt, heranzuziehen.
Der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit liegt an dem Ort, von dem aus der Unternehmer seine unternehmerische Tätigkeit verwaltet, an dem die Verwaltungsunterlagen erstellt und die Bücher geführt und aufbewahrt werden, an dem die Bankgeschäfte wahrgenommen und die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung getroffen werden.
Im Vorlageantrag wird ausgeführt, die Bf. habe den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit in Österreich. Aus der Bescheinigung des Finanzamtes ***3*** vom 13.09.217 gehe hervor, dass die Bf. und ihr Gatte in Deutschland eine Land- und Forstwirtschaft in der Gesellschaftsform einer GesbR betreibe. Die Bf. sei in Deutschland nicht als Einzelunternehmerin selbständig tätig und pflanze auch keine Christbäume in Deutschland an. Die Bf. übe ausschließlich in Österreich eine selbständige gewerbliche Tätigkeit aus.
Dem ist entgegenzuhalten, dass es für die Beurteilung der umsatzsteuerlichen Ansässigkeit eines Unternehmens nicht auf den Ort der Lieferung oder sonstigen Leistung ankommt. Genauso wenig ist entscheidend welchem Staat das ertragsteuerliche Besteuerungsrecht für eine Tätigkeit zukommt.
Entscheidungen, die beim Verkauf von Christbäumen im Wesentlichen zu treffen sind, werden sich darauf beziehen, woher die Christbäume angekauft werden, zu welchem Preis diese veräußert werden, wo diese zum Verkauf angeboten werden und mit wem bezüglich des Marktstandes Vereinbarungen getroffen werden müssen (Standgebühr).
An welchem anderen Ort als in ihrem Haus in Deutschland die Bf. diese zur Leitung ihres Unternehmens wesentlichen Entscheidungen getroffen haben könnte, ist nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Bf. keinen Ort in Österreich genannt, an den für die Bestimmung des Sitzes ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit angeknüpft werden könnte. Dass die Christbäume auf einem Markt in Österreich zum Verkauf angeboten werden, ist nicht von entscheidender Bedeutung, da auf dem Marktplatz nicht die wesentlichen Entscheidungen zur Führung des Unternehmens getroffen werden (vgl. Zorn, VwGH zum Inlandserfordernis der Kleinunternehmerregelung, RdW 2019, 201). Im gegenständlichen Fall lag der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit nicht in Österreich.
Als feste Niederlassung gilt gemäß der vom Europäischen Gerichtshof getroffenen Auslegung (vgl etwa Berkholz, 168/84; , DFDS, C-260/95; , ARO Lease BV, C-190/95; , Lease Plan Luxembourg SA, C-390/96; , Planzer Luxembourg, C-73/06; , Welmory, C-605/12), jede Niederlassung mit Ausnahme des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit, sowie eine Struktur aufweist, die es von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen zu erbringen. Dieser Interpretation ist auch der Verwaltungsgerichtshof gefolgt (vgl ; , 2008/15/0166; , 2007/15/0172).
Im gegenständlichen Fall fehlt es sowohl am hinreichenden Grad der Beständigkeit (einmonatiges Anmieten einer Marktfläche) als auch an der Struktur, die es von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt Dienstleistungen zu erbringen (kein eigenes Personal der Bf. vor Ort) um eine feste Niederlassung zu begründen.
Da der gegenständliche Betrieb sohin von einer im Ausland ansässigen Steuerpflichtigen geführt wird, bestand keine Berechtigung zur Anwendung der Kleinunternehmerregelung des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die zugrundeliegende Rechtsfrage der umsatzsteuerlichen Ansässigkeit im Inland ist durch die gesetzlichen Bestimmungen und durch die Rechtsprechung hinreichend geklärt, weshalb eine Revision nicht zulässig ist.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.5101661.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at