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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 16.05.2022, RV/3100183/2022

Vertragserrichtungskosten: Wenn Auftrag zur Vertragserrichtung von beiden Vertragspartnern erteilt wird und sich die Käuferin zur alleinigen Entrichtung verpflichtet, zählen die hälftigen Kosten als "übernommene sonstige Leistung" iSd § 5 Abs. 1 Z 1 GrEStG zur Bemessungsgrundlage

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2022/16/0059. Zurückweisung mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Vorsitzende A und die Richterin
***Ri*** sowie die fachkundigen Laienrichter Ri2 und Ri3 in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Dan Katzlinger, Marktgraben 1, 6020 Innsbruck, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom , ErfNr, betreffend Grunderwerbsteuer zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert. Die Grunderwerbsteuer wird ausgehend von der Bemessungsgrundlage in Höhe von jeweils € 261.560 mit 3,5 v.H., sohin im Betrag
von je € 9.154,60, festgesetzt.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem am 15./ mit B und C (= je hälftige Verkäufer) abgeschlossenen Kaufvertrag hat ***Bf1*** (= Beschwerdeführerin, Bf) je 83/3691-Anteile bzw. zusammen 166/3691-Anteile an der Liegenschaft in EZ1, diese verbunden mit Wohnungseigentum am Reihenhaus 06, erworben (Pkt. 3.).
Laut Vertragspunkt 4. beträgt der Kaufpreis insgesamt € 520.000.

Unter Vertragspunkt 5. wurde zu den "Kosten" Folgendes vereinbart:
"5.1 Alle mit der Errichtung und grundbücherlichen Durchführung dieses Kaufvertrages verbundenen Kosten, Gebühren, Abgaben und Verkehrsteuern, auch die Kosten der Unterschriftenbeglaubigung für beide Vertragsparteien, trägt die Käuferseite. Davon ausgenommen sind die Immobilienertragsteuer einschließlich der Kosten für die Mitteilung und Selbstberechnung der …."

Unter Punkt 9. "Vollmacht" ist festgehalten:
"9.1 Die Vertragsteile beauftragen und bevollmächtigen RA DrD … mit der Errichtung und grundbücherlichen Durchführung dieses Vertrages und aller damit in Zusammenhang stehenden notwendigen und nützlichen Arbeiten und Rechtshandlungen, zur Anzeige des Vertrages beim Finanzamt bzw. zur Duchführung der Selbstberechnungserklärung, zur Entgegennahme von Gerichtsbeschlüssen und Bescheiden einschließlich Einbringung von Rechtsmitteln gegen diese."

Die Übergabe des Kaufobjektes samt allem rechtlichen und tatsächlichen Zubehör erfolgt am (Punkt 7.1).

2. Das Finanzamt hat im Hinblick auf den je hälftigen Liegenschaftserwerb der Bf mit zwei Bescheiden vom , ErfNr, die 3,5%ige Grunderwerbsteuer jeweils in Höhe von € 9.181,90 vorgeschrieben.
Als Bemessungsgrundlage wurde der je hälftige Kaufpreis von € 260.000 zuzüglich der gemäß § 184 BAO im Betrag von € 2.340 geschätzten Vertragserrichtungskosten herangezogen.
Das Finanzamt führt begründend aus, auch der Veräußerer habe den Auftrag zur Vertragserrichtung erteilt, weshalb die Vertragserrichtungskosten (VEK) zur Hälfte der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen seien.

3. In der gegen beide Bescheide rechtzeitig erhobenen Beschwerde wurde die Steuerfestsetzung lediglich vom Kaufpreis (je € 260.000) beantragt. Es wird eingewendet, die Vertragserrichtungskosten seien fälschlich in die Steuerbemessung miteinbezogen worden, da der Auftrag zur Vertragserrichtung ausschließlich von Käuferseite erfolgt sei. Diese Kosten (gesamt € 6.240) seien auch ausschließlich der Käuferseite in Rechnung gestellt und von ihr bezahlt worden. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung seien diese Kosten daher nicht Teil der Gegenleistung iSd § 5 Abs. 1 Z 1 GrEStG.
Zum Nachweis wurde die an die Bf gerichtete Honorarnote (Rg.Nr. 323/2021) des Rechts-vertreters und Vertragserrichters vom vorgelegt, wonach Vertragserrichtungskosten von € 5.200 zuzügl. 20 % USt, sohin in Höhe von € 6.240, verrechnet wurden.
Des Weiteren wurde der Treuhandauftrag vom 15./ beigebracht, demnach beide Vertragsseiten zwecks Abwicklung der Kaufpreiszahlung durch den Vertragserrichter (RA als Treuhänder) als auftraggebende Treugeber fungierten.

