Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 19.05.2022, RV/1100278/2017

Beurteilung der Ansässigkeit gemäß Art. 4 Abs. 2 DBA-Schweiz

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2022/15/0067. Zurückweisung mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Dr. Peter Steurer, die Richterin Mag. Natascha Gassner, die fachkundige Laienrichterin Mag. Renate Burtscher und den fachkundigen Laienrichter Bernd Feldkircher in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch Mag. Andreas Martin Germann, Scheffelstraße 7a, 6900 Bregenz, gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2014 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen; der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer erklärte in der elektronisch eingereichten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2014 im Zeitraum vom bis erzielte, aus einem Dienstverhältnis mit einer liechtensteinischen Arbeitgeberin resultierende Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

2. Auf mehrere Vorhalte des Finanzamtes betreffend den inländischen und den ausländischen Wohnsitz, den Mittelpunkt der Lebensinteressen vor Juni 2014 und nach September 2014 sowie die Höhe der im Streitjahr und in den Vorjahren erzielten Einkünfte, hat die steuerliche Vertretung auf das Wesentlichste zusammengefasst mitgeteilt, der Beschwerdeführer habe im Jahr 2012 gemeinsam mit seiner Ehegattin eine Wohnung in Feldkirch gekauft, in welcher die Gattin in der Folge gewohnt habe. Der Beschwerdeführer seinerseits habe in der Schweiz eine L-Bewilligung erhalten und in Basel eine Wohnung gemietet. Nach Auslaufen des Mietvertrages sei er nach Feldkirch gezogen und ab dort gemeldet gewesen. Bis habe er bei der ***A*** Consulting AG in ***D*** gearbeitet, vom bis bei der in Liechtenstein ansässigen ***B*** AG. Vom bis sei er ohne Beschäftigung und auf Jobsuche gewesen. Bis zum Umzug nach Feldkirch habe er den Mittelpunkt der Lebensinteressen in der Schweiz gehabt. Er und seine Gattin hätten sich in dieser Zeit an den Wochenenden gegenseitig in Basel oder in Feldkirch besucht. Zudem könne eine Grenzgängertätigkeit nicht angenommen werden, weil keine tägliche Rückkehr nach Feldkirch erfolgt sei. Bis Juni 2014 komme das Besteuerungsrecht daher der Schweiz zu und seien in Österreich bis dahin somit keine Einkünfte zu erklären.

3. Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für das Jahr 2014 fest, wobei neben den von der ***B*** AG laut Lohnausweis im Zeitraum vom bis bezogenen Einkünften auch aus der Tätigkeit bei der ***A*** Consulting AG resultierende, mangels Vorlage entsprechender Lohnausweise im Schätzungswege ermittelte Einkünfte berücksichtigt wurden. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im Hinblick auf den Erwerb einer Eigentumswohnung engere wirtschaftliche und aufgrund der dort wohnhaften Ehegattin engere persönliche Beziehungen zu Österreich habe und der Mittelpunkt der Lebensinteressen somit im Inland liege. Die erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit seien daher unter Anrechnung der Quellensteuer in Österreich steuerpflichtig.

4. Dagegen erhob die steuerliche Vertretung Beschwerde und beantragte die Entscheidung durch den gesamten Senat sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. In Entsprechung eines diesbezüglichen Mängelbehebungsauftrages hat der nunmehr mit der Vertretung beauftragte Rechtsanwalt zusammengefasst ausgeführt, der Beschwerdeführer sei bis in der Schweiz ansässig gewesen. Die Aufenthalte bei seiner Ehegattin an einigen Wochenenden würden daran ebenso wenig ändern, wie das Argument, dass dem Beschwerdeführer in Basel lediglich eine Mietwohnung zur Verfügung gestanden habe. Zudem habe die Ehegattin unter Ausnützung sogenannter "Brückentage" zumindest ebenso viele Wochenenden beim Beschwerdeführer in der Schweiz verbracht, wie er in Österreich. Die Ansässigkeit habe sich daher erst mit dem Umzug nach Feldkirch am geändert. Der Wohnsitz des Beschwerdeführers in den Jahren 2009 bis 2011 und der Aufenthalt der Gattin in Österreich seien nicht relevant bzw. änderten der Erwerb der Wohnung in Feldkirch und die Verehelichung im Jahr 2012 nichts an dem bis zum Umzug nach Feldkirch in der Schweiz liegenden Mittelpunkt der Lebensinteressen.

5. Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet ab. Die uneingeschränkte Verfügungsmacht über die österreichische Wohnung, welche sich aus dem Eigentumsrecht ableite und die faktisch nicht beschränkt gewesen sei, habe es dem Beschwerdeführer ermöglicht, diese jederzeit für eigene Wohnzwecke zu benutzen und begründe die inländische Wohnung daher einen Wohnsitz im Sinne des § 26 BAO bzw. eine ständige Wohnstätte im Sinne des Art. 4 DBA-Schweiz. Auch der Mittelpunkt der Lebensinteressen im Sinne des Art. 4 Abs. 2 lit. a DBA-Schweiz habe sich aufgrund der im gemeinsamen Eigentum mit der Ehegattin stehenden Wohnung zweifelsohne im Inland und nicht in der Schweiz befunden, wo der Beschwerdeführer lediglich für berufliche Zwecke in der Nähe des Arbeitsplatzes zeitlich befristet über eine Wohnung verfügt habe. Dass die persönlichen Interessen zu Österreich im Hinblick auf die Verehelichung (sowie allenfalls Freunde, Bekannte, Verwandte, welche der Beschwerdeführer aufgrund seines früheren Aufenthaltes in Österreich in einem gewissen Ausmaß habe) durch stärkere persönliche Bindungen zum Ort der vorübergehenden Berufsausübung überlagert worden seien, könne ausgeschlossen werden. Ebenso seien aufgrund der inländischen Vermögensbildung (Wohnung) starke wirtschaftliche Bindungen zu Österreich gegeben, sodass in der Gesamtbetrachtung der Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich gelegen sei. Im Ergebnis sei er im Streitjahr somit in Österreich ansässig gewesen und seien die nichtselbständigen Einkünfte daher in Österreich unter Anrechnung der Schweizer Steuer zu erfassen gewesen.

6. Mit Schriftsatz vom beantragte der rechtliche Vertreter des Beschwerdeführers die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

7. Auf Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes teilte der rechtliche Vertreter mit, der Beschwerdeführer habe bis zum niemals einen Lebensmittelpunkt in Österreich gehabt, auch nicht in familiärer Hinsicht. Er habe einen Sohn in Amsterdam, welcher ihn regelmäßig in Basel besucht habe. Dies sei aufgrund der direkten Flugverbindung zwischen Amsterdam und Basel wesentlich einfacher gewesen, als ein Besuch in Österreich. Weiters habe die Ehegattin aufgrund ihrer beruflichen Situation oft arbeitsfreie Tage gehabt, welche sie dann beim Beschwerdeführer in Basel verbracht habe. Zudem habe sie auch gerne die Wochenenden bei ihm in Basel verbracht, sodass die Wohnung in Feldkirch nicht als Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers angesehen werden könne. Er habe auch keine Freundschaften in Feldkirch gepflegt, sondern seine Sozialkontakte in Basel gehabt. Dort sei er unter anderem auch Mitglied des Vereins der Österreicher, dessen Veranstaltungen er besucht habe. Weiters sei er zum damaligen Zeitpunkt auch Mitglied der International Group in Basel gewesen und habe dort deren Veranstaltungen besucht. Im Gegenzug dazu habe er keinerlei Kontakte zu Vereinen in Österreich, insbesondere nicht im Umkreis von Feldkirch. Nicht richtig sei, dass der Beschwerdeführer lediglich über eine L-Bewilligung verfügt habe. Dies sei nur anfänglich der Fall gewesen, als er noch Arbeitsverträge über zwölf Monate gehabt habe. Seit knapp fünf Jahren verfüge er über eine B-Bewilligung. Schließlich sei auch die Anknüpfung an die ***B*** AG in ***F*** nicht nachvollziehbar, da dort lediglich der Unternehmenssitz liege. Der Beschwerdeführer sei jedoch nicht am Unternehmenssitz tätig gewesen, sondern als Leiter der medizinischen Abteilung weltweit, außer in Österreich, da die Firma dort keine Filialen betreibe. Die klinischen Studien, welche er betreut habe, seien hauptsächlich in Deutschland, Frankreich und in der Schweiz durchgeführt worden, nicht aber in Österreich. Für diese Arbeit sei die Wohnung in Basel wesentlich näher und damit günstiger gelegen, als die Wohnung in Feldkirch.

