Maßnahmenbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.05.2022, RM/7300001/2022

Beschlagnahme von Goldschmuck und -münzen bei Gefahr im Verzug; Golddukaten mit Öse bilden eine Einheit als Goldschmuck, da die "Bankfähigkeit" der Münzen für eine separate Weiterverwendung z.B. als Zahlungsmittel nicht gegeben ist, sodass eingangsabgabepflichtiger Goldschmuck vorliegt

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RM/7300001/2022-RS1
Bei Goldmünzen mit Ösen handelt es sich um Schmuckgegenstände, da die Goldmünzen eine Einheit mit dem Schmuck bilden. Sie können in der Regel z.B. bei einer Altgoldeinlöse schwer getrennt werden, da entweder die Fassungen die Münzen beschädigt haben oder bei anderen Stücken die Münzen mit den restlichen Schmuckteilen verlötet wurden. Somit ist die „Bankfähigkeit" der Münzen für eine separate Weiterverwendung als Zahlungsmittel nicht gegeben. Eine Eingangsabgabenfreiheit als Goldmünzen iSd § 6 Abs. 1 Z 8 lit j UStG ist nicht gegeben.
RM/7300001/2022-RS2
Wenn ein Reisender die von ihm mitgeführten Waren sogar bei ausdrücklichem Befragen verschweigt, dann indiziert dies die Absicht, eine Gestellung und Anmeldung dieser Waren überhaupt zu unterlassen. Hinzu kommt, dass bei Gewerbetreibenden, die Handel mit Waren betreiben, die Kenntnis vorausgesetzt werden kann, dass die Verbringung von Handelswaren mit einem derartigen Wert (hier: Schmuckgegenstände, Gold im Wert von ca. € 30.000,00) anlässlich der Einreise in das Zollgebiet der Gemeinschaft ohne Gestellung und Anmeldung rechtswidrig ist ().
RM/7300001/2022-RS3
Aus der Salamitaktik des Beschwerdeführers, immer nur einen Teil des Schmuggelgutes anzugeben, in der Hoffnung, die Zollbeamten würden sich damit begnügen, kann man nur das vorsätzliche Verschweigen der von den Zollorganen noch nicht entdeckten Goldschmuckstücke ableiten.
RM/7300001/2022-RS4
Eine "Gefahr im Verzug"-Situation liegt vor, wenn die Beschlagnahme von Gegenständen durch die Einholung eines schriftlichen Auftrages der zuständigen Finanzstrafbehörde aus irgendeinem Grund gefährdet erscheint, wobei schon die geringste Gefahr zur Beschlagnahme ohne schriftlichen Auftrag ausreicht, weil der Sicherungszweck im Vordergrund steht. Eine solche Gefahrensituation liegt jedenfalls vor, wenn die Beschlagnahme von Gegenständen durch die Einholung eines schriftlichen Auftrages der zuständigen Finanzstrafbehörde verzögert würde und dadurch gefährdet wäre (z.B. ).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard Groschedl in der Finanzstrafsache gegen Herrn ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Caroline Toifl Steuerberater GmbH, Geusaugasse 17, 1030 Wien, wegen Verdachts des Schmuggels gemäß § 35 Abs. 1 lit. a des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Beschwerde des Beschuldigten vom betreffend die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe des Zollamtes Österreich am in Form der Beschlagnahme von Goldschmuck und Goldmünzen gemäß § 89 Abs. 2 FinStrG zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Am reiste Herr ***Bf1***, Beruf: Juwelier, mit dem Flug aus Istanbul kommend (Ankunft laut Internet: 11:45 Uhr) beim Flughafen Wien Schwechat in das Zollgebiet der Europäischen Union ein. Dabei benützte er den grünen Ausgang "Anmeldefreie Waren" und brachte damit gemäß Artikel 141 Abs. 1 Buchstabe a iVm Artikel 138 Buchstabe a Delegierte Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission vom (UZK-DA) zum Ausdruck, lediglich Waren zu nichtkommerziellen Zwecken im persönlichen Gepäck von Reisenden, die gemäß Artikel 41 der Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 (Zollbefreiungsverordnung) oder als Rückwaren von den Eingangsabgaben befreit sind, mitzuführen.

Kurz vor Verlassen des sogenannten Grünkanals wurde Herr ***Bf1*** von Organen des Zollamtes zur Kontrolle gebeten.

Herr ***Bf1*** wurde vor dem Scannen des Gepäckes nach Gold, Zigaretten und dergleichen gefragt. Herr ***Bf1*** gab an, dass er ein bisschen Gold mithabe. Herr ***Bf1*** händigte daraufhin ein in Papier gewickeltes Gold (1 Packung) den Kontrollorganen aus. Auf die Nachfrage der Kontrollorgane, ob er noch mehr Gold bei sich hat, bejahte er dies und händigte abermals 2 in Papier eingewickeltes Gold aus. Bei der körperlichen Abtastung wurde in der Hosentasche ein weiteres Päckchen Gold gefunden. Im Zuge dieser Amtshandlung wurden gesamt 706 Gramm am Körper geschmuggelt entdeckt.

