Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 04.05.2022, RV/5101173/2018

Säumniszuschlag wegen verspäteter Entrichtung der Einkommensteuer

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende ***SenV*** und die weiteren Senatsmitglieder ***1***, ***SenLR1*** und ***2***, im Beisein der Schriftführerin ***Sf***, in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***3***, vertreten durch ***4***, ***5***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ***6*** vom betreffend Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt:

Mit Bescheid vom wurde gegenüber dem Beschwerdeführer (Bf) ein erster Säumniszuschlag in Höhe von 228,58 € festgesetzt, weil er die Einkommensteuer 2014 iHv 11.429,00 € nicht fristgerecht bis entrichtet hatte.

In der gegen diesen Bescheid am erhobenen Beschwerde stellte der Bf durch seine steuerliche Vertreterin einen Antrag auf Nichtfestsetzung des Säumniszuschlages.

Ein Antragsrecht auf Herabsetzung bzw. Nichtfestsetzung von Säumniszuschlägen setze voraus, dass den Abgabepflichtigen an der Säumnis kein grobes Verschulden treffe. Grobes Verschulden fehle, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliege.

Aufgrund einer Falschüberweisung der Einkommensteuer 2014 zugunsten des Kontos ***7*** seien keine Zahlungen zugunsten des Kontos ***BF1StNr1*** vorgenommen worden. Die Falschüberweisung sei erfolgt, weil bei der Überweisung seitens des Onlineportals automatisch immer eine Steuernummer vorgeschlagen werde (leider die falsche). Dem Finanzamtskonto ***7*** seien daher 19.537,50 € gutgeschrieben worden.

Aus EDV-technischen Gründen sei auch eine unverzügliche Kontrolle am Finanzamtskonto nicht möglich, weil Buchungen via Finanzonline leider erst Wochen später ersichtlich seien. Nach Bemerken der Fehlüberweisung sei sofort eine Kontoübertragung veranlasst worden.

Mangels groben Fehlverhaltens werde daher beantragt, den Säumniszuschlag für die Einkommensteuer 2014 nicht festzusetzen. Sollte diesem Antrag nicht entsprochen werden, werde Beschwerde erhoben und diesbezüglich beantragt, den gegenständlichen Bescheid ersatzlos aufzuheben.

Für den Fall der Nichtstattgabe der Beschwerde und Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht werde die Entscheidung durch den gesamten Senat (§ 272 Abs. 1 BAO) sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 274 BAO) beantragt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde diese Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Werde gemäß § 217 Abs. 1 BAO eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, trete mit Ablauf dieses Tages die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages ein, soweit der Eintritt dieser Verpflichtung nicht gemäß § 217 Abs. 4 BAO hinausgeschoben werde.

Gemäß § 211 Abs. 1 lit. d BAO würden Abgaben bei Überweisung auf das Postscheckkonto des Finanzamtes am Tag der Gutschrift als entrichtet gelten.

Die grundsätzliche Regelung des § 217 Abs. 1 BAO mache den Eintritt der Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages allein davon abhängig, dass eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet werde. Diese Bestimmung berücksichtige nicht die Gründe, aus denen im Einzelfall eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet worden sei. Damit habe der Gesetzgeber dargetan, dass er die Gründe, die zum Zahlungsverzug geführt hätten, im Anwendungsbereich des § 217 Abs. 1 BAO als unmaßgeblich erachte ().

Da die Einkommensteuer 2014 verspätet entrichtet worden sei, sei die Festsetzung eines Säumniszuschlages zu Recht erfolgt und die Beschwerde abzuweisen gewesen.

In der Folge verwies das Finanzamt auf § 217 Abs. 7 BAO.

Im gegenständlichen Fall sei die Zahlung der Einkommensteuer 2014 anstatt auf die Steuernummer ***BF1StNr1*** (***Bf1***) fälschlich auf die Steuernummer ***7*** (***8*** KG) erfolgt.

Eine Verwechslung der Steuernummern wäre im Sinne des § 217 Abs. 7 BAO entschuldbar gewesen. Da aber die Einzahlung zur falschen Steuernummer und somit die Entrichtung der am fälligen Einkommensteuer 2014 erst am erfolgt sei, müsse unterstellt werden, dass der Bf im Umgang mit Terminen und Fristen nicht die nötige Sorgfalt walten lassen, weshalb § 217 Abs. 7 BAO keine Anwendung finde.

Am stellte der Bf einen Vorlageantrag.

In der Beschwerdevorentscheidung sei festgehalten worden, dass die Verwechslung der Steuernummern entschuldbar gewesen wäre bzw. dass die Zahlung der Einkommensteuer 2014 am erfolgt sei.

Der Säumniszuschlagsbescheid vom , eingelangt am , sei daher erst nach Bezahlung erlassen worden.

Analog zu § 217 Abs. 9 BAO hätte daher die Finanzverwaltung zum (gemeint wohl: ) beurteilen müssen, ob ein entschuldbares Fehlverhalten vorliege oder nicht.