8. Im Zuge der mündlichen Verhandlung wies der rechtliche Vertreter neuerlich darauf hin, dass der Beschwerdeführer einen minderjährigen Sohn in der Nähe von Amsterdam habe und er diesen dort öfter besucht habe als seine Gattin in Feldkirch. Diese habe mehr freie Tage zur Verfügung gehabt als der Beschwerdeführer und habe ihn daher öfter in Basel besucht als er seine Gattin in Feldkirch. Er habe mit seiner Gattin auch die Urlaube in der Schweiz oder im Ausland, nicht aber in Österreich verbracht. Der Beschwerdeführer sei zwar Österreicher, sein Lebensmittelpunkt sei in dieser Zeit aber nicht in Österreich gelegen.

Der Beschwerdeführer brachte zusammengefasst vor, dass er sich nicht erklären könne, weshalb er im Zeitraum von 2009 bis 2011 in Österreich mit Hauptwohnsitz gemeldet gewesen sei, er sei in dieser Zeit in Frankreich tätig gewesen. Ab Ende 2011 habe er in Deutschland gewohnt und gearbeitet. Zur Tätigkeit bei der ***B*** AG sei anzumerken, dass diese in Österreich keine Filiale gehabt und keine Geschäftstätigkeit entfaltet habe, weil sie Medizinprodukte vertreibe und das Medizinproduktegesetz in Österreich wesentlich strenger sei als in anderen Staaten. Die Verkäufer hätten in Österreich daher auch nicht arbeiten können. Jetzt arbeite er in Frankreich als Chief Medical Officer. Er sei seit 1998 nicht mehr in Österreich und habe hier auch keine Freunde mehr. Sein einziger Freund sei ebenso wie sein Vater letztes Jahr gestorben. Ein- bis zweimal im Jahr besuche er seine in Tirol lebende Mutter. Aufgrund seiner Tätigkeit sei er an mindestens acht Wochenenden im Ausland bei verschiedenen Meetings und Kongressen. Seine Gattin habe ebenfalls mindestens sechs Wochenenden beruflich im Ausland verbracht, ua. sei sie sechs Wochen in China gewesen. Weiters habe er einmal monatlich seinen in der Nähe von Amsterdam lebenden minderjährigen Sohn besucht. Sein Sohn habe ihn maximal zwei- oder dreimal besucht. Dies sei meist nur über das Wochenende gewesen, wenn sie gemeinsam an den Gardasee gefahren seien, weil seine Mutter den Sommer dort verbracht habe. Einen Teil der Zeit habe sein Sohn bei ihm, einen Teil bei seiner Mutter verbracht. Wenn sein Sohn ihn übers Wochenende in Basel besucht habe, habe er ihn jeweils in Amsterdam abgeholt und wieder dorthin zurückgebracht. Das sei von Basel aus wesentlich einfacher gewesen, weil er sonst noch zwei Stunden nach Feldkirch und wieder zurück hätte fahren müssen. Seine Frau habe ihn zwölfmal in Basel besucht, sie habe an neun Brückentagen frei gehabt habe daher jeweils bereits am Donnerstag nach Basel kommen können. Er habe nur einen Brückentag gehabt und habe ca. acht Wochenenden in Feldkirch verbracht. Er sehe seinen Mittelpunkt der Lebensinteressen nicht in Feldkirch gelegen, insbesondere auch weil er mehr Zeit mit seinem Sohn verbracht habe, als mit seiner Gattin. Sein Sohn sei ihm nähergestanden als seine Gattin, auch wenn er sie damals noch geliebt habe. Ab Oktober 2014 sei er arbeitslos gewesen, habe aber kein Arbeitslosengeld in Österreich bezogen. Während der Arbeitslosigkeit im Jahr 2015 sei die Beziehung in die Brüche gegangen. Nachdem er wieder einen Job gefunden habe, sei er nach Genf übersiedelt. Nachweise hinsichtlich der angegebenen Besuchszahlen habe er nicht mehr; solche könnten nach so langer Zeit nicht mehr vorgelegt werden. Auch Kreditkartenabrechnungen habe er nicht mehr, er wechsle seine Kreditkarten bzw. die Anbieter alle paar Jahre. Er könnte nur die ganzen Kongressdaten zusammenstellen. Als Chief Medical Officer, dessen Aufgabenbereich er näher beschrieb, sei er für den gesamten medizinischen Bereich verantwortlich gewesen, wobei das Hauptaugenmerk auf medizinischen Studien gelegen habe. Bei der ***B*** AG in Liechtenstein habe er ein Büro gehabt, sei dort aber nur selten gewesen. Hauptsächlich sei er in Basel gewesen, da er von Liechtenstein aus zuerst wieder eineinhalb Stunden zum Flughafen Zürich hätte fahren müssen. Einen Großteil der Zeit habe er aber auf Dienstreisen verbracht, abgesehen von den bereits angegebenen Reisen an Wochenenden. Neben den Flügen, sei er auch ca. 40.000 km mit dem Auto gefahren. Die ***A*** Consulting AG sei Personalvermittlerin für die Firma ***R***. Der Arbeitsvertrag bei der ***A*** Consulting AG sei befristet gewesen und habe er deshalb nur eine befristete L-Bewilligung erhalten, die aber verlängert worden sei. Von August 2015 bis ins Jahr 2020 habe er eine B-Bewilligung erhalten, seither habe er eine C-Bewilligung. Seinen Hälfteanteil an der Wohnung in Feldkirch habe er seiner damaligen Gattin im Jahr 2016 unentgeltlich übertragen.

