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Säumnisbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.04.2022, RS/5100002/2022

Feststellungserklärung als Antrag iSd § 209a Abs. 4 BAO

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2022/15/0069. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Helmut Mittermayr in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch TPA Steuerberatung GmbH, Wiedner Gürtel 13 Tür Turm 24, 1100 Wien, wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Finanzamt VG betreffend Körperschaftsteuer 2010 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

  1. Der Säumnisbeschwerde wird Folge gegeben.

  2. Der Körperschaftsteuerbescheid 2010 wird abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

  3. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Zu Spruchpunkt I.

Die beschwerdeführende Partei (im Folgenden abgekürzt: Bf) hat mit Beschwerde vom (eingelangt am ) gemäß § 284 Abs. 1 BAO Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Finanzamt VG betreffend den Körperschaftsteuerbescheid 2010 erhoben.

Darin wird vom Steuerberater im Wesentlichen ausgeführt:

"Im am ergangenen Körperschaftsteuerbescheid 2010 der Mandantschaft wurde eine steuerliche Tangente der HH GmbH & atypisch still (St.Nr.: ZL beim Finanzamt VG = säumige Behörde gem. § 285 Abs. 1 lit. a BAO) in Höhe von Null berücksichtigt, und es ergaben sich daher Einkünfte aus Gewerbebetrieb und ein Einkommen der Bf für das Jahr 2010 in Höhe von Null.

Auf Grund des am ergangenen Feststellungsbescheides der HH GmbH & atypisch still entfällt jedoch auf unsere Mandantschaft eine negative Tangente in Höhe von minus EUR 548.025,81 und demnach erzielt die Bf im Jahr 2010 negative Einkünfte in Höhe von minus 548.025,81 (und nicht von Null). Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb bzw. das Einkommen der Bf im Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 2010 muss daher mit EUR -548.025,81 festgesetzt werden.

Auf Grund des am ergangenen Feststellungsbescheides der HH GmbH & atypisch still hätte die Behörde gemäß § 295 Abs. 1 BAO von Amts wegen einen neuen Körperschaftsteuerbescheid 2010 für unsere Mandantschaft erlassen müssen. § 295 Abs. 1 BAO lautet:

"Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Änderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. Mit der Änderung oder Aufhebung des anderen Bescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist."

Im gegenständlichen Fall ist der Feststellungsbescheid nach dem Körperschaftsteuerbescheid ergangen (der Körperschaftsteuerbescheid erging am , der Feststellungsbescheid knapp ein Monat später am ), sodass die Abänderung nach § 295 BAO zwingend vorzunehmen ist (vgl. Ritz, BAO, 6. Auflage, § 295 Rz. 3)."

Mit Beschluss vom hat das Bundesfinanzgericht der belangten Behörde gemäß § 284 Abs. 2 BAO aufgetragen, bis spätestens zu entscheiden und eine Abschrift des Bescheides (samt Zustellnachweis) vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt.

In der Stellungnahme vom teilte das Finanzamt im Wesentlichen mit, dass amtswegige Bescheidänderungen nach § 295 Abs. 1 BAO nach der Regelung des § 302 Abs. 1 BAO nur innerhalb der Verjährungsfrist zulässig. Da die Verjährung betreffend Körperschaftsteuer 2010 mit Ablauf des Jahres 2016 bereits eingetreten sei, wäre die mit der Säumnisbeschwerde vom geltend gemachte Erlassung eines gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Körperschaftsteuerbescheides für das Jahr 2010 wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung mit Ende des Jahres 2016 unzulässig. Eine Verletzung der Entscheidungspflicht liege daher nicht mehr vor.

In seiner Replik vom führte der Vertreter der Bf im Wesentlichen aus:

Wie das Finanzamt richtig ausführt ist eine Feststellungserklärung eindeutig ein Antrag im Sinne des § 209a Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 BAO. § 209a Abs. 2 BAO normiert, dass einer Abgabenfestsetzung, die unmittelbar oder mittelbar (!) von der Erledigung eines Antrages (= hier die Feststellungserklärung) abhängt der Eintritt der Verjährung nicht entgegensteht, wenn der Antrag vor Eintritt der Verjährung eingebracht wurde. Die Feststellungserklärung wurde wohl unstrittig vor Ablauf der Verjährung eingebracht, sodass § 209a Abs. 2 BAO aus diesem Blickwinkel wohl unzweifelhaft anwendbar ist.