Dies habe die Finanzverwaltung jedenfalls unterlassen, weshalb der Säumniszuschlagsbescheid vom schon aus diesem Grund rechtswidrig sei.

Weitere Einwendungen würden ausdrücklich vorbehalten und sämtliche Beschwerdeanträge vollinhaltlich aufrechterhalten.

Mit Vorhalt vom wies die Richterin den Bf darauf hin, dass die am fällige Einkommensteuer jedenfalls um rund einen Monat verspätet - gleichgültig, auf welches Konto - erst am überwiesen worden sei.

Die in der Beschwerde eingewendete Überweisung auf ein falsches Konto habe daher nicht ursächlich für die verspätete Zahlung sein können.

Sowohl dem Bf als auch der Fa. ***8*** KG seien Buchungsmitteilungen zugestellt worden, die jeweils über die erfolgten Buchungen informiert hätten.

Laut Kontenabfragen seien an den Bf am , am und am und an die ***8*** KG am und am Buchungsmitteilungen ergangen, sodass die Fehlbuchung - unabhängig von der bereits eingetretenen Verspätung - nach Ansicht der Richterin jedenfalls deutlich früher als am (Datum der Umbuchung einer Gutschrift vom Abgabenkonto der ***8*** KG auf das private Abgabenkonto des Bf) hätte auffallen müssen.

Im Übrigen seien auch die Einkommensteuer 2015 und 2016 sowie die Einkommensteuervorauszahlung 7-9/2016 verspätet entrichtet worden, obwohl in einem gesonderten Schreiben vom an die Fälligkeit der Einkommensteuervorauszahlung für den Zeitraum 7-9/2016 am erinnert worden sei.

Die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages entstehe nicht erst mit seiner bescheidmäßigen Geltendmachung, sondern bereits mit Ablauf des für die Entrichtung der betreffenden Abgaben maßgebenden Fälligkeitstages. Dass die Festsetzung des Säumniszuschlages erst nach Entrichtung der Einkommensteuer erfolgt sei, ändere daher nichts an der Rechtmäßigkeit der Säumniszuschlagsvorschreibung.

Inwieweit § 217 Abs. 9 BAO, wie im Vorlageantrag geltend gemacht, anwendbar wäre und welche Zahlungsfrist nachträglich rückwirkend zuerkannt oder verlängert worden wäre, sei nicht erkennbar.

Dieses Ergänzungsersuchen blieb unbeantwortet.

Am wurde die mündliche Verhandlung in Abwesenheit des Bf und seiner steuerlichen Vertretung, jedoch in Anwesenheit des Vertreters des Finanzamtes durchgeführt.

Der Vertreter des Finanzamtes verwies auf das bisherige Vorbringen, insbesondere auf die Beschwerdevorentscheidung, und erstattete kein weiteres Vorbringen. Er stellte den Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

Beweiswürdigung:

Der festgestellte und unstrittige Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Aktenteilen, dem Vorbringen der steuerlichen Vertretung des Bf sowie den genannten Abgabenkonten.

Rechtslage:

Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d BAO), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, ist ein erster Säumniszuschlag in Höhe von 2 % des nicht zeitgerecht getilgten Abgabenbetrages zu entrichten (§ 217 Abs. 1 und 2 BAO).

Säumniszuschläge sind eine kraft Gesetzes entstehende Folge einer nicht zeitgerechten Abgabenentrichtung, wobei grundsätzlich unbeachtlich ist, wodurch die Säumnis ausgelöst worden ist.

Die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages entsteht nach § 217 Abs. 5 BAO nicht, soweit die Säumnis nicht mehr als fünf Tage beträgt und der Abgabepflichtige innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eintritt der Säumnis alle Abgabenschulden, hinsichtlich derer die Gebarung (§ 213) mit jener der nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenschuld zusammengefasst verbucht wird, zeitgerecht entrichtet hat. In den Lauf der fünftägigen Frist sind Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage, der Karfreitag und der 24. Dezember nicht einzurechnen.

Nach Maßgabe des § 217 Abs. 7 BAO sind Säumniszuschläge auf Antrag der Partei insoweit herabzusetzen oder gegebenenfalls nicht festzusetzen, als sie an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft.

Grobes Verschulden liegt vor, wenn das Verschulden nicht nur als leichte Fahrlässigkeit zu qualifizieren ist. Von leichter Fahrlässigkeit ist auszugehen, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Grobe Fahrlässigkeit wird mit auffallender Sorglosigkeit gleichgesetzt. Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt (vgl. ). Ob grobes Verschulden anzunehmen ist, ist stets nach den Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des Antragstellers zu beurteilen.

Das Verschulden des (Parteien-)Vertreters ist dem Verschulden des Vertretenen gleichzuhalten.

