Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.02.2022, RV/6100060/2022

Die Höhe des vortragsfähigen Verlustes wird im Entstehungsjahr mit Bindungswirkung für das Verrechnungsjahr festgestellt

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze
RV/6100060/2022-RS1
Über die betragsmäßige Höhe des Verlustabzuges ist regelmäßig im jeweiligen Entstehungsjahr und nicht im Verrechnungsjahr abzusprechen. Die Höhe des Verlustabzuges ist nicht Sache des Jahres, in dem der Verlust verrechnet wird. Vielmehr sind bei einer allfälligen nachträglichen Änderung der vortragsfähigen Verluste, die Bescheide der davon betroffenen Folgejahre gem § 295 Abs 3 BAO zwingend und von Amts wegen anzupassen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Albert Salzmann in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Körperschaftsteuerbescheid des Finanzamtes Österreich vom zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Nach Durchführung eines Außenprüfungsverfahrens hat das Finanzamt Österreich (FA) am einen Bescheid betreffend Körperschaftsteuer 2020 erlassen und ist dabei von der Steuererklärung abgewichen, indem es den beantragten Verlustvortrag nicht berücksichtigt hat.

Mit Schriftsatz vom hat die beschwerdeführende Partei (bP) gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2020 Beschwerde erhoben und diese damit begründet, dass die Beträge im angefochtenen Bescheid unrichtig und noch nicht entschieden seien.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das FA die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und dies damit begründet, dass aufgrund der im Betriebsprüfungsberichtes vom getroffenen Feststellungen keine vortragsfähigen Verluste für die Veranlagung 2020 vorlägen.

Mit Schriftsatz vom , eingebracht mittels FinanzOnline, beantragt die bP die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (BFG). Im Vorlageantrag verweist die bP auf mehrere Schreiben an das FA im Zusammenhang mit einem Beschwerdeverfahren betreffend Körperschaftsteuer 2015. Inhaltlich wendet die bP ein, dass der vorhandene Verlustvortrag für nicht rechtskräftig Bescheide verwendet worden sei.

Mit Vorlagebericht vom hat das FA die Beschwerde elektronisch dem BFG zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Im Zuge eines Außenprüfungsverfahrens für den Zeitraum 2015 bis 2018 (Körperschaftsteuer) hat das FA Feststellungen getroffen, die dazu geführt haben, dass der in der Körperschaft-steuererklärung für 2020 beantragte Verlustvortrag bereits in den Vorjahren zur Gänze mit positiven Einkünften verrechnet wurde und für 2020 kein vortragsfähiger Verlust mehr verblieben ist.

Gegen den im Anschluss an das og Außenprüfungsverfahren ergangenen Körperschaftsteuer-bescheid für 2015 hat die bP Beschwerde erhoben. Über diese wurde bisher (noch) nicht rechtskräftig abgesprochen.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Akten, insbesondere dem Steuerakt laut FinanzOnline, aus den Schriftsätzen der bP vom sowie und ist unter den Verfahrensparteien unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Rechtsgrundlagen

§ 8 Abs 4 Z 2 KStG 1988 idFv lautet
"Folgende Ausgaben sind bei der Ermittlung des Einkommens als Sonderausgaben abzuziehen, soweit sie nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten darstellen:
1. ….
2. Der Verlustabzug im Sinne des § 18 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes 1988 nach Maßgabe folgender Bestimmungen:

  1. Der Verlustabzug steht nur im Ausmaß von 75% des Gesamtbetrages der Einkünfte zu. Insoweit die Verluste im laufenden Jahr nicht abgezogen werden können, sind sie in den folgenden Jahren unter Beachtung dieser Grenze abzuziehen.

  2. Lit. a ist in folgenden Fällen insoweit nicht anzuwenden, als im Gesamtbetrag der Einkünfte enthalten sind:
    - Gewinne aus einem Schulderlass, insbesondere Sanierungsgewinne gemäß § 23a,
    - Gewinne, die in Veranlagungszeiträumen anfallen, die von einem Insolvenzverfahren betroffen sind,
    - Gewinne aus der Veräußerung sowie der Aufgabe von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen,
    - Liquidationsgewinne gemäß § 19,
    - Beträge, die gemäß § 9 Abs. 6 Z 7 oder nach § 2 Abs. 8 Z 4 des Einkommensteuergesetzes 1988 nachzuversteuern sind,
    - Beträge gemäß § 6 Z 6 des Einkommensteuergesetzes 1988, ausgenommen jene nach § 6 Z 6 lit. a letzter Satz des Einkommensteuergesetzes 1988.