Von der belangten Behörde wurde eine Tatbeschreibung wegen Verdachts des Schmuggels gemäß § 35 Abs 1 FinStrG aufgenommen und die Beschlagnahme bei Gefahr im Verzug ausgesprochen und eine entsprechende Quittung ausgestellt.

Zur Sicherung des Verfalls (Tatgegenstände, Umschließungen, Taschen, Koffer, Beförderungsmittel) und als Beweismittel wurden beschlagnahmt:

Gold Dukaten (22K) Groß, 20 Stück, 145,1g
Gold Dukaten (22k) Mittel, 20 Stück, 71,2g
Gold Dukaten (22k) klein, 100 Stück, 181,1g
Gold Armbänder und Halsketten mit Dukaten (22K), 29 Stück, 195,6 g
Gold-Anhänger mit Symbolen und Buchstaben (14K), 46 Stück, 22,4g
Gold-Ringe, (14K), 12 Stück, 32,6g
Gold-Ohrstecker, (14k), 20 Paar, (40 Stück), 14,8g
Goldarmkette (2x) und Goldhalskette (1x), (14K), 3 Stück gesamt, 36g
Verschiedene Goldanhänger (Augen, Stein und Stern), 7 Stück, 7,8g
Gold 22K, gesamt: 593g
Gold 14K, gesamt: 113,6g
Gold gesamt: 706,6g

Gründe für die Annahme von Gefahr im Verzug:

Die Beschlagnahme erfolgte ohne bescheidmäßige Beschlagnahmeanordnung, weil zu besorgen war, dass ein Zuwarten bis zur Beibringung eines von der zuständigen Finanzstrafbehörde zu erlassenden schriftlichen Bescheides den Zweck der Maßnahme gefährdet hätte.

Die Tatbeschreibung ist von Herrn ***Bf1*** zur Kenntnis genommen und von ihm als Beschuldigter eines Finanzvergehens unterfertigt worden. Herrn ***Bf1*** wurde eine Rechtsbelehrung "FStr 9" in türkischer Sprache ausgefolgt. Eine bescheidmäßige Beschlagnahme gemäß § 89 Abs. 1 FinStrG liegt nicht vor.

Aus der im Akt erliegenden Beschlagnahmequittung Block Nr 11071 Blatt Nr 09 (FStr 37) geht hervor, dass für das laut Tatbeschreibung ebenfalls beschlagnahmte "Gold 14K, gesamt: 113,6g" keine entsprechende Quittung ausgestellt wurde oder sich nur nicht im Akt befindet.

Mit Eingabe vom hat Herr ***Bf1*** durch seine ausgewiesene Vertreterin binnen offener Frist Beschwerde gemäß § 152 Abs. 1 FinStrG gegen die in Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe des Zollamtes Österreich verfügte Beschlagnahme an das Bundesfinanzgericht erhoben und beantragte, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären und aufzuheben.

Begründend führte Herr ***Bf1*** zum Sachverhalt aus:

"Der Beschwerdeführer reiste am von Istanbul nach Wien, wobei er über den Flughafen Wien in das Zollgebiet der Europäischen Union einreiste. Im Zuge seiner Einreise wurde der Beschwerdeführer von Zollbeamten kontrolliert, die in dessen Gepäck, genauer in dessen Kleidung, nachfolgend aufgezählte Golddukaten und Goldschmuck fanden und beschlagnahmten:

20 Stück Golddukaten (22K) groß, mit einem Gesamtgewicht von 145,1g
20 Stück Golddukaten (22K) mittel, mit einem Gesamtgewicht von 171,2g,
100 Stück Golddukaten (22K) klein, mit einem Gesamtgewicht von 181,1g,
29 Stück Gold Armbänder und Halsketten mit Dukaten (22K), mit einem Gesamtgewicht von 195,6g,
46 Stück Goldanhänger mit Symbolen und Buchstaben [14K), mit einem Gesamtgewicht von 22,4g,
12 Stück Gold-Ringe (14K), mit einem Gesamtgewicht von 32,6g,
20 Paar bzw 40 Stück Gold-Ohrstecker (14K), mit einem Gesamtgewicht von 14,8g,
2 Goldarmketten und 1 Goldhalskette (14K), mit einem Gesamtgewicht von 36g sowie
7 Stück verschiedene Goldanhänger, mit einem Gesamtgewicht von 7,8g.

Die Beschwerde richtet sich gegen die Beschlagnahme der Golddukaten und des Goldschmuckes vom durch das Zollamt Österreich, Dienststelle Ost. Als Sachbearbeiter wird laut Protokoll Herr ***A*** angeführt.

Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung der Beschlagnahme sowie die angefochtene Beschlagnahme für rechtswidrig zu erklären.