4. Mit Beschwerdevorentscheidungen (BVE) vom hat das Finanzamt den Beschwerden teilweise Folge gegeben und die Grunderwerbsteuer ausgehend von der Bemessungsgrundlage von € 261.560 (Kaufpreis + VEK € 1.560) jeweils in Höhe von € 9.154,60 festgesetzt.
Laut VwGH-Judikatur seien die VEK als sonstige Leistung dann zur Hälfte in die GrESt-Bemessungsgrundlage einzubeziehen, wenn - wie hier - laut Vertrag beide Vertragsteile den Auftrag zur Vertragserrichtung erteilten, die Kosten jedoch zur Gänze vom Käufer getragen würden. Zufolge Honorarnote seien die VEK im Betrag von tatsächlich € 6.240 (50 % = € 3.120) entstanden.
(Begründung im Einzelnen: siehe die BVEs vom samt gesonderter Bescheid-begründung vom ).

5. Im Vorlageantrag vom wird repliziert, aus den beigebrachten Beweisen gehe hervor, dass der Auftrag zur Vertragserrichtung gänzlich von der Käuferseite erteilt worden sei und ihr ausschließlich die Kostentragung obliege. Für Leistungen im Interesse der Verkäufer werde diesen ein gesondertes Honorar verrechnet.
Beantragt wurd die Vorlage zur Entscheidung durch den Senat des Bundesfinanzgerichtes.

II. Sachverhalt:

In gegenständlichem - von beiden Vertragsteilen unterfertigten, notariell beglaubigten - Kaufvertrag vom 15./ wurde unter Vertragspunkt 9.1 vereinbart, dass beide Vertragsteile Herrn RA DrD mit der Errichtung und grundbücherlichen Durchführung dieses Vertrages und aller damit in Zusammenhang stehenden notwendigen und nützlichen Arbeiten und Rechtshandlungen, zur Anzeige des Vertrages beim Finanzamt, zur Duchführung der Selbstberechnungserklärung, zur Entgegennahme von Gerichtsbeschlüssen und Bescheiden und Einbringung von Rechtsmitteln beauftragen und bevollmächtigen.

Unter Vertragspunkt 5.1 wurde ausdrücklich vereinbart, dass "alle mit der Errichtung und grundbücherlichen Durchführung dieses Kaufvertrages verbundenen Kosten, Gebühren, Abgaben und Verkehrsteuern, auch die Kosten der Unterschriftenbeglaubigung für beide Vertragsparteien" die Bf als Liegenschaftskäuferin (alleine) trägt.

Diese Kosten ("Honorar Vertragserrichtung lt. Vereinbarung") wurden der Bf in Höhe von brutto € 6.240 verrechnet und von ihr bezahlt (siehe Honorarnote v. ).

III. Beweiswürdigung:

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich aus den im Kaufvertrag vom 15./ getroffenen Vereinbarungen; diese wurden von den Parteien als ihrem Willen entsprechend unterfertigt. Die Höhe der tatsächlich zu entrichtenden VEK ergibt sich aus der vorgelegten Honorarnote.

IV. Rechtslage:

A) Gesetzliche Bestimmungen:

Nach § 1 Abs. 1 Z 1 Grunderwerbsteuergesetz 1987 (GrEStG), BGBl 1987/309 idgF., unterliegen der Grunderwerbsteuer Kaufverträge oder andere Rechtsgeschäfte, die den Anspruch auf Übereignung begründen, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen.

Gemäß § 4 Abs. 1 GrEStG 1987 ist die Steuer grundsätzlich vom Wert der Gegenleistung (§ 5), mindestens vom Grundstückswert, zu berechnen.

Gegenleistung bei einem Kauf (§ 1053 f. ABGB, § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG) ist nach der Legaldefinition des § 5 Abs. 1 Z 1 GrEStG 1987:
der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen.

B) Rechtsprechung:

a) Gegenleistung:

Der Begriff der Gegenleistung iSd §§ 4 und 5 GrEStG ist ein dem Grunderwerbsteuerrecht eigentümlicher Begriff, der über den bürgerlich-rechtlichen Begriff der Gegenleistung hinausgeht.

Zur Gegenleistung gehört jede (nur denkbare) Leistung, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb des Grundstückes gewährt, oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstückes empfängt, somit die Summe dessen, was der Käufer an wirtschaftlichen Werten dagegen zu leisten verspricht, dass er das Grundstück erhält bzw. alles, was der Käufer einsetzen muss, um das Grundstück zu erhalten
(vgl. ; siehe in Fellner, Kommentar Gebühren und Verkehrsteuern, Band II Grunderwerbsteuer, Rz. 4 ff. zu § 5, mit weiteren Nachweisen).

b) Sonstige Leistung, Vertragserrichtungskosten:

Zu den sonstigen Leistungen iSd § 5 Abs. 1 Z 1 GrEStG zählen alle Leistungen, die der Käufer dem Verkäufer oder für diesen an Dritte leistet, um das Kaufgrundstück erwerben zu können und deren Erbringung in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstückes steht (vgl. u.a.).

