Der bloße Verweis auf das Vorliegen von Rabattvereinbarungen und Geschäftsanalysen stellt keinen ausreichenden Wiederaufnahmegrund dar. Die Wiederaufnahmegründe müssen im Zeitpunkt der Erlassung des Wiederaufnahmebescheides ausgeführt werden.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch KPMG Alpen-Treuhand GmbH, Porzellangasse 51, 1090 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend
1. Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO hinsichtlich der Vorsteuererstattung für den Zeitraum 1-12/2010
2. Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO hinsichtlich der Vorsteuererstattung für den Zeitraum 1-12/2011
3. Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO hinsichtlich der Vorsteuererstattung für den Zeitraum 1-12/2012
4. Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO hinsichtlich der Vorsteuererstattung für den Zeitraum 1-12/2013
Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden - ersatzlos - aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
In den angefochtenen Bescheiden verfügte die belangte Behörde die Wiederaufnahme des Verfahrens früherer positiv beschiedener Vorsteuererstattungsverfahren. In ihrer Begründung führte sie aus, es seien neue Tatsachen hervorgekommen, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden seien und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten. Weitere Ausführungen sind in diesen Bescheiden nicht enthalten. In der Begründung zu den Sachbescheiden im wiederaufgenommenen Verfahren wird u.a. ausgeführt, es sei der Finanzverwaltung nunmehr bekannt geworden, dass es auf Basis von zwischen der Konzernmutter des österreichischen Telekomunternehmens und dem Drittstaatstelekommunikationsunternehmer geschlossener Rabattvereinbarungen nachträglichen Rabattierungen von Roamingdienstleistungen gekommen sei, wobei der Rabatt über die Konzernmutter verrechnet bzw. weitergeleitet worden sei. Nach Minderung der Bemessungsgrundlage wären die Vorsteuern des Leistungsempfängers zu korrigieren. Weiters verwies die belangte Behörde auf die Umsatzsteuerveranlagungspflicht unter Berücksichtigung eines durchschnittlichen Gewinnzuschlages sowie gewährter Rabatte.
In ihrer Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide bestritt die Beschwerdeführerin (Bf.) das Vorliegen eines Neuerungstatbestandes, weil im jeweiligen Vorsteuererstattungsverfahren an das Finanzamt sämtliche Belege sowie eine Ansässigkeitsbescheinigung im Original vorgelegt worden seien. Es seien somit sämtliche Unterlagen für die Würdigung des Sachverhaltes von Anfang an offengelegt worden. Es sei auch zu keinen weiteren Rückfragen des Finanzamtes gekommen. Die Vorsteuern wurden erstattet.
Was die Begründung des Finanzamtes zu den hinsichtlich der Rabattvereinbarungen zwischen der Konzernmutter eines österreichischen Telekomunternehmens und der Bf. anlange, werde nicht näher ausgeführt, um welches Unternehmen es sich handelt, wobei über die Rabattvereinbarungen lediglich Mutmaßungen angestellt worden seien. Es gebe auch dazu keine Ausführungen, dass die Bf. in den angeführten Jahren Rabattierungen erhalten habe, welche die Bemessungsgrundlage gemindert hätte. Der bloße Hinweis auf behördliche Ermittlungen genüge nicht als Begründung des angefochtenen Bescheides.
In ihrer Beschwerdevorentscheidung führte die belangte Behörde u.a. aus, die Bf. sei ein im Drittland ansässiges Telekommunikationsunternehmen, welches im Finanzamt als Vorsteuer-Erstatter (VO BGBl 1995/279 idgF) geführt werde. Der Umstand, dass im Zuge von Ermittlungen der Betriebsprüfung die Nichtanwendung des Erstattungsverfahrens Rabattzahlungen festgestellt wurden, könne als neue Tatsache angesehen werden und diese Umstände wären im abgeschlossenen Verfahren bisher nicht bekannt gewesen. Die Geschäftsanalyse des Unternehmens bzw. die umsatzsteuerliche Beurteilung hinsichtlich der Besteuerung der Telekommunikationsdienstleistungen der Bf. an ihre Kunden seien Umstände, die im abgeschlossenen Verfahren bisher nicht bekannt gewesen wären. Eine "wesentliche" neue Tatsache, die eine Wiederaufnahme der Verfahren rechtfertige, sei, dass sich durch die Prüfung eine Steuerpflicht in Österreich und damit die Anwendung des Umsatzsteuerveranlagungsverfahrens ergebe und die Erstattungs-VO somit nicht mehr Anwendung finde.