2.4. Gründe für die Rechtswidrigkeit der Beschlagnahme

Eine Beschlagnahme nach § 89 Abs 1 FinStrG ist zulässig, sofern diese zur Sicherung des Verfalls oder zur Beweissicherung geboten ist. Warum eine Beschlagnahme zur Beweissicherung erforderlich wäre, ist nicht ersichtlich. Als Beweismittel kommen grundsätzlich nur Gegenstände in Betracht, die nicht schon als verfallsbedrohte Gegenstände zu beschlagnahmen sind und zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet sind (§ 98 Abs 1 FinStrG). Das sind Gegenstände, deren Besitz oder Besichtigung für eine bestimmte Untersuchung von Bedeutung sein kann, insbesondere Geschäfts- oder Wirtschaftsbücher oder Teile von solchen sowie andere Urkunden und Schriften. Seitens der Behörde wird dies nicht behauptet. Im Formular ist dazu ein Textfeld vorgesehen ("Insbesondere liegen folgende Gründe vor:"), dieses wurde jedoch nicht befüllt. Seitens des Beschwerdeführers wird hierzu klar vertreten, dass die Beschlagnahme zur Beweissicherung nicht erforderlich war.

Auch zur Sicherung des Verfalls war die Beschlagnahme nicht erforderlich. Dies deswegen, da der Verfall voraussetzt, dass
- die vom Beschwerdeführer mitgeführte Ware eingangsabgabenpflichtig war UND
- der Beschwerdeführer diese vorsätzlich der zollamtlichen Überwachung entzogen hat.

Ein Teil der beschlagnahmten Ware war jedoch nicht eingangsabgabenpflichtig (siehe Punkt 2.4.1). Ein Teil der beschlagnahmten Ware war zwar (möglicherweise) eingangsabgabenpflichtig, wurde aber jedenfalls nicht vorsätzlich der zollamtlichen Überwachung entzogen (siehe Punkt 2.4.2). Dazu wird wie folgt ausgeführt

2.4.1. Nicht eingangsabgabenpflichtig: Golddukaten

Die belangte Behörde verkannte im Zuge der Beschlagnahme, dass die mitgeführten Golddukaten gemäß § 6 Abs 1 Z 8 lit j UstG nicht eingangsabgabenpflichtig sind. Der Beschwerdeführer verweist in diesem Zusammenhang auf die beiliegende Verordnung des samt Anlage 1.

Beweis: Verordnung des samt Anlage 1, Beilage ./1

Hinsichtlich der Golddukaten kann sohin das dem Beschwerdeführer vorgeworfene Delikt des § 35 FinStrG nicht begangen werden.

2.4.2. Kein vorsätzliches Entziehen: Goldschmuck

Hinsichtlich des Goldschmuckes kann die Eingangsabgabenpflicht - vorbehaltlich einer eingehenderen Prüfung - nicht ausgeschlossen werden. Ausgeschlossen werden kann aber jedenfalls, dass der Beschwerdeführer diese Ware vorsätzlich der zollamtlichen Überwachung entzogen hätte. Wie von ihm bereits im Rahmen der Beschuldigteneinvernahme am sowie am zu Protokoll gegeben, kaufte der Beschwerdeführer seine Ware stets bei Händlern in Österreich und der EU und erhält diese nach Österreich geliefert. Er hat sohin keinerlei Erfahrung mit der Verzollung von Waren und war dies das erste Mal, dass der Beschwerdeführer Ware selbst in einem Nicht-EU-Land gekauft und nach Österreich eingeführt hat. Zum Zeitpunkt der Reise war zudem Ramadan und befand sich der Beschwerdeführer, als gläubiger Muslim, nach einem Tag ohne Essen und Trinken, in einem stark geschwächten körperlichen Zustand, der sich auf seine kognitiven Fähigkeiten auswirkte. Aus diesen Gründen hielt er es nicht einmal ernstlich für möglich, Eingangsabgaben zu verkürzen, und fand sich auch nicht damit ab. Ein für das Vorliegen von Schmuggel iSd § 35 Abs 1 lit a FinStrG - und sohin auch für die Strafdrohung des Verfalls - erforderlicher Vorsatz lag sohin zweifellos nicht vor.

2.5 Anträge

Aus diesen Gründen werden gestellt die Anträge,

1. die Beschlagnahme vom gemäß § 153 Abs 3 lit e FinStrG für rechtswidrig zu erklären und

2. die Beschlagnahme folgender Gegenstände aufzuheben und diese dem Beschwerdeführer zu übergeben:

• 20 Stück Golddukaten (22K) groß, mit einem Gesamtgewicht von 145,1 g,
• 20 Stück Golddukaten (22K) mittel, mit einem Gesamtgewicht von 171,2g,
• 100 Stück Golddukaten (22K) klein, mit einem Gesamtgewicht von 181,1g
• 29 Stück Gold-Armbänder und Halsketten mit Dukaten (22K), mit einem Gesamtgewicht von 195,6g,
• 46 Stück Goldanhänger mit Symbolen und Buchstaben (14K), mit einem Gesamtgewicht von 22,4gr
• 12 Stück Gold-Ringe (14K), mit einem Gesamtgewicht von 32,6g,
• 20 Paar bzw 40 Stück Gold-Ohrstecker (14K), mit einem Gesamtgewicht von 14,8g,
• 2 Goldarmketten und 1 Goldhalskette (14K), mit einem Gesamtgewicht von 36g sowie
• 7 Stück verschiedene Goldanhänger, mit einem Gesamtgewicht von 7,8g.

