Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.04.2022, RV/5101406/2020

Voraussetzungen für die Verlängerung des Beihilfenbezuges gemäß § 2 Abs. 1 lit. g FLAG 1967

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom , eingelangt am , gegen den Bescheid des ***FA*** vom zu VNR ***1***, mit dem ein Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für das Kind ***K*** (VNR ***2***) für den Zeitraum ab Oktober 2019 abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin beantragte mit einem am unterfertigten und am beim Finanzamt eingelangten Formblatt Beih 100 die Gewährung der Familienbeihilfe für ihren Sohn ab . Als Grund wurde angegeben, dass das Kind ein Masterstudium an der Fachhochschule (FH) Wels betreibe und nur geringfügig beschäftigt sei.

Dem Antrag wurde eine Inskriptionsbestätigung der FH OÖ in Wels vom angeschlossen. Demzufolge war der Sohn der Beschwerdeführerin im Wintersemester 2019/20 als ordentlich Studierender des FH-Masterstudiengangs Automotive Mechatronics and Management inskribiert.

Das Finanzamt wies den Beihilfenantrag mit Bescheid vom ab. Der Sohn der Beschwerdeführerin habe sein Bachelorstudium am abgeschlossen. Mit Beginn des Wintersemesters 2019/20 sei das Masterstudium an der FH Wels aufgenommen worden. Anspruch auf Familienbeihilfe über das 24. Lebensjahr hinaus bis maximal zur Vollendung des 25. Lebensjahres bestehe nur dann, wenn im Monat der Vollendung des 24. Lebensjahres eine Berufsausbildung vorliege. Da der Sohn der Beschwerdeführerin das Masterstudium erst mit Wintersemester 2019/20 aufgenommen habe, lägen diese Voraussetzungen nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom , eingelangt am . Darin brachte die Beschwerdeführerin vor, dass ihr Sohn im Jänner 2019 sein Bachelorstudium an der Johannes Kepler Universität (JKU) in Linz abgeschlossen habe. Sein Ausbildungsziel sei allerdings der Abschluss des Masterstudiums. Er habe deshalb auch anschließend an das Bachelorstudium an der JKU zum Masterstudium inskribiert. Leider habe er schnell feststellen müssen, dass dieses Studium nicht seinen Vorstellungen und Begabungen entspreche. Er habe sich für einen Studienwechsel an die FH Wels entschieden und für den Fachhochschul-Masterstudiengang "Automotive Mechatronics and Management" angemeldet. Mit diesem Studium habe er erst im Oktober 2019 (Wintersemester 2019/20) beginnen können. Er besuche diesen nach wie vor und habe schon erste Prüfungen abgeschlossen. Für die Monate dazwischen habe er sich bei einer Firma beworben, die seiner Ausbildung entspreche und die auch seine weitere Ausbildung fördere. Er arbeite seit Frühjahr 2019 bei der Firma ***F***. Dieses Unternehmen sei als Spezialmaschinenhersteller für die Industrie ein weltweit führendes Unternehmen. In dieser Firma habe er in den Monaten bis zum Studienbeginn im Oktober für seine Ausbildung wertvolle Praxiserfahrungen machen können. Seine Firma habe auch für ihn einen Ausbildungsplan erstellt und ihm ermöglicht, ab Studienbeginn seine Arbeitszeit auf geringfügig zu senken und um Bildungskarenz anzusuchen. Sie ersuche, der Beschwerde stattzugeben, da es sich um einen Wechsel der Studieneinrichtung handle und der Einstieg in die Firma ***F*** einen wichtigen Teil der Ausbildung ihres Sohnes darstelle.

Das Finanzamt wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab. Nach einem (unzutreffenden) Hinweis auf die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. i FLAG 1967 sowie Zitierung des § 5 Abs. 1 FLAG 1967 stellte das Finanzamt fest, dass der Sohn der Beschwerdeführerin sein Bachelorstudium am abgeschlossen habe. In der Zeit vom bis sei dieser in einem Dienstverhältnis mit der Fa. ***F*** gestanden. Im Juli 2019 habe er das 24.Lebensjahr vollendet. Mit Oktober 2019 sei ein Masterstudium an der FH Wels aufgenommen worden. Werde ein weiteres Studium betrieben, müsse dieses, als Voraussetzung für einen Anspruch auf Familienbeihilfe, zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufgenommen werden. Im gegenständlichen Fall wäre ein Einstieg im März 2019 möglich gewesen - auch wenn der Beginn des "Wunschstudiums" zu diesem Zeitpunkt nicht möglich gewesen wäre. Ein weiteres Kriterium für einen Anspruch auf Familienbeihilfe sei, dass die Berufsausbildung zum Zeitpunkt der Vollendung des 24. Lebensjahres bereits gegeben sei. Laut Einkommensteuerbescheid habe der Sohn der Beschwerdeführerin im Jahr 2019 ein zu versteuerndes Einkommen bezogen, das sowohl die für einen Anspruch auf Familienbeihilfe maßgebliche Einkommensgrenze als auch die Einschleifobergrenze überschritten habe. Auch aus diesem Grund lägen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Familienbeihilfe im Jahr 2019 nicht vor. Aufgrund der gegebenen Sach- und Rechtslage lägen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Familienbeihilfe im Beschwerdezeitraum nicht vor.