  3. Der Verlustabzug steht ab jenem Zeitpunkt nicht mehr zu, ab dem die Identität des Steuerpflichtigen infolge einer wesentlichen Änderung der organisatorischen und wirtschaftlichen Struktur im Zusammenhang mit einer wesentlichen Änderung der Gesellschafterstruktur auf entgeltlicher Grundlage nach dem Gesamtbild der Verhältnisse wirtschaftlich nicht mehr gegeben ist (Mantelkauf). Dies gilt nicht, wenn diese Änderungen zum Zwecke der Sanierung des Steuerpflichtigen mit dem Ziel der Erhaltung eines wesentlichen Teiles betrieblicher Arbeitsplätze erfolgen. Verluste sind jedenfalls insoweit abzugsfähig, als infolge der Änderung der wirtschaftlichen Struktur bis zum Ende des Wirtschaftsjahres der Änderung stille Reserven steuerwirksam aufgedeckt werden."

§ 18 Abs 6 EStG 1988 idFv lautet
"Als Sonderausgaben sind auch Verluste abzuziehen, die in einem vorangegangenen Jahr entstanden sind (Verlustabzug). Dies gilt nur,
- wenn die Verluste durch ordnungsmäßige Buchführung oder bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 ermitteln, durch ordnungsgemäße Einnahmen-Ausgaben-Rechnung, ermittelt worden sind und
- soweit die Verluste nicht bereits bei der Veranlagung für die vorangegangenen Kalenderjahre berücksichtigt wurden.
Die Höhe des Verlustes ist nach den §§ 4 bis 14 zu ermitteln."

§ 295 Abs 3 BAO lautet
"Ein Bescheid ist ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, auch ansonsten zu ändern oder aufzuheben, wenn der Spruch dieses Bescheides anders hätte lauten müssen oder dieser Bescheid nicht hätte ergehen dürfen, wäre bei seiner Erlassung ein anderer Bescheid bereits abgeändert, aufgehoben oder erlassen gewesen. Mit der Änderung oder Aufhebung des Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des anderen Bescheides oder der nachträglich erlassene andere Bescheid rechtskräftig geworden ist."

3.2. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Strittig ist die Höhe des bei der Ermittlung des Einkommens für 2020 gem § 8 Abs 4 Z 2 KStG 1988 iVm § 18 Abs 6 EStG 1988 zu berücksichtigenden Verlustabzuges. Unstrittig ist die grundsätzliche Abzugsfähigkeit des - der Höhe nach strittigen - Verlustabzuges.

Laut ständiger Rechtsprechung des VwGH ist über die Höhe des abzugsfähigen Verlustes in dem Jahr (hier 2015) abzusprechen, in dem der Verlust entstanden ist (siehe ). Der Ausspruch des Verlustes wird im Sinne des § 92 Abs 1 lit b BAO für ein späteres Abzugsverfahren betragsmäßig verbindlich (siehe ).

Im Verrechnungsjahr (hier 2020) entfaltet Vorjahresbescheide, in denen Verluste festgestellt oder vortragsfähige Verluste verrechnet wurden, Bindungswirkung (siehe ). Bei einer Änderung der Vorjahresbescheide (zB im Zuge des anhängigen Beschwerdeverfahrens betreffen Körperschaftsteuer 2015) sind die Bescheide der Folgejahre (zB hier Körperschaftsteuerbescheid 2020) zwingend gemäß § 295 Abs 3 BAO anzupassen.

Über die betragsmäßige Höhe des Verlustabzuges ist sohin regelmäßig im jeweiligen Entstehungsjahr und nicht im Verrechnungsjahr abzusprechen. Die Höhe des Verlustabzuges ist nicht Sache des Jahres, in dem der Verlust verrechnet wird. Vielmehr sind bei einer allfälligen nachträglichen Änderung der vortragsfähigen Verluste die Bescheide der davon betroffenen Folgejahre gem § 295 Abs 3 BAO zwingend und von Amts wegen anzupassen. Demzufolge war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Hinweis: Bei einer Änderung des Verlustvortrages (zB als Ergebnis des anhängigen Rechtsmittelverfahrens betreffend Körperschaftsteuer 2015) hat eine zwingende und von Amts wegen durchzuführende Anpassung der Körperschaftsteuerbescheide der Folgejahre (sohin gegebenenfalls auch für 2020) zu erfolgen. Weil darüber hinaus Abgabennachforderungen im Zuge des anhängigen Beschwerdeverfahrens betreffend Körperschaftssteuer 2015 gemäß § 212a BAO wegen dem bestehenden mittelbaren Zusammenhang zwischen Beschwerde und Abgabennachforderung auf Antrag ausgesetzt werden können, besteht kein gesondertes Rechtsschutzinteresse, welches mit der vorliegenden Beschwerde verfolgt werden könnte.

3.3. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da zur verfahrensgegenständlichen Rechtsfrage eine Rechtsprechung des Verwaltungs-gerichtshofes vorliegt und von dieser im vorliegenden Erkenntnis nicht abgewichen wird, liegt kein Grund vor, eine (ordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof zuzulassen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 295 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
§ 18 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.6100060.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at