Zum Nachweis der in der Schweiz erfolgten Besteuerung wurde ergänzend eine Quellensteuerbescheinigung der Steuerverwaltung des Kantons Basel-Stadt vom vorgelegt.

II. Sachverhalt

Nach der Aktenlage ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Beschwerdeführer, ein österreichischer Staatsbürger, war von bis in Österreich mit Hauptwohnsitz gemeldet, hat in dieser Zeit aber in Frankreich gearbeitet und gewohnt. In der Folge war er bis Mai 2012 in Deutschland wohnhaft. Nach der Heirat mit ***CD*** am hat er mit Kaufvertrag vom gemeinsam mit seiner Ehegattin eine Wohnung in Feldkirch erworben, in der diese ab Jänner 2013 gelebt hat.

Im Mai 2012 nahm der Beschwerdeführer ein befristetes Dienstverhältnis bei der als Personalvermittlerin für die ***R*** AG fungierenden ***A*** Consulting AG in ***D***, Schweiz, auf und mietete in der Nähe seines Arbeitsortes in Basel eine 76 m2 große Wohnung an. In der Schweiz verfügte er im hier interessierenden Zeitraum über eine befristete Aufenthaltsbewilligung (Ausländerausweis L; Angehörige eines EU/EFTA-Staates haben Anspruch auf Erteilung dieser Bewilligung, sofern sie in der Schweiz ein Arbeitsverhältnis zwischen drei Monaten und einem Jahr nachweisen können). Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der ***A*** Consulting AG per war er von bis bei der in Liechtenstein ansässigen ***B*** AG angestellt und für die weltweite Forschungs- und Entwicklungsarbeit verantwortlich. In Liechtenstein stand ihm ein Büro zur Verfügung, welches er nur selten benutzte, da die Tätigkeit mit vielen Reisen verbunden war und im Übrigen auch in der Wohnung in Basel ausgeübt wurde. In der Wohnung in Feldkirch hat er sich während dieser Zeit nach eigenen Angaben anlässlich von Besuchen seiner Ehegattin an Wochenenden wiederholt aufgehalten. Ebenso haben der Beschwerdeführer und seine Gattin mehrere gemeinsame Wochenenden bzw. arbeitsfreie Zeiten in Basel verbracht. Weiters hat er seinen im Jahr 2009 geborenen, in der Nähe von Amsterdam lebenden Sohn aus einer früheren Beziehung regelmäßig besucht. Nach Auslaufen des Mietvertrages in Basel ist er am zu seiner Gattin in die Wohnung nach Feldkirch übersiedelt und war dort bis mit Hauptwohnsitz gemeldet.

