TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 31.05.2022, RV/2100403/2019

Keine Vorsteuererstattung für Roaminggebühren, da Inlandsumsätze vorliegen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch KPMG Alpen-Treuhand GmbH, Porzellangasse 51, 1090 Wien, über die Beschwerde vom und gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom und betreffend Vorsteuererstattung für den Zeitraum 1-12/2015 und 1-12/2017 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist eine in Australien (also in einem Drittland) ansässige Mobiltelefongesellschaft, die an ihre ebenfalls im Drittland ansässigen Firmen- und Privatkunden im beschwerdegegenständlichen Zeitraum Telekommunikationsdienstleistungen in Österreich erbracht hat. Um den Kunden der Bf. während derer Aufenthalte in Österreich die Benützung von Mobiltelefonen zu ermöglichen, stellten österreichische Netzbetreiber (Provider) der Bf. ihr Mobiltelefonnetz gegen Verrechnung von Benützungsgebühren (Roaming) unter Ausweis österreichischer Umsatzsteuer zur Verfügung.

Für die oa. Kalenderjahre wurden mittels U5-Anträgen auf Vergütung der Umsatzsteuer für nicht im Inland ansässige Unternehmer Vorsteuern aus der Verrechnung dieser Roaminggebühren inländischer Netzbetreiber geltend gemacht.

Der angefochtene Bescheid setzte die zu erstattenden Vorsteuern mit Null Euro fest und führte in seiner Begründung aus, mangels vergleichbarer Umsatzsteuerung im Ansässigkeitsstaat der Bf. verlagerten sich die erzielten Umsätze nach Österreich und die Bf. werde aufgefordert, Ihre Inlandsumsätze inklusive Gewinnaufschlag zusammen mit den entstandenen Vorsteuern mittels Umsatzsteuerjahreserklärung im Veranlagungsverfahren bekannt zu geben.

In der weiteren Folge wurde in der dagegen eingebrachten Beschwerde im Wesentlichen und im Ergebnis darauf verwiesen, dass die Verordnung BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 und deren Anwendung unionsrechtswidrig sei.

Im Einzelnen führte die Bf. aus:

"Nach Bürgler/Pleininger/Six in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-ON 2.06, § 3a, Rz. 231/2/4, ist, soweit die Verordnung BGBl. II 2009/221 undifferenziert auch alle Fälle der Leistung an im Drittland ansässige Abnehmer erfasst, sie durch Art. 59a MwSt-SystRL nicht gedeckt. Die Möglichkeit der Verlagerung des Leistungsortes an den Nutzungs- bzw. Auswertungsort ist nach Ansicht des Rates notwendig, um die Auswirkungen der Steuerumgehung zu bekämpfen, da eine wachsende Anzahl Steuerpflichtiger und Nichtsteuerpflichtiger in der Gemeinschaft Telekommunikationsdienstleistungen von außerhalb der Gemeinschaft in Anspruch nehmen, um die Mehrwertsteuer zu umgehen. Ein Fall dieser angesprochenen Steuerumgehung kann aber nicht vorliegen, wenn Drittlandsunternehmer an im Drittland ansässige Abnehmer leisten. Insoweit findet daher die VO BGBl. II 2009/221 keine gemeinschaftliche Stütze in Art. 59a MwSt-SystRL ( 2003/ 15/0059).
Eine Verlagerung des Leistungsortes auf Basis der Verordnung BGBl. II 2009/221 in das Inland kommt daher nur dann in Betracht, wenn der Leistungsempfänger Nichtunternehmer und in der EU ansässig ist und die Telekommunikationsdienstleistung im Inland genutzt oder ausgewertet wird. Die Auffassung der Finanzverwaltung, dass es generell zu einer Verlagerung des Leistungsortes auf Basis der Verordnung BGBl. II 2009/221 in das Inland kommt, wenn die Leistung im Drittland steuerbar wäre, aber im Inland genutzt oder ausgewertet wird, ist wohl nach oa. VwGH-Judikatur nicht mehr aufrecht zu halten (vgl. Bürgler/Pleininger/Six in: Berger/Bürgler/Kanduth/Kristen/Wakounig, UStG-ON 2.06, § 3a Rz. 231/2/5). Auch eine Einschränkung auf jene Fälle, bei denen eine vergleichbare Steuerbelastung im Ausland fehlt, überzeugt nicht und scheint in der MwSt-SystRL keine Deckung zu finden. Nach Art. 59b MwSt-SystRL sind die Mitgliedsstaaten nur angehalten, den Leistungsort vom Drittland an den Nutzungs- bzw. Auswertungsort zu verlagern, wenn Telekommunikationsdienstleistungen oder Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen durch einen Drittlandsunternehmer an einen Nichtunternehmer im Gemeinschaftsgebiet erbracht werden (vgl. Bürgler/Pleininger/Six in: Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG ON 2.06, § 3a Rz 231/2/5).