3. Antrag auf Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände nach § 91 Abs 2 FinStrG
In eventu gestellt wird der Antrag auf Rückgabe der beschlagnahmten Gegenstände nach § 91 Abs 2 FinStrG, da die belangte Behörde - wenn schon nicht im Zeitpunkt der Beschlagnahme, so zumindest nach Durchführung der zweiten Beschuldigteneinvernahme am - erkannt haben muss, dass jedenfalls kein Vorsatz vorliegt und sohin die Gründe für eine Aufrechterhaltung der Beschlagnahme nicht gegeben sind. Sollte die Beschlagnahme auf das Erfordernis der Beweissicherung gestützt worden sein, ist dieses zum heutigen Zeitpunkt jedenfalls auch nicht mehr gegeben. Zudem darf der ursprünglich herangezogene Beschlagnahmegrund im Rechtsmittelverfahren nicht mehr ausgetauscht werden (Köck in Köck/Kalcher/Judmaier/Schmitt, Finanzstrafgesetz5 (2021) § 89, Rz 5).

Im Rahmen der Beschlagnahme und Aufrechterhaltung einer solchen sind die Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit zu wahren, da der Inhaber durch die Verzögerung der Zurückgabe der beschlagnahmten Gegenstände belastet ist. Aus diesem Grund liegt die Rückgabe auch nicht im Ermessen der Behörde, was bereits aus dem Gesetzeswortlaut ("Beschlagnahmte Gegenstände sind unverzüglich zurückzugeben,...") abzuleiten ist und höchstgerichtlich bestätigt wurde (vgl ).

Gestellt wird sohin in eventu der Antrag, die beschlagnahmten Gegenstände unverzüglich gemäß § 91 Abs 2 FinStrG an den Beschwerdeführer zurückzugeben."

Beigelegt ist ein Verzeichnis jener Goldmünzen, die die Kriterien der Steuerbefreiung gemäß § S Abs. 1 Z 8 lit. j Umsatzsteuergesetz 1994 im Kalenderjahr 2022 jedenfalls erfüllen laut BGBl II Nr. 37/2022, Fassung vom ."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Rechtslage:

Gemäß Artikel 138 Buchstabe a UZK-DA gelten Waren, die zu nichtkommerziellen Zwecken im persönlichen Gepäck von Reisenden, die gemäß Artikel 41 der Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 oder als Rückwaren von den Einfuhrabgaben befreit sind, sofern sie nicht mit anderen Mitteln angemeldet werden, als zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr gemäß Artikel 141 angemeldet.

Gemäß Artikel 141 Abs. 1 Buchstabe a UZK-DA gilt für die in Artikel 138 Buchstabe a bis d, Artikel 139 und Artikel 140 Absatz 1 genannten Waren die Benutzung des grünen Ausgangs "Anmeldefrei Waren", sofern bei der betreffenden Zollstelle getrennte Kontrollausgänge vorhanden sind, als Zollanmeldung.

Nach Art. 41 der Zollbefreiungsverordnung iVm der Richtlinie 2007/74/EG des Rates vom sind Waren im persönlichen Gepäck von aus Drittländern kommenden Reisenden im Flugverkehr von den Einfuhrabgaben grundsätzlich bis zu einem Wert von € 430.- befreit.

Artikel 218 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom (UZK-IA) fingiert die Beförderung der Waren gemäß Artikel 135 UZK, die Gestellung der Waren gemäß Artikel 139 UZK sowie auch die Annahme der Zollanmeldung nach Artikel 172 UZK als auch die Überlassung der Waren gemäß Artikel 194 UZK, wenn die Zollanmeldung in konkludenter Form gemäß Artikel 141 UZK-DA abgegeben worden ist.

Nach Artikel 219 (UZK-IA) gilt die Zollanmeldung für Waren als nicht abgegeben, wenn sich bei einer Kontrolle ergibt, dass eine Willensäußerung im Sinne des Artikels 141 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 erfolgt ist, die verbrachten oder ausgeführten Waren aber nicht die Voraussetzungen der Artikel 138, 139 und 140 der Delegierten Verordnung erfüllen.

Da die verfahrensgegenständlichen Schmuckstücke die Voraussetzungen des Artikel 138 ZK-DA nicht erfüllen, wäre der Beschwerdeführer daher verpflichtet gewesen, unmittelbar bei Betreten des grünen Kanals zumindest eine mündliche Zollanmeldung zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr für Waren zu nicht kommerziellen Zwecken im Sinne des Artikel 135 Abs. 1 Buchstabe a UZK-DA abzugeben. Die Nachfrage des Kontrollorganes ändert nichts an der bereits konkludent abgegebenen Willensäußerung im Sinne des Artikel 141 UZK-DA und der damit verbundenen Zollschuldentstehung nach Art. 79 Abs. 1 Buchstabe a 1. Alternative UZK.

Nach Artikel 79 Abs. 1 Buchstabe a 1. Alternative UZK entsteht für einfuhrabgabepflichtige Waren eine Einfuhrzollschuld, wenn eine der in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Verpflichtungen in Bezug auf das Verbringen von Nicht-Unionswaren in das Zollgebiet der Union, nicht erfüllt ist.