Sonstige Leistungen, die in die GrESt-Bemessungsgrundlage einzubeziehen sind, sind solche, die der Käufer für den Verkäufer oder zu dessen Gunsten erbringt. Es sind Leistungen, die sich im Vermögen des Verkäufers auswirken, es also unmittelbar oder mittelbar vermehren (zB ).

Übernommene Leistungen iSd § 5 Abs. 1 Z 1 GrEStG 1987 sind auch Leistungen an Dritte, die dem Veräußerer - sei es auf Grund des Gesetzes, sei es auf Grund einer vertraglichen Verpflichtung - obliegen, aber auf Grund der Parteienabrede vom Erwerber getragen werden müssen (vgl. ).

Die Kosten der Errichtung der Vertragsurkunde zählen dann zur GrESt-Bemessungsgrundlage, wenn der Veräußerer den Auftrag zur Vertragserrichtung erteilt und der Erwerber sich zur Kostentragung verpflichet. Beauftragt also der Veräußerer allein, dann entstehen nur ihm als Auftraggeber dafür Kosten. Verpflichtet sich der Käufer, diese für den Veräußerer entstandenen Kosten zur Gänze zu übernehmen, dann erbringt er in diesem Umfang eine sonstige Leistung, die er aufwenden musste, um das Grundstück zu erhalten (zB ).

In Fällen, in denen beide Vertragsteile einen Rechtsanwalt oder Notar mit der Vertragserrichtung betrauen und sich der Käufer verpflichtet, die gesamten Kosten der Vertragserrichtung zu tragen, obwohl gemäß §§ 826, 1004 und 1014 ABGB zunächst beide Vertragsteile als Auftraggeber verpflichtet gewesen wären, die Kosten (anteilsmäßig - je zur Hälfte) zu tragen, dann stellt die vom Käufer vertraglich zur Bezahlung übernommene Hälfte der Vertragserrichtungskosten des Verkäufers eine sonstige Leistung gemäß § 5 Abs. 1 Z 1 GrEStG 1987 dar ().

In einem solchen Fall sind die angeführten Leistungen deswegen unter die im § 5 Abs. 1 Z 1 GrEStG angeführten "sonstigen Leistungen" zu subsumieren, da diesfalls eine Vertragspartei (= Käufer) eine Leistung übernimmt, die nach dem Gesetz die andere Partei zu erbringen hätte (; siehe zu vor: Fellner, aaO, Rzn 64 und insbes. 79 - 79a zu § 5 mit einer Vielzahl an weiterer Judikatur).

V. Erwägungen:

Entgegen der Ansicht der Bf steht im Gegenstandsfalle für das Bundesfinanzgericht nach dem eindeutigen Vertragsinhalt, konkret nach den unter Vertragspunkten 5.1 und 9.1 getroffenen Vereinbarungen zweifelsfrei fest, dass zum Einen beide Vertragsteile Herrn RA DrD mit der Vertragserrichtung beauftragt und dazu bevollmächtigt hatten; zum Anderen hat sich nur eine Vertragspartei, nämlich die Bf als Käuferin alleine zur Tragung der gesamten Vertragserrichtungskosten verpflichtet und diese auch bezahlt.

Diesfalls liegt nach obiger VwGH-Judikatur im Umfang der hälftigen, für die Verkäufer entstandenen und von diesen übernommenen Vertragserrichtungskosten eine von der Bf übernommene sonstige Leistung iSd § 5 Abs. 1 Z 1 GrEStG 1987 vor, da die Bf diese Leistung zu Gunsten der Verkäufer erbracht hat (vgl. ).

In Anbetracht obiger Sach- und Rechtslage konnte daher der Beschwerde, gleichlautend wie in den Beschwerdevorentscheidungen vom 10./ hinsichtlich der je zu vermindernden VEK (lt. Honorarnote), nur ein teilweiser Erfolg beschieden sein und war spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zur gegenständlich strittigen Frage, unter welchen Voraussetzungen Vertragserrichtungskosten als grunderwerbsteuerpflichtige "sonstige Leistung" iSd § 5 Abs. 1 Z 1 GrEStG zu qualifizieren sind, liegt eine langjährige und einhellige RSpr des Verwaltungsgerichtshofes vor, auf die gestützt obige Entscheidung getroffen wurde. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Innsbruck, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at