Dagegen richtet sich der Vorlageantrag der Beschwerdeführerin vom . § 2 Abs. 1 lit. i FLAG 1967 beziehe sich auf die Schwangerschaft und sei daher auf ihren Sohn nicht anwendbar. § 2 Abs. 1 lit. g FLAG 1967 besage, dass man bis zum Monat der Vollendung des 24. Lebensjahres den Präsenzdienst abgeleistet haben müsse (von 09/14 bis 02/15 sei dieser in ***3*** von ihrem Sohn abgeleistet worden), damit man Anspruch auf Familienbeihilfe habe. Soweit die Abweisung mit dem zu hohen Einkommen ihres Sohnes von Februar 2019 bis September 2019 begründet worden sei, werde darauf hingewiesen, dass für diesen Zeitraum aufgrund fehlender Ausbildung kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden habe. § 5 Abs. 1 lit a FLAG 1967 besage, dass Einkommen aus Zeiten, in denen kein Anspruch bestehe, nicht gezählt würden. Das steuerpflichtige Einkommen ab Oktober 2019 betrage nur 450 € pro Monat, was deutlich unter 10.000 € pro Jahr sei. Ein Masterstudium gelte als Fortführung des Grundstudiums. An der FH Wels sei es nicht möglich, dieses bei Studienabschluss im Januar früher als mit Oktober zu beginnen (siehe beigelegte Bestätigung der FH). Die Auswahl des Masterstudiums sollte doch bei ihrem Sohn liegen und nicht wie in der Beschwerdevorentscheidung als Wunschstudium bezeichnet werden.

Den zeitlichen Ablauf des Studiums ihres Sohnes stellte die Beschwerdeführerin wie folgt dar:

1) Bis Januar 2019: Bachelorstudium + Abschluss an der JKU in Mechatronik (Einkommen im Januar einmalig rund 600 € brutto); Familienbeihilfe erhalten

2) Februar 2019 bis September 2019: kein Studium (angemeldet, aber ÖH-Beitrag nicht bezahlt), dafür Vollzeit berufstätig (rund 2.600 € brutto/Monat); keine Familienbeihilfe beantragt und auch keine erhalten.

3) Ab Oktober 2019: Masterstudium an FH Wels (Automotive Mechatronics & Management), Bildungskarenz und geringfügige Beschäftigung (rund 450 €/Monat); Beantragung der Familienbeihilfe ab Oktober 2019 am .

Dem Vorlageantrag wurde eine Bestätigung der Fachhochschule OÖ vom angeschlossen, wonach der Sohn der Beschwerdeführerin seit das genannte Masterstudium besuche. Er absolviere derzeit das dritte Semester und werde das Studium im Juli 2021 abschließen. Das gegenständliche Studium sei ein Zweijahresprogramm und beginne im Oktober jeden Jahres. Ein Studienbeginn im Sommersemester 2019 sei nicht möglich gewesen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der am ***x***.7.1995 geborene Sohn der Beschwerdeführerin hat von September 2014 bis Februar 2015 den Präsenzdienst abgeleistet.

Im Jänner 2019 hat er sein Bachelorstudium (Studienkennzahl K033281) an der Johannes Kepler Universität in Linz abgeschlossen. Die Abmeldung von diesem Studium erfolgte am .

Ab dem war er zum Masterstudium (Studienkennzahl K066901) an derselben Universität zugelassen. Die Abmeldung von diesem Studium erfolgte am .

Am ***x***.7.2019 hat der Sohn der Beschwerdeführerin sein 24. Lebensjahr vollendet.

Ab dem Wintersemester 2019/20 war er als ordentlich Studierender des Fachhochschul-Masterstudiengangs Automotive Mechatronics and Management an der Fachhochschule OÖ in Wels inskribiert.