Ab war er auf Jobsuche und hat im Jahr 2014 keine weitere Tätigkeit ausgeübt. Ein Lohnausweis wurde nur für den Zeitraum vom bis vorgelegt.

Strittig ist einzig, ob der Beschwerdeführer im Jahr 2014 bis zu seinem Umzug nach Feldkirch Anfang Juni in der Schweiz oder in Österreich ansässig im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens war.

III. Rechtsgrundlagen und Würdigung

Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind unbeschränkt steuerpflichtig jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

Nach § 26 Abs. 1 BAO hat jemand einen Wohnsitz im Sinn der Abgabenvorschriften dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Schweiz) gilt nach Art. 1 für Personen, die in einem Vertragstaat oder in beiden Vertragstaaten ansässig sind.

Art. 4 DBA-Schweiz lautet auszugsweise:


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"1. Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck "eine in einem Vertragstaat ansässige Person" eine Person, die nach dem in diesem Staat geltenden Recht dort unbeschränkt steuerpflichtig ist.
2. Ist nach Absatz 1 eine natürliche Person in beiden Vertragstaaten ansässig, so gilt folgendes:
a)
Die Person gilt als in dem Vertragstaat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt. Verfügt sie in beiden Vertragstaaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Vertragstaat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen).
b)
Kann nicht bestimmt werden, in welchem Vertragstaat die Person den Mittelpunkt der Lebensinteressen hat, oder verfügt sie in keinem der Vertragstaaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Vertragstaat ansässig, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.
c)
Hat die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Vertragstaaten oder in keinem der Vertragstaaten, so gilt sie als in dem Vertragstaat ansässig, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt.
d)
Besitzt die Person die Staatsangehörigkeit beider Vertragstaaten oder keines Vertragstaates, so verständigen sich die zuständigen Behörden der Vertragstaaten gemäß Artikel 25.

[…]"

Gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, vorbehaltlich der Artikel 16, 18 und 19, nur in diesem Staat besteuert werden, sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden.

Nach Art. 23 Abs. 2 DBA-Schweiz darf Österreich Einkünfte aus unselbständiger Arbeit im Sinne des Artikels 15 Absatz 1 sowie Einkünfte im Sinne des Artikels 19 (ausgenommen Ruhegehälter), die eine in Österreich ansässige Person aus ihrer in der Schweiz ausgeübten Arbeit aus öffentlichen Kassen der Schweiz bezieht, besteuern. Bezieht eine in Österreich ansässige Person unter Artikel 10, 15 und 19 fallende Einkünfte, die nach diesem Abkommen in der Schweiz und in Österreich besteuert werden dürfen, so rechnet Österreich auf die vom Einkommen dieser Person zu erhebende Steuer den Betrag an, der der in der Schweiz gezahlten Steuer entspricht; der anzurechnende Betrag darf jedoch den Teil der vor der Anrechnung ermittelten Steuer nicht übersteigen, der auf die aus der Schweiz bezogenen Einkünfte entfällt.

Im Beschwerdefall kann im Hinblick auf die gemeinsam mit der Ehegattin erworbene Wohnung in Feldkirch und die in der Schweiz angemietete Wohnung, wie in der Beschwerdevorentscheidung ausgeführt, kein Zweifel bestehen, dass der Beschwerdeführer sowohl in Österreich als auch in der Schweiz eine Wohnung und damit einen Wohnsitz hatte bzw. über eine "ständige Wohnstätte" im Sinne des Abkommens verfügte. Für die Zuordnung des Besteuerungsrechtes hinsichtlich der nichtselbständigen Einkünfte ist nach Art. 4 Abs. 2 DBA-Schweiz im nächsten Schritt somit zu prüfen, in welchem Staat der Beschwerdeführer den Mittelpunkt der Lebensinteressen hatte.

Die Frage, in welchem Staat ein Steuerpflichtiger den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hat, ist im Rahmen einer einzelfallbezogenen Gesamtabwägung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu beurteilen und hängt damit entscheidend von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. , mwN). Wirtschaftlichen Beziehungen kommt dabei in der Regel eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen. Unter letzteren sind all jene zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz innehat. Von Bedeutung sind dabei familiäre Bindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen, aber auch die Mitgliedschaft in Vereinen und andere soziale Engagements. Wirtschaftliche Bindungen gehen vor allem von örtlich gebundenen Tätigkeiten und von Vermögensgegenständen in Form von Einnahmequellen aus. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist durch eine zusammenfassende Wertung aller Umstände zu ermitteln. Entscheidend ist letztlich, welcher Vertragsstaat für die Person der bedeutungsvollere ist (vgl. , mwN, und , mwN).