In ihrem Vorlageantrag wiederholte die Bf. i.W. ihre bisher vorgebrachten Argumente des Nichtvorhandenseins eines ausreichenden Neuerungstatbestandes und der Hinweis auf Rabattzahlungen in der Beschwerdevorentscheidung sei ein - nach der Judikatur des VwGH - unzulässiges Nachschieben von Gründen, um eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu rechtfertigen.
Beispielsweise konnten nach Erlassung der angefochtenen Bescheide für die Kalenderjahre 2010-2013 Vorsteuerminderungen von 2010: 0; 2011: 17.262,90; 2012: 30.084,98; 2013: 40.074,30 aus Rabatten (Entgeltsminderungen) von der belangten Behörde ins Treffen geführt werden. In diesem Zusammenhang darf auf den für die Bf. erstellten Außenprüfungsbericht vom und die von der GBP-IT erstellte Liste 11/2017 verwiesen werden.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Sachverhalt ergibt sich im Wesentlichen aus dem oa. Verfahrensgang. Auf Grund der Telekom-Verordnung des BMF und der entsprechenden Rz. der UStR (Verwaltungspraxis) ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Ermöglichung des Telefonierens im Inland durch ein drittländisches Telekommunikationsunternehmen einen steuerbaren und steuerpflichtigen Inlandsumsatz darstellt. Diese Rechtsansicht wurde auch vom , geteilt.
Ausgehend von dieser Rechtsansicht wäre daher die Anwendung des Vorsteuererstattungsverfahrens ausgeschlossen gewesen und daher könnten auf diesem Wege keine Vorsteuern erstattet werden.
Die Bf. hat in den seinerzeitigen Erstattungsverfahren unbestritten entsprechende Rechnungen inländischer Telekommunikationsunternehmen betreffend im Inland erbrachte Roamingleistungen zur Vorsteuererstattung eingereicht, die mit entsprechenden Bescheiden erstattet wurden.
Hierzu ist festzustellen, dass die in den angefochtenen Bescheiden erwähnten Rabatte im Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch gar nicht bekannt waren, da sich in den wiederaufgenommenen Bescheiden hierzu keine Änderungen gegenüber den ursprünglichen Erstattungsbescheiden fanden. Die Äußerung einer vermeintlich festzustellenden Tatsache stellt noch keinen ausreichenden Wiederaufnahmegrund dar. Sie indiziert lediglich, dass Gutschriften, Rabatte möglicherweise stattgefunden hätten. Damit stellt die belangte Behörde lediglich einen allfälligen Erhebungsbedarf fest.
Beispielsweise konnten nach Erlassung der angefochtenen Bescheide für die Kalenderjahre 2010-2013 Vorsteuerminderungen von 2010: 0; 2011: 17.262,90; 2012: 30.084,98; 2013: 40.074,30 aus Rabatten (Entgeltsminderungen) ins Treffen geführt werden. In diesem Zusammenhang darf auf den für die Bf. erstellten Außenprüfungsbericht vom und die von der GBP-IT erstellte Liste 11/2017 verwiesen werden.
2. Beweiswürdigung
Bereits aus den seinerzeit eingereichten Rechnungen kann unschwer auf einen inländischen Leistungsort und damit auf die Unzulässigkeit des Erstattungsverfahrens indiziell geschlossen werden. Daraus ist zu erkennen, dass die Kunden der Bf. im Inland telefoniert haben. Somit war der belangten Behörde bekannt, dass die Bf. aus der Ermöglichung des Telefonierens im Inland steuerbare und steuerpflichtige Umsätze erzielt hat. Trotz dieses - ein Vorsteuererstattungsverfahren hindernden - Umstandes (kurz zusammengefasst: Erzielen von steuerpflichtigen Umsätzen, die die Anwendung der Erstattungsverordnung ausschließen) wurden rechtsirrtümlich Vorsteuererstattungen gewährt. In den angefochtenen Bescheiden wurden keine neuen Tatsachen aufgezeigt, sondern lediglich eine andere rechtliche Beurteilung vorgenommen.