Aus § 209a Abs. 2 BAO ergibt sich wohl unzweifelhaft, dass auch Anträge die mittelbar eine Abgabenfestsetzung beantragen von Relevanz sind ("argum" das Wort "mittelbar"). Wenn man nun aber den mittelbaren Konnex zwischen Abgabenfestsetzung und Feststellungerklärung - dem § 209a Abs. 2 BAO entsprechend -- zieht, dann ist die Abgabenfestsetzung, die durch die Feststellungserklärung beantragt wurde, nicht mit dem ,,bloßen" Erlassen des Feststellungsbescheides erledigt, sondern erst dann, wenn auch die Abgabe entsprechend der Feststellungserklärung festgesetzt wurde

Mit Erkenntnis vom , GZ RS/5100016/2019 wies das Bundesfinanzgericht die Säumnisbeschwerde als unbegründet ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Säumnisbeschwerderecht nach § 284 Abs. 1 erster Fall BAO (Anbringen) umfasse auch Parteianbringen auf Durchführung einer nicht im Ermessen stehenden Bescheidanpassung nach § 295 Abs. 1 BAO. Solche Bescheidanpassungen seien jedoch gemäß § 302 Abs. 1 BAO nur bis zum Ablauf der Verjährungsfrist zulässig. Der Körperschaftsteuerbescheid 2010 sei am 14. Juni 201 1 ergangen, womit die Festsetzungsverjährung (§§ 207 ff BAO) mit Ablauf des Jahres 2016 eingetreten sei.

Der Feststellungsbescheid sei am ergangen. Dadurch sei die als Anbringen zu wertende Feststellungserklärung erledigt worden. Gemäß § 209a BAO stehe zwar der Eintritt der Verjährung der Abgabenfestsetzung unter bestimmten Umständen nicht entgegen. Dies habe gemäß § 209a Abs. 2 BAO jedoch zur Voraussetzung, dass ein Antrag auf Änderung nach § 295 Abs. 1 BAO vor Eintritt der Verjährung beim Finanzamt eingebracht worden sei. Eine derartige Antragstellung liege jedoch nicht vor.

Erst mit Beschwerde vom sei die Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß § 284 Abs. 1 BAO beim BFG geltend gemacht worden.

Eine unerledigte Abgabenerklärung, die - sofern sie zu einer Gutschrift führen würde - gemäß § 209a Abs. 4 BAO als Antrag im Sinn des Abs. 2 anzusehen wäre, liege ebenfalls nicht vor, und zwar weder die Körperschaftsteuer 2010 noch das Feststellungsverfahren 2010 betreffend, weshalb weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Abhängigkeit der Abgabenfestsetzung von einem noch zu erledigenden, vor Eintritt der Verjährung eingebrachten Antrag in Form einer Abgabenerklärung unterstellt werden könne.

Bei Änderungsbescheiden gemäß § 295 Abs. 1 BAO handle es sich um von Amts wegen zu erlassende Bescheide. Daher könne Säumnisbeschwerde nach § 284 Abs. 1 zweiter Fall BAO auch dann erhoben werden, wenn solche Maßnahmen nicht innerhalb von sechs Monaten nach Eintritt der Verpflichtung zur Bescheiderlassung durchgeführt würden. Die gegenständliche Säumnisbeschwerde vom wäre daher, gerechnet von der Erlassung des Feststellungsbescheides am (Annahme Zustellungsdatum) bereits ab (= sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft des Feststellungsbescheides mit 8. August 201 1 und damit Eintritt der Verpflichtung zur amtswegigen Erlassung des Bescheides nach § 295 Abs. 1 BAO) zulässig gewesen.

Amtswegige Bescheidänderungen nach § 295 Abs. 1 BAO seien nach der Regelung des § 302 Abs. 1 BAO nur innerhalb der Verjährungsfrist zulässig.

Da die Verjährung betreffend Körperschaftsteuer 2010 mit Ablauf des Jahres 2016 bereits eingetreten sei, sei die mit der Säumnisbeschwerde vom geltend gemachte Erlassung eines gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Körperschaftsteuerbescheides für das Jahr 2010 wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung mit Ende des Jahres 2016 unzulässig. Eine Verletzung der Entscheidungspflicht liege daher nicht mehr vor.

Gegen dieses Erkenntnis wurde mit Schriftsatz vom außerordentliche Revision erhoben.