Die stärkste persönliche Beziehung besteht im Regelfall zu dem Ort, an dem jemand regelmäßig mit seiner Familie lebt (vgl. , mwN). Diese Annahme setzt die Führung eines gemeinsamen Haushaltes sowie das Fehlen ausschlaggebender und stärkerer Bindungen zu einem anderen Ort, etwa aus beruflichen oder gesellschaftlichen Gründen voraus (vgl. , mwN).

Bei der Ermittlung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ist regelmäßig nicht nur auf die Verhältnisse eines Jahres, sondern auf einen längeren Beobachtungszeitraum abzustellen (vgl. ua. , mwN, und , mwN).

Im Beschwerdefall ergeben sich (wirtschaftliche) Anknüpfungspunkte zur Schweiz durch das von Mai 2012 bis Februar 2014 bestandene Dienstverhältnis mit einer schweizerischen Arbeitgeberin (vom bis war er bei einem liechtensteinischen Unternehmen angestellt), wobei er im hier interessierenden Zeitraum nur über befristete Arbeitsverträge und eine befristete, jeweils verlängerte Kurzaufenthaltsbewilligung verfügte, sowie in Form der Anmietung einer 76 m2 großen Wohnung in Basel. Als persönliche Beziehungen gab der Beschwerdeführer die Mitgliedschaft beim Verein der Österreicher und der International Group in Basel sowie den Besuch entsprechender Veranstaltungen bzw. die bessere Besuchsmöglichkeit seines in der Nähe von Amsterdam lebenden minderjährigen Sohnes an. Demgegenüber hat er in Österreich gemeinsam mit ***CD***, die er am geheiratet hatte, mit Kaufvertrag vom eine Wohnung in Feldkirch erworben, in der seine Gattin ab Jänner 2013 gelebt hat und wo sich der Beschwerdeführer zumindest wiederholt aufgehalten hat. Zudem lebten in Österreich, wie im Zuge der mündlichen Verhandlung ausgeführt, die Eltern des Beschwerdeführers, die er fallweise besucht hat, und ein engerer Freund.

Bei dieser Sachlage kann nach Überzeugung des Senates von einem im hier interessierenden Zeitraum in der Schweiz liegenden Mittelpunkt der Lebensinteressen nicht ausgegangen werden. Wirtschaftliche Anknüpfungspunkte bestanden sowohl zur Schweiz als auch zu Österreich. Die stärkeren persönlichen Beziehungen bestanden im Hinblick auf die in Österreich lebenden Eltern und vor allem die in Feldkirch in der gemeinsam erworbenen Wohnung lebende Ehegattin, die er erst im März 2012 geheiratet hatte, aber zu Österreich, zumal eine aufrechte Ehe nach allgemeiner Lebenserfahrung grundsätzlich gegen eine tatsächlich getrennte Lebensführung spricht und zudem keine konkreten persönlichen Beziehungen zur Schweiz aufgezeigt wurden. Die weder zahlen- noch zeitmäßig näher konkretisierten und auch in keiner Weise belegten Besuche von Vereinsveranstaltungen fallen in diesem Zusammenhang nicht ausschlaggebend ins Gewicht.