Auch die Nachfrage nach mitgeführten Waren ändert an der Zollschuldentstehung nichts. Bei zu Unrecht erfolgter Benutzung des "Grünen Ausgangs" - ohne unmittelbar bei Betreten eine mündliche Zollanmeldung abzugeben - ist das Verhalten des Kontrollorganes ohne Bedeutung. (siehe Witte, UZK Art. 79 Rz. 47f.).

Die Anwendung des Unionszollrechtes auf die sonstigen Eingangsabgaben bestimmt § 2 Zollrechts-Durchführungsgesetz.

§ 35 Abs. 1 FinStrG: Des Schmuggels macht sich schuldig, wer
a) eingangsabgabepflichtige Waren vorsätzlich vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Union verbringt oder der zollamtlichen Überwachung entzieht oder
b) ausgangsabgabepflichtige Waren vorsätzlich vorschriftswidrig aus dem Zollgebiet der Union verbringt.

§ 35 Abs. 4 letzter Satz FinStrG: Auf Verfall ist nach Maßgabe des § 17 zu erkennen.

Gemäß § 8 Abs. 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, daß der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.

Gemäß § 89 Abs. 1 erster Satz FinStrG hat die Finanzstrafbehörde mit Bescheid die Beschlagnahme von verfallsbedrohten Gegenständen und von Gegenständen, die als Beweismittel in Betracht kommen, anzuordnen, wenn dies zur Sicherung des Verfalls oder zur Beweissicherung geboten ist.

Gemäß § 89 Abs. 2 FinStrG sind bei Gefahr im Verzug neben den Organen der Finanzstrafbehörden auch die Organe der Abgabenbehörden und des öffentlichen Sicherheitsdienstes berechtigt, die im Abs. 1 bezeichneten Gegenstände auch dann in Beschlag zu nehmen, wenn eine Anordnung der Finanzstrafbehörde nicht vorliegt. In diesem Fall sind dem anwesenden Inhaber die Gründe für die Beschlagnahme und für die Annahme von Gefahr im Verzug mündlich bekanntzugeben und in einer Niederschrift festzuhalten.

Gemäß § 98 Abs. 3 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Verfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache erwiesen ist oder nicht; bleiben Zweifel bestehen, so darf die Tatsache nicht zum Nachteil des Beschuldigten oder der Nebenbeteiligten als erwiesen angenommen werden.

Tatbestandsvoraussetzung für die Zulässigkeit der Beschlagnahme ist ein aufgrund konkreter Umstände hinreichend begründeter Tatverdacht der Begehung eines Finanzvergehens. Dabei handelt es sich um die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann. Dass der Beschwerdeführer das mit Verfall bedrohte Finanzvergehen begangen hat, braucht im Zeitpunkt des Ausspruches der Beschlagnahme noch nicht nachgewiesen zu sein.

Zu den Beschwerdepunkten:

Zum Beschwerdeeinwand "Punkt 2.4.1. Nicht eingangsabgabenpflichtig: Golddukaten, wonach die mitgeführten Golddukaten gemäß § 6 Abs 1 Z 8 lit j UstG nicht eingangsabgabenpflichtig wären", ist festzuhalten, dass es sich laut dem im Akt erliegenden Foto bei den Münzanhängern (Goldmünzen mit Ösen) um Schmuckgegenstände handelt, da die Münzen eine Einheit mit dem Schmuck bilden. Sie können in der Regel z.B. bei einer Altgoldeinlöse schwer getrennt werden, da entweder die Fassungen die Münzen beschädigt haben oder bei anderen Stücken die Münzen mit den restlichen Schmuckteilen verlötet wurden. Somit ist die "Bankfähigkeit" der Münzen für eine separate Weiterverwendung z.B. als Zahlungsmittel nicht gegeben. Der Beschwerdeführer ist von Beruf Juwelier, sodass davon ausgegangen werden muss, dass er berufsbedingt den Unterschied zwischen Golddukaten und Golddukaten mit Öse (Goldschmuck) kennt. Dass es sich bei diesen Schmuckstücken um Münzanhänger handelt, die man bei Hochzeiten oder anderen Anlässen schenkt, ist im Internet einfach zu recherchieren. Dem Beschwerdeführer ist das gerade bei seinem Beruf als Juwelier sicher bekannt. Dabei handelt es sich aber sicher nicht um Münzen, die als Zahlungsmittel verwendet werden. Entgegen dem Beschwerdevorbringen handelt es sich bei erster Begutachtung durch die Zollorgane somit nicht um Golddukaten gemäß § 6 Abs 1 Z 8 lit j UstG bzw. im Sinne der der Beschwerde beigelegten Verordnung, sondern um eingangsabgabepflichtigen Goldschmuck.

Zur in der Beschwerde aufgeworfenen Frage, "warum eine Beschlagnahme zur Beweissicherung erforderlich wäre (Als Beweismittel kommen grundsätzlich nur Gegenstände in Betracht, die nicht schon als verfallsbedrohte Gegenstände zu beschlagnahmen sind und zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet sind), darf erwähnt werden, dass die beschlagnahmten Schmuckgegenstände gerade zur Frage, ob es sich - wie behauptet - um Münzen oder doch Schmuck handelt, durchaus auch zu Beweiszwecken erforderlich war, da der Beschwerdeführer ja die Ansicht vertritt, es würde sich um eingangsabgabefreie Goldmünzen handeln. Eine abschließende Klärung wird wohl durch einen Sachverständigen zu erfolgen haben.