Auch in der anzuwendenden Richtlinie 2006/112/EG wird in Artikel 59a Folgendes ausgeführt: ,Um Doppelbesteuerung, Nichtbesteuerung und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, können die Mitgliedstaaten bei Dienstleistungen, deren Erbringungsort sich gemäß den Artikeln 44, 45, 56 und 59 bestimmt,
a) den Ort dieser Dienstleistungen oder bestimmter von diesen Dienstleistungen, der in ihrem jeweiligen Gebiet liegt, als außerhalb der Gemeinschaft gelegen ansehen, wenn dort die tatsächliche Nutzung oder Auswertung erfolgt;
b) den Ort dieser Dienstleistungen oder bestimmter von diesen Dienstleistungen, der außerhalb der Gemeinschaft liegt, als in ihrem jeweiligen Gebiet gelegen ansehen, wenn dort die tatsächliche Nutzung oder Auswertung erfolgt.
Diese Bestimmung gilt jedoch nicht für elektronisch erbrachte Dienstleistungen, wenn diese Dienstleistungen für nicht in der Gemeinschaft ansässige Nichtsteuerpflichtige erbracht werden.'
Nach Art. 59b der Richtlinie 2006/112/EG wenden die Mitgliedstaaten Artikel 59a Buchstabe b auf Telekommunikationsdienstleistungen und auf die in Artikel 59 Absatz l Buchstabe j genannten Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen an, die von einem Steuerpflichtigen, der den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung, von der aus die Dienstleistung erbracht wird, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Niederlassung seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort außerhalb der Gemeinschaft hat, an Nichtsteuerpflichtige erbracht werden, die in einem Mitgliedstaat ansässig sind oder dort ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort haben.
Die Richtlinie 2006/112/EG führt demnach an, dass es sich bei der Verlagerung des Leistungsortes grundsätzlich um eine Kann-Vorschrift für die Mitgliedstaaten handelt, und eine Verlagerung nur dann erfolgen soll, wenn im Drittland ansässige Unternehmer Leistungen an im Gemeinschaftsgebiet ansässige Nichtunternehmer erbringen.
Da alle Kunden der Bf. in einem Drittland ansässig sind, kommt es auf Basis der Verordnung BGBl. II 2003/3 83 idF BGBl. II 2009/221 zu keiner Verlagerung des Leistungsortes ins Inland, und zwar unabhängig davon, ob es sich bei den Abnehmern um Private oder Unternehmer handelt.
Zum Argument der vergleichbaren Steuerbelastung ist auf das VwGH Erkenntnis vom , 2003/15/0059, hinzuweisen. Der VwGH hat darin festgestellt, dass Maßnahmen nach Absatz 3 Buchstabe b) des Artikels 9 der Richtlinie 77/388/EWG (Verlagerung des Leistungsortes vom Drittland in das Inland) auf den Zweck der Vermeidung von Nichtbesteuerungen gestützt sein können. Das hat aber zur Voraussetzung, dass die Dienstleistung im Drittland keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt. Die Regelung der Verordnung BGBI II 102/1997 stellt nach dem VwGH nicht auf die Frage der Steuerbelastung im Drittland ab und kann daher nicht als Maßnahme zur Vermeidung einer Nichtbesteuerung iSd Artikel 9 Absatz 3 der Richtlinie 77/388/EWG angesehen werden.