Die Herabsetzung bzw. Nichtfestsetzung eines Säumniszuschlages gemäß § 217 Abs. 7 BAO bei fehlendem groben Verschulden an der Säumnis stellt eine Begünstigung dar. Bei einer solchen tritt der Grundsatz der Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht der antragstellenden Partei in den Hintergrund. Die Behauptungs- und Beweislast liegt in diesem Fall bei der Partei, die sich auf fehlendes grobes Verschulden stützt. Ihre Sache ist es, einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels jene Umstände aufzuzeigen, auf die die Nichtfestsetzung des Säumniszuschlages gestützt werden kann. Die Abgabenbehörde bzw. das Verwaltungsgericht sind daher nicht dazu verhalten, über das Vorbringen der Partei hinausgehende amtswegige Feststellungen zu treffen (vgl. betreffend ein Ansuchen um Zahlungserleichterung; ).

Ein Antrag nach § 217 Abs. 7 BAO kann auch in einem Rechtsmittel gegen den Säumniszuschlagsbescheid gestellt werden und ist diesfalls in der Beschwerde(vor)entscheidung zu berücksichtigen (Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 217 Tz 65).

Nach § 217 Abs. 9 BAO hat im Fall der nachträglichen rückwirkenden Zuerkennung oder Verlängerung von Zahlungsfristen auf Antrag des Abgabepflichtigen die Berechnung der Säumniszuschläge unter rückwirkender Berücksichtigung der zuerkannten oder verlängerten Zahlungsfrist zu erfolgen.

§ 217 Abs. 9 BAO betrifft etwa Zahlungsfristen (insbesondere die Fälligkeit nach § 210 Abs. 1 BAO und Nachfristen, wie z.B. jene nach § 210 Abs. 4 BAO), über die im Spruch eines Abgabenbescheides abgesprochen wird. Wird ein solcher Bescheid mit Beschwerde angefochten und verschiebt die Beschwerdevorentscheidung den für die Verwirkung des Säumniszuschlages maßgebenden Zahlungstermin, ist § 217 Abs. 9 BAO anwendbar.

Erwägungen:

Unbestritten wurde die der Säumniszuschlagsfestsetzung zugrundeliegende Einkommensteuernachforderung 2014 nicht bis zu dem im Bescheid angegebenen Fälligkeitstag am , sondern erst am (auf ein falsches Abgabenkonto) entrichtet. Die tatsächliche Entrichtung auf dem Abgabenkonto des Bf erfolgte erst infolge eines am eingebrachten Umbuchungsantrages.

Da die Säumnis mehr als fünf Tage betrug, konnte die Bestimmung des § 217 Abs. 5 BAO nicht angewendet werden.

Einer Beschwerdevorentscheidung kommt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Wirkung eines Vorhaltes zu.

Gegenständlich kam der Bf trotz des unmissverständlichen Hinweises in der Beschwerdevorentscheidung vom , die eingewendete Verwechslung der Steuernummern könne nicht ursächlich für die Säumnis gewesen sein, seiner Konkretisierungspflicht auch im Vorlageantrag nicht nach. Der Bf ging mit keinem Wort darauf ein, weshalb die am fällige Einkommensteuer erst am - auf das falsche Abgabenkonto - eingezahlt und ein Umbuchungsantrag wiederum erst einen Monat später am gestellt wurde und erstattete kein konkretes fallbezogenes Vorbringen.

Wem diese Fehlleistung unterlief, wodurch diese verursacht wurde, aus welchen Gründen dieser Irrtum einen Monat lang unentdeckt blieb (die Umbuchung auf das richtige Abgabenkonto erfolgte erst am ) und offenbar auch durch die Verbuchung des Säumniszuschlages am nicht auffiel und keine umgehende Korrektur nach sich zog, blieb völlig im Unklaren.

Um das Vorliegen oder Nichtvorliegen groben Verschuldens beurteilen zu können, hätte es einer eingehenden Darstellung der für die Säumnis ursächlichen Gegebenheiten bedurft.

Ein auf bloßen Irrtum, Vergesslichkeit oder Nachlässigkeit zurückzuführendes Versehen kann ohne das Hinzutreten besonderer dafür ausschlaggebender Umstände (noch) nicht als bloß minderer Grad des Verschuldens qualifiziert werden. Würden ein bloßer Irrtum oder schlichte Nachlässigkeit allein schon als Grund für die Nichtfestsetzung von Säumniszuschlägen anerkannt, liefe dies im Ergebnis auf die Bedeutungslosigkeit gesetzlicher Entrichtungsfristen und der Verpflichtung zu ihrer Wahrung hinaus ().

Aus der Aktenlage ergaben sich keine Umstände, die es dem Senat erlaubt hätten, gestützt auf § 217 Abs. 7 BAO von der Vorschreibung des bekämpften Säumniszuschlages abzusehen.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der Lösung des Beschwerdefalles basierte auf der Würdigung des Sachverhalts und nicht auf der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5101173.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at