Zum Beschwerdeeinwand Punkt 2.4.2. des Goldschmuckes, wonach der Beschwerdeführer diese Ware nicht vorsätzlich der zollamtlichen Überwachung entzogen hätte, da er seine Ware bisher stets bei Händlern in Österreich und der EU gekauft und geliefert erhalten habe, er sohin keinerlei Erfahrung mit der Verzollung von Waren hätte und dies das erste Mal gewesen sei, dass er Ware selbst in einem Nicht-EU-Land gekauft und nach Österreich eingeführt habe, ist festzuhalten, dass es Allgemeinwissen ist, dass Waren, die in einem Drittland gekauft werden und die Kaufsumme den Betrag der Reisefreigrenze überschreitet, einer Verzollung zuzuführen sind. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Beschwerdeführer aus der Türkei nach Österreich einreist oder von Österreich in die Türkei, die Bestimmungen sind vergleichbar.

Allein die Tatsache, dass Goldschmuck von gesamt 706,6g im Reiseverkehr ohne Verzollung in die Europäische Union eingeführt werden hätte sollen, der Goldschmuck aus der Türkei stammt, der Beschuldigte selbst angegeben hat, dass er den Goldschmuck in einem Geschäft bei seinem Geschäftspartner gekauft hat und diese Schmuckstücke im Wert von rund € 30.000,00 (laut Niederschrift vom ) für sein Geschäft als Juwelier bestimmt waren, zeigt, dass es sich nicht (nur) um persönliches Reisegut handeln kann.

Der Beschwerdeführer ist seit 2005 als Juwelier selbständig tätig und betreibt zwei Juweliergeschäfte. Ab 1999 war er bei seinem Schwiegervater in dessen Juweliergeschäft in Wien tätig (vgl. ebenfalls Niederschrift vom ). Demnach wären der Goldschmuck und die Golddukaten für seine Familie als Geldanlage gedacht gewesen. Der andere Schmuck wäre zum Verkauf in den Juweliergeschäften bestimmt gewesen. Zudem hat der Beschwerdeführer angegeben, dass er seiner eigenen Aussage folgend Gold-Punzierungen kenne. "Das Punzierungsamt komme öfters und kontrolliert die Punzierungen bei uns."

Der Beschwerdeführer reiste laut eigenen Angaben wiederholt mehrmals pro Jahr in die Türkei zu Familienbesuchen und gibt an, dass er den Grünkanal nicht kenne. Wer - wie der Beschwerdeführer - mehrmals pro Jahr über rund 25 Jahre wiederholt am Flughafen in der Türkei oder in Wien Schwechat ankommt, kann sich nicht damit verantworten, er kenne den Grünkanal nicht. Tatsächlich hat der Beschwerdeführer den Grünkanal sowohl in der Türkei als auch in Wien Schwechat am Flughafen, auf dem dieser ausreichend erkennbar und gekennzeichnet ist, unter welchen Voraussetzungen Reisende den Grünkanal verwenden dürfen, offenbar laufend genützt, wobei er - folgt man seinen Angaben - noch keine Verzollung durchgeführt hat (und den Rot-Kanal noch nie verwendete). Die Leugnung dieses Allgemeinwissen durch den Beschwerdeführer kann nur als völlig unglaubwürdige Schutzbehauptung gewertet werden. Gerade wenn der Beschwerdeführer selbst ausführt, mehrmals im Jahr über zweieinhalb Jahrzehnte zu seiner Familie in die Türkei zu reisen, ist er allein schon aufgrund der wiederholten grenzüberschreitenden Reisebewegungen über einen Flughafen somit mit den örtlichen Gegebenheiten am Flughafen - nämlich dem Rot-Grün-Kanal - durchaus vertraut.

Dass der Beschwerdeführer nicht so unwissend ist, wie in der Beschwerde dargestellt, zeigt auch die Tatsache, dass er sehr wohl um die € 10.000,00 Grenze für die Beförderung von Bargeld Bescheid weiß.

Zum Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer hätte nicht vorsätzlich gehandelt, ist auf die höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen. Wenn ein Reisender die von ihm mitgeführten Waren sogar bei ausdrücklichem Befragen verschweigt, dann indiziert dies die Absicht, eine Gestellung und Anmeldung dieser Waren überhaupt zu unterlassen. Hinzu kommt, dass bei Gewerbetreibenden, die Handel mit Waren betreiben, die Kenntnis vorausgesetzt werden kann, dass die Verbringung von Handelswaren mit einem derartigen Wert (hier: Schmuckgegenstände, Gold) anlässlich der Einreise in das Zollgebiet der Gemeinschaft ohne Gestellung und Anmeldung rechtswidrig ist ().