Da auch die Verordnung BGBl. II 2003/383 idF BGBl. II 2009/221 nicht auf die Frage der Steuerbelastung im Drittland abstellt, findet die Verordnung bei Leistungen von Drittlandsunternehmern an im Drittland ansässige Abnehmer keine gemeinschaftliche Stütze in Art. 59a MwSt-SystRL.
Damit ist im vorliegenden Fall die Vermeidung einer Nichtbesteuerung keine Begründung zur Anwendung der Verordnung BGBl. II 2003/383 idF BGBl. II 2009/221.
Der VwGH hat weiters zum Vorliegen einer etwaigen Wettbewerbsverzerrung in seinem Erkenntnis vom , 2005/15/0104, angeführt, dass - soweit Maßnahmen nach Artikel 9 Absatz 3 der Richtlinie 77/388/EWG getroffen werden, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden - eine Situation vorliegen muss, aufgrund welcher Wettbewerbsverzerrungen bestehen oder eintreten können. Für in der Ermöglichung des Telefonierens bestehende Leistungen an in Drittstaaten ansässige Abnehmer gilt nach der Rechtslage unter Ausblendung der nach Artikel 9 Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG (also der Verordnung BGBl. II 102/ 1997):
a) Wird die Leistung von einem österreichischen Unternehmer erbracht, liegt der Leistungsort im Drittland (§ 3a Abs 9 UStG).
b) Wird die Leistung von einem im Drittland ansässigen Unternehmer erbracht, liegt der Leistungsort im Drittland (§ 3a Abs 9 UStG).
c) Wird die Leistung von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmer erbracht, liegt der Leistungsort im Drittland (§ 3a Abs 9 UStG).
Weil sich der Leistungsort hinsichtlich aller Unternehmer, die in Bezug auf die in Rede stehenden Leistungen an im Drittland ansässige Personen zueinander im Wettbewerb stehen können, im Drittland befindet, darf die Regelung betreffend den Leistungsort nicht die Grundlage für die Wettbewerbsverzerrung darstellen. Den Ort für Leistungen an im Drittland ansässige Abnehmer in das Gemeinschaftsgebiet zu verlagern, dient daher nach Ansicht des VwGH nicht der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen.
Der VwGH verweist darauf, dass es vor diesem Hintergrund zu sehen ist, dass der mit der Richtlinie 1999/59/EG in den Artikel 9 der Richtlinie 77/388/EWG aufgenommene Absatz 4 bloß auf solche Telekommunikationsdienstleistungen abstellt, die von einem in einem Drittland ansässigen Steuerpflichtigen an in der Gemeinschaft ansässige Private erbracht werden. In den Begründungserwägungen der Richtlinie 1999/59/EG wird darauf verwiesen, dass im Interesse des ordnungsgemäßen Funktionierens des Binnenmarktes Wettbewerbsverzerrungen beseitigt und neue harmonisierte Regelungen für diesen Bereich eingeführt werden sollen.
Sodann wird ausgeführt:
,(4) Es sollten Maßnahmen ergriffen werden, um insbesondere sicherzustellen, dass Telekommunikationsdienstleistungen, die von in der Gemeinschaft ansässigen Kunden in Anspruch genommen werden, auch in der Gemeinschaft besteuert werden.
(5) Um dieses Ziel zu erreichen, sollten die Telekommunikationsdienstleistungen, die an in der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige oder an in Drittländern ansässige Empfänger erbracht werden, grundsätzlich am Ort des Leistungsempfängers besteuert werden.'
Diese Begründungserwägungen lassen laut dem Erkenntnis des VwGH erkennen, dass der Gesetzgeber in dem Umstand, dass bei Leistungen an im Drittland ansässige Empfänger der Leistungsort im Drittland gelegen ist, keine Wettbewerbsverzerrung erblickt.
Nach Art. 59b der Richtlinie 2006/112/EG soll es, wie bereits oben angeführt zu einer Verlagerung des Leistungsortes nur dann kommen, wenn Telekommunikationsdienstleistungen von einem in einem Drittland ansässigen Steuerpflichtigen an in der Gemeinschaft ansässige Private erbracht werden, womit die vom VwGH zur Richtlinie 77/388/EWG angestellten Überlegungen auch für das Jahr 2014 gelten.