Mit Erkenntnis vom , Ra 2020/15/0037 wurde das in Revision gezogene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof aus:

"Gemäß § 295 Abs. 1 BAO ist ein Bescheid, der von einem Feststellungsbescheid abzuleiten ist, ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Änderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen.

Ist der abgeleitete Bescheid, wie im Revisionsfall, ein Abgabenbescheid, so ist seine Änderung § 302 Abs. 1 BAO zufolge - sofern nicht der Ausnahmefall des § 209a Abs. 2 BAO vorliegt - nur bis zum Ablauf der Verjährungsfrist zulässig.

Gemäß § 209a Abs. 2 BAO steht der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung u.a. dann nicht entgegen, wenn die Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer vor dem Eintritt der Verjährung eingebrachten Beschwerde oder eines in Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrages (§ 85) abhängt. Eine Abhängigkeit im Sinne dieser Vorschrift liegt etwa dann vor, wenn ein Abgabenbescheid von einem mit einem Rechtsmittel bekämpften Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO abzuleiten ist. Wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat, werden Fälle, in denen ein Rechtsmittel gegen den Feststellungsbescheid anhängig ist, durch § 209a Abs. 2 BAO den Fällen, in denen die Abgabenfestsetzung selbst Gegenstand eines anhängigen Rechtsmittelverfahrens ist, gleichgestellt (vgl. , mwN).

Gemäß dem durch das AbgÄG 201 1, BGBl I 2011/76, aufgenommenen § 209a Abs. 4 BAO gelten "Abgabenerklärungen ... als Anträge im Sinn des Abs. 2, wenn die nach Eintritt der Verjährung vorzunehmende Abgabenfestsetzung zu einer Gutschrift führen würde".

In den Erläuterungen der Regierungsvorlage betreffend das AbgÄG 2011 wird zu dieser Bestimmung ausgeführt (1212 BlgNR 24. GP 30):

"Die Ergänzung des § 209a BAO stellt sicher, dass auch lang andauernde Verletzungen der Entscheidungspflicht über Abgabenerklärungen für den Abgabepflichtigen nicht zum Verlust des Rechtsanspruches auf bescheidmäßige Erledigung führen. Dies betrifft beispielsweise Feststellungserklärungen (§ 43 EStG 1988), wenn sich erst nach Eintritt der Bemessungsverjährung abgeleiteter Abgaben (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer) etwa im Berufungsverfahren herausstellt, dass an Stelle eines Feststellungsbescheides (§ 188 BAO) ein "Nichtbescheid" erlassen würde."

Auch im Revisionsfall liegt eine solche "lang andauernde Verletzung der Entscheidungspflicht über Abgabenerklärungen" vor. Zwar hat das Finanzamt auf die eingereichte Feststellungserklärung hin einen Feststellungsbescheid gegenüber der HH GmbH & atypisch Still erlassen. Die mit einem solchen Feststellungsverfahren gleichsam verbundene Pflicht zur amtswegigen Anpassung der abgeleiteten Abgabenfestsetzungen über § 295 BAO hat es aber gegenüber der Revisionswerberin nicht wahrgenommen. Eine gesonderte formale Antragsstellung der Revisionswerberin zur Durchsetzung einer solchen Anpassung ist in der BAO auch nicht vorgesehen, weshalb damit bereits die Umsetzung der Feststellungserklärung gegenüber der Revisionswerberin durch das Finanzamt unerledigt blieb.

Hängt sohin - wie die Revision zutreffend ausführt - eine Abgabenfestsetzung (hier: die Festsetzung der Körperschaftsteuer 2010 der Revisionswerberin) mittelbar von der Erledigung eines in Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrages (hier: des Feststellungsantrages der HH GmbH & atypisch Still) ab, so steht der Abgabefestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wen der Antrag (also im Revisionsfall: die Feststellungserklärung der HH GmbH & atypisch Still) vor diesem Zeitpunkt eingebracht wird und die Abgabenfestsetzung zu einer Gutschrift führen würde.

Der vorliegenden Säumnisbeschwerde gemäß § 284 Abs. BAO zur Durchsetzung der Verpflichtung zur amtswegigen Erlassung abgeleiteter Bescheide gemäß § 295 Abs. 1 BAO konnte somit nicht der Ablauf der Bemessungsverjährung entgegengehalten werden."