Was die Vorsteuerminderungen aus erhaltenen Rabatten angelangt, ist festzuhalten, dass diese erst rd. 1 Jahr nach Erlassung der angefochtenen Bescheide ermittelt wurden, wobei für das Kalenderjahr 2010 keine Rabatte ausgewiesen waren.
3. Rechtliche Beurteilung
Rechtsquellen:
§ 303 BAO:
(1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
(2) …
[BGBl I 2013/14]
§ 307 BAO:
(1) Mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid ist unter gleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheides die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden. Dies gilt nur, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist.
(2) (aufgehoben durch BGBl I 2002/97)
(3) Durch die Aufhebung des die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat.
[BGBl I 2009/20]
§ 3a UStG 1994 (bis BGBl. I 40/2014) lautet:
…
(13) Die im Abs. 14 bezeichneten sonstigen Leistungen werden ausgeführt:
a) Ist der Empfänger ein Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 und hat er keinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet, wird die sonstige Leistung an seinem Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Drittlandsgebiet ausgeführt;
b) ist der Empfänger einer in Abs. 14 Z 14 bezeichneten sonstigen Leistung ein Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 und hat er Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet, wird die Leistung dort ausgeführt, wo der Empfänger Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn die Leistung von einem Unternehmer ausgeführt wird, der sein Unternehmen vom Drittlandsgebiet aus betreibt. Das gilt sinngemäß, wenn die Leistung von einer im Drittlandsgebiet gelegenen Betriebsstätte des Unternehmers ausgeführt wird.
(14) Sonstige Leistungen im Sinne des Abs. 13 sind:
1. Die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus urheberrechtlichen Vorschriften ergeben;
2. die Leistungen, die der Werbung oder der Öffentlichkeitsarbeit dienen;
3. die sonstigen Leistungen aus der Tätigkeit als Rechtsanwalt, Patentanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Sachverständiger, Ingenieur, Aufsichtsratsmitglied, Dolmetscher und Übersetzer sowie ähnliche Leistungen anderer Unternehmer;
4. die rechtliche, technische und wirtschaftliche Beratung;
5. die Datenverarbeitung;
6. die Überlassung von Informationen einschließlich gewerblicher Verfahren und Erfahrungen;
7. die sonstigen Leistungen der in § 6 Abs. 1 Z 8 lit. a bis i und Z 9 lit. c bezeichneten Art;
8. die Gestellung von Personal;
9. der Verzicht, ein in diesem Absatz bezeichnetes Recht wahrzunehmen;
10. der Verzicht, ganz oder teilweise eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit auszuüben;
11. die Vermietung beweglicher körperlicher Gegenstände, ausgenommen Beförderungsmittel;
12. die Telekommunikationsdienste;
13. die Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen;
14. die auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen;
15. die Gewährung des Zugangs zu einem Erdgasnetz im Gebiet der Gemeinschaft oder zu einem an ein solches Netz angeschlossenes Netz, zum Elektrizitätsnetz oder zu Wärme- oder Kältenetzen sowie die Fernleitung, Übertragung oder Verteilung über diese Netze und die Erbringung anderer unmittelbar damit verbundener Dienstleistungen.
(15) Erbringt ein Unternehmer, der sein Unternehmen vom Drittlandsgebiet aus betreibt,
1. die Vermietung von Beförderungsmitteln oder
2. eine sonstige Leistung, die im Abs. 14 Z 1 bis 13 und 15 bezeichnet ist, an eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 ist, mit Sitz im Inland, so wird die Leistung im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird. Das gilt sinngemäß, wenn die Leistung von einer im Drittlandsgebiet gelegenen Betriebsstätte ausgeführt wird.