Es liegt daher im Falle der Bf. auch keine Wettbewerbsverzerrung vor, womit es auch aus diesem Grund zu keiner Verlagerung des Leistungsortes nach Österreich auf Grund der Verordnung BGBl. II 2003/383 idF BGBl. II 2009/221 kommt.
Aus den oa. Gründen erbrachte die Bf. keine steuerpflichtigen Leistungen in Österreich, womit die Voraussetzungen für die Anwendung der Verordnung BGBl. 1995/279 idF BGBl. 2003/384 vorliegen und die Erstattung der Vorsteuern zu gewähren ist."

In einer Beschwerdeergänzung führte die Bf. noch weiters aus:
"Wir weisen auf die Erkenntnisse des GZ. RV/2100255/2015, und vom , GZ. RV/2101653/2014, hin. Im Erkenntnis des GZ. RV/2100255/2015 führt das BFG unter anderem Folgendes aus:
,Die Regelungen Art. 59a und 59b MwStSystRL sollen vor allem die Doppelbesteuerung, Nichtbesteuerung oder Wettbewerbsverzerrungen im Gemeinschaftsgebiet verhindern.
Um derartige ungewollte Folgen zu vermeiden, ist für Telekommunikationsdienstleistungen der Union ansässige Nichtsteuerpflichtige der Ort der Leistung in das Inland (Gemeinschaftsgebiet) zu verlagern, obwohl nach den Grundregeln der Ort dieser Leistungen außerhalb des Gemeinschaftsgebietes liegt. Für diese Fälle soll der Ort der Leistung nicht am Ort des Sitzes des Leistungserbringers liegen, sondern dort, wo der Nichtsteuerpflichtige ansässig ist. Dadurch wird gewährleistet, dass die Besteuerung am Ort des Verbrauchs erfolgt.
Nach Art. 59a lit. b MwStSystRL ist das Kriterium für die Leistungsortverlagerung ins Gemeinschaftsgebiet die tatsächliche Nutzung oder Auswertung der Leistung im Gemeinschaftsgebiet.
Eine Nutzung oder Auswertung im Gemeinschaftsgebiet liegt aber nur dann vor, wenn der Leistungsempfänger im Mitgliedstaat ansässig ist.
Die Ermächtigung bezieht sich folglich nur auf Fälle, in denen der Leistungsempfänger in einem Mitgliedstaat ansässig ist.
Art. 59a lit.b MwStSysRL räumt keine Ermächtigung zur Ortsverlagerung für Telekommunikationsdienstleistungen, die ein drittländischer Steuerpflichtiger an drittländische Nichtsteuerpflichtige erbringt, ein.
Allerdings sind die Mitgliedstaaten nach Art. 59b MwStSystRL nicht nur ermächtigt, sondern verpflichtet, den Leistungsort für Telekommunikationsdienstleistungen in das Gemeinschaftsgebiet zu verlagern, wenn der Empfänger ein im Gemeinschaftsgebiet ansässiger Nichtsteuerpflichtiger ist (siehe auch Stadie, in Rau/Dürrwächter, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, § 3a, Anm. 672 und 674, Lfg. 150, April 2012). Damit ist gewährleistet, dass der Verbrauch in einem Mitgliedstaat durch einen im Mitgliedstaat ansässigen Empfänger auch dort besteuert wird.
Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass die Telekomverordnung hinsichtlich der Verlagerung des Ortes der Leistung in das Inland zur Vermeidung der Nichtbesteuerung im Drittland weder in Art. 59a lit.b noch in Art. 59b MWStRL eine unionsrechtliche Stütze findet.
Die Telekomverordnung ist diesbezüglich zu weit gefasst und aus unionsrechtlicher Sicht auf den gegenständlichen Sachverhalt nicht anwendbar.
Die Finanzverwaltung geht nun davon aus, dass diese Umsätze, wenn sie im Drittland keiner vergleichbaren Besteuerung unterliegen, zu einer Nichtbesteuerung führen, weshalb die VO 221/2009 zur Anwendung komme. Danach seien diese Roamingleistungen von der Bf. in Österreich zu versteuern.