In Schriftsätzen vom und vertrat das Finanzamt im Wesentlichen die Ansicht, dass bei Erlassung der Folgeentscheidung über die nach Aufhebung durch den VwGH wiederum unerledigte Säumnisbeschwerde sei das BFG an die Rechtsanschauung des VwGH gebunden (§ 63 Abs. 1 VwGG). Diese Bindung bestehe aber nur im Rahmen der für die Aufhebung tragenden Gründe (vgl. z.B. , mwN). Die getroffene höchstgerichtliche Auslegung zu § 209a Abs. 4 BAO werde darüber hinaus in gleichgelagerten Fällen allgemein zu beachten sein. Ihr zufolge ist vom Ausnahmefall des § 209a Abs. 4 BAO auch eine innerhalb der Verjährungsfrist eingebrachte Feststellungserklärung erfasst, die bis zum Eintritt der Verjährung nicht von Amts wegen durch die Erlassung eines § 295 Abs. 1 BAO abgeleiteten Abgabenbescheides (vollständig) umgesetzt wurde.

Im Zusammenhang mit § 209a Abs. 4 BAO werde dies jedoch (aus dem gesamten Normzweck) nur dann gelten können, wenn auch die weitere im Gesetz (zweiter Halbsatz) vorgesehene Voraussetzung erfüllt ist, nämlich dass "die nach Eintritt der Verjährung vorzunehmende Abgabenfestsetzung zu einer Gutschrift führen würde". Konkret ausgedrückt werden aus Feststellungserklärungen sich mittelbar (§ 295 Abs. 1 BAO) ergebende Nachforderungen nach Eintritt der Verjährung auf Basis des § 209a Abs. 4 BAO (weiterhin) nicht festgesetzt werden dürfen.

Führe man sich vor diesem rechtlichen Hintergrund den gegenständlichen Körperschaftsteuerbescheid 2010 vom vor Augen (ohne Berücksichtigung der Verlusttangente), dann wurde damit die bisher bereits vorgeschriebene (Vorauszahlungen) Mindestkörperschaftsteuer in Höhe von 1.750,00 € festgesetzt. Setze man in diesem Bescheid nunmehr (laut Verwaltungsgerichtshof ) zusätzlich die Verlusttangente aus dem Feststellungsverfahren 2010 an (säumiger Änderungsbescheid gemäß § 295 Abs. 1 BAO), dann bleibe doch (unverändert) die Mindestkörperschaftsteuer in Höhe von 1.750,00 € stehen, weshalb aus einem gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Körperschaftsteuerbescheid 2010 keine "Gutschrift" im gebarungsrechtlichen Sinn entstehen kann. Damit fehlt es aber an der zweiten Voraussetzung für die Anwendung des § 209a Abs. 4 BAO.

Demgegenüber vertrat der Beschwerdeführer in seinen Stellungnahmen vom und im Wesentlichen die Ansicht, dass der Verwaltungsgerichtshof zweifelsfrei bei seiner Entscheidung davon ausgegangen sei, dass im Körperschaftsteuerbescheid 2010 vom Einkünfte aus Gewerbebetrieb und ein Einkommen der Bf für das Jahr 2010 in Höhe von Null sich ergeben hätten. Somit sei der Verwaltungsgerichtshof bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass es sich um die Festsetzung eines Verlustes bzw. Verlustvortrages gehe.

Wäre der Verwaltungsgerichtshof der Meinung gewesen, dass der Verlust bzw. der Verlustvortrag keine Gutschrift im Sinn des § 209a Abs. 2 BAO i.V.m § 209a Abs. 4 BAO darstelle, so hätte der Verwaltungsgerichtshof das angefochtene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes nicht wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Denn wenn der Verwaltungsgerichtshof nicht vom Vorliegen einer Gutschrift ausgegangen wäre, wäre § 209a Abs. 2 BAO i.V.m § 209a Abs. 4 BAO nicht anzuwenden gewesen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Mit Erkenntnis vom , Ra 2020/15/0037 wurde das in Revision gezogene Erkenntnis vom Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Gemäß § 42 Abs. 3 VwGG tritt durch die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses befunden hat.

Wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision stattgegeben hat, sind gemäß § 63 Abs. 1 VwGG die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Im gegenständlichen Fall ist gemäß § 284 Abs. 3 BAO wieder das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung zuständig. In dieser Entscheidung ist das Bundesfinanzgericht an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes gebunden (§ 63 Abs. 1 VwGG).