(16) Der Bundesminister für Finanzen kann, um Doppelbesteuerungen, Nichtbesteuerungen oder Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, durch Verordnung festlegen, dass sich bei sonstigen Leistungen, deren Leistungsort sich nach Abs. 6, 7, 12 oder 13 lit. a bestimmt, der Ort der sonstigen Leistung danach richtet, wo die sonstige Leistung genutzt oder ausgewertet wird. Der Ort der sonstigen Leistung kann danach
1. statt im Inland als im Drittlandsgebiet gelegen und
2. statt im Drittlandsgebiet als im Inland gelegen
behandelt werden. Das gilt nicht für Leistungen im Sinne des Abs. 14 Z 14, wenn der Leistungsempfänger ein Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 ist, der keinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet hat.
Gemäß § 21 Abs. 9 UStG 1994 kann der Bundesminister für Finanzen für Unternehmer, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, durch Verordnung die Erstattung der Vorsteuer abweichend von den Abs. 1 bis 5 sowie den §§ 12 und 20 regeln. Auf Grund des § 21 Abs. 9 UStG 1994 erging die Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. Nr. 279/1995 in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. II Nr. 222/2009, "mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmen geschaffen wird", wenn der Unternehmer (von gegenständlich nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen) keine Umsätze iSd § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 ausgeführt hat.
Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, BGBl II 2003/383 idF BGBl II 2009/221:
Auf Grund des § 3a Abs. 10 Z 13 und 14 sowie Abs. 13 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663/1994, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 71/2003 wird verordnet:
§ 1. Liegt bei einer in § 3a Abs. 14 Z 12 und 13 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 52/2009, bezeichneten Leistung der Ort der Leistung gemäß § 3a des Umsatzsteuergesetzes 1994 außerhalb des Gemeinschaftsgebietes, so wird die Leistung im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird.
§ 2. Als Telekommunikationsdienste gelten solche Dienstleistungen, mit denen Übertragung, Ausstrahlung oder Empfang von Signalen, Schrift, Bild und Ton oder Informationen jeglicher Art über Draht, Funk, optische oder sonstige elektromagnetische Medien gewährleistet werden; dazu gehören auch die Abtretung und Einräumung von Nutzungsrechten an Einrichtungen zur Übertragung, Ausstrahlung oder zum Empfang.
§ 3. (1) Die Verordnung ist auf Umsätze anzuwenden, die nach Ablauf des Tages, an dem die Verordnung im Bundesgesetzblatt kundgemacht wurde, ausgeführt werden.
(2) Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten, BGBl. II Nr. 102/1997, ist nicht mehr auf Umsätze anzuwenden, die nach Ablauf des Tages, an dem die Verordnung im Bundesgesetzblatt kundgemacht wurde, ausgeführt werden.
(3) § 1 in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 221/2009 ist auf Umsätze anzuwenden, die nach dem ausgeführt werden.
Umsatzsteuerrichtlinien (UStR)
Rz 643:
Liegt der Ort der Telekommunikationsdienstleistung, Rundfunk- oder Fernsehdienstleistung außerhalb des Gemeinschaftsgebietes und unterliegt die Leistung dort keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung, so wird sie nach der VO des BM für Finanzen, BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird. Das gilt unabhängig davon, ob die Leistung an einen Unternehmer iSd § 3a Abs. 5 Z 1 und 2 UStG 1994 oder an einen Nichtunternehmer iSd § 3a Abs. 5 Z 3 UStG 1994 erbracht wird.
Die österreichischen Netzanbieter haben die Möglichkeit, sich hinsichtlich der von ihnen erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen an Drittlandsunternehmer auf das für sie günstigere EU-Recht zu berufen. Eine Berufung ist jedoch nur in solchen Fällen möglich, in denen Telekommunikationsdienstleistungen an Empfänger im Drittland erbracht werden und diese Leistungen im Drittland einer der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegen. Letztere Voraussetzung ist vom österreichischen Netzanbieter nachzuweisen, wobei dies beispielsweise durch Beschreibung der gesetzlichen Bestimmungen im Drittland und Vorlage entsprechender Steuerbescheide erfolgen kann.