Ob die Umsätze im Drittland einer vergleichbaren Besteuerung unterliegen, kann aber für die Besteuerung im Inland bzw. im Gemeinschaftsgebiet nicht maßgebend sein.
Die Besteuerung im Gemeinschaftsgebiet bzw. konkret in Österreich wäre danach von Kriterien abhängig, die außerhalb der Regelungshoheit der EU stehen.
Die Mehrwertsteuersystemrichtlinie und dieser folgend regeln die nationalen Gesetze das Mehrwertsteuersystem des Binnenmarktes. Ein Regelungsbedarf für Drittländer ist daraus nicht abzuleiten.
Warum das Vorliegen einer " vergleichbaren" Besteuerung im Drittland maßgeblich dafür sein soll, ob es zu einer Ortsverlagerung in das Gemeinschaftsgebiet kommt oder nicht, ist nicht nachvollziehbar und willkürlich. Abgesehen davon, ist es völlig offen, wann eine "vergleichbare Steuer" vorliegt.
Die Orientierung an einer solchen "vergleichbaren Steuer" im Drittland entbehrt jeder Sachlichkeit und unterliegt der Willkür des Gesetzesanwenders.
Im Beschwerdefall liegt außerdem keine Nutzung oder Auswertung im Inland vor, da eine solche nur vorliegt, wenn der Leistungsempfänger im Inland ansässig ist (siehe auch Bürgler/Pleininger/Six in Berger/Bürgler/Kanduth - Kristen/Wakounig, UStG-ON, § 3a Rz. 231/2/7 letztes Beispiel, oben).
Dass die Leistungsempfänger der Bf. nicht im Inland und auch nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind, ist unbestritten.
Die deutsche Finanzverwaltung vertritt im geänderten Umsatzsteueranwendungserlass die Ansicht (UStAE, GZ IV D 3-S 7340/14/10002, DOK 2014/1099363, vom , Punkt 8. Abschnitt 3a.9a Absatz 4 z 2, weitgehend gestützt auf Artikel 24b Buchstabe b MwStVO des Rates der EU), dass bei Inanspruchnahme der Telekommunikationsdienstleistung über ein mobiles Telekommunikationsnetz aus Praktikabilitätsgründen sich die Ansässigkeit des Leistungsempfängers nach dem Land bestimme, das durch den Ländercode der bei Inanspruchnahme dieser Leistung verwendeten SIM-Karte bezeichnet werde.
Dieser Lösung schließt sich das Bundesfinanzgericht aus Gründen der Praktikabilität an.
Zusammengefasst ist davon auszugehen, dass im Beschwerdefall keine Ortsverlagerung der erbrachten Telekommunikationsleistungen in das Inland auf Grund der Telekom Verordnung stattgefunden hat.
Der Leistungsort liegt gemäß § 3a Abs. 6, Abs. 13 lit. a und Abs. 14 Z 12 UStG 1994 im Empfängerland, das ist das Land, dessen Code die Sim-Karten der Leistungsempfänger haben. Im Beschwerdefall ist dies auch das Sitzland der Bf. Die Bf. hat daher keine für die Erstattung der vorsteuerschädlichen Leistungen in Österreich erbracht."

Die Beschwerdevorentscheidung verwies zum Teil auf die für das Vorjahr erstattete Begründung (siehe hg. RV/2100826/2016) bzw. auf die Erkenntnisse des , Ro 2016/15/0035, wonach die VO BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 in Art. 59a ihre unionsrechtliche Deckung finde. Im Übrigen werden Geschäftszahlen abweislicher Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichts angeführt.

In ihrem Vorlageantrag vom führt die Bf. unter Bezugnahme auf die oa. Judikatur Folgendes aus:
"In der Begründung der Beschwerdevorentscheidung wird unter anderem auf die VwGH Erkenntnisse vom , Ro 2016/15/0038 und Ro 2016/15/0035, verwiesen.
Der VwGH hat im Erkenntnis vom , Ro 2016/15/0035, zwar festgestellt, dass die VO BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 in Art. 59a MwStSystRL idF Art. 2 der RL 2008/8/EG ihre unionsrechtliche Deckung findet und diese daher grundsätzlich auf den vorliegenden Fall anwendbar wäre.