Unterlässt der Reisende trotz Befragung über mitgeführte Waren anlässlich der Amtshandlung eine Erklärung, so reicht dieser Versuch der Verheimlichung der mitgeführten Waren (hier Schmuckgegenstände) allein bereits aus, um von einem begründeten Verdacht der Begehung eines vorsätzlichen Finanzvergehens - im vorliegenden Fall Schmuggel gemäß § 35 Abs. 1 lit. a FinStrG - ausgehen zu können ist ().

Aus der Tatbeschreibung ist die Salamitaktik des Beschwerdeführers ersichtlich, über Befragen immer nur einen Teil anzugeben, in der Hoffnung, die Zollbeamten würden sich damit begnügen. Dass diese Hoffnung des Beschwerdeführers nicht aufgegangen ist, spiegelt sich allein im Ergebnis der Amtshandlung wider und bedarf keiner weiteren Betrachtung. Daraus kann man nur das vorsätzliche Verschweigen der von den Zollorganen noch nicht entdeckten Goldschmuckstücke (deren Entdeckung jedoch unmittelbar bevorstand) ableiten, für die die Zollschuld durch Verwendung des Grünkanals entstanden ist.

Die Tatsache, dass die Schmuckstücke am Körper versteckt wurden, zeigt, dass der Beschwerdeführer sich sehr wohl Gedanken über die unbemerkte Einfuhr des Goldschmucks in die Europäische Union gemacht hat. Angesichts der Menge an Gold musste beim Security-Check am Flughafen in Istanbul schon der Metalldetektor aufgeleuchtet haben. Unabhängig davon, was der Beschuldigte den Mitarbeitern des Flughafens in Istanbul erklärt hat war ihm bewusst, dass er Waren, die die Reisefreimenge betragsmäßig bei weitem überstieg und die für sein Unternehmen gedachten Schmuckstücke nicht auf legalem Weg nach Österreich transportiert werden. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, wie diese Schmuckstücke ohne Verzollungsunterlagen korrekt in der Buchhaltung des Unternehmens aufgenommen werden hätten sollen? Das wäre so wohl nicht möglich gewesen. Aber eine mögliche Abgabenhinterziehung an Einkommen- und Umsatzsteuer im Juwelierunternehmer ist nicht Thema dieses Beschwerdeverfahrens.

Soweit eingewendet wird, zum Zeitpunkt der Reise wäre zudem Ramadan gewesen und der Beschwerdeführer hätte sich als gläubiger Muslim nach einem Tag ohne Essen und Trinken in einem stark geschwächten körperlichen Zustand befunden, der sich auf seine kognitiven Fähigkeiten auswirkte, ist festzuhalten, dass der Beschuldigte es trotz dieser angeblichen Beeinträchtigung seiner kognitiven Fähigkeiten aber sehr wohl verstanden hat, den Goldschmuck vor Betreten des Grünkanals an seinem Körper zu verstecken. Das kann man nur dann machen, wenn man noch Herr all seiner Sinne ist. Der Beschwerdeführer wird aber nicht behaupten, dass er zum Zeitpunkt des Kaufes des Goldschmuckes einen Tag vor der Tathandlung ebenfalls in seinen kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigt gewesen wäre. Wollte man das auf weitere Handlungen des Beschwerdeführers anwenden, wäre er wohl nicht in der Lage, sein Geschäft im Ramadan geöffnet zu halten, da ja - wie behauptet - eine Beeinträchtigung gegeben gewesen. Diese Beeinträchtigung kann daher nur als Schutzbehauptung bezeichnet werden, wobei der Zeitbegriff "nach einem Tag ohne Essen und Trinken" auch zeitlich übertrieben dargestellt wird, ist die Amtshandlung (Tatbeschreibung) doch um 13: 25 Uhr begonnen worden, sodass das Fehlverhalten zeitlich davor (planmäßige Ankunft des Fluges in Wien Schwechat um 11: 45 Uhr) gesetzt wurde.

Wer zudem den Goldschmuck am Körper versteckt transportiert, der hält es auch für möglich, dass er diesen Goldschmuck dadurch dem Zollverfahren entzieht und findet sich damit ab, sodass der Verdacht des Schmuggels gemäß § 35 Abs. 1 lit. a FinStrG gegeben ist.

Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass entgegen der Annahme in der Beschwerde, der Beschwerdeführer hielt es nicht einmal ernstlich für möglich, Eingangsabgaben zu verkürzen und fand sich auch nicht damit ab, eine Hinterziehung von Eingangsabgaben gemäß § 35 Abs. 2 FinStrG nicht vorgeworfen wurde.

Gefahr im Verzug

Der Begriff "Gefahr im Verzug" ist im Hinblick auf den mit der Vorschrift des § 89 Abs 2 FinStrG verfolgten Zweck der Hintanhaltung der "Verfalls- oder Beweisgefährdung" dahin zu verstehen, dass eine solche konkrete Gefahr dann anzunehmen ist, wenn durch eine bescheidmäßige Anordnung der Beschlagnahme ein Zeitverlust einträte, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge haben würde, dass die von der Finanzstrafbehörde grundsätzlich mit Bescheid auszusprechende Beschlagnahme zu spät käme, um ihren Zweck noch zu erreichen. Eine Gefahr im Verzug liegt vor, wenn die Beschlagnahme von Gegenständen durch die Einholung eines schriftlichen Auftrages der zuständigen Finanzstrafbehörde aus irgend einem Grund gefährdet erscheint; schon die geringste Gefahr reicht zur Beschlagnahme ohne schriftlichen Auftrag aus, weil der Sicherungszweck dominiert (Hinweis Fellner, Finanzstrafgesetz/5, Rz 10 zu § 89 bis § 92 FinStrG; ).