Beweiswürdigung

Der festgestellte und unstrittige Sachverhalt ergibt sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, den vom Finanzamt vorgelegten Aktenteilen, den Eintragungen in der Beihilfendatenbank und den von der Universität gemäß § 46a Abs. 2 Zif. 4 FLAG 1967 übermittelten Daten.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 2 Abs. 1 FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, …

b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten …

g) für volljährige Kinder, die in dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, den Präsenz- oder Ausbildungsdienst oder Zivildienst leisten oder davor geleistet haben, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres, sofern sie nach Ableistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder Zivildienstes für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer.

Die Altersgrenze bei Berufsaus(fort)bildung wurde durch das Budgetbegleitgesetz 2011 auf 24 Jahre herabgesetzt. Nach den Gesetzesmaterialien (Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage 981 der XXIV. GP) soll die Familienbeihilfe nach dem Erreichen der Volljährigkeit grundsätzlich nur bis zum Abschluss einer Berufsausbildung gewährt werden. Durch Änderungen des Studienrechts in den letzten Jahren, zu denen nicht zuletzt die Einführung des Bachelorstudiums an Fachhochschulen und in den meisten der an österreichischen Universitäten angebotenen Studienrichtungen zählt, werde die Selbsterhaltungsfähigkeit nunmehr in der Regel bereits nach sechs Semestern (Mindeststudiendauer) erreicht. Im Gleichklang mit diesen studienrechtlichen Änderungen führe die Herabsetzung der Altersobergrenze für den Bezug der Familienbeihilfe grundsätzlich vom abgeschlossenen 26. auf das abgeschlossene 24. Lebensjahr nicht zu einer Verschlechterung der Möglichkeit des Studierenden, ein Studium in jenem Zeitraum, für den Familienbeihilfe gewährt wird, erfolgreich abzuschließen (vgl. Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Rz 33).

Die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. g FLAG 1967 normiert einen Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die in dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, den Präsenz- oder Ausbildungsdienst oder Zivildienst leisten oder davor geleistet haben, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres, sofern sie nach Ableistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder Zivildienstes für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Der vom Gesetzgeber in § 2 Abs. 1 lit. g FLAG 1967 geschaffene Verlängerung der Anspruchsdauer für die Familienbeihilfe um ein Jahr liegt der Umstand zugrunde, dass Personen, die den Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienst leisten, in der Regel daran gehindert sind, diese Zeit erfolgreich für eine Berufsausbildung zu nutzen. Aus diesem Grund wurde in § 2 Abs. 1 lit. g FLAG 1967 eine Rechtsgrundlage für den Bezug von Familienbeihilfe, verlängert um ein Jahr, geschaffen (vgl. ). Damit soll der durch die Ableistung des Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienstes regelmäßig eintretende zeitliche Verlust bei der beruflichen Ausbildung durch eine Verlängerung des Zeitraumes, für den Familienbeihilfe beansprucht werden kann, wettgemacht werden (vgl. , ).

Es handelt sich bei der Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. g FLAG 1967 nicht um eine allgemeine Verlängerung der Gewährung von Familienbeihilfe, wenn eine Ausbildung aus frei gewählten Gründen nach Beendigung des 24. Lebensjahres absolviert wird, sondern um eine Ausnahmebestimmung, bei der die Verzögerung allein durch die Ableistung des Präsenzdienstes kausal für den Tatbestand der Ausbildung nach Beendigung des 24. Lebensjahres sein muss. Wurde der Dienst vor Vollendung des 24. Lebensjahres geleistet, muss sich das Kind bei Vollendung des 24. Lebensjahres in Berufsausbildung befinden (Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG2, § 2 Rz 30 mit Hinweis auf den , mit dem die Behandlung der Beschwerde gegen das Erkenntnis des abgelehnt wurde; ebenso , ausführlich besprochen von Ryda in BFGjournal, 2021, 269).

Im gegenständlichen Fall hat der Sohn der Beschwerdeführerin von September 2014 bis Februar 2015 den Präsenzdienst abgeleistet. Im Zeitpunkt der Vollendung des 24. Lebensjahres am ***x***.7.2019 stand dieser in keiner Berufsausbildung. Erst ab Oktober 2019 war er Sudierender des Fachhochschul-Masterstudienganges an der Fachhochschule OÖ in Wels. Damit fehlt es im gegenständlichen Fall am Vorliegen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 lit. g FLAG 1967.

Zum Einwand im Vorlageantrag, dass ein Masterstudium als Fortführung des Grundstudiums gelte, wird darauf hingewiesen, dass ein Bachelorstudium als eigenständiges Studium anzusehen ist. Mit dem Abschluss dieses Studiums wird eine Berufsausbildung abgeschlossen. Ein allfälliges im Anschluss begonnenes Masterstudium ist ein davon getrenntes neues Studium, das eine neuerliche weitere Berufsausbildung darstellt ().

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche Rechtsprechung liegt im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts nicht vor.

Linz, am

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