Beispiel:
Ein österreichischer Mobilfunkbetreiber schließt mit einem Mobilfunkbetreiber mit Sitz im Drittland einen Vertrag ab, wonach die beiden Vertragsparteien den jeweils berechtigten Kunden der anderen Vertragspartei die Möglichkeit geben, Telekommunikationsleistungen auf dem von ihnen betriebenen Netz zu erhalten (Roaming-Vertrag). Der Kunde des Drittlandsunternehmers telefoniert in Österreich. Die Telekommunikationsdienstleistung unterliegt im Drittland keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung.
Der Ort der Leistung des österreichischen Unternehmers beurteilt sich zunächst nach § 3a Abs. 6 UStG 1994 und liegt nach dieser Bestimmung im Drittland, da die Leistung einem Unternehmer gegenüber erbracht wird. Da diese Leistung jedoch in Österreich genutzt wird, verlagert sich der Ort der Leistung auf Grund der Verordnung des BM für Finanzen, BGBl. II Nr. 383/2003 nach Österreich.
…
Wird die Leistung einem Unternehmer im Drittland oder einem Nichtunternehmer im Drittland gegenüber erbracht, liegt der Ort der Leistung gemäß § 3a Abs. 6 oder Abs. 13 UStG 1994 idF ab (bis : § 3a Abs. 13 lit. a oder Abs. 7 UStG 1994) jeweils im Drittland. Da diese Leistung jedoch in Österreich genutzt wird, verlagert sich der Ort der Leistung auf Grund der Verordnung des BM für Finanzen, BGBl. II Nr. 383/2003 nach Österreich."
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Auf Grund der oa. Verordnung des BMF und der entsprechenden Rz. der UStR (Verwaltungspraxis) ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Ermöglichung des Telefonierens im Inland durch ein drittländisches Telekommunikationsunternehmen einen steuerbaren und steuerpflichtigen Inlandsumsatz darstellt. Diese Rechtsansicht wurde auch vom , geteilt.
Ausgehend von dieser Rechtsansicht ist daher die Anwendung des Vorsteuererstattungsverfahren ausgeschlossen und daher könnten auf diesem Wege keine Vorsteuern erstattet werden.
Die Bf. hat in den seinerzeitigen Erstattungsverfahren entsprechende Rechnungen inländischer Telekommunikationsunternehmen betreffend im Inland erbrachte Roamingdienstleistungen zur Vorsteuererstattung eingereicht, die nach den Ausführungen der Außenprüfung auch mit entsprechenden Bescheiden erstattet wurden.
Bereits aus den Rechnungen über die verrechneten Roaminggebühren der inländischen Telekombetreiber kann unschwer geschlossen werden, dass die Kunden der Bf. im Inland telefoniert haben. Somit war in rechtlicher Hinsicht der Sachverhalt der belangten Behörde ausreichend bekannt. Damit lag in rechtlicher Hinsicht die die Unzulässigkeit des Erstattungsverfahrens auf der Hand. Somit war der belangten Behörde bekannt, dass die Bf. aus der Ermöglichung des Telefonierens im Inland steuerbare und steuerpflichtige Umsätze erzielt hat. Trotz dieses ein Vorsteuererstattungsverfahren hindernden Umstandes (kurz zusammengefasst: Erzielen von steuerpflichtigen Umsätzen) wurden Vorsteuererstattungen gewährt. Damit wurde in den Wiederaufnahmebescheiden keine neue Tatsache aufgezeigt.