Auch wenn der Senat es als glaubhaft erachtet hat, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Tätigkeit viel auf Reisen war, seinen Sohn mehrfach in Amsterdam besucht hat und seine Ehegattin auch (verlängerte) Wochenenden bei ihm in Basel verbracht hat, wäre es gerade im Hinblick auf das sich dem Finanzamt ergebende Bild der Verhältnisse Sache des Beschwerdeführers gewesen, eine tatsächlich getrennte Haushaltsführung zu belegen und konkrete Nachweise für die im Zuge der mündlichen Verhandlung angeführten Reisetätigkeiten bzw. die angegebenen Besuchszahlen seinerseits in Feldkirch bzw. seiner Gattin in Basel vorzulegen. Mit dem Vorbringen, eine Nachweiserbringung sei nach so langer Zeit nicht mehr möglich, ist dabei nichts zu gewinnen. Nicht nur, dass der angefochtene Bescheid im Jänner 2017 ergangen ist, wurde der Beschwerdeführer vom Finanzamt aufgrund der am eingereichten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung bereits mit Vorhalt vom ua. ersucht, zum Mittelpunkt der Lebensinteressen in den Zeiträumen vor Juni 2014 bzw. nach September 2014 Stellung zu nehmen und diesen anhand geeigneter Unterlagen nachzuweisen bzw. mit weiterem Vorhalt vom ua. aufgefordert, zu erläutern, weshalb der Mittelpunkt der Lebensinteressen in der Schweiz liegen sollte, obwohl seine Lebensgefährtin (Ehegattin) in Österreich wohnhaft sei und anhand geeigneter Unterlagen anzugeben, wie oft er diese an ihrem Wohnsitz in Feldkirch besucht habe. Abgesehen von bloß allgemeinen Angaben wurden auch zu diesem Zeitpunkt keine Nachweise vorgelegt. Mit weiterem Vorhalt vom bzw. Erinnerungsschreiben vom wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass das Finanzamt von einem Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich ab Mai 2012 ausgehe und er daher ersucht werde, entsprechende Lohnausweise und Einkommensteuererklärungen abzugeben. Dazu hat die steuerliche Vertretung mit Schreiben vom Stellung genommen und mit Eingabe vom mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer keinen Wohnsitz in Österreich habe, den er auch benutze und in Österreich daher keine Einkünfte zu erklären seien, aber wiederum keine konkreten Nachweise vorgelegt. Zudem war für den Senat nicht erkennbar, inwieweit die vom Beschwerdeführer wiederholt angeführten Reisetätigkeiten und die Besuche seines Sohnes in Amsterdam, mit dem er sich enger verbunden gefühlt habe, als mit seiner Gattin, im Hinblick auf die damit einhergehenden Abwesenheiten für einen in der Schweiz liegenden Mittelpunkt der Lebensinteressen sprechen sollten.

Nachdem der Beschwerdeführer die beruflichen Reisen und die angegebenen Besuchszahlen weder in zeitlicher Hinsicht näher konkretisierte noch in irgendeiner Weise zu belegen vermochte, ist für den Senat letztlich im Dunkeln geblieben, wann und wie lange sich der Beschwerdeführer tatsächlich wo aufgehalten hat. Gesamthaft gesehen vermochte der durch die berufliche Tätigkeit bedingte, nur rd. zwei Jahre dauernde Aufenthalt in der Schweiz die stärkeren persönlichen Beziehungen zu Österreich gerade auch im Hinblick auf den im Zeitraum von 2011 bis 2014 erfolgten mehrfachen Wechsel von Arbeits- und/oder Wohnort somit nicht zu überlagern. Damit kann dem Finanzamt aber nicht entgegengetreten werden, wenn es von einem in Österreich liegenden Mittelpunkt der Lebensinteressen ausging und den Beschwerdeführer somit im gesamten Streitjahr als in Österreich ansässig behandelte.

Hinzu kommt, dass eine Person nach Art. 4 Abs. 2 lit. c DBA-Schweiz, wollte man davon ausgehen, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen und der gewöhnliche Aufenthalt im hier interessierenden Zeitraum aufgrund der nur vagen und durch keine entsprechenden Nachweise belegten Angaben nicht bestimmt werden kann, als in dem Vertragstaat ansässig gilt, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und das Besteuerungsrecht sohin auch unter diesem Gesichtspunkt Österreich zukäme.

Gesamthaft gesehen war der Beschwerde damit ein Erfolg zu versagen.

IV. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die im Beschwerdefall strittige Frage der für die Zuordnung des Besteuerungsrechtes maßgeblichen Ansässigkeit wurde auf Grundlage der im Erkenntnis angeführten höchstgerichtlichen Rechtsprechung sowie von nicht über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Sachverhaltsfeststellungen beurteilt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Artikel 133 Abs. 4 B-VG wird durch das vorliegende Erkenntnis somit nicht berührt. Eine (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 26 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 4 Abs. 2 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
§ 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise



ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.1100278.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at