Voraussetzung dafür, dass die Leistung im Inland ausgeführt wird, ist aber nach § 1 der VO auch, dass sie dort (also im Inland) "genutzt oder ausgewertet" wird. Wann dies Fall ist und ob dies im vom VwGH entschiedenen Fall gegeben war, hat der VwGH in seinem Erkenntnis nicht festgestellt.
Sowohl in der Begründung des Bescheides als auch in der Beschwerdevorentscheidung werden die Begriffe "genutzt oder ausgewertet" nicht einmal erwähnt, sondern es wird offenbar ohne darauf einzugehen, davon ausgegangen, dass die Voraussetzung für die Erstattung der Vorsteuern nach der VO BGBl. Nr. 279/1995 (Vorsteuererstattungsverordnung) nicht gegeben sind.
Im Beschwerdefall liegt aber keine Nutzung oder Auswertung im Inland vor, da eine solche nur vorliegt, wenn der Leistungsempfänger im Inland ansässig ist.
Die deutsche Finanzverwaltung vertritt im geänderten Umsatzsteueranwendungserlass die Ansicht (UStAE, GZ IV D 3-S 7340/14/10002, DOK 2014/1099363, vom , Punkt 8. Abschnitt 3a.9a Absatz 4 z 2, weitgehend gestützt auf Artikel 24b Buchstabe b MwStVO des Rates der EU), dass bei Inanspruchnahme der Telekommunikationsdienstleistung über ein mobiles Telekommunikationsnetz aus Praktikabilitätsgründen sich die Ansässigkeit des Leistungsempfängers nach dem Land bestimme, das durch den Ländercode der bei Inanspruchnahme dieser Leistung verwendeten SIM-Karte bezeichnet werde.
Zusammengefasst ist davon auszugehen, dass im Beschwerdefall keine Ortsverlagerung der erbrachten Telekommunikationsleistungen in das Inland auf Grund der Telekom Verordnung stattgefunden hat.
Der Leistungsort liegt gemäß § 3a Abs. 6, Abs. 13 lit. a und Abs. 14 Z 12 UStG 1994 im Empfängerland, das ist das Land dessen Code die Sim-Karten der Leistungsempfänger haben. Im Beschwerdefall ist dies auch das Sitzland der Bf.
Zu der Aussage in der Bescheidbegründung, dass im Ansässigkeitsstaat des Unternehmens keine mit Österreich vergleichbare Umsatzsteuerbelastung besteht ist Folgendes anzumerken:
Die Telekommunikationsdienstleistungen unterliegen der australischen Umsatzsteuer in Höhe von 10%.
Zur Vergleichbarkeit der Umsatzsteuerbelastung ist zu sagen, dass der VwGH (insbesondere im Erkenntnis 2005/15/0104) nicht ausgesagt hat, dass Vergleichbarkeit der Besteuerung vorliegt, wenn eine Umsatzbesteuerung in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes vorliegt, sondern vielmehr der dort unstrittige Sachverhalt vorlag, dass eine vergleichbare Steuerbelastung im Drittland vorlag. UE widerspricht die vom Finanzamt - vermeintlich auf die Judikatur des VwGH gestützte - vertretene Rechtsansicht, dass eine "Nichtbesteuerung" iS der Telekomverordnung vorliegt, wenn der Mindeststeuersatz jenem der RL 2006/112/EG nicht entspricht, bereits dem Wortsinn. "Keine" Besteuerung liegt dann nicht mehr vor, wenn eine - wenn auch unter Umständen geringe - Umsatzbesteuerung - wie jene der in Australien mit 10 % - die Umsätze belastet.
Anzumerken ist auch, dass durch die Rechtsansicht des Finanzamtes die gesamte, auf den gegenständlichen Umsätzen lastende Umsatzbesteuerung (nämlich 10 % australische zuzüglich 20 % österreichische) zu einer exzessiven Steuerbelastung i.H.v. 30 % führt.