Das Anführen von allfällig gewährten Rabatten, ohne diese in den angefochtenen Bescheiden zu quantifizieren, stellt keinen ausreichenden Wiederaufnahmegrund dar. Welche Rabattgutschriften dies im Detail seien, ist in den angefochtenen Bescheiden einschließlich Sachbescheiden nicht zu entnehmen. Die bloße Kenntnis der Behörde von möglichen nicht konkret festgestellten Rabatten bietet noch keinen ausreichenden Grund eine Wiederaufnahme des Erstattungsverfahrens zu verfügen, ohne gleichzeitig die Höhe der vorzunehmenden Berichtigungen zu nennen. M.a.W. wird die Wiederaufnahme des Verfahrens mit später zu erwarteten Feststellungen (abgabenbehördliche Auswertungen) in Bezug auf das Vorsteuervolumen (Rabatte) begründet. Dabei übersieht die belangte Behörde, dass es für jeden Wiederaufnahmebescheid einen begründeten Wiederaufnahmegrund bedurft hätte. Die in der Beschwerdevorentscheidung angeführten später abgeschlossenen Ermittlungen (vgl. das vorhin erwähnte Berechnungsblatt aus 11/2017 über Vorsteuerminderungen aus erhaltenen Rabatten) stellt ein versuchtes Nachholen von im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide nicht ausreichend festgestellter Wiederaufnahmegründe dar. Abgesehen davon könnte man damit für das Jahr 2010 überhaupt keine Wiederaufnahme begründen.
Nach der Rechtsprechung des VwGH gehört der maßgebliche Wiederaufnahmetatbestand in den Spruch des Bescheides (; , 90/13/0027; , 91/14/0165; , 96/16/0135). Lässt der Spruch für sich allein Zweifel an seinem Inhalt offen, so ist die Begründung als Auslegungsbehelf heranzuziehen. Die Wiederaufnahmegründe sind in der Begründung anzuführen. Dies ist nicht zuletzt deshalb notwendig, weil nach der Judikatur des VwGH (; , 90/14/0044; , 91/14/0165; , 93/14/0187, 0188) sich die Rechtsmittelbehörde bei der Erledigung der gegen die Verfügung der Wiederaufnahme gerichteten Rechtsmittels auf keine neuen Wiederaufnahmegründe stützen kann (Verbot des Nachschiebens von Wiederaufnahmegründe im Rechtsmittelverfahren). "Neue" Wiederaufnahmegründe könnten (nach der Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides mit Beschwerdevorentscheidung oder mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes) neuerlich zu einer Verfügung der Wiederaufnahme durch die Abgabenbehörde führen. Eine zweite Wiederaufnahme kann sich nicht auf denselben Wiederaufnahmegrund wie die erste, gescheiterte Wiederaufnahme stützen (vgl ). Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die für Beschwerdevorentscheidungen bestehende Änderungsbefugnis (§ 263 Abs. 1) mit jener für Erkenntnisse (§ 279 Abs. 3) ident ist. Weiters ist im Beschwerdeverfahren über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides (und nicht über jene der Beschwerdevorentscheidung) zu entscheiden.
Die Begründung von Verfügungen der Wiederaufnahme hat nicht nur (je Bescheid) die entsprechenden Wiederaufnahmsgründe anzugeben, sondern auch die zeitliche Abfolge des Bekanntwerdens der maßgebenden Tatsachen und Beweismittel darzustellen ().
Die Wiederaufnahme eines Abgabenverfahrens führt zur gänzlichen Beseitigung jenes Bescheides, der das wiederaufgenommene Verfahren seinerzeit zum Abschluss gebracht hat. Der frühere Bescheid tritt durch eine (erfolgreiche) Wiederaufnahme des Verfahrens zur Gänze außer Kraft (). Der Wiederaufnahmebescheid und der neue Sachbescheid sind zwei getrennt () zu beurteilende Bescheide, die jeder für sich einer Bescheidbeschwerde zugänglich sind bzw. der Rechtskraft teilhaftig werden können (; , 2000/14/0142; , 2006/15/0367; , 2007/15/0041; ).
Soweit dem Schriftsatz vom , eingelangt am , ersichtlich, wurde lediglich die Vorlage der Beschwerde über die Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens an das Bundesfinanzgericht begehrt.
Da wie im Spruch des Erkenntnisses ersichtlich die durch die angefochtenen Bescheide verfügten Wiederaufnahmen der entsprechenden Erstattungsverfahren aufgehoben wurden, scheiden die von der belangten Behörde erlassenen neuen Sachbescheide (Festsetzung der Vorsteuern mit Null Euro) gleichzeitig - wie bereits vorhin erwähnt - aus dem Rechtsbestand aus.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Feststellung fehlender Wiederaufnahmegründe ist keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.
Graz, am
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.2100425.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at