Im gegenständlichen Fall geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:

"Mit dem am ergangenen Körperschaftsteuerbescheid 2010 wurde - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - die Körperschaftsteuer der revisionswerbenden GmbH festgesetzt und dabei eine steuerliche Tangente der HH GmbH & atypisch Still in Höhe von Null berücksichtigt, woraus sich Einkünfte aus Gewerbebetrieb und ein Einkommen der revisionswerbenden GmbH für das Jahr 2010 in Höhe von Null ergaben.

Auf Grund des am nachfolgend ergangenen Feststellungsbescheides der HH GmbH & atypisch Still entfiel auf die revisionswerbende GmbH jedoch eine negative Tangente in Höhe von - 548.025,81 €. Eine Folgeänderung gemäß § 295 BAO hinsichtlich des Körperschaftsteuerbescheids 2010 der revisionswerbenden GmbH erging jedoch nicht."

Durch die Berücksichtigung des Verlustes aus dem Feststellungsbescheid ändern sich die Einkünfte aus Gewerbebetrieb von Null Euro auf minus 548.025,81 €. An der Höhe der vorgeschriebenen Mindeststeuer ergibt sich keine Änderung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis das Vorliegen der Voraussetzungen des § 209a Abs. 2 BAO i.V.m. § 209a Abs. 4 BAO als gegeben angenommen und das vom Bf angefochtene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher eindeutig davon aus, dass das Tatbestandsmerkmal "…wenn die nach Eintritt der Verjährung vorzunehmende Abgabefestsetzung zu einer Gutschrift führen würde." gegeben ist. Auch wenn sich die Höhe der Körperschaftsteuer 2010 nicht ändert (insofern keine Gutschrift vorliegt) geht der Verwaltungsgerichtshof offensichtlich davon aus, dass für das Vorliegen des Tatbestandsmerkmal Gutschrift iSd § 209a Abs. 4 BAO das Vorliegen eines vortragsfähigen Verlustes bei der Bf ausreicht.

Der Säumnisbeschwerde ist daher Folge zu geben.

Für die in der Säumnisbeschwerde geforderte Anpassung des Körperschaftsteuerbescheides 2010 ergibt sich Folgendes:

Im am ergangenen Körperschaftsteuerbescheid 2010 wurde eine steuerliche Tangente der HH GmbH & atypisch still (St.Nr.: ZL beim Finanzamt VG in Höhe von Null berücksichtigt, und es ergaben sich daher Einkünfte aus Gewerbebetrieb und ein Einkommen der Bf für das Jahr 2010 in Höhe von Null.

Die Feststellungserklärung wurde am eingebracht

Auf Grund des am ergangenen Feststellungsbescheides der HH GmbH & atypisch still entfällt auf die Bf eine negative Tangente in Höhe von minus € 548.025,81.

Der Körperschaftsteuerbescheid 2010 ist daher gemäß § 295 Abs. 1 BAO abzuändern.

Körperschaftsteuerbescheid 2010


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Die Körperschaftsteuer wird für 2010 festgesetzt mit
1.750,00 €
Bisher war vorgeschrieben
1.750,00 €
Das Einkommen im Jahr 2010 beträgt
0,00 €
Berechnung der Körperschaftsteuer:
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
- 548.025,81 €
Gesamtbetrag der Einkünfte
- 548.025,81 €
Einkommen
0,00 €
Die Körperschaftsteuer vom Einkommen beträgt: Gem. § 22 KStG 1988 25,00% von 0,00
0,00
Differenz zur Mindestkörperschaftsteuer
1.750,00 €
Körperschaftsteuer
1.750,00 €

Gemäß § 24 Abs. 4 Z 1 KStG 1988, in der Fassung nach dem VfGH-Erkenntnis vom (G 441, 442/97 ua), ist bei unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften für jedes volle Kalendervierteljahr des Bestehens der unbeschränkten Steuerpflicht eine Mindeststeuer in der Höhe von 5% eines Vierttels der gesetzlichen Mindesthöhe des Grund- oder Stammkapitals (35.000 € für Gesellschaften mit beschränkter Haftung und 70.000 € für Aktiengesellschaften) zu entrichten.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist nicht zulässig, weil sie nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Rechtsfolgen ergeben sich unmittelbar aus den gesetzlichen Bestimmungen (§ 284 Abs. 3 BAO) bzw. aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2020/15/0037.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RS.5100002.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
XAAAC-30468