Das Wesen der Beschlagnahme besteht darin, dass die freie Verfügungsgewalt über eine Sache vom Berechtigten auf die Finanzstrafbehörde übergeht. Als vorläufige Maßnahme endet sie entweder durch die Freigabe bzw Rückgabe des beschlagnahmten Gegenstandes nach § 91 Abs 2 FinStrG oder durch den rechtskräftigen Ausspruch des Verfalls. Dass der Beschuldigte das mit Verfall "bedrohte" Finanzvergehen begangen hat, braucht im Zeitpunkt des Ausspruches der Beschlagnahme noch nicht nachgewiesen zu sein, weil diese Aufgabe ebenso wie die Feststellung, dass bestimmte Personen den Verfall gegen sich gelten zu lassen haben, erst dem Untersuchungsverfahren nach § 114 bis § 124 FinStrG und dem Straferkenntnis zukommt. Es genügt, wenn gegen den Beschuldigten ein Verdacht besteht. Es müssen hinreichende Gründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Beschuldigte als Täter eines mit der Sanktion eines (teilweisen) Vermögensverlustes - in der Gestalt des Verfalls - bedrohten Finanzvergehens in Frage kommt (Hinweis , VwSlg 6139 F/1986; ).

Zur Annahme der Gefahr im Verzug hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, "dass zu besorgen war, dass ein Zuwarten bis zur Beibringung eines von der zuständigen Finanzstrafbehörde zu erlassenden schriftlichen Bescheides den Zweck der Maßnahme gefährdet hätte.

Eine Gefahr im Verzug-Situation liegt vor, wenn die Beschlagnahme von Gegenständen durch die Einholung eines schriftlichen Auftrages der zuständigen Finanzstrafbehörde aus irgendeinem Grund gefährdet erscheint, wobei schon die geringste Gefahr zur Beschlagnahme ohne schriftlichen Auftrag ausreicht, weil der Sicherungszweck im Vordergrund steht. Eine solche Gefahrensituation liegt jedenfalls vor, wenn die Beschlagnahme von Gegenständen durch die Einholung eines schriftlichen Auftrages der zuständigen Finanzstrafbehörde verzögert würde und dadurch gefährdet wäre (z.B. ).

Folgt man den Angaben des Beschwerdeführers in der Niederschrift vom , dann wären der Goldschmuck und die Golddukaten für seine Familie als Geldanlage gedacht gewesen. Der andere Schmuck wäre jedoch zum Verkauf in den Juweliergeschäften bestimmt gewesen. Damit ist nachträglich bestätigt, dass aus Sicht der handelnden Zollorgane die Gefahr gegeben gewesen wäre, dass Teile des Schmuggelgutes dem weiteren Zugriff der Zollbehörde entzogen werden hätten können, da sie im Geschäft verkauft werden hätten können.

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes wäre mit der Einholung einer schriftlichen Beschlagnahmeanordnung der Finanzstrafbehörde eine außer Verhältnis stehende lange Anhaltung des Beschwerdeführers verbunden gewesen. Andererseits würde eine erst in der Folge (nach erstatteter Anzeige an die Finanzstrafbehörde) verfügte schriftliche Beschlagnahme durch die Finanzstrafbehörde durch die Verbringung der Schmuckstücke oder gar deren möglichen Verkauf durch den Beschwerdeführer erschwert werden.

Als Gründe für die Beschlagnahme wurde in der Tatbeschreibung ausgeführt, dass die umseits angeführten Gegenstände gem. § 17 iVm. § 35 Abs. 4 FinStrG (Schmuggel, Hinterziehung) vom Verfall bedroht und/oder im Finanzstrafverfahren als Beweismittel in Betracht kommen. Ihre Beschlagnahme war gem. § 89 Abs. 1 FinStrG zur Sicherung des Verfalls und/oder zur Beweissicherung geboten.

Dabei handelt es sich offensichtlich um den im § 89 Abs. 2 FinStrG erwähnten Hinweis auf § 89 Abs. 1 FinStrG als Rechtsgrundlage für die Gründe einer Beschlagnahme. Der Wille der Zollorgane war jedoch eindeutig auf eine Beschlagnahme bei Gefahr in Verzug gerichtet.

Die Beschlagnahme der Goldschmuckstücke ohne schriftliche Anordnung der zuständigen Finanzstrafbehörde ist somit zu Recht erfolgt, sodass spruchgemäß zu entscheiden war.

Eine Behandlung des unter Punkt 3 der Beschwerde gestellten Antrages auf Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände ist damit obsolet, da die Voraussetzungen für die Beschlagnahme nicht weggefallen sind.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Entscheidung orientiert sich an der aktuellen höchstgerichtlichen Judikatur, wobei ungelöste Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Grünkanal
Goldschmuck
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RM.7300001.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at