Da nach § 3a Abs. 16 UStG eine Leistungsortverlagerung durch Verordnung erfolgen kann, Doppelbesteuerungen, Nichtbesteuerungen oder Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, werden durch die Rechtsansicht des Bundesfinanzgerichtes die gesetzlichen Vorgaben nicht erfüllt, da diese gerade zu einer Doppelbesteuerung führt."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Bf. ist eine im Drittland ansässige Mobiltelekommunikationsgesellschaft, die an ihre ebenfalls im Drittland ansässigen Kunden Telekommunikationsleistungen in Österreich erbracht hat, indem sie es ihnen ermöglicht hat, mit ihren Mobiltelefonen in Österreich zu telefonieren. Um diese Leistungen zu erbringen, stellten österreichische Mobiltelefonnetzbetreiber der Bf. ihr Netz gegen Verrechnungen von Benützungsgebühren unter Ausweis österreichischer Umsatzsteuer zur Verfügung, für welche die Bf. den Vorsteuerabzug im Erstattungsverfahren beantragt.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage und kann in tatsächlicher Hinsicht als unstrittig angesehen werden.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 21 Abs. 9 UStG 1994 kann der Bundesminister für Finanzen für Unternehmer, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, durch Verordnung die Erstattung der Vorsteuern abweichend von den Abs. 1 bis 5 sowie den §§ 12 und 20 regeln.
Auf Grund des § 21 Abs. 9 UStG 1994 erging die Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. Nr. 279/1995, in der hier anzuwendenden Fassung, BGBl. II Nr. 222/2009 bzw. BGBl. II Nr. 158/2014, "mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird", wenn der Unternehmer (von gegenständlich nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen) keine Umsätze iSd § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 ausgeführt hat.
Nach § 3a Abs. 13 lit. a iVm Abs. 14 Z 12 UStG 1994 idF BGBl. I Nr. 52/2009 werden Telekommunikationsdienste im Drittland ausgeführt, wenn der Empfänger ein Nichtunternehmer ist und er keinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet hat.
Nach § 3a Abs. 16 UStG 1994 in der angeführten Fassung kann der Bundesminister für Finanzen, um Doppelbesteuerungen, Nichtbesteuerungen oder Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, durch Verordnung festlegen, dass sich bei sonstigen Leistungen, deren Leistungsort sich u.a. nach Abs. 13 lit. a UStG 1994 bestimmt, der Ort der sonstigen Leistungen danach richtet, wo die sonstige Leistung genutzt oder ausgewertet wird. Der Ort der sonstigen Leistung kann danach statt im Drittlandsgebiet als im Inland gelegen behandelt werden.
§ 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009, bestimmt:
"Liegt bei einer in § 3a Abs. 14 Z 12 und 13 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 52/2009, bezeichneten Leistung der Ort der Leistung gemäß § 3a des Umsatzsteuergesetzes 1994 außerhalb des Gemeinschaftsgebietes, so wird die Leistung im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird."
Der EuGH hat im Urteil vom , SK Telecom Co. Ltd, C-593/19, ausgesprochen, wonach Art. 59a Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom mit Wirkung vom geänderten Fassung dahingehend auszulegen ist, dass Roamingleistungen, die von einem in einem Drittland ansässigen Mobilfunkbetreiber an seine Kunden, die ebenfalls in diesem Drittland ansässig sind bzw. dort ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, erbracht werden und die es diesen Kunden ermöglichen, das nationale Mobilfunknetz des Mitgliedstaats, in dem sie sich vorübergehend aufhalten, zu nutzen, als Dienstleistungen anzusehen sind, deren "tatsächliche Nutzung oder Auswertung" im Sinne dieser Bestimmung im Gebiet dieses Mitgliedstaats erfolgt, so dass dieser den Ort der Roamingleistungen so behandeln kann, als läge er in seinem Gebiet, wenn dadurch eine Nichtbesteuerung der Roamingleistungen in der Union vermieden wird und ohne dass es hierbei darauf ankommt, welcher steuerlichen Behandlung die Roamingleistungen nach dem nationalen Steuerrecht des Drittlands unterliegen (; , Ro 2019/15/0011 sowie und Ra 2019/15/0010).

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im Übrigen wird auf die oa. Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen.

Graz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise



EuGH, C-593/19
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.2100403.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at